Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers ohne Rechtsfehler abgeändert und den Kündigungsschutzanträgen stattgegeben.
A. Das Gegenteil folgt nicht daraus, dass die Berufung des Klägers unzulässig gewesen wäre. Es kann dahinstehen, ob er bei ihrer Einlegung in der R-S-Straße in M wohnhaft war. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (
BGH 1. April 2009 - XII
ZB 46/08 - Rn. 10; 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - zu II 1 der Gründe). Im Besonderen muss das Rechtsmittel einer Partei, die sich dagegen wendet, die Vorinstanz habe zu Unrecht Zweifel am angegebenen Wohnort gehegt, ohne Rücksicht darauf zulässig sein, ob diese Annahme gerechtfertigt ist (
vgl. BGH 29. September 2010 - XII ZR 41/09 - Rn. 7 zur Klärung der Frage, ob eine Prozesspartei existiert).
B. Beide Kündigungsschutzanträge sind zulässig und begründet.
I. Der Kläger hat zwei Kündigungsschutzanträge iSv.
§ 4 Satz 1 KSchG gestellt. Mit einem Hauptantrag wendet er sich gegen die außerordentliche, mit einem unechten Hilfsantrag gegen die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung.
II. Die Klage ist mit beiden Kündigungsschutzanträgen zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Ihr steht weder der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit aus § 261
Abs. 3
Nr. 1
ZPO noch der der materiellen Rechtskraft nach § 322
Abs. 1
ZPO entgegen.
aa) Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger nicht ein weiteres Mal einen der Streitgegenstände der rechtskräftig erfolgreichen Kündigungsschutzanträge aus dem früheren Verfahren. Der Streitgegenstand eines Antrags gemäß § 4 Satz 1
KSchG wird durch die jeweils angegriffene Kündigung bestimmt. Das sind nicht die im ersten Verfahren angegriffenen außerordentlichen Kündigungen vom 16. Juni 2011 und 11. Juli 2011 sowie die ordentliche Kündigung vom 28. Juli 2011, sondern die außerordentliche und die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10. Januar 2012. Der Umstand, dass den Kündigungsschutzanträgen im vorangegangen Verfahren rechtskräftig stattgegeben wurde, könnte allenfalls präjudizielle Wirkung dahin entfalten, dass die hier zur Entscheidung stehenden Anträge ohne Weiteres begründet sind, wenn feststünde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zu einem bestimmten Termin nicht aufgelöst wurde.
bb) Der allgemeine Feststellungsantrag nach § 256
Abs. 1
ZPO aus dem vorherigen Verfahren wurde mit Urteil des Arbeitsgerichts vom 22. März 2012 rechtskräftig als unzulässig abgewiesen, wodurch seine Rechtshängigkeit entfallen ist. Durch dieses Prozessurteil wurde nicht mit materieller Rechtskraft über den (Nicht-)Bestand des Arbeitsverhältnisses entschieden. Deshalb kann an dieser Stelle dahinstehen, ob zwischen dem allgemeinen Feststellungsantrag und den vorliegenden Kündigungsschutzanträgen Teilidentität bestand (
vgl. LKB/Linck
KSchG 16. Aufl. § 4 Rn. 146).
b) Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger entgegen § 253
Abs. 2
Nr. 1 und
Abs. 4
iVm. § 130
Nr. 1
ZPO seinen Wohnort nicht angegeben hat.
aa) Es kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klage zunächst unzulässig war, weil der Kläger "aus dem Verborgenen" prozessiert hat, ohne dass dafür - etwa, weil er sich der konkreten Gefahr einer Verhaftung ausgesetzt hätte (
vgl. BFH 19. Oktober 2000 - IV R 25/00 - zu I 1 c der Gründe, BFHE 193, 52) - ein schützenwertes Interesse bestand.
bb) Auch bedarf keiner Entscheidung, ob das Arbeitsgericht die von § 253
Abs. 4
iVm. § 130
Nr. 1
ZPO grundsätzlich geforderte Angabe eines Wohnorts - erst - im Kammertermin am 13. Juni 2013 als verspätet zurückweisen durfte. Allerdings ist zweifelhaft, ob die §§ 282, 296
ZPO iVm. § 46
Abs. 2
ArbGG insoweit Anwendung finden.
cc) Jedenfalls ist der Wohnort des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug unstreitig gewesen. Unstreitiges Vorbringen ist vom Berufungsgericht selbst dann zuzulassen, wenn es erstinstanzlich wirksam zurückgewiesen worden sein sollte (
vgl. ErfK/Koch 20. Aufl.
ArbGG § 67 Rn. 2).
c) Für die Zulässigkeit der beiden Klageanträge ist es ohne Bedeutung, dass der Kläger in der Frist des § 4 Satz 1
KSchG keinen Wohnort angegeben hat und bis zur rechtskräftigen Abweisung des im Vorverfahren erhobenen allgemeinen Feststellungsantrags anderweitige Rechtshängigkeit vorgelegen haben könnte. Sollte die außerordentliche Kündigung deshalb nach
§ 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 7 Halbs. 1
KSchG als wirksam gelten, hätte das Arbeitsgericht die Klage mit dem Hauptantrag als unbegründet abweisen müssen (
vgl. BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 163/14 - Rn. 16, BAGE 150, 234) und über den unechten Hilfsantrag gegen die ordentliche Kündigung nicht befinden dürfen.
2. Der Hauptantrag betreffend die außerordentliche Kündigung ist indes begründet.
a) Die außerordentliche Kündigung gilt nicht nach § 13
Abs. 1 Satz 2
iVm. § 7 Halbs. 1
KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat sie fristgerecht mit einer wirksamen, den Zwecken von § 4 Satz 1
KSchG genügenden Klage angegriffen.
aa) Weder der Zivilprozessordnung noch dem Wortlaut von § 4 Satz 1
KSchG ist zu entnehmen, dass lediglich eine von vornherein in allen Punkten dem Prozessrecht genügende Klageerhebung die Klagefrist wahrt (
vgl. BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - zu B II 3 c bb der Gründe, BAGE 52, 263). Vielmehr können auch unzulässige Klagen zur Fristwahrung ausreichen (für die Hemmung
bzw. Unterbrechung der Verjährung
vgl. BGH 9. Dezember 2010 - III ZR 56/10 - Rn. 13 f.; 17. November 1988 - III ZR 252/87 - zu II 2 b der Gründe). Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach § 253
ZPO und § 4 Satz 1
KSchG (
vgl. BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 262; 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 73, 30). Eine wirksame Klageerhebung liegt vor, wenn die Klage die sich aus § 253
ZPO ergebenden Mindestvoraussetzungen erfüllt (
vgl. BGH 17. März 2016 - III ZR 200/15 - Rn. 18 f.). Den Anforderungen von § 4 Satz 1
KSchG ist genügt, wenn die (wirksame) Klage dem Arbeitgeber fristgerecht Klarheit verschafft, ob der Arbeitnehmer eine bestimmte Kündigung hinnimmt oder ihre Unwirksamkeit gerichtlich geltend machen will. Erfüllt das prozessuale Vorgehen des Arbeitnehmers diesen Zweck, soll er nicht aus formalen Gründen den Kündigungsschutz verlieren (
vgl. BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 b cc der Gründe, aaO). Danach ist die Dreiwochenfrist, ohne dass es auf eine rückwirkende Heilung gemäß § 295
ZPO (
vgl. dazu
BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - aaO) oder eine nachträgliche Klagezulassung nach
§ 5 KSchG ankäme, von vornherein gewahrt, wenn die rechtzeitig eingereichte Klageschrift von einer postulationsfähigen Person unterzeichnet ist, die sie - als solche und nicht als bloßen Entwurf - verantwortet (§ 253
Abs. 4
iVm. § 130
Nr. 6
ZPO), und aus ihr die Parteien (§ 253
Abs. 2
Nr. 1
ZPO), die angefochtene Kündigung (§ 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO) sowie der Wille des Arbeitnehmers, die Unwirksamkeit dieser Kündigung gerichtlich feststellen zu lassen, ersichtlich sind (
vgl. BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 b cc der Gründe, aaO). Demgegenüber rechnen die in § 253
Abs. 4
iVm. § 130
Nr. 1 bis
Nr. 5
ZPO bestimmten Angaben weder zu den Mindestanforderungen an eine wirksame Klageerhebung (
vgl. Musielak/Voit/Foerste
ZPO 17. Aufl. § 253 Rn. 2) noch werden sie von § 4 Satz 1
KSchG verlangt (für die Hemmung der Verjährung
vgl. Staudinger/Peters/Jacoby (2019) § 204 Rn. 29).
bb) Danach hat der Kläger die Frist des § 4 Satz 1
KSchG gewahrt.
(1) Zum einen ist es unschädlich, dass er die Klage zu einem Zeitpunkt erhoben hat, als ihm die sicher zu erwartenden Kündigungen tatsächlich noch nicht zugegangen waren. Der Kläger hat sie gleichwohl schon in der Klageschrift ausreichend iSv. § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO individualisiert, indem er auf die Entscheidung des Integrationsamts mit Aktenzeichen und den erfolglosen Zustellversuch der Beklagten am 10. Januar 2012 Bezug genommen hat. Daneben spielt es keine Rolle, dass die Kündigungen nach seiner Mutmaßung auf den 9. Januar 2012 datiert waren. Vielmehr hätte die Klage noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist der tatsächlichen Datierung des Schreibens auf den 10. Januar 2012 angepasst werden können (
vgl. BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 b cc (1) der Gründe, BAGE 73, 30). Allerdings fiel die am 28. Februar 2012 vorgenommene Korrektur ohnehin in die noch laufende Klagefrist, weil der tatsächlich erst am 20. Februar 2012 erfolgte Zugang der streitbefangenen Kündigungen nicht auf den 10. Januar 2012 zurück zu fingieren ist (Rn. 46).
(2) Zum anderen schadet es nicht, dass der Kläger in der Klagefrist seinen Wohnort nicht angegeben hat. Seine Identität stand gleichwohl zweifelsfrei fest; der Vorschrift des § 253
Abs. 2
Nr. 1
ZPO war insoweit Genüge getan (
vgl. BGH 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87 - zu 2 der Gründe, BGHZ 102, 332). Damit lag eine wirksame Klageerhebung vor. Trotz des Schwebezustands betreffend die Zulässigkeit der Klage im Übrigen war für das Gericht und die Beklagte auch mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar, dass der Kläger eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der angegriffenen Kündigungen begehrt (
vgl. BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - zu B II 3 c bb der Gründe, BAGE 52, 263 für die rückwirkende Heilung eines Unterschriftsmangels nach § 295
ZPO).
(3) Schließlich kann dahinstehen, ob eine Klage auch dann die Vorgaben von § 4 Satz 1
KSchG wahrt, wenn ihr für die gesamte Dauer der Klagefrist das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261
Abs. 3
Nr. 1
ZPO entgegensteht, und ob
ggf. schon die Erstklage zur endgültigen Wahrung der Klagefrist ausreicht. Hier lag von Anfang an kein solcher Fall vor. Die streitbefangenen Kündigungen waren zwar vom Streitgegenstand des allgemeinen Feststellungsantrags aus dem vorangegangenen Verfahren erfasst. Des Weiteren liegt in der bloßen Erhebung einer Kündigungsschutzklage richtigerweise nur dann eine gemäß § 264
Nr. 2
ZPO stets zulässige Beschränkung eines "Schleppnetzantrags", wenn beide Anträge - wie in dem Fall des Senats vom 7. Dezember 1995 (- 2 AZR 772/94 - zu III 2 b der Gründe, BAGE 81, 371) - im selben Rechtsstreit angebracht werden (
vgl. LKB/Linck
KSchG 16. Aufl. § 4 Rn. 146). Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit als spezielle Ausprägung des Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses greift aber nicht durch, wenn das Rechtschutzziel der späteren Klage über das der ersten hinausgeht (
vgl. BGH 4. Juli 2013 - VII ZR 52/12 - Rn. 10 für eine positive Feststellungsklage und eine nachfolgende Leistungsklage). So liegt es im Verhältnis eines Kündigungsschutzantrags zu einer früheren allgemeinen Feststellungsklage. § 4 Satz 1
KSchG verlangt eine auf die konkrete Kündigung bezogene punktuelle Klage. Daneben kann der Arbeitnehmer nur auf der Grundlage einer solchen mit einem auf die betreffende Kündigung bezogenen Auflösungsantrag gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG durchdringen.
b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die (bevorstehende) Strafhaft des Klägers habe keinen wichtigen Grund iSv. § 626
Abs. 1
BGB für eine außerordentliche fristlose Kündigung gebildet. Gegen diese Annahme wendet die Revision sich nicht. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen (zur Möglichkeit und den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses wegen haftbedingter Abwesenheit
vgl. BAG 22. Oktober 2015 -
2 AZR 381/14 - Rn. 15, BAGE 153, 102).
3. Der Hilfsantrag gegen die ordentliche Kündigung ist ebenfalls begründet.
a) Die ordentliche Kündigung gilt nicht nach § 7 Halbs. 1
KSchG als rechtswirksam. Der Kläger hat auch sie fristgerecht mit einer ausreichenden Klage iSv. § 4 Satz 1
KSchG angegriffen (Rn. 20
ff.). Der unechte Hilfsantrag war auflösend bedingt (
vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 19, BAGE 146, 353).
b) Die ordentliche Kündigung ist unwirksam, weil sie dem Kläger nicht innerhalb der Frist des
§ 88 Abs. 3 SGB IX aF zugegangen ist.
aa) Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, kann der Arbeitgeber sie gemäß § 88
Abs. 3
SGB IX aF nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des die Zustimmung enthaltenden Bescheids erklären. Die in dieser Vorschrift bestimmte Kündigungserklärungsfrist ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Ihr sachlicher Regelungsgehalt besteht in einer zeitlich beschränkten Aufhebung der gesetzlichen Kündigungssperre. Der Arbeitgeber erhält eine befristete Erlaubnis, die beabsichtigte ordentliche Kündigung auszusprechen (
BAG 24. November 2011 -
2 AZR 429/10 - Rn. 26, BAGE 140, 47).
bb) Maßgeblich für die Wahrung der Vollzugsfrist ist trotz des missverständlichen Wortlauts von § 88
Abs. 3
SGB IX aF der Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer gemäß § 130
BGB. Dieser soll innerhalb der Monatsfrist Kenntnis davon erlangen, ob die Kündigung erfolgt ist oder der Arbeitgeber von ihr Abstand genommen hat (
vgl. BAG 11. Juni 2020 -
2 AZR 442/19 - Rn. 22 zu
§ 174 Abs. 5 SGB IX; 19. April 2012 -
2 AZR 118/11 - Rn. 17 zu
§ 91 Abs. 5 SGB IX aF). Wird die Frist nicht gewahrt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand selbst bei schuldloser Fristversäumnis nicht in Betracht (
BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 26, BAGE 140, 47).
cc) Der Arbeitnehmer kann sich aber nach Treu und Glauben (§ 242
BGB) nicht auf den verspäteten Zugang der Kündigung berufen, wenn er die Überschreitung der Monatsfrist selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Arbeitgeber diese gewahrt. Ob das der Fall ist, richtet sich nach den für die Zugangsvereitelung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen. Danach muss derjenige, der aufgrund bestehender vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, geeignete Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen. Tut er dies nicht, wird darin vielfach ein Verstoß gegen die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluss eines Vertrags begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber dem anderen Vertragsteil liegen. Selbst bei schweren Sorgfaltsverstößen kann der Adressat nach Treu und Glauben regelmäßig aber nur so behandelt werden, als habe ihn die Willenserklärung erreicht, wenn der Erklärende alles ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung zum Adressaten gelangen konnte (
vgl. BAG 22. September 2005 -
2 AZR 366/04 - zu II 2 a der Gründe). Dazu gehört in der Regel, dass er nach Kenntnis von einem fehlgeschlagenen Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, seine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne Weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist. Dies folgt daraus, dass eine empfangsbedürftige Willenserklärung Rechtsfolgen grundsätzlich erst auslöst, wenn sie zugegangen ist. Welcher Art dieser erneute Versuch des Erklärenden sein muss, hängt von den konkreten Umständen wie den örtlichen Verhältnissen, dem bisherigen Verhalten des Adressaten, den Möglichkeiten des Erklärenden sowie der Bedeutung der abgegebenen Erklärung ab und kann nicht allgemein entschieden werden. Ein wiederholter Zustellversuch ist allerdings nicht mehr sinnvoll und deshalb ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Empfänger die Annahme grundlos verweigert oder den Zugang arglistig vereitelt (
BGH 26. November 1997 - VIII ZR 22/97 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 137, 205). Dann greift statt einer bloßen Rechtzeitigkeits- eine Zugangsfiktion (
vgl. BeckOGK/Gomille Stand 1. April 2020
BGB § 130 Rn. 111
ff.).
dd) Ob der Arbeitgeber nach den konkreten Umständen alles Zumutbare unternommen hat, damit seine Erklärung den Arbeitnehmer erreichen konnte, unterliegt im Revisionsverfahren einer bloß eingeschränkten Nachprüfung. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung des Berufungsgerichts regelmäßig nur darauf überprüfen, ob das Gericht die Rechtsbegriffe verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensfehler unterlaufen sind und ob es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (
vgl. BAG 11. Juni 2020 - 2 AZR 442/19 - Rn. 43;
BGH 9. Juni 2009 - Xa ZR 74/08 - Rn. 16; 24. Januar 2008 - VII ZR 17/07 - Rn. 19 zur Frage der Unverzüglichkeit iSv. § 174
Abs. 5
SGB IX bzw. § 121
Abs. 1 Satz 1
BGB).
ee) Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, die Beklagte habe die ordentliche Kündigung nicht in der bis einschließlich 9. Februar 2012 laufenden Frist des § 88
Abs. 3
SGB IX aF erklärt.
(1) Die Kündigung ist dem Kläger tatsächlich erst am 20. Februar 2012 zugegangen.
(2) Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Zugang könne nicht auf den 10. Januar 2012 zurück fingiert werden, weil die Beklagte nach dem gescheiterten Zustellversuch an diesem Tag nicht unverzüglich alles ihr Zumutbare unternommen habe, um dem Kläger die Kündigung doch zugehen zu lassen, ist frei von revisiblen Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat alle Umstände des Falls in den Blick genommen und dabei die beiderseitigen Interessen der Parteien angemessen berücksichtigt.
(a) Entgegen der Auffassung der Revision hätte die Beklagte die ordentliche Kündigung dem Prozessbevollmächtigten des Klägers übermitteln können. Dieser hatte im Vorverfahren eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256
Abs. 1
ZPO erhoben. Aufgrund der ihm dazu erteilten Vollmacht war er jedenfalls im Zeitraum vom Zugang der Entscheidung des Integrationsamts bis zur Anbringung der vorliegenden Klage durch den Kläger persönlich am 27. Januar 2012 zum Empfang der Kündigung befugt.
(b) Eine Prozessvollmacht ermächtigt gemäß § 81
ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Dies sind nach ständiger Rechtsprechung auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, die sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits beziehen, weil sie zur Rechtsverfolgung innerhalb des Prozessziels oder zur Rechtsverteidigung dienen. Solche Erklärungen sind von der Prozessvollmacht umfasst, auch wenn sie außerhalb des Prozesses abgegeben werden. Im gleichen Umfang, in dem die Vollmacht zur Vornahme von Prozesshandlungen berechtigt, ist der Bevollmächtigte auch befugt, Prozesshandlungen des Gerichts oder des Gegners entgegenzunehmen. Bei der Abgabe einer Kündigungserklärung, die im Fall ihrer Wirksamkeit die gemäß § 256
Abs. 1
ZPO vom Arbeitnehmer erstrebte Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen hinderte und deshalb zur Abwehr seines Feststellungsbegehrens durch den Arbeitgeber dient, handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs um eine solche "Prozesshandlung" (
vgl. BAG 27. Oktober 1988 - 2 AZR 160/88 - zu II 1 a der Gründe; 20. Mai 1988 - 2 AZR 739/87 - zu II 7 der Gründe; 21. Januar 1988 - 2 AZR 581/86 - zu B II 2 d der Gründe, BAGE 57, 231; sh. auch
BAG 10. August 1977 - 5 AZR 394/76 - zu I 1 a aa der Gründe;
BGH 18. Dezember 2002 - VIII ZR 72/02 - zu II 2 a der Gründe; 18. Dezember 2002 - VIII ZR 141/02 - zu II 2 a der Gründe; ebenso bereits RG 20. Dezember 1902 - V 321/02 - RGZ 53, 212; 18. Februar 1902 - III 424/01 - RGZ 50, 426; 4. Juni 1901 - II 127/01 - RGZ 48, 218; 22. Januar 1901 - V 426/01 - RGZ 50, 138).
(c) Für die danach bestehende Ermächtigung des Klägervertreters zur Entgegennahme von weiteren Kündigungen ist es ohne Belang, dass das frühere Verfahren seinerzeit beim Arbeitsgericht anhängig war. Es kann unterstellt werden, dass die Prozessvollmacht im Parteiprozess (§ 11
Abs. 1 Satz 1
ArbGG) auf die Abgabe von Willenserklärungen beschränkt und deren Empfang ausgeschlossen werden kann (§ 83
Abs. 2
ZPO). Im Zweifel wird die Vollmacht nach §§ 81, 82
ZPO unbeschränkt erteilt (Musielak/Voit/Weth
ZPO 17. Aufl. § 83 Rn. 3). Es ist weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt noch von der Beklagten behauptet, dass die Prozessvollmacht des Klägervertreters im ersten Verfahren anfänglich beschränkt war.
(d) Die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts, von der Beklagten habe nach dem erfolglosen Zugangsversuch an der vom Kläger angegebenen Postfachadresse eine Zustellung an dessen Prozessbevollmächtigten erwartet werden können, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte war von einer anderen Kammer des Berufungsgerichts mit Urteil vom 24. Juni 2010 (- 11 Sa 119/10 -) im Zusammenhang mit früheren gescheiterten Zugangsversuchen ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Sie hat sich mit Anwaltsschreiben vom 11. Januar 2012 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gewandt und ihn unter Fristsetzung bis zum 12. Januar 2012 gebeten zu bestätigen, dass er nicht bevollmächtigt sei, an den Kläger gerichtete Kündigungen entgegenzunehmen. Eine entsprechende Erklärung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht abgegeben. Hierzu musste er sich der Beklagten gegenüber auch nicht erklären. Diese hätte vielmehr die beabsichtigte ordentliche Kündigung - ausgehend von der vorstehend dargestellten Rechtslage - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auch ohne Rückfrage zustellen müssen, wenn deren Zugang auf den 10. Januar 2012 hätte zurückbezogen werden sollen.
(e) Von dieser Obliegenheit war die Beklagte nicht entbunden, weil sie unmittelbar nach dem gescheiterten Zugangsversuch am 10. Januar 2012 die öffentliche Zustellung vorbereitet und sie am 26. Januar 2012 beim Amtsgericht beantragt haben will. Die Voraussetzungen für die ihrerseits eine bloße Fiktion (§ 188
ZPO) begründende öffentliche Zustellung lagen - zumindest zunächst - nicht vor. Sie soll nur erfolgen, wenn ein "echter" Zugang praktisch unmöglich ist (Jauernig/Mansel
BGB 17. Aufl. § 132 Rn. 3). Der Antrag darf nach § 132
Abs. 2
BGB lediglich bewilligt werden, wenn der Aufenthalt des Erklärungsempfängers unbekannt ist. Dieses Erfordernis ist so zu verstehen wie in § 185
Abs. 1
Nr. 1
ZPO (
allg. Ansicht,
vgl. Staudinger/Singer/Benedict (2017) § 132 Rn. 9 mwN). Deshalb war eine öffentliche Zustellung ausgeschlossen, solange - wie im Streitfall wenigstens bis zur Anhängigkeit der vorliegenden Klage am 27. Januar 2012 - eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten möglich war.
(3) Es kann dahinstehen, ob der Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen ordentlichen Kündigung aufgrund des Betreibens der öffentlichen Zustellung durch die Beklagte zwar nicht auf den 10. Januar 2012, aber auf einen späteren Zeitpunkt vor Ablauf des 9. Februar 2012 fingiert werden könnte, wenn die Empfangsvollmacht des Prozessbevollmächtigten des Klägers noch in der Kündigungserklärungsfrist des § 88
Abs. 3
SGB IX aF entfallen und damit die Voraussetzungen von § 185
Abs. 1
Nr. 1
ZPO eingetreten wären. Dies war nicht der Fall.
(a) Die Anhängigkeit
bzw. Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage am 27. Januar 2012
bzw. 6. Februar 2012 hat für sich genommen nicht zu einer Beschränkung der Streitgegenstände aus dem Vorverfahren gemäß § 264
Nr. 2
ZPO und damit der Empfangsvollmacht des Prozessbevollmächtigten des Klägers geführt. Vielmehr hätte es dafür einer entsprechenden Erklärung im dortigen Rechtsstreit bedurft (Rn. 35). Eine solche ist vom Landesarbeitsgericht für die hier allein interessierende Zeit bis zum 9. Februar 2012 nicht festgestellt worden. Ebenso hat die Beklagte keinen entsprechenden Vortrag gehalten. Dass der allgemeine Feststellungsantrag im vorangegangenen Verfahren durch die Erhebung der vorliegenden Kündigungsschutzklage - teilweise - unzulässig geworden sein könnte, veränderte seinen Streitgegenstand nicht.
(b) Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, dass der Kläger den Geschäftsbesorgungsvertrag mit seinem Rechtsanwalt betreffend den Vorprozess gekündigt oder die diesbezügliche Prozessvollmacht isoliert widerrufen und dies zumindest der Beklagten iSv. § 87
Abs. 1 Halbs. 1
ZPO angezeigt hätte.
(c) Zwar kann nach § 83
Abs. 2
ZPO eine Prozessvollmacht im Parteiprozess - auch erst in dessen Lauf - beliebig mit Wirkung für das Außenverhältnis beschränkt und deshalb möglicherweise auch auf die Abgabe von materiell-rechtlichen Willenserklärungen begrenzt werden (Rn. 49). Voraussetzung wäre allerdings, dass die - nachträgliche - Beschränkung dem Gericht und dem Gegner gegenüber unzweideutig zum Ausdruck gebracht wird (
BGH 12. März 2019 - VI ZR 277/18 - Rn. 13 f.). Im Streitfall ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich, dass der Beklagten und dem Gericht des Vorprozesses in der gebotenen Eindeutigkeit mitgeteilt worden wäre, der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei zum Empfang der - weiter vom allgemeinen Feststellungsantrag erfassten - Kündigung nicht mehr berechtigt. Solches folgt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, insbes. nicht daraus, dass der Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 2012 an das Integrationsamt mitgeteilt hat, sein Anwalt sei für das behördliche Zustimmungs- und Widerspruchsverfahren nicht bevollmächtigt.
C. Die Beklagte hat nach § 97
Abs. 1
ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.