Sprungnavigation Tastaturkurzbefehle

Suche und Service

Urteil
Formelle Rechtmäßigkeit eines Zustimmunsgbescheids zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers mit Behinderung

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen 12. Senat


Aktenzeichen:

12 A 2926/20


Urteil vom:

22.02.2023


Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Rechtsweg:

VG Arnsberg, Urteil vom 15.09.2020 - 11 K 2965/19

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht dargelegt bzw. liegt nicht vor.

Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen. Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.

Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der angefochtene Zustimmungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 2019 zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beigeladenen sei verfahrensfehlerfrei ergangen. Insoweit rügt sie, es sei nicht zu erkennen, dass der Bescheid von dem ordnungsgemäß Beauftragten des Behördenleiters unterzeichnet sei, und verweist dazu auf § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt "die Unterschrift des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten" müsse. Dieser Einwand verfängt nicht. Die Klägerin gibt den Wortlaut der Vorschrift unvollständig wieder. § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW stellt auf die Unterschrift oder die Namenswiedergabe der benannten Zeichnungsberechtigten ab. Während unter einer Unterschrift die eigenhändige Unterzeichnung mit dem eigenen Namen zu verstehen ist, erfolgt die Namenswiedergabe in der Regel maschinenschriftlich, sie kann aber auch faksimiliert, mit einem Stempel mit dem Schriftzug oder in Druckschrift gestempelt oder auch gedruckt sein.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 1997 - 1 B 129.96 -, juris Rn. 9, m. w. N.

Dass die Anforderungen an eine solche Wiedergabe des Namens der Zeichnungsberechtigten im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, wird von der Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht zu erkennen.

Der weitere Vortrag der Klägerin dazu, dass der Beklagte den Sachverhalt entgegen der Auffassung des Gerichts nicht richtig dargestellt und seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt habe, greift ebenfalls nicht durch.

Nach § 114 VwGO ist eine Ermessensentscheidung - wie die hier im Streit stehende Entscheidung über die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Hierzu gehört die Kontrolle, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle nach Sinn und Zweck des Gesetzes wesentlichen Gesichtspunkte eingestellt hat, ob sie dabei von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob das Ergebnis ihrer Entscheidung auf Grund der vorzunehmenden Gewichtung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sachgerecht ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. November 2003 - 12 A 750/01 -, juris Rn. 33.

Hat - wie hier - ein Vorverfahren stattgefunden, so ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, Gegenstand der Anfechtungsklage. Maßgebend sind der Inhalt und die Begründung, die der Ausgangsbescheid durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Erst der Widerspruchsbescheid gibt dem Verwaltungsakt die für die gerichtliche Kontrolle maßgebliche Gestalt und Begründung, insbesondere bei Ermessenserwägungen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - 12 A 2365/09 -, juris Rn. 4.

Die Klägerin zeigt mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht auf, dass die aus der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2019 hervorgehenden Ermessenserwägungen des Widerspruchsausschusses des Beklagten nach dem dargelegten rechtlichen Maßstab entgegen der Würdigung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sind.

Der auf die zugrunde gelegte Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses bezogene Einwand der Klägerin, es sei "auch das Verhalten des Arbeitgebers mit einzubeziehen", geht daran vorbei, dass der Widerspruchsausschuss die festgestellte Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber in ihren Ursachen keineswegs einseitig ausschließlich der Klägerin angelastet hat. So heißt es in der Begründung des Widerspruchsbescheides (S. 12 f.) etwa, es werde auch gesehen, dass die Klägerin "in der Gewissheit, auf Missstände aufmerksam machen zu müssen, das Geschäftsgebaren ihres Arbeitgebers offenlegte und zuständigen Stellen Informationen weiter gab, möglicherweise ohne böse Absicht handelte". Weiter wird dazu ausgeführt, das Arbeitsgericht habe inzwischen festgestellt, dass die Klägerin "unter Umständen nicht unberechtigt die Geschäftspraktiken ihres Arbeitgebers kritisch hinterfragt, ihn vergeblich darauf angesprochen und zuständige Stellen darüber informiert hat". Daran anknüpfend hat der Widerspruchsausschuss angenommen, das Verhalten der Klägerin habe aber "nachvollziehbar zur Konsequenz" gehabt, "dass das für ein Arbeitsverhältnis unverzichtbare Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Parteien zerstört ist"; es fehle "inzwischen jegliche Vertrauensbasis, die besonders im Falle eines Kleinbetriebes [...] unbedingt notwendig" sei. Diese Wertung ist auch im Lichte des Zulassungsvorbringens der Klägerin nicht zu beanstanden.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei der Ermessensentscheidung über die Zustimmung zur Kündigung sei unberücksichtigt geblieben, dass der Beigeladene es entgegen § 167 Abs. 1 SGB IX unterlassen habe, ein Präventionsverfahren beim Integrationsamt einzuleiten.

Die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes. Es kann jedoch bei der Ermessensentscheidung über die Zustimmung zur Kündigung und unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegebenenfalls zulasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen sein, wenn bei gehöriger Durchführung des Präventionsverfahrens die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2013 - 5 B 47.13 -, juris Rn. 12; OVG Saarland, Beschluss vom 15. Juli 2021 - 2 A 42/21 -, juris Rn. 16.

Dass ein Präventionsverfahren hier zu einer Vermeidung der Kündigung hätte führen können, erscheint angesichts der festgestellten Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses fernliegend und wird auch von der Klägerin nicht dargetan.

Die Rüge der Klägerin, das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des beschließenden Gerichts vom 23. Januar 1992 - 13 A 297/91 -, juris, befasse sich "mit einem gänzlich anderen Sachverhalt als dem hier vorliegenden" und sei "deshalb so nicht zu übertragen", führt gleichfalls nicht auf ernstliche Richtigkeitszweifel. Das Verwaltungsgericht hat der herangezogenen Entscheidung die allgemein gehaltene Aussage entnommen, es unterliege der freien unternehmerischen Entscheidung, den Betrieb den eigenen Vorstellungen nach zu organisieren und die auf den Inhaber eines bestimmten Arbeitsplatzes entfallenden Aufgaben auf andere Arbeitnehmer zu übertragen (S. 11 des Urteils). Allein aus der von der Klägerin hervorgehobenen Unterschiedlichkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte erschließt sich angesichts des grundsätzlichen Charakters der in Rede stehenden Annahme nicht, dass sie im vorliegenden Fall nicht tragfähig ist. Zudem geht die Klägerin nicht auf die weiteren Erwägungen des Widerspruchsausschusses zu dem betriebsbedingten Kündigungsgrund ein; auf die Begründung des Widerspruchsbescheides hat das Verwaltungsgericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen (S. 12 des Urteils).

Schließlich dringt die Klägerin auch nicht durch mit ihrem Einwand, der Beklagte hätte bei seiner Entscheidung das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot des § 612a BGB berücksichtigen müssen. Sie zeigt schon nicht in einer den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechenden Weise auf, dass der Beigeladene bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung zu ihren Lasten gegen die besagte Vorschrift verstoßen hat.

Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Auch eine Kündigung kann eine Maßnahme in diesem Sinne sein. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt indes nur vor, wenn die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen.

Vgl. BAG, Urteil vom 20. Mai 2021 - 2 AZR 560/20 -, juris Rn. 26, m. w. N.

Daran gemessen legt die Klägerin einen Verstoß gegen § 612a BGB nicht ansatzweise dar, indem sie lediglich darauf verweist, bereits das Arbeitsgericht Siegen habe in seinem Urteil vom 12. Dezember 2019 - 2 Ca 921/18 - ausgeführt, dass sie in zulässiger Weise Rechte wahrgenommen habe und ihre Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar gewesen sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser dem Zulassungsantrag der Klägerin durch einen eigenen Sachantrag entgegengetreten ist und sich hierdurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Referenznummer:

R/R9635


Informationsstand: 25.09.2023