Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG im Ergebnis den Bescheid vom 11.05. 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2004 teilweise aufgehoben und die Beklagte über die Zusage der Kostenübernahme für die Standardprothese hinaus zur Gewährung der streitgegenständlichen Unterarmprothese mit Silikonhandschuh verurteilt. Wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers war aber der Tenor des Urteils des SG zu korrigieren.
Nach
§ 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52
SGB V). Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach
§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27
Abs. 1 Satz 2
Nr. 3
SGB V u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln.
Versicherte haben gemäß
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34
Abs. 4 Satz 1
SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischem Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben.
Nach
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt eine Behinderung vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Eine Behinderung droht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist, § 2
Abs. 1 Satz 2
SGB IX. Der aufgrund einer Störung der Extremitätenentwicklung fehlende Unterarm stellt eine solche Behinderung der Klägerin dar, denn der Zustand ist nicht alterstypisch und beeinträchtigt das Leben in der Gesellschaft. Das vorliegend begehrte Hilfsmittel kommt in Betracht, um eine solche Behinderung auszugleichen.
Ziel der Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln ist gemäß
§ 1 Satz 1 SGB IX die Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Im Rahmen dieser für alle behinderten Menschen geltenden Bestimmungen ist die gesetzliche Krankenversicherung allerdings nur innerhalb ihres Aufgabengebietes - Krankenhilfe und medizinische Rehabilitation - und unter ihren besonderen Voraussetzungen (
§ 7 SGB IX) zur Gewährung von Hilfsmitteln verpflichtet. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Versorgung mit Hilfsmitteln nur dann, wenn sie der Sicherstellung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dient (
BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az.:
B 3 KR 68/01 R). Dazu gehören - wie bereits vom SG zutreffend dargestellt - zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens ( Schulwissen) umfasst. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll. Dabei ist auf den sogenannten Basisausgleich abzustellen (
vgl. BSG, Urteil vom 16.09. 1999,
B 3 KR 8/98 R).
Die Frage, welche Qualität und Ausstattung ein Hilfsmittel haben muss, um als geeignete, notwendige, aber auch ausreichende Versorgung des Versicherten im Sinne von
§ 2 Abs. 4,
§ 12 Abs. 1,
§ 33 Abs. 1 SGB V gelten zu können, beantwortet sich nach der Rechtsprechung des
BSG danach, welchem konkreten Zweck die Versorgung im Einzelfall dient. Soll ein Hilfsmittel die Ausübung einer beeinträchtigten Körperfunktion unmittelbar ermöglichen, ersetzen oder erleichtern
(z. B. Prothesen), ist grundsätzlich ein Hilfsmittel zu gewähren, das die ausgefallene
bzw. gestörte Funktion möglichst weitgehend kompensiert, also den umfassendsten Gebrauchsvorteil bietet (
BSG, Urteil vom 23.07.2002,
B 3 KR 66/01 R; so im Ergebnis auch
BSG, Urteil vom 16.09.1999, B 3 KR 8/98 R) . Geht es hingegen um einen Ausgleich ohne Verbesserung elementarer Körperfunktionen allein zur Befriedigung eines sonstigen allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens
(z. B. Kommunikation, Schaffung eines geistigen und körperlichen Freiraums, selbständiges Wohnen, Bewegung im Nahbereich der Wohnung, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben), bemisst sich nach diesen Grundsätzen der Umfang der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht nach dem technisch Machbaren
(
BSG, Urteil vom 23.7.2002 aaO.).
Vorliegend steht nach diesen Maßstäben und nach umfassender Beweiswürdigung entgegen der Auffassung der Beklagten fest, dass die streitgegenständliche Silikonprothese in solchem Umfang die Greif- und Haltefunktion der linken Hand und damit - unabhängig von
evtl. Einzelvorteilen im Bereich Sport, Ästhetik und Beruf - Grundbedürfnisse des täglichen Lebens teilweise ausgleicht oder zumindest erleichtert, dass die ausgefallene
bzw. gestörte Funktion weitgehend kompensiert und der umfassendste Gebrauchsvorteil erzielt wird.
Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat durch Auswertung des Gutachtens von
Dr. Ip. und seiner ergänzenden Stellungnahme, ohne im Ergebnis diesem Gutachten zu folgen, sowie nach der Demonstration der Gebrauchsvorteile durch die Klägerin vor dem Senat. Berücksichtigt man daneben noch die konkrete Vorgeschichte, nämlich die bereits erfolgte Versorgung der Klägerin mit einer Silikon-Unterarmprothese durch die Beklagte im Jahr 2001, sind die deutlichen Gebrauchsvorteile einer solchen Prothese nicht von der Hand zu weisen.
Im Gutachten vom 22.8.2005 führte
Dr. Ip. im Wesentlichen aus, seit 1994 werde die Klägerin mit einer Standardprothese versorgt und seit 2001 mit einer solchen aus Silikon-Überzug. Mittlerweile sei nach Angaben der Klägerin ein Verschleiß festzustellen und kein Wechsel möglich. Mit der Prothese könne sie nach eigenen Angaben Töpfe halten, Fahrrad fahren, schwimmen gehen und reiten. Sie könne Ordner abstützen und halten und blättern und mit Hilfe der Prothese Schnürsenkel binden sowie feinmotorische Tätigkeiten durchführen und den Haushalt alleine führen. Sie habe den Vergleich zu einer Standardprothese; mit der sei sie nicht in der Lage gewesen, die genannten Tätigkeiten zu verrichten, die Oberfläche sei viel zu glatt, Töpfe könne sie damit nicht richtig halten und Gegenstände rutschten weg. Auch komme es bei einer Standardprothese zu einer schnellen Verfärbung. Diese sei auch nicht wärmebeständig und habe einen erhöhten Reinigungsbedarf. Sie müsse repräsentieren und habe eine bessere Akzeptanz mit einem Silikonarm, weil man auf den ersten Blick nicht sehe, dass der Unterarm fehle. Seit Juli 2001 sei sie bei der
Fa. V. & B. im Marktservice tätig. Sie treibe in der Freizeit viel Sport.
Dr. Ip. führte weiter aus, die vorhandene Prothese passe gut. Sie bestehe aus Silikon mit einer bestimmten Technik, die ein schnelles selbstständiges Anlegen und Ablegen gewährleiste. Die Farbe sei verblasst und die Gefäßzeichnung nicht zu erkennen. Die Prothese verfüge nicht über mechanische Effekte.
Die Klägerin könne sie flüssig anziehen und ausziehen und auch eine Schleife binden, wobei die Prothese zum Gegenhalten benutzt werde. Mit der vorhandenen Prothese sei ein Öffnen und Schließen der Hand nicht möglich und die Funktion beschränke sich auf ein einfaches Gegenhalten, was auch durch einen Schmuckarm aus Gießharz erfüllt werde. Geringe Vorteile zeige die Oberflächenbeschaffenheit des Silikons mit höherer Reibungskraft, so dass das Abrutschen von Gegenständen besser vermieden werden könne. Dieser Vorteil sei gegenüber einem Schmuckarm aus Gießharz aber nicht als erheblich einzustufen. Hinzu komme, dass die Klägerin bereits seit 2001 mit einem Silikonarm versorgt sei und sich dadurch an den Gebrauchsvorteil gewöhnt habe. Eine Umstellung würde ihr den täglichen Gebrauch der Prothese erschweren. Die berufliche Tätigkeit erfordere aus medizinischer Sicht keinen Silikonunterarm; sie könne genauso gut mit einer Gießharzprothese versorgt werden. Der kosmetische Aspekt stehe bei der Klägerin eindeutig im Vordergrund. Die Behauptung der Beklagten treffe zu, nach der das Grundgerüst bei den Prothesen aus den gleichen Komponenten bestehe und die Mehrkosten durch den Handschuh zur kosmetischen Armprothese mit Unterarm-Überzug und Materialzuschlag resultierten.
In seiner Ergänzung vom 23.11.2005 schrieb der Gutachter, er habe die Rutschfestigkeit als Gebrauchsvorteil berücksichtigt und die Hitzebeständigkeit habe außer bei geringen täglichen Verrichtungen wie Tragen und Heben eines Topfes nur wenig Bedeutung. Auch ein Schmuckarm in herkömmlicher Technik könne durch Überziehen eines Schutzhandschuhes präpariert werden, damit eine gewisse Hitzebeständigkeit erzielt werden könne, Gleiches gelte für die berücksichtigte Rutschfestigkeit. Die Schmutzunempfindlichkeit sei wohl auch kein wesentlicher Gebrauchsvorteil, da in der neuen Bürotechnik ein Kontakt zu Farbe und Schwärze minimal sei. Außerdem habe er Gebrauchsvorteile einer Silikonprothese nicht vollständig abgelehnt. Diese seien aber nur leicht. Zur rechtlichen Fragestellung könne er als Mediziner keine Stellung nehmen.
Der Senat folgt diesen Ausführungen insoweit, als der Gutachter Gebrauchsvorteile im täglichen Leben beschrieben hat. Er teilt aber nach der Demonstration der Klägerin, die bereits vor dem SG die Benutzung des Silikon-Unterarms im Vergleich zu einer Standardprothese vorgeführt hat, mit bestehender Silikonprothese und mitgebrachtem älterem Standardüberzug die rechtliche Einschätzung des Gutachters nicht, diese Gebrauchsvorteile seien nur gering und damit zu vernachlässigen.
Unabhängig von den vom Gutachter bereits beschriebenen Vorteilen war augenfällig, dass schon durch die Möglichkeit der Drehung des Unterarms, die lediglich in Silikontechnik ausführbar ist, weitere deutliche Vorteile im Bereich des Greifens und Haltens bestehen. Die Klägerin kann mit der vorhandenen Silikonprothese mithilfe des gesunden rechten Arms den Unterarm stufenlos in verschiedene Drehpositionen stellen und damit Halte- und Greiffunktionen verbessern. Die von der Beklagten aufgezeigte Alternative, für die Rutschfestigkeit und Hitzebeständigkeit über eine Standardprothese einen Handschuh überzuziehen, ist demgegenüber unpraktikabel und ganz augenfällig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da die Klägerin hierfür nur einen gesunden Arm zur Verfügung hat.
Nimmt man Rutschfestigkeit und insbesondere Hitzebeständigkeit der Silikonprothese mit der Folge hinzu, dass die Klägerin beim Kochen auch mit heißen Töpfen und ähnlichen Gebrauchsgegenständen umgehen kann, einen Aktenordner halten und mit Hilfe des gesunden Arms darin blättern kann und die Rutschfestigkeit einer Silikonprothese der natürlichen Beschaffenheit von Händen am nächsten kommt, sind die Gebrauchsvorteile einer solchen Prothese insgesamt keineswegs unerheblich, wobei noch nicht einmal berücksichtigt wird, dass, wie ebenfalls vor dem Senat demonstriert, die Verschmutzung einer Silikonprothese deutlich geringer ist als diejenige bei einer Standardprothese.
Allein dies fordert bereits die Versorgung mit einer Silikonprothese. Hinzu kommt im Fall der Klägerin, dass - wie auch der Gutachter
Dr. Ip. ausdrücklich erwähnt und besonders hervorgehoben hat - nunmehr eine Versorgung der Klägerin lediglich mit einer Standardprothese sogar zu einem Funktionsnachteil führen würde. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beklagte die Klägerin bereits im Jahr 2001 mit einer Silikonprothese versorgt hatte und sie nunmehr der Klägerin mit der Gewährung lediglich eines
PVC-Überzugs eine deutliche Verschlechterung ihrer gewohnten Greif- und Haltefähigkeiten zumuten würde. Die Auffassung der Beklagten, die bestehende Versorgung sei rechtswidrig gewesen und Vertrauensschutz in rechtswidriges Handeln sei nicht schützenswert, erfasst nicht die sozialmedizinische Folge der damaligen Bewilligung. Diese Versorgung bedeutet einen der Klägerin mittlerweile seit
ca. 6 Jahren gewährten Gebrauchsvorteil mit einer solchen Prothese. Dass dies im Alltag der Klägerin zu einer Gewöhnung an diese konkrete Situation geführt hat und der nicht in Zweifel zu ziehende Rückschritt zu einer Standardprothese das Leben der Klägerin deutlich erschweren würde, ist eine Folge, die nicht nur
Dr. Ip. als negativ hervorgehoben hat, sondern die mit den oben erwähnten rechtlichen Regelungen des
SGB V und der Rechtsprechung des
BSG zur Hilfsmittelversorgung nicht zu vereinbaren wäre.
Die Frage, ob die alte Silikonprothese in der Art verschlissen ist, dass eine Ersatzprothese erforderlich ist, stellt sich im konkreten Falle nicht, denn die Beklagte hat durch den angefochtenen Bescheid vom 11.5.2004 und die darin enthaltene Zusage für eine Ersatzprothese in Standardform deutlich zu erkennen gegeben, dass sie eine Ersatzbeschaffung für notwendig hält. Dies sieht auch der Sachverständige Ip. so und dies hat die Beklagte auch im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats bestätigt.
Die Beklagte sieht schließlich einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, was sie damit begründet, dass beispielsweise eine Hausfrau ohne exponierte berufliche Stellung bei gleicher Behinderung die aufwändigere Prothese nicht beanspruchen könne. Dem ist jedoch neben den Ausführungen des Senats zu den Funktionsvorteilen - wie auch von der Klägerin geltend gemacht - entgegenzuhalten, dass es alleine auf die Gebrauchsvorteile ankommt. Dies bedeutet, dass nicht die Berufstätigkeit entscheidend ist und auch bei einer Hausfrau in der Situation der Klägerin ein entsprechender Versorgungsanspruch in Betracht käme.
Der Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Hilfsmittel steht auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12
Abs. 1
SGB V entgegen, denn der oben dargestellte erforderliche Behinderungsausgleich kann nicht in gleichem Umfang mit einem kostengünstigeren und zumindest gleich geeigneten Hilfsmittel erreicht werden.
Unter Betrachtung all dieser Umstände ist der Ansicht des SG zu folgen, wonach die Versorgung mit Silikonhandschuh der Klägerin erhebliche Gebrauchsvorteile bringt. Ist der Klägerin die begehrte Silikonprothese bereits aufgrund des Vorstehenden zu bewilligen, kann es dahinstehen, ob allein die repräsentative berufliche Stellung der Klägerin die Gewährung einer Prothese notwendig macht, die das Fehlen ihres Unterarms nicht sogleich erkennen lässt, und allein dies einen Versorgungsanspruch begründen könnte.
Die Klägerin hat nach alledem einen Anspruch auf die begehrte Versorgung. Die teilweise Aufhebung des Bescheides vom
11.05.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2004 und die Verurteilung durch das SG erfolgten demnach zu Recht.
Die Berufung hat daher keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160
Abs. 2
SGG) liegen nicht vor.