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Urteil
Krankenversicherung - Hilfsmittel - Oberschenkelprothese mit Kniegelenksystem C-Leg nur bei tatsächlicher Nutzung der Vorteile

Gericht:

SG Neubrandenburg 4. Kammer


Aktenzeichen:

S 4 KR 12/03


Urteil vom:

20.07.2008


Grundlage:

Die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk setzt voraus, dass der Versicherte dessen Vorteile auch tatsächlich nutzen kann, was nur im Einzelfall konkret festgestellt werden kann (vorliegend verneint).

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem sogenannten C-Leg-Kniegelenk als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der im Jahre 1945 geborene Kläger ist infolge eines Verkehrsunfalles aus dem Jahre 1968 linksseitig oberschenkelamputiert. Er ist Erwerbsunfähigkeitsrentner. Zuletzt im Jahr 2000 wurde er mit einer Beinprothese unter Verwendung eines einfachen Bremskniegelenks, Typ 3R49 des Herstellers Otto Bock, versorgt.

Durch Einreichung eines Kostenvoranschlages des Orthopädietechnikmeisters M vom 20.08.2002 und einer vertragsärztlichen Versorgung des Allgemeinmediziners Schröter vom 26.08.2002 beantragte der Kläger am 29.08.2002 bei der Beklagten, seiner gesetzlichen Krankenkasse, eine Neuversorgung mit einer Oberschenkelprothese, für welche der Orthopädietechniker einen Gesamtbetrag in Höhe von 24.203,14 Euro Brutto veranschlagte. Der wesentliche Teil dieser Kosten entfällt auf die Position "Knie-Fuß-Versorgungspaket C-Leg 3 C 100".

Die Beklagte holte daraufhin in Form eines Fragebogens einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes Sch. vom 17.10.2002 ein, wonach der Grund für die beantragte C-Leg-Versorgung des Klägers in einer erhöhten Sturzgefahr infolge Rheumas und degenerativer Wirbelsäulenveränderungen liege. Der Kläger lege täglich ca. 3 bis 5 km zu Fuß zurück und müsse Treppen bis ins 1. Obergeschoss überwinden. Er sei insgesamt noch recht aktiv, er erledige etwa die Reparaturarbeiten im Hause selbst.

Sodann holte die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, Orthopädietechniker G., vom 20.11.2002 ein, wegen dessen näheren Inhalts auf Blatt 8 ff der Verwaltungsakten Bezug genommen wird.

Hiernach sei der Kläger 1,82 m groß und wiege ca. 75 bis 80 kg. Infolge einer Hohlhandsehnenverkürzung beidseits bestehe im Fall eines Sturzes eine erhöhte Frakturgefahr.

Die aktuelle Versorgung des Klägers im Sinne einer Prothese einfachster Bauart entspreche nicht seinem Sicherheitsbedarf. Vor einer Versorgung des Klägers mit dem beantragten C-Leg sei jedoch zunächst eine bessere konventionelle Versorgung, z. B. mit einem Kniegelenk des Typ 3R80 oder mit einem "Totalknee", jeweils in Verbindung mit einem dynamischen Fuß vorzunehmen. Hiermit sei eine im Vergleich zur aktuellen Versorgung bereits deutlich bessere und ausreichende Versorgung erreichbar, selbst wenn der Sicherheitsgrad der beantragten C-Leg-Versorgung dabei nicht erreichbar sei. Jedenfalls sei eine vollständige Neuversorgung mit einer Oberschenkelprothese ohnehin erforderlich, da auch der aktuelle Oberschenkelschaft verschlissen sei.

Mit Bescheid vom 27.11.2002 lehnte die Beklagte die beantragte Hilfsmittelversorgung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich eine Grundversorgung geschuldet werde. Eine derartige ausreichende Versorgung sei auch mit den vom Gutachter vorgeschlagenen Alternativversorgungen möglich.

Hiergegen erhob der Kläger am 04.12.2002 Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.06.2002, in welcher einer Mutter eines Kleinkindes ein Anspruch auf Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk zugesprochen wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid. Die genannte Alternativversorgung sei im Falle des Klägers ausreichend. Besondere Umstände wie in dem vom BSG entschiedenen Fall ließen sich beim Kläger nicht erkennen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage des Klägers vom 28.03.2003, mit welcher er sein bisheriges Begehren weiter verfolgt.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Gebrauchsvorteile, welche das C-Leg im Vergleich zu jeglicher konventioneller Kniegelenksversorgung böte, auch im Falle des Klägers erheblich seien und sich im gesamten Lebensbereich des Klägers auswirkten. Letztlich könne jeder oberschenkelamputierte Versicherte, dessen Schaftverhältnisse überhaupt eine Prothesenversorgung zuließen, die Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk begehren, da einzig dieses Gelenk in der Lage sei, verletzungsträchtige Stürze dadurch zu verhindern, dass ein Einknicken des Gelenkes im Falle eines Fehltritts von der Elektronik des Gelenkes durch eine sofortige Beugesperre verhindert werde. Allein dieser Sicherheitsvorteil begründe den Versorgungsanspruch ganz unabhängig von den konkreten Verhältnissen des Versicherten.


Der Kläger beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2003 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit einer neuen Oberschenkelprothese unter Verwendung eines C-Leg-Kniegelenkes der Fa. Otto Bock zu versorgen.


Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

Ergänzend führt sie aus, dass die beantragte C-Leg-Versorgung keineswegs in der Lage sei, vorhandene Gangfehler eines Versicherten zu verbessern. Vielmehr lasse sie diese noch deutlicher zu Tage treten. Die Vorteile eines C-Leg-Kniegelenkes könnten nur höchst mobile Versicherte nutzen, die in der Lage seien, längere Zeit mit einer Geschwindigkeit von mehr als 4 km/h zu gehen und die zuvor die Möglichkeiten anderer hochwertiger Kniegelenke voll ausgeschöpft haben. Im Falle des Klägers sei zunächst eine Versorgung mit dem im Vergleich zum vorhandenen wesentlich leistungsfähigeren Intelligent Knee-Kniegelenk mit entsprechendem Schaft und Fuß vorzunehmen.

Zu der von der Beklagten angebotenen Versorgung kam es in der Folgezeit jedoch ebenso wenig wie zu einer Versorgung mit einem 3R80-Kniegelenk, da der Kläger beide Versorgungsarten im Ergebnis ablehnte.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger zu seinem Aktivitätsgrad mitgeteilt, als uneingeschränkter Außenbereichsgeher zu gelten. Er gehe viel spazieren und fahre Rad. In seiner Freizeit betreue er eine Jugendfußballmannschaft, zeitweilig auch seine minderjährigen Enkelkinder. Gerne würde er auch wieder mit seiner Frau tanzen gehen, wenn es die Prothesenversorgung nur zuließe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens des Herrn Oberarzt Dr. K, BG-Unfallkrankenhaus Hamburg, Leiter der Gehschule Boberg. Im ersten Teil des Gutachtens, erstattet unter dem 13.04.2004, wegen dessen näheren Inhalts auf Blatt 51 bis 66 der Akten Bezug genommen wird, befürwortet der Sachverständige im Ergebnis zunächst eine Probeversorgung des Klägers mit dem C-Leg-Kniegelenk. Hierfür spreche der relativ hohe Aktivitätsgrad des Klägers und die optimalen Stumpf- und Muskulaturverhältnisse im Bereich des etwa zur Hälfte amputierten Oberschenkels. Allerdings sei zweifelhaft, ob der Kläger tatsächlich von einer C-Leg-Versorgung profitieren könne, da sein Gangbild insgesamt sehr unsicher und zumindest mittelgradig eingeschränkt sei. Die aktuelle Versorgung des Klägers lasse sich jedenfalls wesentlich verbessern. So sei es mit dem vorhandenen Kniegelenk etwa nicht möglich, Treppen oder schräge Ebenen im Wechselschritt zu überwinden.

Der Kläger wurde daraufhin vom Hilfsmittelhersteller, der Firma Otto Bock Healthcare GmbH, über seinen Orthopädietechniker, probeweise mit einem C-Leg-Kniegelenk versorgt. Nach einer zumindest 8tägigen Eingewöhnungsphase stellte sich der Kläger daraufhin erneut beim gerichtlichen Sachverständigen zur Untersuchung vor.

Im zweiten Teil seines Gutachtens, erstattet unter dem 06.07.2004, wegen dessen näheren Inhalts auf Blatt 68 bis 72 der Akten und auf die diesbezüglichen Anlagen (Blatt 73 bis 89 der Akten) Bezug genommen wird, gelangt Herr Dr. K im Ergebnis zu der Auffassung, dass der Kläger von einer C-Leg-Versorgung nicht wirklich profitieren könne.

Die Überprüfung des Gangbildes auf ebener Fläche, im Gelände und auf dem Laufband habe insgesamt erhebliche Unsicherheiten ergeben, die sich von denjenigen nicht wesentlich unterschieden, die sich bei der bisherigen Versorgung dargestellt hätten. So hätten sich etwa erhebliche Gleichgewichtsprobleme beim Geschwindigkeits- und Rhythmuswechsel auf ebener Erde gezeigt. Das Gangbild sei in diesem Rahmen insgesamt als sehr schlecht und nicht flüssig zu bezeichnen. Im Vergleich zum ersten Teil des Gutachtens sei keine wesentliche Besserung zu verzeichnen. Es liege ein breites, abduziertes Gangbild vor, was nur als staksig und unbeholfen bezeichnet werden könne. Das Treppensteigen sei zwar treppauf ohne wesentliche Probleme möglich, treppab jedoch nur mit Hilfe eines Gehstocks und Geländernutzung. Auch hierunter habe der Kläger jedoch wiederholtes Stolpern und deutliche Unsicherheiten gezeigt.

Auf einer schrägen Ebene könne der Kläger ebenfalls nur unter Zuhilfenahme eines Gehstockes gehen. Auch im übrigen Gelände stelle sich sein Gangbild als sehr unsicher dar.

Der Test auf dem Laufband habe eine maximale Gehgeschwindigkeit von 3,5 km/h bei beidseitigem Festhalten ergeben. Dieser Wert liege weit unterhalb der "C-Leg-Testmarke" von 5 km/h. Bei zusätzlicher Steigung bzw. Gefälle habe der Laufbandtest trotz beidseitigen Festhaltens ebenfalls ein sehr unsicheres Gangbild gezeigt.

Insgesamt sei festzuhalten, dass mit der C-Leg-Versorgung weder ein Gewinn an Gangsicherheit noch an Komfort zu verzeichnen sei, so dass eine C-Leg-Versorgung nicht empfohlen werden könne. Eine Erhöhung der Sicherheit könne durchaus auch durch anderweitige konventionelle Prothesen erreicht werden. Der Sicherheitsaspekt sei auch keineswegs der Haupteinsatzzweck des C-Leg-Kniegelenkes. Dieses ermögliche geeigneten Patienten vielmehr eine erhebliche Steigerung der Geschwindigkeit und eine Verbesserung des Gangbildes. Bei schlecht gehenden Prothesenträgern könne jedoch auch das C-Leg-Kniegelenk nicht zu einer wesentlichen Verbesserung führen. Diese Einschätzung gelte auch nach längerer Übung mit dem Gelenk. Die Erfahrungen der Gehschule Boberg hätten gezeigt, dass bereits nach sehr kurzer Probeversorgung erkennbar werde, ob ein Prothesenträger die Vorteile des C-Legs werde nutzen können. Im Falle des Klägers sei aufgrund dieser Erfahrung festzuhalten, dass er auch zukünftig nicht in der Lage sein werde, die potentiellen Gebrauchsvorteile des C-Leg-Kniegelenks im Vergleich zu konventionellen Prothesen zu nutzen.

Der Kläger nahm zu dem Gutachten dahingehend Stellung, dass er wegen einer Entzündung im Stumpfbereich während der eigentlich 14tägigen Probeversorgung das Gehen mit dem C-Leg nur für effektiv 8 Tage habe üben können. Von daher sei es kein Wunder, dass nach etwa 35jähriger Versorgung mit einer konventionellen Prothese sich noch keine wesentliche Besserung gezeigt habe.

Das Gericht hat hierzu eine ergänzende Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen mit Datum vom 07.01.2005 eingeholt, in welcher der Sachverständige nochmals darauf hinweist, dass aufgrund der Erfahrungen, die er im Rahmen der Versorgung von berufsgenossenschaftlich Versicherten gesammelt habe, bereits nach einer Probeversorgung von wenigen Tagen eine Einschätzung der Gebrauchsvorteile auch für die Zukunft möglich sei. Wenn das gesamte Gangbild und die Sicherheit beim Gehen beim konkreten Versicherten derartige Gebrauchsvorteile nicht erwarten ließen, mache eine Versorgung mit dem C-Leg-Kniegelenk keinen Sinn.

Das Gericht hat ferner auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz ein weiteres Sachverständigengutachten des Herrn Prof. Dr. H, Chefarzt der Orthopädischen Uniklinik Halle-Wittenberg vom 11.01.2006 eingeholt, wegen dessen näheren Inhalts auf Blatt 114 bis 130 der Akten Bezug genommen wird. In dem nach Untersuchung des Klägers, jedoch ohne erneute Probeversorgung mit dem C-Leg-Kniegelenk, erstatteten Gutachten führt der Sachverständige neben umfangreichen allgemeinen Erwägungen aus, dass die beim Kläger noch immer vorhandene Versorgung mit dem einfachen Kniegelenk 3R49 absolut nicht den Anforderungen des Klägers und seinem Aktivitätsgrad entspreche. Alternativ zum beantragten C-Leg komme durchaus auch die Versorgung mit einem alternativen, im Vergleich zur vorhandenen Versorgung höherwertigen Gelenk in Betracht. Die von der Beklagten vorgeschlagene Versorgung mit einem 3R80-Gelenk sei insoweit durchaus als optimal zu bezeichnen. Die streitige C-Leg-Versorgung sei im Vergleich hierzu als maximale Versorgungsmöglichkeit anzusehen. Insoweit sei es zwar möglich, dass anhand der im Vorgutachten enthaltenen Protokolle der Nachweis geführt werden könne, dass das C-Leg für den Kläger keine nennenswerten Vorteile biete. Andererseits enthalte das Vorgutachten durchaus auch subjektive Bewertungsmomente.

Zusammenfassend führt Prof. H aus, dass er keine eindeutige und zwingende Notwendigkeit für die eine oder andere Versorgungsvariante herausarbeiten könne, so dass im Ergebnis zunächst die von der Beklagten angebotene Alternativversorgung zu empfehlen sei und im Nachhinein eine etwaige spätere Versorgung mit dem C-Leg-Kniegelenk zu prüfen sei. Dieses Gelenk stelle derzeit im Bereich der Oberschenkelprothesenversorgung das Maß aller Dinge dar.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Versorgung mit einem C-Leg-Kniegelenk als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gemäß § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) haben Versicherte u. a. Anspruch auf Versorgung mit Körperersatzstücken als Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Hiernach gehört grundsätzlich auch das streitige C-Leg zu den von gesetzlich Krankenversicherten beanspruchbaren Hilfsmitteln, da dieses in der Lage ist, das Grundbedürfnis eines Menschen, seine Beine zum Gehen, Laufen und Stehen einzusetzen, zu decken.

Hieraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass jeder oberschenkelamputierte Versicherte gerade das C-Leg und nicht eine wesentlich kostengünstigere anderweitige Prothese beanspruchen kann. Der konkrete Anspruch hängt vielmehr maßgeblich davon ab, wie der einzelne Versicherte aufgrund seiner körperlichen und geistigen Voraussetzungen und seiner persönlichen Lebensgestaltung in der Lage ist, die Gebrauchsvorteile des C-Leg im Vergleich zu alternativen Versorgungsformen zu nutzen. Die Versorgung mit einem C-Leg kann nur derjenige beanspruchen, der nach ärztlicher Einschätzung im Alltagsleben dadurch deutliche Gebrauchsvorteile hat. Auf die zutreffenden Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 06.06.2002, B 3 KR 68/01 R, sei ergänzend hingewiesen.

Entgegen den Ausführungen des Klägers insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2006, lässt sich auch weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entnehmen, dass die hier streitige Versorgung allein deshalb begehrt werden könne, weil das C-Leg-Kniegelenk im Vergleich zu konventionellen, nicht rechnergestützten Kniegelenksprothesen, potentiell erhebliche Gebrauchsvorteile bietet. Stets ist im Einzelfall festzustellen, dass der konkrete Versicherte diese potentiellen Vorteile auch tatsächlich nutzen kann. Dass das Bundessozialgericht von diesem Erfordernis in seiner späteren Entscheidung vom 16.09.2004, B 3 KR 20/04 R, abgerückt wäre, ist nicht ersichtlich, wenngleich dieser Aspekt in der letztgenannten Entscheidung nicht ausdrücklich Erwähnung findet.

Das Gericht konnte vorliegend gerade nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger in der Lage wäre, die im Vergleich zu konventionellen Kniegelenken unstreitigen potentiellen Gebrauchsvorteile des C-Leg-Kniegelenkes tatsächlich zu nutzen. Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist die Kammer vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dass dies gerade nicht der Fall ist, weil die vorhandenen Unsicherheiten, die das Gangbild des Klägers aufweist, ihn an der Nutzung dieser Vorteile hindert.

Das Gericht stützt sich dabei maßgeblich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K, die dieser aufgrund einer sehr eingehenden Untersuchung und Testung des Klägers sowohl mit der bisherigen als auch mit der begehrten Prothesenversorgung vorgenommen hat. Die detaillierten und gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen belegen dabei, dass der Kläger weder in der Lage ist, die Vorteile des streitigen Gelenkes beim Gehen mit hoher bzw. wechselnder Geschwindigkeit zu nutzen, noch diejenigen beim alternierenden Begehen von Treppen und schrägen Ebenen bzw. auf unebenem Gelände.

Aus Sicht des Gerichts überzeugend führt der Sachverständige aus, dass anhand der umfangreichen Erfahrungen des Sachverständigen und der Gehschule Boberg diese Beurteilung bereits nach der effektiv jedenfalls 8tägigen Probeversorgung des Klägers mit dem C-Leg möglich ist.

Diese Beurteilung wird auch keineswegs durch die Ausführungen des Sachverständigen nach § 109 Sozialgerichtsgesetz in Frage gestellt. Das Gutachten des Herrn Prof. H enthält im Gegenteil keinerlei konkrete Ausführungen dazu, dass gerade der Kläger in der Lage sein sollte, die möglichen Vorteile zu nutzen, die das unstreitig als Goldstandard zu bezeichnende C-Leg-Kniegelenk im Vergleich zu anderweitigen Versorgungsmöglichkeiten zu bieten in der Lage ist.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, allein das C-Leg-Kniegelenk sei in der Lage, Stürze des Prothesenträgers zu verhindern, wenn ein Schritt mit der Prothese etwa durch das Anstoßen gegen ein Hindernis oder durch andere externe oder interne Gründe abgebrochen wird. Dieser Einwand trifft bereits in der Sache nicht zu. Jedes moderne Kniegelenk verfügt über eine hydraulische Bremsfunktion, die bei Belastung des Gelenkes aktiviert wird, und im Falle des C-Leg-Kniegelenkes lediglich durch die Steuerelektronik differenzierter und auf die jeweilige Schrittgeschwindigkeit angepasst, ausgelöst werden kann. Diese Vorteile im Vergleich zu konventionellen Versorgungsformen wirken sich aber eben gerade erst dann aus, wenn der Prothesenträger sie tatsächlich anfordern kann, wenn er also etwa zu erheblichen und deutlich wechselnden Gehgeschwindigkeiten in der Lage ist, was im Falle des Klägers aber gerade nicht zutrifft.

Wie dem vom Hersteller des streitigen C-Leg-Gelenkes, der Fa. Otto Bock Healthcare, selbst herausgegebenen Indikationskatalog zu entnehmen ist, wird insoweit eine Gehgeschwindigkeit von mehr als 5 km/h oder zumindest eine tägliche Gehstrecke von mehr als 5 km verlangt, was vom Kläger bei weitem nicht erreicht wird.

Die technische Fortentwicklung des C-Legs im Vergleich zu konventionellen Prothesen besteht letztlich darin, dass eine Mikroprozessorsteuerung ständig Einfluss auf die Stand- und Schwungphase nimmt, während die eigentlichen Gelenkfunktionen ebenso wie bei anderen Kniegelenksprothesen erreicht werden. Auch das C-Leg-Kniegelenk nimmt auf die Beuge- und Streckbewegung durch eine Hydraulik Einfluss. Lediglich das Ausmaß dieses Einflusses kann unabhängig von Voreinstellungen den jeweils aktuellen Anforderungen angepasst werden, während konventionelle Gelenke insoweit nur durch manuelle Justierung in ihrer Einstellung verändert werden können.

Da im Falle des Klägers nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen jedoch ohnehin nur eine relativ langsame Ganggeschwindigkeit möglich ist, bedarf es nachvollziehbar auch keiner ständigen Anpassung an wechselnden Schrittgeschwindigkeiten, Schrittlängen und Schrittfrequenzen, wie es das streitige C-Leg-Gelenk ermöglicht.

Keineswegs trifft der Vortrag des Klägers zu, dass andere Gelenke bei Nichterreichen eines bestimmten Streckwinkels unweigerlich zum Sturz des Prothesenträgers führten, weil nur ab einem bestimmten Streckwinkel die Bremsfunktion einsetzte. Vielmehr kommt es bei jedem Bremskniegelenk bei Gewichtsbelastung zu einer hydraulischen Bremsung, so dass es keineswegs, wie der Kläger meint, ohne Halt einklappt.

In diesem Bereich wirken sich die Vorteile der Mikroprozessorsteuerung des C-Leg-Gelenkes allerdings dadurch aus, dass das Beugen unter Last, wie es etwa für alternierendes Treppabgehen erforderlich ist, hinsichtlich der Stärke dieser Bremsfunktion sich der Schnelligkeit der Bewegung anpasst, während das Treppabgehen mit einem hierfür ausgerüsteten konventionellen Gelenk nur mit einer durch die manuelle Voreinstellung vorgegebenen Geschwindigkeit möglich ist.

Da dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein alternierendes Treppabgehen aber überhaupt nicht, erst recht also nicht mit wechselnder Geschwindigkeit, möglich ist, liegt es auf der Hand, dass er nicht in der Lage ist, diesen Vorteil des C-Legs zu nutzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 Sozialgerichtsgesetz.

Referenznummer:

R/R3394


Informationsstand: 25.10.2010