Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet; die angefochtenen Bescheide, mit denen die Versorgung mit einem Talux Fuß für zwei Unterschenkelprothesen abgelehnt wurde, sind rechtmäßig. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Streitgegenstand ist der Bescheid unbekannten Datums, mit dem die Ersetzung des
KB 06/01 durch das
KB 11/ 03 mit Dynamik Fußteil anstatt des begehrten Talux Fußteiles bewilligt wurde, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 sowie der Bescheid vom 01. September 2005, mit dem der Ersatz des
KB 08/02 durch ein weiteres
KB mit Dynamik Fußteil gewährt wurde.
Dagegen hat sich der zunächst angefochtene Bescheid vom 17. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 erledigt. Denn der Kläger hat das damals mit Dynamik Fußteil ausgestattete
KB 08/02 entgegengenommen und bis zum Austausch (Bescheid vom 01. September 2005) im Rahmen des Möglichen genutzt. Eine Ausstattung dieser Unterschenkelprothese mit einem Talux Fußteil ist daher nicht mehr möglich. Erstattungsfähige Kosten sind nicht entstanden, da der Kläger diese Prothese nicht mit einem Talux Fußteil hat ausstatten lassen. Somit ist die Erledigung des Regelungsgehalts des angefochtenen Bescheides vom 17. Juli 2002 Ablehnung der Ausstattung des
KB 08/ 02 mit einem Talux Fußteil eingetreten. Ein für eine solche Fallgestaltung grundsätzlich zulässiger Fortsetzungsfeststellungsantrag wegen Wiederholungsgefahr ist nicht rechtsschutzbedürftig, da der Kläger hier die Ablehnung der Ausstattung weiterer Unterschenkelersatzprothesen mit einem Talux Fußteil zulässig angefochten hat.
Zwar liegt hinsichtlich des im Mai 2003 beantragten Ersatzes des
KB 06/01, der durch das
KB 11/03 erfolgt ist, wohl kein förmlicher Bescheid an den Kläger vor. Die Bewilligung des
KB 11/03 mit Dynamik Fußteil ergibt sich aber eindeutig aus der aus den Verwaltungsakten ersichtlichen Verfügung vom 26. September 2003 zur Erstellung eines entsprechenden Bestellscheines an die Firma Z (
vgl. Bl. 19 R Verwaltungsakte). Auch ist der Beklagte selbst von einem Widerspruch des Klägers gegen die erneute Ablehnung des Talux Fußteiles ausgegangen. Dies ergibt sich aus der Prüfung einer Abhilfeentscheidung im Zusammenhang mit dem probeweisen Einbau des Talux Fußteiles, die sich aus den Verwaltungsakten durch das Telefonat des Sachbearbeiters mit der Firma Z vom 07. November 2003 (
vgl. Bl. 30 R Verwaltungsakte) und der Fertigung eines Vermerkes vom 05. November 2003 ergibt. Auch die Vereinbarung vom 19. November 2003 zwischen dem Kläger und der Firma Z über die Erstattung der Mehrkosten für den Fall der Verweigerung der Kostenübernahme durch den Beklagten spricht von einem Einspruch. Auch diese Vereinbarung war dem Beklagten bekannt. In diesem Zusammenhang ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die im Hinblick auf den Bescheid vom 17. Juli 2002 erneut erfolgte Ablehnung der Versorgung mit einem Talux Fuß Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen diesen Bescheid mit demselben Streitgegenstand geworden ist (§ 86 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Auch fehlt es im Hinblick auf die Ablehnung der Ausstattung des
KB 11/03 mit einem Talux Fuß nicht an der Sachurteilsvoraussetzung eines Widerspruchsbescheides. Denn angesichts der Identität der Streitgegenstände im Hinblick auf das
KB 08/02 und das
KB 11/03 geht der Senat davon aus, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 beide Widersprüche abgehandelt und lediglich den Bescheid unbekannten Datums insoweit aus Gründen der Einfachheit und Klarheit nicht erwähnt hat.
Im Ergebnis hat der Kläger aber keinen Anspruch auf Erstattung oder Freistellung von den selbst aufgebrachten Kosten für den Talux Fuß für das
KB 11/03 (2 500,00
EUR gemäß Vereinbarung vom 19. November 2003) und das
KB 9/05 (Zahlung von 1 829, 78
EUR am 15. September 2005 an die Firma Z).
Zwar werden die Leistungen nach §§ 10 24 a BVG nach § 18
Abs. 1 Satz 1 BVG als Sachleistungen gewährt. Dies gilt auch für die orthopädische Versorgung mit Hilfsmitteln, insbesondere die Ausstattung mit Körperersatzstücken. Im Falle der Selbstbeschaffung sind die Kosten aber in angemessenem Umfang zu ersetzen, wenn unvermeidliche Umstände die Inanspruchnahme der Verwaltungsbehörde verhindert haben ( § 18
Abs. 4 BVG). Zur Heilbehandlung im Sinne des § 18
Abs. 4 BVG gehört nach § 11
Abs. 1
Nr. 8 BVG auch die Versorgung mit Hilfsmitteln.
Unvermeidbare Umstände im Sinne der Vorschrift liegen vor, wenn die zuständige Behörde die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (
BSG SozR 3 3100 § 13
Nr. 2). Die Kostenerstattung setzt daher voraus, dass ein Anspruch auf die Sachleistung bestanden hätte. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Orthopädieverordnung muss die Ausstattung mit Hilfsmitteln ausreichend und zweckmäßig sein; sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nach § 13
Abs. 2 Satz 1 BVG haben die Hilfsmittel dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und der technischen Entwicklung zu entsprechen. Wie das
BSG bereits im Urteil vom 06. Juni 2002 (Az.:
B 3 KR 68/01 R) ausgeführt hat, ist der Einsatz der Beine zum Gehen, Laufen und Stehen ein Grundbedürfnis, das nicht auf spezielle Lebensbereiche beschränkt ist. Gebrauchsvorteile durch neue technische Entwicklungen sind daher vom Grundsatz her anspruchsbegründend. Allerdings hat das
BSG (
a. a. O.) auch ausgeführt, dass der Gebrauchsvorteil eines neuen fortschrittlicheren Hilfsmittels maßgebend von den körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Prothesenträgers abhängig ist. Ist der Betroffene nicht in der Lage, die Gebrauchsvorteile zu nutzen, fehlt es an der Erforderlichkeit des neuen Hilfsmittels.
Dieser Grundsatz gilt auch nach Fortentwicklung der Rechtsprechung zu den wesentlichen Gebrauchsvorteilen in den Entscheidungen des
BSG vom 16. September 2004 (
vgl. Az.:
B 3 KR 2/04 R,
B 3 KR 6/04 R und
B 3 KR 20/04 R). In diesen Entscheidungen hat das
BSG klargestellt, dass Gebrauchsvorteile dann wesentlich sind, wenn sie sich allgemein im Alltagsleben auswirken und sich nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Nicht erforderlich ist danach, dass die Gebrauchsvorteile einen vom Gesetz herausgehobenen Lebensbereich betreffen (
vgl. Urteil vom 16. September 2004, Az.:
B 3 KR 2/04 R). Auch kann, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig erreicht ist, die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend (Urteil vom 16. September 2004, Az.: B 3 KR 6/04 R). So begründet auch die Verringerung der Sturzgefahr bei intensiver Nutzung wesentliche Gebrauchsvorteile,
z. B. wenn die Sturzgefahr durch weitere körperliche Behinderungen ohnehin erhöht ist. Dem folgt auch der Senat. Dabei ist der erkennende Senat der Auffassung, dass gerade auch bei einem älteren, multimorbiden Betroffenen eine reduzierte Sturzgefahr wesentliche Gebrauchsvorteile begründen kann, auch wenn keine so intensive Nutzung der Prothese mehr erfolgen kann wie
z. B. bei einem noch berufstätigen Behinderten.
Vorliegend besteht aber deshalb kein Anspruch auf die Versorgung mit dem Talux Fußteil, weil der Kläger aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht in der Lage ist, die Gebrauchsvorteile zu nutzen, die das Talux Fußteil im Vergleich zum Dynamik Fußteil bieten kann. Der Hersteller empfiehlt den Talux Fuß im Normalfall für Betroffene mit dem Mobilitätsgrad III. Darunter werden uneingeschränkte Außenbereichsgeher verstanden,
d. h., der Prothesenträger kann sich bei mittlerer bis hoher Geschwindigkeit auch auf unebenem Boden und im freien Gelände fortbewegen. Die grundsätzliche Eignung des Talux Fußes für diesen Nutzerkreis hat der technische Berater des Beklagten K in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2008 damit begründet, dass der bauartbedingte Vorteil erst dann genutzt werden könne, wenn die Energieaufnahme und wiedergabe der Vorfußfelder durch die vom Prothesenträger einzubringende Energie aktiviert werde. Unterhalb des Mobilitätsgrades III "verschwänden" die Eigenschaften des Talux Fußteiles mangels vom Träger eingebrachter Energie. Es bestehe dann ein Zustand wie bei einer vollständig steifen Prothese. Da der Talux Fuß keine Eigendynamik entwickeln und der Kläger die notwendige Energie zum Erreichen des Gebrauchsvorteils nicht einbringen könne, "verpuffe" die Wirkung des hochwertigen Fußpassteils zu einem fast steifen Prothesenfuß. Angesichts der vorliegenden Leiden des Klägers bedarf es keiner Begründung, dass er die notwendige Energie eines Betroffenen des Mobilitätsgrades III nicht einbringen kann, um die Gebrauchsvorteile zu nutzen.
So hat
Prof. Dr. S die Erforderlichkeit der Versorgung mit dem Talux Fußteil auch nicht mit seinem eigentlichen Einsatzbereich begründet, zumal er sogar der Auffassung war, dass der Kläger nicht einmal mehr dem Mobilitätsgrad II zuzuordnen ist, den der Beklagte dem Kläger noch zugestanden hat, sondern nur dem Mobilitätsgrad I (Innenbereichsgeher). Dieser ist anzunehmen, wenn der Träger mit seiner Prothese auf ebenem Boden kurze Zeit gehen kann und Gehdauer und strecke stark eingeschränkt sind. Hier ist der Senat der Auffassung, dass
Prof. Dr. S den Mobilitätsgrad I als für den Kläger zutreffend richtig beschrieben hat. Denn
Prof. Dr. S konnte sich bei der vorgenommenen Untersuchung ein Bild vom verbliebenen Restleistungsvermögen machen. Die Angaben des Klägers begegnen im Hinblick auf ihren Wahrheitsgehalt erheblichen Bedenken, wie der Beklagte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Juni 2007 zu Recht herausgearbeitet hat.
So begegnet es auch nach Auffassung des Senats keinen grundsätzlichen Bedenken, die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels auch außerhalb der vom Hersteller vorgeschlagenen Mobilitätsgrade zu begründen, da der Kläger zu Recht eine Einzelfallbetrachtung fordert. Als Ergebnis dieser Einzelfallprüfung muss aber festgestellt werden können, dass der Einsatz des Hilfsmittels zu wesentlichen Gebrauchsvorteilen im Sinne der geschilderten Rechtsprechung des
BSG führt. Das ist vorliegend nicht der Fall. So wie der Kläger den Talux Fuß benutzen kann, bietet er keine Vorteile zum Dynamik Fuß, da er bei geringer Energieeinbringung wie eine steife Prothese wirkt. Zwar hat
Prof. Dr. S ein linksseitiges harmonisches Gangbild beschrieben, weil das mit dem Talux Fußteil versorgte amputierte Bein länger belastet werden könne als das rechte, weil das rechte Bein eine durch die Durchblutungsstörungen verursachte noch geringere Belastbarkeit aufweist als das amputierte linke Bein. Dies vermag aber nicht zu begründen, warum die Gebrauchsvorteile des Talux Fußteils die des Dynamik Fußteils übertreffen sollen. Denn dass das amputierte linke Bein wegen der verminderten Belastungsfähigkeit des rechten Beines Ausgleichsfunktionen übernehmen muss, ist unabhängig davon, welche Prothese getragen wird.
Prof. Dr. S hat aber an keiner Stelle dargelegt, warum der Dynamik-Fuß diese Entlastung nicht bewirkt. Auch ist im Gutachten nicht dargelegt, dass eine mögliche Sturzgefahr durch den Talux-Fuß besser gebannt werde.
Auch der Umstand, dass der Kläger nicht mit einem nur linksseitig Unterschenkelamputierten verglichen werden kann, ist unbestritten. Dies allein kann die wesentlichen Gebrauchsvorteile des Talux Fußteiles jedoch nicht begründen. Soweit
Prof. Dr. S Gebrauchsvorteile mit der proportionalen Energierückgabe begründet hat, die einen multiachsialen Bewegungsradius ermögliche, die Vorwärtsdynamik verbessere und die Kniestabilität erhöhe, hat dies den Senat nicht überzeugt. Gerade wenn
Prof. Dr. S in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen hat, dass der Kläger nur zur Mobilitätsstufe I zu zählen sei und damit nur wenig Energie einbringen könne , hätte es ausführlicher Begründung bedurft, welche Gebrauchsvorteile der multimorbide Kläger von einem Hilfsmittel haben soll, das für einen gänzlich anderen Personenkreis gedacht ist.
Damit steht für den Senat fest, dass wesentliche Gebrauchsvorteile im Sinne der zitierten
BSG Rechtsprechung nicht bestehen. Damit entfällt der Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit einem Talux Fußteil und in dieser Folge auch ein Kostenerstattungsanspruch.
Der Senat sieht Veranlassung darauf hinzuweisen, dass hier nicht über die bestmögliche angepasste Versorgung zu entscheiden ist, sondern über die Kostenerstattung für eine selbst beschaffte Leistung, für deren Erstattungsfähigkeit der Kläger letztlich das Risiko zu tragen hat. Daher war Hinweisen des Beklagten, eine "K 2 Sensation" oder eine "Sure Flex" Versorgung hätte möglicherweise erhebliche Vorteile zum Dynamik Fuß geboten, nicht weiter nachzugehen. Hierüber wird der Beklagte
ggf. bei einem weiteren Ersatz der Kunstbeine in der Zukunft zu entscheiden haben.
Das Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, da die Voraussetzungen des § 160
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG nicht erfüllt sind.