Sprungnavigation Tastaturkurzbefehle

Suche und Service

Urteil
Leistungserfüllung der Krankenversicherung - Hörgerätversorgung - Festbetrag

Gericht:

LSG Thüringen 6. Senat


Aktenzeichen:

L 6 B 67/10 KR


Urteil vom:

03.12.2010


Grundlage:

Tenor:

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 8. Januar 2010 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Tatbestand:

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Altenburg. Dort stritten die Beteiligten über die Versorgung mit Hörgeräten.

Der 1958 geborene Beschwerdeführer ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war bis zum 31. Dezember 2009 bei der S. Sicherheitsdienste GmbH & Co. KG im Bereich Empfangs- und Funkstreifendienst beschäftigt. Dr. F. diagnostizierte im Dezember 2008 eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit. Am 4. Februar 2009 beantragte der Beschwerdeführer bei der Beklagten unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung des Dr. F. vom 10. Dezember 2008 und eines Kostenvoranschlags der Hörgeräte I. GmbH & Co.KG vom 30. Januar 2009 die Versorgung mit den digitalen Hörgeräten HdO OT Epoq XW Festwinkel zu einem Gesamtpreis in Höhe von 5.868,32 EUR. Grundlage hierfür war eine im Januar 2009 durchgeführte Hörgeräteanpassung mit mehreren Geräten, davon zwei, zu denen keine Zuzahlungen zu leisten sind. Ein Ton- und Sprachaudiogramm wurde lediglich für die Hörgeräte Epoq XW Festwinkel vorgelegt. Mit diesen Hörgeräten sei ein Sprachverständnis binaural von 80 v.H., monaural von 55 v.H. erreicht worden. Mit dem "Kassengerät" Astral P sei ein Hörvermögen beidseits von 55 v.H., mit dem Gerät Solo T dSC ein Hörvermögen von 60 v.H. erreicht worden. Auf Grund seines Arbeitsumfelds sei der Beschwerdeführer auf einen technischen Mehrbedarf angewiesen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2009 teilte die Beklagte dem Beschwerdeführer mit, sie erfülle ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag nach § 36 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Alle Hörgeräte, die nach Festbeträgen abgegeben würden, seien aus medizinischer Sicht ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich, um die Behinderung auszugleichen. Bei einer Hörgeräteanpassung sollten mindestens zwei Hörgeräte aus dem Festbetragsbereich getestet werden. Der Festbetrag für zwei Hörgeräte betrage 1.178,20 EUR. Eine Entscheidung über die Hörgeräteversorgung könne sie erst treffen, wenn die Anpassung abgeschlossen sei und die ärztliche Verordnung, der Kostenvoranschlag über die Festbeträge und die Anpassberichte des Hörgeräteakustikers über zwei erprobte zuzahlungsfreie Hörgeräte vorlägen. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 28. April 2009 Widerspruch. Der Anspruch sei auch unter dem Gesichtspunkt von § 15 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Verbindung mit § 33 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu prüfen, weil die Beklagte keine Zuständigkeitserklärung im Sinne von § 14 SGB IX vorgenommen habe. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e. V. ein. Dr. H. führte in dem Gutachten vom 18. Mai 2009 u.a. aus, bei den Hörgeräten Epoq XW handele es sich um 15-kanalige volldigitale Hörgeräte mit einer Verstärkungsleistung von 59 dB bei 1,6 kHz. mit zwei Kugel- und zwei Richtmikrofonen. Die Geräte seien darüber hinaus mit folgenden Funktionen ausgestattet: Raumklang, binaurale DFC2, parallele Kompressionen, My Voice, AutoPhone-Programm, Epoq Memory, Programmwechsel, Batterieindikator, Schutz vor Windgeräuschen, mehrkanaliger adaptiver Richtwirkung, sprachstabilisierender Multikompression, Pinna-Effekt und Rückkoppelungsmanager. Das getestete Festbetragsgerät Astral P ist zweikanalig und verfügt über eine Verstärkung von 58 dB bei 1,6 kHz. Hiermit sei ein 55-prozentiges Sprachverstehen bei binauraler Versorgung erzielt worden. Das Gerät Solo T dSC ist ebenfalls zweikanalig und verfügt über eine Verstärkung von 67 dB bei 1,6 kHz. Hiermit sei ein 60-prozentiges Sprachverstehen bei binauraler Versorgung erzielt worden. Für beide Gerätetypen sei kein monaurales Sprachverstehen, wie eigentlich in der vergleichenden Anpassung gefordert, angegeben. Die vergleichend getesteten Geräte seien von ihrer Verstärkungsleistung her prinzipiell geeignet, den Hörverlust des Beschwerdeführers auszugleichen. Die technische Ausstattung der Hörgeräte Epoq XW übersteige die der zum Festbetrag erhältlichen Hörgeräte erheblich, wobei die zahlreichen extra aufgeführten technischen Raffinessen aus gutachterlicher Sicht auch das Maß des notwendigen überschritten. Medizinische Gründe, nach denen es erforderlich wäre, den Beschwerdeführer mit solchen technisch überdurchschnittlich hochwertigen Hörhilfen auszustatten, seien den vorliegenden Unterlagen nicht zu nehmen.

Mit Bescheid vom 3. August 2009 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland die Versorgung des Beschwerdeführers mit den Hörgeräten Epoq XW ab. Er erfülle die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie könne die Kosten für die Hörgeräte nur in Höhe der geltenden Festbeträge übernehmen. Hiergegen hat der Beschwerdeführer Klage erhoben (Az.: S 30 KR 3628/09).

Am 25. September 2009 hat der Beschwerdeführer beim Sozialgericht beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihn im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes mit den beantragten Hörgeräten zu versorgen und ihm für die Durchführung des Verfahrens PKH zu bewilligen. Er sei beruflich und auf Grund seines Arbeitsumfeldes dringend auf diese Hörsysteme angewiesen. Als Mitarbeiter im Sicherheitsdienst sei er als Streifenfahrer (Objektschutz) und im Schichtdienst am Schalter im Universitätsgebäude J. tätig. Dort herrsche reger Kundenverkehr. Die Kommunikation sei für ihn bei wechselndem Publikumsverkehr und oft großer Geräuschkulisse in der Halle ohne geeignete Hörgeräte kaum noch zu bewältigen und mittlerweile von sehr vielen Missverständnissen bestimmt. Im PKW könne er die Freisprechanlage ohne Hörgeräte nicht nutzen. Seine Arbeitgeberin sei nicht bereit ihn ohne Versorgung mit geeigneten Hörgeräten über das Ende des Jahres hinaus weiter zu beschäftigen. Er hat eine Stellungnahme des Bereichsleiters bei der S. Sicherheitsdienste GmbH & Co. KG M. W. vom 16. November 2009 überreicht. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie dem Beschwerdeführer die Kostenübernahme für Festbetragsgeräte bestätigt hat und damit eine Hörgeräteversorgung sichergestellt sei. Ein schwerer unzumutbarer anders nicht abwendbarer Nachteil bei Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache sei nicht nachgewiesen.

Mit Verfügung vom 29. Oktober 2009 hat der Vorsitzende der Kammer den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass sein Antrag auf Gewährung von PKH unvollständig ist, weil er keine Angaben zu den Einkommensverhältnissen seiner Ehefrau getätigt hat. Mit Schriftsatz vom 18. November 2009 hat der Beschwerdeführer erklärt, seine Ehefrau verfüge über keinerlei Einkommen.

Mit Beschluss vom 8. Januar 2010 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es fehle am Vorliegen eines Anordnungsgrundes, denn die Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung mit den beantragten Hörhilfen würde der Entscheidung in der Hauptsache in unzulässiger Weise vorgreifen. Aus der Stellungnahme des Bereichsleiters sei nicht ersichtlich, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohe, wenn eine kurzfristige Versorgung mit den beantragten Hörgeräten nicht erfolge.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 10. Februar 2010 beim Thüringer Landessozialgericht Beschwerde erhoben. Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Az.: L 6 KR 132/10 ER) hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer seit dem 20. November 2009 arbeitsunfähig sei und Krankengeld beziehe. Das Arbeitsverhältnis sei am 24. November 2009 zum 31. Dezember 2009 durch die Arbeitgeberin gekündigt worden. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 12. April 2010 zurückgenommen.

Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Gewährung von PKH ist der Beschwerdeführer der Ansicht, das Sozialgericht habe zu Unrecht unterstellt, dass sich seine berufliche Situation bei einer Versorgung mit den Festbetragsgeräten deutlich verbessert hätte. Einer Vorwegnahme der Hauptsache hätte es ebenfalls nicht bedurft, weil es möglich gewesen wäre, eine vorläufige Regelung unter dem Vorbehalt des Ergebnisses im Hauptsacheverfahren zu treffen, sodass ihn ggf. eine Rückzahlungs- oder Schadensersatzpflicht treffen würde, falls im Hauptsacheverfahren ein entsprechender Anspruch verneint werde. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe hätte jedenfalls nicht mangels Erfolgsaussichten abgelehnt werden dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (Az.: L 6 KR 132/10 ER und L 6 B 67/10) sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

Rechtsweg:

SG Altenburg, Beschluss vom 08.01.2010 - S 30 KR 3461/09 ER

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten PKH.

Nach § 73 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führen kann.

Es kann hier dahinstehen, ob die Bewilligung von PKH bereits deshalb nicht mehr in Betracht kommt, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch die Rücknahme der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 8. Januar 2010 zwischenzeitlich erledigt ist (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 17. April 2008 - Az.: L 6 B 19/06 R, differenzierend Bundesgerichtshof (BGH) vom 18. November 2009 - Az.: XII ZB 152/09, nach juris); jedenfalls fehlte es dann zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrags auch an einer hinreichenden Erfolgsaussicht.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG in der ab dem 2. Januar 2002 gültigen Fassung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 ZPO gelten entsprechend (Satz 4).

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet ist. In diesem Fall vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist ein Recht, dass dann geschützt werden muss, nicht vorhanden. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 2. Mai 2005 - Az.: 1 BvR 569/05, nach juris). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen nur in den Fällen, in denen es um existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung geht, die lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt; sie haben die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - Az.: 1 BvR 1586/02, nach juris). Bei der hier in Frage stehenden Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten, als den von dem Festbetrag erfassten, handelt es sich nicht um eine existenzsichernde Leistung der Krankenversicherung. Eine Versorgung des Beschwerdeführers mit vom Festbetrag erfassten Hörgeräten hat die Beschwerdegegnerin nicht abgelehnt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren lediglich einer vorläufigen Regelung dient. Nur wenn sie zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Beschwerdeführer unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, weil dem Rechtsschutzsuchenden ein bestimmter Anspruch zusteht, ist ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zulässig (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juni 2008 - Az.: L 16 B 23/08 KR ER m.w.N., nach juris). Unter Vorwegnahme der Hauptsache ist auch die "vorläufige" Vorwegnahme zu verstehen, bei der die Entscheidung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nach der Hauptsachenentscheidung wieder rückgängig gemacht werden kann, d. h. wenn damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (h.M. in der Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2003, § 123 Rdnr. 14b, dort insbesondere Fn. 57, sowie bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 31). Der Ansicht, die nur die vollendete Tatsachen schaffende Anordnung als Vorwegnahme der Hauptsache verstanden wissen will (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 31), ist nicht zu folgen, da auch die vorläufige Vorwegnahme entgegen dem Rechtscharakter der einstweiligen Anordnung die Hauptsachenentscheidung vorwegnimmt. Den Unterschieden zwischen der vorläufigen und der endgültigen Vorwegnahme ist vielmehr mit der Rechtsprechung bei der Zulassung von Verbotsausnahmen und damit bei den an den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund zu stellenden Anforderungen Rechnung zu tragen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 14b am Ende).

Der Beschwerdeführer begehrte hier eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache, weil sein Begehren im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - die Versorgung mit den Hörgeräten Epoq XW - mit seinem Begehren in der Hauptsache übereinstimmte. Nach summarischer Prüfung war der Ausgang des Hauptsacheverfahrens allenfalls als offen zu bewerten. Ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache und damit ein Anordnungsanspruch waren nach den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.

Rechtsgrundlage des primär verfolgten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderungen vorzubeugen oder eine Behinderungen auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird. Die Versorgung mit Hörgeräten dient dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerättechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - Az.: B 3 KR 20/08 R, nach juris). Begrenzt ist der so umrissene Anspruch allerdings durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Abs. 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Leistungsbegrenzungen, etwa wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen, sind grundsätzlich zu erwägen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, a.a.O., m.w.N.). Ob bei dem Beschwerdeführer nur die von ihm beanspruchten Hörgeräte Epoq XW mit der hochwertigen technischen Ausstattung, wie in dem Gutachten des MDK vom 18. Mai 2009 beschrieben und dort von Dr. H. verneint, einen ausreichenden Ausgleich seiner Hörbeeinträchtigung gewährleisten, ergibt sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht. Es fehlt bereits an einer Feststellung des prozentualen Anteils und der sich danach zu qualifizierenden Einschränkung - geringgradig, mittelgradig, hochgradig - des Hörverlustes. Dr. F. hat eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit ohne weitere Beschreibung diagnostiziert. Diese Diagnose findet sich auch im Gutachten des MDK vom 18. Mai 2009. Darüber hinaus entsprach die Verfahrensweise des Dr. F. nicht der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 6. Oktober 2008, in Kraft getreten am 7. Februar 2009 (im Folgenden: Richtlinie). Diese ist maßgebend, weil eine Versorgung des Beschwerdeführers vor dem 7. Februar 2009 mit den begehrten Hörgeräten nicht erfolgt ist. Nach § 22 Abs. 4 der Richtlinie wird in der Regel die Versorgung einer Schwerhörigkeit mit einkanaligen, linear verstärkenden Hinter-dem-Ohr- (HdO-) oder Im-Ohr- (IO-) Geräten durchgeführt. Liegt Schwerhörigkeit mit eingeschränktem Dynamikbereich vor, so kann die Ausstattung des HdO- oder IO-Gerätes mit einer AGC (Automatic Gain Control = Automatische Volumenkompression) angezeigt sein. Liegt frequenzabhängig ein unterschiedlicher Verstärkungsbedarf und/oder eine differierende Dynamikbreite vor, kann die Versorgung mit einem mehrkanaligen Hörgerät angezeigt sein. Ist die Versorgung mit einem Hörgerät mit AGC und/oder einem mehrkanaligen Hörgerät notwendig, ist dieses durch den verordnenden Arzt zu begründen. Eine Begründung der Verordnung der begehrten Hörgeräte mit insgesamt 15 Kanälen ist durch Dr. F. nicht erfolgt. Nach § 24 Abs. 1 der Richtlinie muss sich, hat der Hörgeräte-Akustiker aufgrund einer ärztlichen Verordnung ein Hörgerät angepasst, der verordnende HNO-Arzt durch sprachaudiometrische Untersuchung vergewissern, dass die vom Hörgeräte-Akustiker vorgeschlagene Hörhilfe den angestrebten Verstehensgewinn nach § 21 Abs. 2 der Richtlinie erbringt, die selbst erhobenen Messwerte mit denen des Hörgeräte-Akustiker übereinstimmen. Hierfür ist aus der Akte nichts ersichtlich. Insoweit wären daher in der Hauptsache neben der Vorlage einer ärztlichen Verordnung entsprechend der Richtlinie zunächst der Hörverlust des Beschwerdeführers, die sich hieraus ergebenden Anforderungen an eine ausreichende Versorgung und eine Prüfung des bestehenden Angebots zum Ausgleich des Hörverlustes erforderlich. Im Übrigen genügt die Krankenkasse grundsätzlich ihrer Leistungspflicht im Geltungsbereich einer Festbetragsfestsetzung durch den und bis zu dem jeweiligen Festbetrag. Demgemäß erfüllt sie ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag, wenn für eine Leistung ein solcher festgesetzt ist. Voraussetzung dieser Erfüllungswirkung ist indes die Rechtmäßigkeit des Festbetrages. Eine Festbetragsfestsetzung ist nicht rechtmäßig, wenn eine objektiv ausreichende Versorgung zum Festbetrag unmöglich ist. Objektiv ausreichend ist der Festbetrag, wenn die Vergütung - von atypischen Ausnahmefällen abgesehen - die erforderliche Versorgung prinzipiell jedes betroffenen Versicherten abdeckt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, a.a.O., m.w.N.). Anhaltspunkte, dass die im Jahr 2009 bestehende Festbetragfestsetzung für Hörgeräte in Thüringen nicht ausreichend für die Versorgung von Versicherten mit einem - allerdings noch zu klärenden - Hörverlust wie bei dem Beschwerdeführer war, lagen auch unter Berücksichtigung der unzureichenden Verfahrensweisen des HNO-Arztes und des Hörgeräte-Akustikers nicht vor.

Eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der für Teilhabeleistungen nach § 1, § 4 und § 5 SGB IX zuständigen Senate des BSG, wonach ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe i.S.v. § 1, § 4 und § 5 SGB IX gerichtet ist und ein einmal gestellter Antrag umfassend, das heißt auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen zu prüfen ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. August 2008 - Az.: B 13 R 33/07 R, nach juris). Denn auch diesbezüglich ist nicht ersichtlich, dass wegen der Art und Schwere der Hörbehinderung des Beschwerdeführers in Bezug auf die Bedingungen und Anforderungen seines Arbeitsplatzes eine Versorgung mit den technisch hochwertigen Hörgeräten erforderlich war und zum Festbetrag erhältliche Hörgeräte die genannten Anforderungen nicht erfüllt hätten.

Zudem fehlte es spätestens seit dem 24. November 2009 am Vorliegen eines Anordnungsgrundes, weil an diesem Tag eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2009 erfolgt ist. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm außerhalb seines Beschäftigungsverhältnisses Nachteile drohen, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen. Zu diesem Zeitpunkt wäre jedenfalls noch nicht von einer pflichtwidrigen Verzögerung der Entscheidung (vgl. hierzu: Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, 3. Auflage 2003 S. 176) über den Antrag auf Bewilligung von PKH auszugehen, weil die Entscheidungsreife frühestens am 18. November 2009 - dem Tag des Vorliegens der Erklärung des Beschwerdeführers bezüglich seiner und der Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau - eingetreten ist.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

Referenznummer:

R/R7879


Informationsstand: 03.01.2019