Die zulässige Klage ist begründet, der angefochtene Bescheid der Beklagten stellt sich als rechtswidrig dar und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 154
Abs. 2
S. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Kläger hat Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit den Hörgerätesystemen, mit denen für ihn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleistet ist und die dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bieten.
Gemäß
§ 33 Abs. 1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um die Behinderung auszugleichen. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung zu erbringen,
§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V, wobei sie ihre Leistungspflicht aber gemäß
§ 12 Abs. 2 SGB V grundsätzlich auch mit Erbringung des Festbetrags erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. Die Befugnis zur Festbetragsfestsetzung für Hilfsmittel ergibt sich aus
§ 36 SGB V. Hierzu hat das Bundessozialgericht (
BSG) aber entschieden, dass die Befugnis zur Festbetragsregelung oder zum Vertragsschluss mit Leistungserbringern im Rahmen der Festbeträge zur Leistungsbegrenzung nur im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung, nicht aber zu Einschränkungen des
GKV-Leistungskatalogs berechtigt (
vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az:
B 3 KR 20/08 R). Ein Hilfsmittelfestbetrag bewirkt danach keine Leistungsbegrenzung, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht. In diesem Fall bleibt es vielmehr bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur grundsätzlich kostenfreien Versorgung des Versicherten (
BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.; Urteil vom 21.08.2008, Az: B 12 R 33/07 R). Insoweit reicht es auch nicht aus, dass gegebenenfalls überhaupt ein Leistungserbringer die notwendige Leistung im Rahmen der Festbeträge bereithält. Erforderlich ist vielmehr, dass dieser angemessen erreichbar und seine Inanspruchnahme den Versicherten auch ansonsten zumutbar ist (
vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.). Davon ist im hier vorliegenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht auszugehen.
Der Kläger hat seit erstmaliger Antragstellung bereits im Jahr 2008 mehrfach bei unterschiedlichen Leistungserbringern unterschiedliche - eigenanteilsfrei angebotene - Hörgerätesysteme getestet. Der jeweils erzielte Hörgewinn ist ausweislich der hierzu vorliegenden Dokumentationen jeweils hinter dem mit dem zuletzt begehrten Hörgerät Oticon Agil pro P erreichten Hörgewinn zurückgeblieben. Auch wenn im Rahmen der vertraglichen Regelungen die Leistungserbringer jeweils entscheiden, welche Geräte sie eigenanteilsfrei abgeben und daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass gegebenenfalls von einem weiteren Leistungserbringer ein Hörgerät eigenanteilsfrei angeboten würde, mit dem ein vergleichbarer Hörgewinn erzielt werden könnte, kann der Kläger auf die Erprobung weiterer Hörsysteme im Hinblick auf die bereits langdauernde umfangreiche vergleichende Anpassung nicht mehr zumutbar verwiesen werden.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts auch nicht bereits hinreichend mit dem vorläufig angepassten Gerät Phonak Milo SP versorgt. Im Rahmen des durch die Hörgeräteversorgung erfolgenden unmittelbaren Behinderungsausgleichs haben Versicherte Anspruch auf die Versorgung, die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltag einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Solange dieser Ausgleich im Sinne eines Gleichziehens mit dem Hörvermögen gesunder Menschen nicht vollständig erreicht ist, kann die Versorgung mit einem (fortschrittlicheren) Hörgerät nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die gesetzliche Krankenversicherung nur für die Aufrechterhaltung eines wie auch immer zu bestimmenden Basishörvermögens aufzukommen habe (
vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.). Insoweit kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass auch mit dem eigenanteilsfrei angebotenen Gerät Phonak Milo SP ein Hörgewinn erzielt werde, der in den üblichen Alltagssituationen ausreichend sei. Zwar ist der Anspruch grundsätzlich begrenzt durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des
§ 12 Abs. 1 SGB V, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des notwendigen nicht überschreiten dürfen. Demnach ist ein Anspruch auf ein teueres Hilfsmittel ausgeschlossen, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist und die kostenaufwändigere Versorgung lediglich ästhetische Vorteile oder höheren Nutzungskomfort bietet, aber auch, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (
vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.).
Eine solche Begrenzung ist hier jedoch zur Überzeugung des Gerichts nicht anzunehmen. Der Kläger hat glaubhaft dargestellt, dass der mit dem bislang vorläufig angepassten Gerät Phonak Milo SP erzielte Hörgewinn im Alltag nicht ausreichend ist insoweit, als auch bei im Alltag regelmäßig vorkommenden Störgeräuschen, wie zum Beispiel bei stärkerem Regen oder in größerem Personenkreis beim Zusammentreffen unterschiedlicher Stimmlagen, eine ausreichende Verständigung nicht mehr möglich ist, insbesondere auch unter Berücksichtigung des für den Kläger als Nicht-Muttersprachler besonders wichtigen Sprachverständnisses.
Nicht anschließen kann sich das Gericht der Ansicht der Beklagten, wonach ausgehend von dem zuletzt angegebenen Hörgewinn von 30 % auch bei Störschall für das Gerät Phonak Milo SP im Vergleich zum für das Gerät Oticon Agil pro P angegebenen Hörgewinn ein im Verhältnis zum Mehraufwand angemessener wesentlicher Hörgewinn durch das begehrte Gerät nicht anzunehmen sei. Hier ist zu sehen, dass das Gerät Oticon Agil pro P lediglich einmal, nämlich zu Beginn der Hörgeräteanpassung beim zuletzt in Anspruch genommenen Akustiker getestet worden ist. Dabei ist mit dem Hörsystem Oticon Agil pro P ein Hörgewinn in Ruhe von 80 %, im Störgeräusch von 45 %, mit dem Gerät Phonak Milo SP ein Hörgewinn in Ruhe von 70 %, im Störgeräusch von 10 % gemessen worden. Zwar ist nach den zuletzt angegebenen Messergebnissen bei der letzten Messung mit dem Gerät Phonak Milo SP ein Hörgewinn im Störgeräusch von 30 % angegeben worden. Dabei ist allerdings zum einen aufgrund der angegebenen Daten davon auszugehen, dass die letzte Messung bei niedrigerem Störschall und außerdem nach ausreichender Gewöhnung des Klägers an das Hörgerät Phonak Milo SP erfolgt ist. Insoweit ist für das Gericht die Erläuterung des Hörgeräteakustikers, wonach grundsätzlich bei jedem Gerät nach entsprechender Eingewöhnung noch mit einer weitergehenden Verbesserung des zu erzielenden Hörgewinns zu rechnen sei, durchaus nachvollziehbar und überzeugend. Daher kann davon ausgegangen werden, dass bei entsprechender Gewöhnung an das Gerät Oticon Agil pro P ebenfalls ein entsprechend weitergehender Hörgewinn erzielt werden kann.
Dieser im Vergleich zum bislang genutzten Gerät mögliche weitergehende Hörgewinn steht zur Überzeugung des Gerichts auch nicht außer Verhältnis zum durch die Versorgung mit dem begehrten Gerät Oticon pro P entstehenden Mehraufwand. Nach den Erläuterungen des Zeugen bedeutet ein Hörgewinn von 10 %, wie er bei der ersten Anpassung des Gerätes Phonak Milo SP im Störgeräusch erreicht worden ist, ein Hörverständnis von lediglich 2 aus 20 Wörtern, das dann nach ausreichender Eingewöhnung zuletzt auf 30 %, das heißt 6 aus 20 Wörtern gesteigert werde konnte. Mit dem Hörsystem Oticon Agil pro P konnte dagegen bereits bei der ersten Anpassung ohne Eingewöhnung ein Hörgewinn im Störgeräusch von 45 %, das heißt 9 aus 10 Wörtern erzielt werden, wobei aufgrund der Erläuterungen des Zeugen zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen ist, dass nach entsprechender Eingewöhnung auch hier noch eine weitergehende Steigerung des Hörgewinns möglich ist. Auch wenn ein entsprechender Gebrauchsvorteil hier vor allem im Störgeräusch, weniger in Ruhe nachgewiesen ist, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts insoweit um einen erheblichen, keinesfalls im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu vernachlässigenden lediglich geringfügigen Gebrauchsvorteil. Denn geschuldet ist im Rahmen des möglichst vollständigen Behinderungsausgleichs hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen möglichst im Sinne eines Gleichziehens mit dem Hörvermögen gesunder Menschen zu eröffnen (
vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2013, Az:
B 3 KR 5/12 R). Hierzu ist der Kläger mit dem Hörgerät Oticon Agil pro P, mit dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein weitestgehender Hörgewinn erzielt werden konnte, zu versorgen. Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.