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Urteil
Ausschluss einer Optimalversorgung bei notwendiger Hilfsmittelversorgung des Versicherten durch die Krankenkasse

Gericht:

SG Darmstadt 10. Kammer


Aktenzeichen:

S 10 KR 557/13


Urteil vom:

27.05.2015


Grundlage:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für den Umbau einer Oberschenkelprothese mit C-Leg-Kniegelenkssystem in eine mit einem Genium-Bionic Prothetic System (künftig: Genium-Kniegelenk), die nach der Rechnung des Sanitätshauses D. vom 19.11.2013 insgesamt 26.196,87 EUR gekostet hat.

Der jetzt 79-jährige Kläger erlitt im Jahr 2011 beim Tennisspielen einen Muskelfaserriss mit anschließender Thrombose, die letztlich nach mehreren weiteren Operationen im April 2012 zu einer Knie-Examputation führte. Deshalb wurde der Kläger zunächst seitens der Beklagten mit einer Interimsprothese versorgt, die er - seinen eigenen Angaben zufolge - täglich 5 bis 7 Stunden getragen hatte und dabei 500 m sowie ca. 50 Stufen zurückgelegt hatte. Nach nur etwa zweimonatigem Tragen wurde diese Interimsprothese mit einem "C-Leg-Kniegelenkssystem" ausgestattet, wofür die Beklagte im Übrigen mit Bescheid vom 13.11.2012 auch Kostenzusage (i.H.v. 28.738,23 EUR) erteilt hatte.

Nachdem der Kläger im Sanitätshaus D. eine einwöchige Probeversorgung mit einem in die vorhandene Interimsprothese eingesetzten "Genium-Kniegelenk" durchgeführt hatte, stellte der Kläger, gestützt auf eine ärztliche Versorgung seines Hausarztes Dr. E. vom 10.08.2012 die Versorgung mit einer Knie-Ex-Prothese mit diesem System, deren Preis nach dem Kostenvoranschlag des Sanitätshauses D. insgesamt 45.965,49 EUR betragen sollte. Zur Begründung legte der Kläger eine Bescheinigung des Sanitätshauses vom 14.08.2012 vor, in der der Mitarbeiter F. unter anderem ausgeführt hatte, dass bei dem Kläger aufgrund eines Muskelfaserrisses mit anschließender Thrombose das Kniegelenk im April 2012 hatte amputiert werden müssen, wobei er zudem unter Herz-Kreislauferkrankungen leide. Die derzeitige Interimsprothese trage er täglich 5 bis 7 Stunden und lege dabei eine Wegstrecke von ca. 500 m zurück, wobei er etwa 50 Treppenstufen bewältige. Zu seinen täglichen Lebensgewohnheiten gehörten das gehen von unterschiedlichen Geschwindigkeiten, das Bewältigen von Schrägen und unebenem Untergrund wie das Tragen von Gegenständen. Er lebe in hügeliger Umgebung, weshalb er täglich Schrägen und Rampen bewältigen müsse. Zudem übernehme er sehr gern die anfallenden Gartenarbeiten und gehe mit seiner Ehefrau ausgiebig auf unebenem Untergrund spazieren. Zu seinen Hobbys zählten Tennis spielen, Radfahren, Golf spielen und Motorrad fahren, wobei er von Oktober/November bis April in einer Ferienwohnung auf Teneriffa lebe. Am 24.07.2012 habe man eine einwöchige Probeversorgung beim Kläger mit dem Genium-Kniegelenk durchgeführt, wobei mehrere verschiedene Tests absolviert worden seien. Dabei habe der Kläger festgestellt, dass es für ihn persönlich mit dem Genium-Bionic Prosthetic System zu einer erhöhten Sicherheit, deutlichen Entlastung der Gegenseite, Verbesserung des harmonischen Gangbildes sowie zu einer wesentlichen Reduzierung der Konzentration auf das Gehen mit der Prothese komme. Insbesondere habe sich dabei gezeigt, dass der Kläger bei alltäglichen Dingen mit diesem System profitiere, wie dem treppauf Gehen, dem Übersteigen von Hindernissen, dem Stehen auf ebenem und schrägen Untergrund, dem Gehen auf Schräge, dem Rückwärtsgehen wie dem Tragen von Gegenständen. Aus diesen Gründen werde um eine zeitnahe Genehmigung des Kostenvoranschlages für ein Genium-Kniegelenk gebeten.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkasse, in denen der Orthopäde und Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin, Dr. G. wie der Orthopädie-Mechaniker-Meister H. am 23.10.2012 zu den Feststellungen gelangt waren, dass es sich bei dem Kläger um einen 76-jährigen Versicherten in altersgerechtem Allgemein- und leicht untergewichtigen Ernährungszustand handele, der mit angelegter Prothese in Begleitung der Tochter erschienen war. Das Gangbild wird als eher langsam und vorsichtig mit leicht vornübergebeugtem Körper und links hinkend beschrieben, wobei die Augen bzw. das Gesicht zum Boden geneigt gewesen sei. Das rechte Bein wurde beim Gehen nicht vollständig gestreckt; Belastung, Abrollbewegung, Schrittlänge und Rhythmus auf der Prothesenseite seien im Vergleich zur Gegenseite verkürzt. Die Auslösung der Schwingphase gelinge hinreichend jedoch nicht vollständig sicher; ein symmetrisches, sicheres Gangbild habe ebenso wenig vorgeführt werden können wie eine wechselnde Geschwindigkeit und/oder ein flotter Gang. Das Treppenabgehen einer 10-stufigen Treppe habe alternierend, jedoch unsicher unter Festhalten am Geländer vorgeführt werden können, wobei der Kläger hinreichend sicher eine schräge ebene langsam hinauf und hinab gehen und hinreichend sicher auf dieser habe stehen können. Im konkreten Einzelfall habe daher die Notwendigkeit, den Kläger mit einer definitiven Prothese mit Genium-Prothesensystem zu versorgen, nicht als sachgerecht und begründet nachvollzogen werden können. Dementsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2012 eine Kostenübernahme für das gewünschte Genium-Kniegelenk ab und sagte die Kosten für die Versorgung der Prothese mit einem C-Leg-Kniegelenkssystem in Höhe von 28.738,23 EUR zu (Bescheid vom 13.11.2012).

Aufgrund des hiergegen erhobenen und mit der Erzielung wesentlicher Gebrauchsvorteile begründeten Widerspruchs holte der Beklagte noch eine weitere Stellungnahme des MDK ein, in der die beiden Gutachter H. und Dr. G. am 02.04.2013 ergänzend erläuterten, dass zwar das Gehen mit der Prothese im Vergleich zur letzten Untersuchung gebessert habe vorgeführt werden können und ihm inzwischen ein freies Gehen ohne die Verwendung eines Gehstockes möglich gewesen sei. Dennoch seien Belastung, Abrollbewegung, Schrittlänge wie Rhythmus auf der Prothesenseite im Vergleich zur Gegenseite verkürzt. Das Gangbild habe sich deutlich symmetrischer gezeigt, ein flotter Gang könne aber weiterhin nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorgeführt werden. So könne das Treppensteigen auf einer 10-stufigen Treppe alternieren langsam mit Festhalten am Geländer vorgeführt werden und der Kläger könne hinreichend sicher eine schräge Ebene langsam hinab- und hinaufgehen, wobei im Vergleich zur Erstuntersuchung keine Gehhilfe mehr erforderlich sei. Insgesamt könne unverändert die Notwendigkeit der Versorgung mit einem Genium-Kniegelenk nicht als sachgerecht und begründet nachvollzogen werden. Da der Kläger sich jedoch mit dem Genium-Kniegelenk vorgestellt hatte, sei eine Beurteilung, inwieweit er sich durch den Zeitablauf mit dem C-Leg hatte verbessern können, nicht möglich gewesen. Festzustellen sei jedoch, dass ein verbessertes Gehvermögen vorgezeigt werden konnte, ohne klären zu können, ob dies auf die Versorgung mit dem Genium-Kniegelenk zurückzuführen sei. Im Übrigen könne der Kläger aufgrund seines relativ guten Allgemeinzustandes hinsichtlich der Prothesenverwendung dem Mobilitätsgrad 3 zugeordnet werden, worunter zu verstehen sei, dass eine Prothese intensiv in allen Bereichen verwendet werden könne. Ein hohes Sicherheitsbedürfnis sei jedoch weiterhin erforderlich. Zusammenfassend sei unverändert die Versorgung mit einem C-Leg als sachgerechte Versorgung im konkreten Einzelfall anzusehen, da eine wesentliche Verbesserung des Gehvermögens unter der Verwendung des Genium-Kniegelenkes nicht möglich erscheine. Deshalb wies die Beklagte den Widerspruch am 10. Juli 2013 als unbegründet zurück.

Während der hiergegen am 25.07.2013 zunächst beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobenen und von dort mit Beschluss vom 06.08.2013 (S 25 KR 332/13) zuständigkeitshalber an das hiesige Gericht verwiesenen Klage hat der Kläger - offenbar auf eigene Kosten und mit Zustimmung der Beklagten- die Umversorgung der mit dem C-Leg-System ausgerüsteten Prothese auf ein Genium-Kniegelenkssystem betrieben, weshalb er jetzt noch die durch Rechnung des Sanitätshauses D. vom 19.11.2013 nachgewiesenen Kosten in Höhe von 26.196,87 EUR von der Beklagten erstattet verlangt.

Zur Begründung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er zwar Rentner sei, jedoch aktiv am Leben teilnehme. Er wohne in einer Doppelhaushälfte mit Keller und Garten, die zudem am Waldrand liege. Alltäglich seien somit Treppen zu überwinden und er übernehme auch die Gartenarbeit. In seiner Freizeit sei er sportlich aktiv, spiele z.B. Golf und wandere auch gerne im Wald. Mit der vorhandenen Versorgung komme es allerdings wiederkehrend zu Gang- und Standunsicherheiten, insbesondere im häuslichen Umfeld und das Treppensteigen mit dem C-Leg bereite ihm Schwierigkeiten und er bleibe an Bodenhindernissen, z.B. an Teppichkanten oder der Balkonschwelle, mit dem Prothesenfuß hängen; auch im Außenbereich bereiteten ihm Bordsteinkanten oder Wurzeln Probleme. Durch die probeweise Versorgung mit dem Genium-Kniegelenk, das er sich letztlich selbst beschafft habe, könne er sich deutlich besser als mit dem C-Leg-Kniegelenkssystem bewegen. So sei mit dem Genium-Kniegelenksystem das natürliche Gehen und Stehen auf Neigungen, Steigungen und unebenem Gelände wie das angepasste treppab Gehen und alternierende treppauf Gehen möglich. Zudem würden die Prothesenträger damit in die Lage versetzt, den physiologischen Gang besser nachzubilden und ihr persönliches Umfeld und den Bewegungsradius zu erweitern. Zumal bei der Prüfung der tatsächlichen Gebrauchsvorteile des Genium-Kniegelenksystems bereits dann anzunehmen seien, wenn sie nicht lediglich Randbereiche des täglichen Lebens beträfen oder sich auf Bequemlichkeit oder einen besseren Komfort beschränkten. Angesichts der Tatsache, dass im Bereich der Prothesenversorgung sich eine Kosten-Nutzen-Überlegung erübrige und die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels auch grundsätzlich dessen Wirtschaftlichkeit impliziere, sei die Beklagte, nachdem sie sich mit einem Austausch ausdrücklich einverstanden erklärt hatte, zur Kostenübernahme der durch den Austausch von C-Leg-Kniegelenksystem auf das Genium-Gelenksystem bedingten Mehrkosten verpflichtet. Erst mit der Versorgung mit dem als Weiterentwicklung des C-Leg-Systems zu sehenden Genium-Kniegelenk sei der aktuelle Stand der medizinischen Erkenntnisse und der Technik erreicht.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 29.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2013 aufzuheben, sowie den Bescheid vom 13.11.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten der selbstbeschafften Umversorgung von einem C-Leg-Gelenksystem auf das Genium-Kniegelenkssystem in Höhe von 26.196,87 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht, insbesondere gestützt auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des MDK geltend, dass der Kläger mit der Prothese inklusive des C-Leg-Kniegelenkssystems angesichts seiner Bedürfnisse ausreichend versorgt sei und die weiteren Gebrauchsvorteile des Genium-Kniegelenkes bezogen auf seinen Alltag tatsächlich nicht nutzen könne. Im Einzelnen führt sie aus, dass nach den übereinstimmenden, im Abstand von mehr als einem Jahr erstellten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bezogen auf den Kläger nicht von wesentlichen Gebrauchsvorteilen des Genium-Kniegelenkes gegenüber dem dem Kläger zur Verfügung gestellten C-Leg-Kniegelenkssystem auszugehen sei. Zum einen sei der Kläger erst sehr kurzfristig mit dem C-Leg-Kniegelenksystem versorgt gewesen, so dass davon auszugehen sei, dass er bei der Probeversorgung durch das Sanitätshaus wie bei Erstbegutachtung durch den MDK die volle Bandbreite der C-Leg-Versorgung gegenüber herkömmlichen Kniegelenks-Prothesen noch gar nicht hatte in Erfahrung bringen können. Darüber hinaus lägen auch weiterhin keine klinischen Studien mit entsprechender Evidenz vor, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil des Genium-Kniegelenksystems gegenüber den bisher auf dem Markt befindlichen prozessorgesteuerten Prothesensystemen belegten. Im Übrigen hätten die Gutachter wiederholt bestätigt, dass eine C-Leg-Versorgung für den Kläger weiterhin ausreichend sei.

Eine Gegenüberstellung beider Systeme sei nicht erfolgt sei, da der Kläger erst ca. drei Wochen nach Versorgung mit dem C-Leg-System, für die die Beklagte bereits 28.738,23 EUR übernommen hatte, am 24.07.2012 eine einwöchige Erprobung mit dem Genium-Kniegelenkssystem durchgeführt habe und sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht mit den Gebrauchsvorteilen einer C-Leg-Versorgung hätte vertraut sein können. Die vorgelegte Dokumentation, die unmittelbar nach der einwöchigen Probeversorgung mit dem Genium-System erstellt wurde, sei nicht auch deshalb aussagekräftig. In verständlicher Sorge um das bereits mit einer Kniegelenksprothese versorgte Bein und unter dem Druck der Erwartungshaltung der Mitarbeiter der Fa. J. bzw. des Sanitätshauses, die dem Kläger die einwöchige Testphase ermöglicht hatten, habe der Kläger das neue Prothesensystem natürlich nur positiv bewertet, da er schließlich entsprechend umversorgt werden wollte.

Demgegenüber hätten anlässlich der ersten Begutachtung durch den MDK am 23.10.2012 nur festgestellt werden können, dass der Kläger weiterhin noch unsicher war; das Gangbild nur langsam und vorsichtig mit vornübergebeugtem Körper und linkshinkend demonstriert worden sei. Die Auslösung der Schwungphase gelang hinreichend, jedoch noch nicht vollständig sicher; ein symmetrisches, sicheres Gangbild konnte damals ebenso wenig vorgeführt werden, wie wechselnde Geschwindigkeiten oder ein flotter Gang. So kamen die Gutachter damals zu dem Schluss, dass selbst bei der damaligen C-Leg-Versorgung nicht festzustellen sei, dass der Kläger wesentliche Gebrauchsvorteile dieses Systems im Vergleich zu einer herkömmlichen Prothesenversorgung aufweise. Dies führten die Gutachter damals auf eine noch nicht vollständige Vertrautheit dieses Systems zurück, die bei längerem Prothesengebrauch im Rahmen des Mobilitätsgrades 3 jedoch noch zu erzielen wäre. Insgesamt sei der Kläger mit der C-Leg-Versorgung auf hohem Stand der Technik versorgt, ohne dass aufgrund der Untersuchungsbefunde signifikante Gebrauchsvorteile, die den gesamten Bereich der Mobilität betreffend würden, vom Kläger durch das gewünschte Genium-Kniegelenkssystem erzielt werden könnten. Die Gebrauchsvorteile, die sich der Kläger mit der Versorgung mittels Genium-Kniegelenkssystem erhoffe, seien grundsätzlich bereits mit dem zur Verfügung gestellten C-Leg erreichbar gewesen, insbesondere ein nahezu physiologisches Gangbild und eine Entlastung des gesunden Beines. Ob im Falle des Klägers seine nähere Wohnumgebung bzw. sein längerer Aufenthalt auf Teneriffa überhaupt zu berücksichtigen ist, wäre noch zu klären, da das Bundessozialgericht in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht habe, dass die unmittelbaren Wohnverhältnisse wie die Wohnumgebung keine Rolle für die Wahl der Hilfsmittelversorgung spielen könnten. Die gegenüber dem Sanitätshaus und dem Kläger erteilte Zustimmung zum Austausch des gewährten C-Leg-Kniegelenks-System gegen das mit Genium-Kniegelenksystem sei schließlich nur unter der Bedingung erfolgt, dass der Kläger das Genium auf eigene Kosten vornehmen lasse und den Differenzbetrag aus eigenen Mitteln trage. Gleiches gelte für die Differenz von Wartungs- und Reparaturkosten zwischen einem C-Leg und dem vom Kläger gewünschten Genium-Bionic Prosthetic System.

Die Kammer hat ergänzend Beweis erhoben durch gezielte Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte. So führt der Chirurg Dr. I. vom Cardioangiologischen Centrum Betanien (CCB) am 01.09.2014 aus, dass er anlässlich der bei ihm im März und April 2013 durchgeführten gefäßchirurgischen Behandlung neben einer Durchblutungsstörung (arterielle Verschlusskrankheit), einem Zustand nach Kniegelenksamputation linksseitig auch ein paroxysmales Vorhofflimmern mit Zustand nach Herzschrittmacher-Implantation hatte festgestellt werden können, während am rechten eine tiefe Venenthrombose hatte ausgeschlossen werden können. Bei der Untersuchung habe der Kläger über intakte Stumpfverhältnisse nach Knieexartikulation berichtet, wobei auf die Abnahme der Prothese verzichtet worden sei. Der Kläger sei mit einer konventionellen Kniegelenksprothese versorgt gewesen, wobei es sich bei der Genium-Kniegelenksprothese um eine mikroprozessorgesteuerte Prothese handele, die gegenüber einer nicht elektronisch gesteuerten Knieprothese eine deutliche Besserung des Bewegungsablaufs und das Erreichen eines nahezu natürlichen Gangbildes ermögliche. Eine Indikation mit einer solchen mikroprozessorgesteuerten Prothese ergebe sich insbesondere bei jüngeren Patienten, wobei beim Kläger zunächst abzuklären wäre, wie häufig er die bisherige konventionelle Prothese tragen werde und welche täglichen Wegstrecken er damit zurücklege. Grundsätzlich seien mit einer solchen Prothese ein deutlich natürlicheres Gangbild und eine höhere Gangsicherheit für den Patienten erzielbar.

Der Hausarzt Dr. H. hat in seinem Bericht vom 22.09.2014 ergänzt, dass bei dem Kläger ein Zustand nach Kniegelenksexartikulation links, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit beidseits, eine koronare Herzkrankheit bei Drei-Gefäß-Erkrankung und Schrittmacherimplantation 2010 sowie eine arterielle Hypertonie vorliege, er jedoch eine hohe Motivation und einen guten Umgang am Anfang mit der Interimsprothese gezeigt habe. Da er immer mehr mobil war und immer mit Begeisterung die Fortschritte bei Gang gezeigt habe, sei er damals der Meinung gewesen, dass eine elektronische Prothese für ihn geeignet gewesen wäre. Er habe eine bemerkenswerte Motivation, Disziplin wie Willen zum Treppensteigen und zur Bewegungsverbesserung gezeigt und hätte eines Tages Kataloge über die neuen Prothesenmodelle mitgebracht und die Enttäuschung der Ablehnung der Krankenkasse bezüglich der Kostenerstattung. Mit der Prothese könne der Kläger Treppen steigen, schneller laufen und der Gang sei deutlich stabiler und sicherer geworden.

Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten Unterlagen wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten mit den beiden Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkasse vom 02.04.2013 und vom 10.07.2013 und die Gerichtsakte verwiesen, die beide auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2015 gewesen sind.

Rechtsweg:

LSG Hessen, Urteil vom 09.11.2017 - L 1 KR 211/15

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Zahlungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 13. November 2012 sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr hat die Beklagte darin zu Recht der Versorgung des knieexartikulierten Klägers mit einer Prothese mit dem C-Leg-System zugestimmt; ein Anspruch auf Erstattung der wegen Umversorgung dieser Prothese mit einem Genium-Bionic Prothetic System entstandenen und vom Kläger selbst bezahlten Kosten in Höhe von 26.196,87 EUR kann der Kläger dagegen nicht verlangen.

Nachdem der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger sich - nach Zustimmung der Klägerin - zum Austausch des bewilligten und von der Klägerin auch bezahlten C-Leg-Systems in das von ihm gewünschte Genium-Bionic Prothetic System auf eigene Kosten entschlossen und die Rechnung des Sanitätshauses D. vom 19.11.2013 in Höhe von 26.196,87 EUR offenbar auch selbst bezahlt hat, kann sich der Antrag auf Erstattung dieser "Umbau-Kosten" nur auf § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) stützen. Denn grundsätzlich erbringen die - gesetzlichen - Krankenkassen ihre Leistungen "auf Krankenversicherungskarte", das bedeutet, dass die Versicherten Anspruch auf die Sachleistung haben und direkt über die Krankenkasse durch einen Leistungserbringer versorgt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V), weshalb die Krankenkassen mit den Leistungserbringern über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen auch direkt Verträge schließen (§ 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Insoweit darf die Krankenkasse anstelle der Sach- und Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch vorsehen.

Deshalb kann ein bei einer "gesetzlichen" Krankenkasse Versicherter statt unmittelbaren Anspruch auf Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung nur verlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 13 SGB V erfüllt sind, insbesondere wenn er dies vor Inanspruchnahme der Leistung mit seiner Krankenkasse vereinbart hat, bzw. er ausdrücklich statt "Leistung auf Krankenkarte" für sich ausdrücklich Kostenerstattung gewählt hat und dies seiner Krankenkasse mitgeteilt hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V). Eine solche "Wahl" bzw. Vereinbarung hat der Kläger nicht ausgesprochen bzw. mit der Beklagten auch nicht vereinbart. Deshalb kann der Kläger seinen Kostenerstattungsanspruch ausschließlich auf § 13 Abs. 3 SGB V stützen, wonach die durch den Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung entstandenen Kosten in der entstandenen Höhe von der Krankenkasse zu erstatten sind, wenn entweder die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig hatte erbringen können (1. Alternative) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten die Kosten entstanden sind (2. Alternative). Da bezüglich des Umtauschs der Prothese mit dem bewilligten prozessorgesteuerten C-Leg-Kniegelenk durch Ersatz mit dem Genium-Bionic Prothetic System der Firma P. zu einem Preis von 26.196,87 EUR keine Eilbedürftigkeit im Sinne der 1. Alternative (unaufschiebbare Leistung) gegeben ist, bestünde der Anspruch auf Erstattung dieser Kosten nur dann, wenn die Beklagte eine entsprechende Ablehnung "zu Unrecht" vorgenommen hätte und dem Kläger dadurch die Kosten erstattet wären.

Die seitens der Beklagten - unstreitig nach entsprechender Antragstellung - erfolgte Ablehnung der Gewährung einer Prothese mit dem Genium-Bionic Prothetic System ist jedoch nicht "zu Unrecht" erfolgt; vielmehr hat die Beklagte aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten dies abgelehnt und den Kläger auf die Ausstattung seiner medizinisch notwendigen Prothese mit dem mikroprozessorgesteuerten C-Leg-System verwiesen. Denn die Beklagte wäre nur dann zum Austausch der beiden Prothesensysteme verpflichtet gewesen - und damit zur Übernahme der "Umbau-Kosten" -, wenn der Kläger von vorneherein Anspruch auf die Ausführung mit dem deutlich teureren Genium-System gehabt hätte. Dies ist jedoch angesichts der - vom Kläger auch nicht bestrittenen - Ergebnisse der Begutachtungen durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen vom 23.10.2012 und 02.04.2013 sowie den von der Kammer ergänzend angeforderten Ausführungen der behandelnden Ärzte, Dr. I. vom 01.09.2014 und Dr. D. vom 22.09.2014 nicht der Fall. Vielmehr stellt sich die von der Beklagten angebotene und - über das Sanitätshaus D. - auch ausgelieferte Prothese mit C-Leg-Kniegelenkssystem als angemessene aber auch medizinisch ausreichende Versorgung dar. Denn das vom Kläger letztlich auf eigene Kosten eingebaute Genium-Kniegelenksystem war und ist medizinisch nicht notwendig.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, wobei die Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln umfasst (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 SGB V). Demzufolge haben Versicherte gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand ist. Wählen jedoch Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Wie alle Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen steht auch die Gewährung von Hilfsmitteln unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wonach Leistungen ausreichend zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Deshalb können Versicherte Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, nicht beanspruchen und dürfen andererseits von den Leistungserbringern nicht bewirkt bzw. von den Krankenkassen nicht bewilligt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Bei der Bewertung des notwendigen Behindertenausgleichs wird zwischen solchen Hilfsmitteln unterschieden, die dem unmittelbaren oder solchen die dem mittelbaren Behindertenausgleich dienen. Ein unmittelbarer Behindertenausgleich ist gegeben, wenn der Vergleich der ausgefallenden oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst erfolgt oder erfolgen soll, was insbesondere bei Prothesen, Hörgeräten oder Sehhilfen der Fall ist. Im Rahmen des unmittelbaren Behindertenausgleichs gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen und technischen Fortschritts (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, etwa in juris PK-SGB V, 2. Auflage 2012, zu § 33 SGB V Rdz. 33). Dagegen liegt ein (nur) mittelbarer Behindertenausgleich vor, wenn Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen, wobei in diesem Fall die gesetzliche Krankenkassen nur für den Basisausgleich einzustehen haben; es geht in diesem Fällen nicht um den Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, sondern - als Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung - nur darum, die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben zu beseitigen oder zu mildern, sodass ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen und durch das Hilfsmittel ausgeglichen wird (vgl. etwa: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.11.2011 - B 3 KR 4/11 R mit weiteren Nachweisen). Im Bereich des unmittelbaren Behindertenausgleich kann dabei die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel insbesondere nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem behinderten Menschen erreicht ist (so bereits ausdrücklich: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 20/04 R).

Bei Anwendung dieser Grundsätze, die die erkennende Kammer sich zu eigen gemacht hat, und der Tatsache, dass die Versorgung des Klägers mit einer Oberschenkelprothese unter Verwendung des neuartigen sensorgesteuerten Kniegelenks des Typs Genium-Bionic Prothetic Systems im Streit steht, handelt es sich um den unmittelbaren Behindertenausgleich, weil dadurch die ausgefallenen Funktionen des verlorenen Beines, insbesondere das Gehen, Laufen und Stehen ausgeglichen werden sollen. Demzufolge kann der darauf gestützte Anspruch auch nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dass dieses Kniegelenks-Prothesen-System gegenüber einem nur geringgradig schlechteren System deutlich teurer ist und der Kläger als mit dem kostengünstigeren C Leg-System ausreichend versorgt wäre. Entgegen der Auffassung der Beklagten geht dabei auch - die Kammer davon aus, dass das vom Kläger gewünschte Genium-Kniegelenks-System als Weiterentwicklung des sogenannten "C-Leg-Kniegelenksystems" gegenüber diesem weitere Gebrauchsvorteile bietet, wie sie nicht nur der Internetauftritt des Herstellers beider Systeme, die Fa. J., beschreibt, sondern wie sie auch seitens des auch von der Beklagten zur Belieferung des Klägers mit der Prothese beauftragte Sanitätshaus D. in seiner ausführlichen Stellungnahme im Zusammenhang mit der "Probeversorgung" des Klägers am 14.08.2012 beschreibt (vgl. dazu auch: SG München, Urteil vom 21.05.2014 - S 29 KR 610/13; SG Augsburg, Urteil vom 03.06.2014 - S 6 KR 339/13 und SG Hannover, Urteil vom 10.04.2014 - S 2 KR 525/13).

Andererseits wird auch die im Rahmen des unmittelbaren Behindertenausgleichs im weiteren Umfange geschuldete Versorgung nicht schrankenlos gewährt. Vielmehr besteht unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sowohl beim mittelbaren wie beim unmittelbaren Behindertenausgleich ein Anspruch nur auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, nicht aber auf eine optimale Versorgung (Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung: vgl. etwa: BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R mit weiteren Nachweisen). Dementsprechend besteht keine Leistungspflicht der (gesetzlichen) Krankenkassen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit oder den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen (BSG, Urteil vom 06.06.2002 - B 3 KR 68/01 R). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der - wenn auch objektiv, ohne Ansehen des konkreten Behindertenausgleichsbedarfs bestehende - Gebrauchsvorteil in Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 Abs. 1 SGB V immer maßgebend von den körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Prothesenträgers und seiner persönlichen Lebensgestaltung abhängt.

Unter Berücksichtigung dieser, in der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verankerten Grundsätze, von der auch die erkennende Kammer ausgeht, steht dem Kläger kein Anspruch auf Versorgung einer Oberschenkelprothese mit dem Genium-Bionic Prothetic System zu, da der Kläger die möglichen Gebrauchsvorteile gegenüber dem ihm von der Beklagten gewährten Prothesenversorgung mit einem C-Leg-System tatsächlich nicht nutzen kann und deshalb eine medizinischen Notwendigkeit auch angesichts des Ziels eines unmittelbaren Behindertenausgleichs nicht zu bejahen ist. Dabei kann sich die Kammer auf die Begutachtungen des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (Arzt für Orthopädie, physikalische und rehabilitative Medizin Dr. G. und Orthopädie-Mechaniker-Meister H. vom 23.10.2012 und vom 02.04.2013) ebenso stützen wie auf die Ausführungen der behandelnden Ärzte Dr. D. vom 22.09.2014 und Dr. H. (CCB) vom 01.09.2014.

Dabei geht die Kammer mit den Gutachtern des MDK dahingehend überein, dass der Kläger trotz seiner inzwischen 79 Jahren aufgrund seiner Physis dem Mobilitätsgrad 3 entspricht, obwohl er neben einem Zustand nach Schrittmacher-Implantation, an paroxysmalem Vorhofflimmern, einer arterielle Hypertonie auch noch an einer beidseitigen arteriellen Verschlusskrankheit leidet. Eine tiefe Beinvenenthrombose konnte allerdings ausgeschlossen werden, wenn auch - gemäß dem Bericht des Dr. I. vom 23.04.2013 - immerhin Kalzifizierungen und Wandunregelmäßigkeiten der Aorta femoralis superficialis wie der Aorta poplitea und eine überwiegend verschlossene Aorta tibialis anterior festzustellen waren. Angesichts dieses Mobilitätsgrades ist es geboten, zum Ausgleich der durch die Amputation bedingten Bewegungseinschränkungen den Kläger nicht nur mit einer - mechanischen - Standardprothese zu versorgen, sondern mit einem mikroprozessorgesteuerten Kniegelenksystem, wie es das von der Beklagten gewährte C-Leg-System darstellt. Dies begründen nicht nur die beiden Gutachter des MDK, sondern insbesondere auch die Hausärztin Dr. K. in ihrem Befundbericht vom 22.09.2014, die aufgrund der hohen Motivation des Klägers und der bemerkenswerten Disziplin sowie dessen Wille, Treppen zu steigen, die Ausrüstung der Prothese mit einem elektronischen Kniegelenksystem für geeignet hielt. Auch der Facharzt für Chirurgie Dr. I. kommt in seinem Befundbericht vom 01.09.2014 zu der Einschätzung, dass der - damals offenbar nur mit einer konventionellen Kniegelenksprothese versorgte Kläger - von einer mikroprozessorgesteuerten Prothese, die gegenüber einer nicht elektronisch gesteuerten Knieprothese eine deutliche Verbesserung des Bewegungsablaufes und Erreichung eines nahezu natürlichen Gangbildes ermögliche, profitieren könnte, wobei - seiner Ansicht nach - beim Kläger jedoch zunächst abzuklären wäre, wie häufig die bisher konventionelle Prothese getragen werde und welche täglichen Gehstrecken er damit zurücklege. Deshalb geht die Kammer mit allen Ärzten und Gutachtern überein, dass der Kläger aufgrund seiner für sein Alter bemerkenswerten Physis und Beweglichkeit, seiner hohen Motivation mit einer Prothese mit computergesteuertem Kniegelenkssystem auszustatten ist. Dies hat die Beklagte auch mit der Versorgung der Prothese mit einem mikroprozessorgesteuertem C-Leg-System auch nachvollzogen.

Den Nachweis, dass der Kläger auch die - darüber hinausgehenden - Vorteile des Genium-Kniegelenk-Systems, wie es auf sein Bitten hin inzwischen gegen das C-Leg-System ausgetauscht wurde, tatsächlich nutzen kann, hat der Kläger dagegen nicht führen können. Zum einen liegt dies daran, worauf die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 08.11.2013 überzeugend hingewiesen hatte, dass er zum Zeitpunkt der Probeversorgung mit dem Genium-Kniegelenk angesichts der lediglich ca. drei-wöchigen Nutzung des C-Leg-Systems noch gar nicht dessen Gebrauchsvorteile habe erfahren können. Dabei fällt zunächst einmal auf, dass bereits die Ausrüstung mit dem C-Leg-System in äußerst kurzem Abstand zur erstmaligen Prothesen-Probeversorgung erfolgt war. Denn bei dem Kläger wurde im April 2012 der rechte Unterschenkel amputiert und im Mai 2012 daraufhin eine Interimsversorgung durchgeführt. Bereits im Juli 2012 erfolgte auf Initiative des Klägers und des Sanitätshauses D. die Versorgung mit einer vollständig neuen Interimsprothese mit einem C-Leg-System, wobei diese wohl zunächst vom Sanitätshaus übernommen und möglicherweise das C-Leg-System von der Firma J. (Hersteller) kostenlos zur Verfügung gestellt worden waren. Diese Kosten wurden auch am 13.11.2012 von der Beklagten übernommen.

Nachdem der Kläger gerade einmal drei Wochen mit dem C-Leg-Kniegelenkssystem versorgt war, erfolgte bereits ab dem 24.07.2012 eine einwöchige Erprobung mit dem Genium-Kniegelenk, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt sich noch gar nicht mit der Prothese mit dem C-Leg-System hatte vertraut machen und dessen Vorteile für sich nutzen konnte. Dies wird aus dem Gutachten des MDK vom 23.10.2012 bereits überdeutlich, wonach der Kläger bei der Untersuchung am 01.10.2012 ein eher langsames und vorsichtiges mit vornübergebeugtem Körper und links hinkendes Gangbild aufwies, wobei die Augen bzw. das Gesicht zum Boden geneigt war. Belastung, Abrollbewegung, Schrittlänge und Rhythmus auf der Prothesenseite waren - noch - im Vergleich zur Gegenseite verkürzt, die Auslösung der Schwungphase gelang hinreichend, jedoch nicht vollständig sicher. Ein symmetrisches, sicheres Gangbild konnte ebenso wenig durchgeführt werden wie wechselnde Geschwindigkeiten und/oder ein flotter Gang. Zwar konnte das Treppab- Gehen einer 10-stufigen Treppe alternierend, jedoch nur unsicher und unter Festhalten am Geländer vorgeführt werden. Er konnte hinreichend sicher eine schräge Ebene langsam hinauf und hinab gehen, sowie hinreichend sicher auf der schrägen Ebene stehen, benutzte jedoch noch flankierend zur Vermeidung von Stürzen einen Gehstock. Dass angesichts des damaligen Mobilitätsfaktors von zwei bis drei dennoch die Versorgung mit einem C-Leg-System befürwortet wurde, war mit der Einschätzung der Gutachter verbunden, dass im Laufe der Zeit eine bessere Vertrautheit mit diesem System erzielt werden könne und damit auch eine bessere Nutzung der durch dieses System zu erzielenden Vorteile. Schon damals hatten die Gutachter jedoch die Überzeugung gewonnen, dass im konkreten Einzelfall nicht zu erkennen sei, inwieweit mit dem Genium-Bionic Prothetic System der Kläger einen weiteren Gebrauchsvorteil von wesentlicher Bedeutung erzielen könnte.

Soweit der Kläger dagegen auf das von dem Sanitätshaus D. mitgeteilte Ergebnis der einwöchigen Probeversorgung (ab dem 24.07.2012) abstellt, kann dem auch aus Sicht der Kammer nicht gefolgt werden., zumal diese noch deutlich vor dem Ergebnis der Untersuchung durch den MDK im Oktober 2012 stattgefunden hatte. Bezeichnenderweise werden durch das Sanitätshaus D. darin die nach deren Auffassung deutlichen Gebrauchsvorteile des Genium-Kniegelenkssystem in einer generalisierten Art ausführlich dargelegt, ohne jedoch deren tatsächliche Anwendung durch den Kläger kritisch zu hinterfragen. Das Ziel, den Kläger mit dem fast doppelt so teuren Genium-Kniegelenkssystem auszustatten, steht dabei deutlich im Vordergrund und kann deshalb der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Deshalb weichen die von dem Sanitätshaus D. im Bericht vom 14.08.2012 dargestellten Nutzungen wie auch die Einschätzungen des Klägers vom 24.07.2012 so erheblich von den tatsächlich - zumal im Abstand von weiteren zwei Monaten - im Rahmen des Gutachten gewonnenen Ergebnisses deutlich voneinander ab.

Auch anlässlich der weiteren Begutachtung durch den MDK vom 02.04.2013 konnte der Nachweis einer wesentlichen Verbesserung durch den Einsatz eines Genium-Kniegelenksystems nicht geführt werden. Zum einen erschien der Kläger bereits mit einer Probe-Knieexartikulationsprothese, bei der das Genium-Kniegelenksystem eingebaut war, so dass eine Beurteilung, inwieweit sich der Kläger durch den längerfristigen Einsatz mit einem C-Leg-System hatte verbessern können, nicht zu ermitteln war. Deshalb lässt sich erst recht nicht feststellen, dass der Kläger durch den Einsatz des Genium-Kniegelenk-Systems demgegenüber weitere wesentliche Vorteile für sich hätte erzielen können. Zum anderen ist aufgrund des Ergebnisses dieses Gutachtens festzustellen, dass sich daraus die tatsächliche Nutzung der möglichen Gebrauchsvorteile eines Genium-Kniegelenkes gegenüber eine C-Leg-Kniegelenkssystem im konkreten Falle des Klägers nicht belegen lässt.

Zwar konnte vom Kläger - gegenüber dem Ergebnis der Begutachtung vom Oktober 2012 - jetzt ein verbessertes Gehvermögen - laut Angaben des Klägers "in allen Bereichen" - insbesondere ohne Einsatz von Gehstützen zur Verhinderung eines Sturzes vorgezeigt werden, jedoch lässt sich nicht ermitteln, ob dies tatsächlich nur auf dem Einsatz eines Genium-Kniegelenkes beruhte oder nicht einfach - wie dies die gleichen Gutachter im Oktober 2012 schon vermuteten - auf eine Gewöhnung an das mikroprozessor-gesteuerte Kniegelenk-System zurückzuführen war. Immerhin fällt auf, dass trotz des Ablaufs weiterer fast sechs Monate, Belastung, Abrollbewegung, Schrittlänge wie auch der Bewegungsrhythmus auf der Prothesenseite nach wie vor im Vergleich zur Gegenseite verkürzt war. Das Gangbild zeigte sich zwar deutlich symmetrischer als bei der Voruntersuchung, ein flotter Gang konnte jedoch weiterhin nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorgeführt werden. Auch das Treppab-Gehen auf der 10-stufigen Treppe erfolgt alternierend, jedoch weiterhin nur langsam und unter Festhalten am Geländer; dagegen konnte eine Schräge hinreichend sicher langsam hinab- und hinaufgegangen werden, diesmal auch ohne jegliche Gehhilfe. Da der Kläger zudem in der Lage war, eine definierte Lastübertragung auf die Prothese bzw. den Prothesenfuß mit Zehenabstoß durchzuführen, erweist sich das C-Leg-System aufgrund der relativ guten Hebelverhältnisse als eine durchaus angemessene und wirtschaftliche Versorgung. Zudem berichtete der Kläger anlässlich dieser Begutachtung, dass zwar das Gehen mit der Genium-Kniegelenksprothese wie das Durchschwingen der Prothese inzwischen leichter möglich seien, er auch eine deutliche Verbesserung seiner Mobilität sähe, er jedoch im Außenbereich weiterhin eine Gehhilfe rechts verwende.

Die Kammer stellt unter Berücksichtigung dieser Kriterien unter Auswertung der Gutachten des MDK und der Aussagen der behandelnden Ärzte in deren Befundberichten vom 01.09.2014 (Chirurg Dr. I.) bzw. 22.09.2014 (Hausärztin Dr. K.) fest, dass eine wesentliche Verbesserung des Gehvermögens unter Verwendung des Genium-Kniegelenkes nicht möglich erscheint. Da der Kläger damit die möglicherweise gegenüber dem C-Leg-Kniegelenkssystem verbesserten Gebrauchsvorteile selbst aus gesundheitlichen Gründen (z.B. Aufhebung der Innenrotation der rechten Hüfte bei O Bein-Stellung, beidseitiger arterielle Verschlusskrankheit mit leicht bis mittelgradigen ulzeröser AFC-Stenose rechts, paroxysmales Vorhofflimmern bei Mehrfach-Bypass-Operationen und Darm-Teilentfernung) nicht nutzen kann, besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Prothesen-Versorgung mit dem Genium-Bionic Prothetic System, weshalb die diese Versorgung ablehnende Entscheidung zu Recht erfolgt ist. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2013 erweist sich daher im Einklang mit der Sach- und Rechtslage. Entsprechend besteht gemäß § 13 Abs. 3, 2. Alternative SGB V erst recht kein Anspruch auf Erstattung der vom Kläger selbst bezahlten Umrüstung einer Prothese mit einem C-Leg-System mit dem Einbau eines Genium-Kniegelenkes in Höhe von 26.196,87 EUR.

Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R7978


Informationsstand: 08.03.2019