Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung bezüglich des ursprünglich von seinem Antrag miterfassten Zeitraums vom Mai bis Dezember 2017 zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92
Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO - einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
Die mit dem Bescheid vom 11.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 erfolgte Ablehnungsentscheidung des Beklagten, die Kosten des Klägers zur Finanzierung einer notwendigen Arbeitsassistenz aus den dem Integrationsamt aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln zu übernehmen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (
vgl. § 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO). Dem Kläger steht für die Zeit vom 1.1.2018 bis zum 31.12.2019 ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für seine Arbeitsassistenz in Höhe von 810 Euro monatlich und vom 1.1.2020 bis zum 30.4.2020 in Höhe von 980 Euro monatlich zu.
Der Anspruch des Klägers findet seine Rechtsgrundlage in der Regelung des
§ 185 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (
SGB IX) in der Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz -
BTHG -) vom 23.12.2016 (BGBl. I
S. 3234), in die zum 01.01.2018 die bis dahin geltende Regelung des § 102
Abs. 4
SGB IX (
a. F.) ohne inhaltliche Änderung überführt worden ist. Nach erklärter teilweiser Klagerücknahme bezüglich des Zeitraums vom Mai bis Dezember 2017 macht der Kläger nämlich nur noch Leistungen ab dem 01.01.2018, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung des § 185
SGB IX, geltend.
Das Begehren des Klägers erfasst außerdem zu Recht nicht nur den von der Antragstellung bis zur letzten Behördenentscheidung verstrichenen, sondern darüber hinaus den zukünftigen Zeitraum, der sich vorliegend bis zum Ende des Monats April 2020, also des Monats erstreckt, bis zu dem der Kläger mit Blick auf die Vollendung seines 70. Lebensjahres seiner beruflichen Tätigkeit noch nachzugehen beabsichtigt. Gegenstand der richterlichen Überprüfung ist der gesamte Zeitraum, den die Behörde mit der angegriffenen Ablehnungsentscheidung erfassen wollte. Dies ist auch der zukünftige Zeitraum gleichbleibender unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse, wenn die Behörde einen Leistungsanspruch mit der Begründung ablehnt, dass ihm aus ihrer Sicht ein rechtlicher Gesichtspunkt dauerhaft entgegensteht.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 -
5 C 9.16 -, juris Rn. 7.
So liegt es hier. Der Beklagte hat nicht nur den bis zur letzten Ablehnungsentscheidung verstrichenen, sondern auch den darüber hinaus in die Zukunft hineinreichenden Zeitraum erfassen wollen. Zur Begründung hat er mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt, der den Kostenübernahmeanspruch des Klägers gleichsam für immer und damit auf Dauer ausschließt.
Nach § 185
Abs. 5
SGB IX haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Diese Vorschrift begründet nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut einen nicht im Ermessen der Behörde stehenden Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 9.
Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind vorliegend erfüllt.
Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz nicht auf unselbstständige berufliche Betätigungen beschränkt ist, sondern auch als Hilfe zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit in Betracht kommt, wie sich aus der Regelung des § 185
Abs. 3
Nr. 1 Buchst. c
SGB IX ergibt.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 - 5 C 9.16 - juris Rn. 10,
m.w.N.;
VG Minden, Beschluss vom 11.8.2014 -
6 K 314/14 -, juris Rn. 6.
Die Kostenübernahme wird außerdem für eine notwendige Arbeitsassistenz im Sinne des § 185
Abs. 5
SGB IX geltend gemacht. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Kammer hat weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Anlass, dies anzuzweifeln.
Die Arbeitsassistenz stellt sich für den Kläger darüber hinaus als begleitende Hilfe im Arbeitsleben dar. Dies gilt unbeschadet seines Lebensalters und des Bezugs altersbedingter Renten- und Versorgungsleistungen. Eine andere Bewertung folgt außerdem weder aus dem Förderzweck des aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe finanzierten Anspruchs nach § 185
Abs. 5
SGB IX noch aus Gründen der Gleichbehandlung selbstständig und unselbstständig tätiger schwerbehinderter Menschen.
Indem der Beklagte den Förderanspruch des Klägers mit der Begründung abgelehnt hat, er sei in Anknüpfung an die sozialversicherungsrechtliche Regelaltersgrenze mit dem 67. Lebensjahr aus dem Arbeitsleben ausgeschieden, hat er den nach Auffassung der Kammer der Bestimmung des Begriffs "Arbeitsleben" im Sinne des § 185
Abs. 5
SGB IX zugrunde zu legenden rechtlichen Maßstab verfehlt. In Anlehnung an die Rechtsprechung des
BVerwG zum gleichlautenden Begriff nach
§ 17 Abs. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung, die sich aufgrund der mit der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft vergleichbaren Zielsetzung im Rahmen des § 185
Abs. 5
SGB IX als Auslegungshilfe heranziehen lässt, entfällt das "Arbeitsleben" nicht nur deshalb, weil der nach wie vor arbeitstätige schwerbehinderte Mensch ein bestimmtes, sei es in den Regelungen der gesetzlichen Sozialversicherung des
SGB VI, sei es aber auch in berufsspezifischen Versorgungsregelwerken festgelegtes Lebensalter erreicht hat. In seiner Rechtsprechung zu § 17
Abs. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (
a. F.) hat das
BVerwG nämlich im Wesentlichen ausgeführt, dass es für den Begriff des Arbeitslebens im Sinne dieser Vorschrift auf die subjektiven Bedürfnisse und Wünsche des behinderten Menschen allein nicht ankomme. Der Begriff des Arbeitslebens knüpfe vielmehr an den gesellschaftlichen Rahmen der Arbeitsphase des menschlichen Lebens an, welche mit dem Eintritt in das Rentenalter in der Regel ihren Abschluss finde. Denn die Aufgabe der Eingliederungshilfe, Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft einzugliedern, sei nicht darauf gerichtet, dem behinderten Menschen zu einer Lebensgestaltung zu verhelfen, auf die im gesellschaftlichen Leben generell kein Anspruch bestehe.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 21.12.2005 -
5 C 26.04 -, juris Rn. 14.
Nach diesen Grundsätzen ist der Begriff des Arbeitslebens aus dem gesellschaftlichen
bzw. sozialen Rahmen heraus zu bestimmen, in dem sich eine berufliche Tätigkeit vollzieht. Dabei besteht kein Automatismus zwischen dem Lebensalter und der Beendigung des Arbeitslebens. Ob das Arbeitsleben mit einem bestimmten Lebensalter endet, ist eine Frage der Ermittlung des im Leben regelmäßig zu beobachtenden Zeitpunkts, in dem der Übergang vom Arbeits- in das Ruhestandsleben stattfindet, nicht aber die zwingende Folge einer renten- oder versorgungsrechtlichen Regelung. Aufgrund der Maßgeblichkeit des gesellschaftlichen Rahmens, in dem sich eine Berufstätigkeit vollzieht, erfordert die Bestimmung der Dauer des Arbeitslebens eine berufsfeldspezifisch differenzierte Betrachtung der Lebenswirklichkeit. Angesichts der Vielzahl und Vielfalt der anzutreffenden Berufstätigkeiten gibt es nicht "den einen" für alle Berufe gleichermaßen maßgeblichen gesellschaftlichen Rahmen. Jede berufliche Tätigkeit findet vielmehr unter den jeweils für sie geltenden und damit spezifischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen statt. Diese Rahmenbedingungen können auf den unterschiedlichen Berufsfeldern jeweils unterschiedlich ausgestaltet sein und dementsprechend unterschiedliche Folgen für die Dauer des Arbeitslebens hervorrufen. Ausgehend von der sozialversicherungs- oder etwa einer berufsspezifischen versorgungsrechtlichen Altersgrenze ist die Annahme einer Beendigung des Arbeitslebens vor dem Hintergrund des Maßstabs des gesellschaftlichen
bzw. sozialen Rahmens der betreffenden Berufstätigkeit nur dann gerechtfertigt, wenn die betreffende Altersgrenze tatsächlich den Anlass für den Übergang in den Ruhestand darstellt. So mag der gesellschaftliche Rahmen einer unselbstständigen beruflichen Tätigkeit dadurch geprägt sein, dass die Betroffenen mit dem Erreichen des sozialversicherungsrechtlichen Rentenalters in den Ruhestand treten und damit nicht mehr im Arbeitsleben stehen. Jedoch ist dies bei einer selbstständigen Tätigkeit keineswegs zwangsläufig der Fall. Hier kann der Übergang in den Ruhestand und das damit einhergehende Ausscheiden aus dem Arbeitsleben freiwillig ausgestaltet sein, weil etwa trotz einer ab einem bestimmten Alter einsetzenden Renten- oder Versorgungsberechtigung keine Ausübungshöchstaltersgrenze besteht. Aber selbst wenn für eine selbstständige Berufstätigkeit eine Ausübungshöchstaltersgrenze besteht, kann sie einerseits über dem für den betreffenden Beruf geltenden Renten-
bzw. Versorgungsberechtigungsalter angesiedelt sein, muss andererseits aber nicht zwingend bis zum Ende "ausgelebt" werden.
Vor diesem Hintergrund ist aufgrund der Maßgeblichkeit des gesellschaftlichen
bzw. sozialen Rahmens, in dem sich eine Berufstätigkeit vollzieht, zur Bestimmung der Dauer des Arbeitslebens im Einzelfall zu prüfen, ob die konkrete Tätigkeit im betreffenden Berufsfeld in dem in Rede stehenden Lebensalter noch "gelebt" wird, was sich regelmäßig nur anhand empirischen Datenmaterials zum jeweiligen Berufsfeld bewerten lässt. Das bedeutet, dass das Arbeitsleben trotz
bzw. ungeachtet des Lebensalters des Anspruchstellers so lange noch nicht als weggefallen oder beendet angesehen werden kann, wie im betreffenden Berufszweig eine Berufsausübung im betreffenden Lebensalter noch üblich ist. Als in diesem Sinne "üblich" ist eine Berufsausübung dann anzusehen, wenn ihr die meisten, also die Mehrheit der im betreffenden Berufsfeld tätigen Menschen auch noch im Lebensalter des Anspruchstellers nach wie vor nachgehen.
Vgl. ähnlich, allerdings auf eine "nennenswerte" Anzahl Berufsangehöriger abstellend,
VG Schwerin, Urteil vom 18.4.2018 -
6 A 2151/16 SN -, juris Rn. 25.
Für die Zugrundelegung dieses von einer - gleich ob in den sozialversicherungs- oder in etwaigen versorgungsrechtlichen Regelungen festgelegten - Altersgrenze losgelösten Verständnisses des Begriffs des Arbeitslebens im Rahmen des Anspruchs nach § 185
Abs. 5
SGB IX sprechen die herkömmlichen Auslegungsmethoden.
Nach dem Wortlaut des § 185
Abs. 5
SGB IX ist eine explizite Höchstdauer der durch diese Vorschrift vermittelten Anspruchsberechtigung nicht vorgesehen.
In gesetzessystematischer Hinsicht kennt das
SGB IX Leistungen zur Finanzierung einer notwendigen Arbeitsassistenz einerseits als begleitende Hilfe im Arbeitsleben und andererseits als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes. Nur bei der Letzteren hat der Gesetzgeber nach
§ 49 Abs. 8 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 SGB IX von vornherein eine Höchstdauer der Leistungsgewährung (auf bis zu drei Jahre) festgelegt. Zur zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben nach § 185
Abs. 5
SGB IX dient demgegenüber nur der darin verwendete Begriff des "Arbeitslebens". Diese unterschiedliche Behandlung legt den Schluss nahe, dass die Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben in zeitlicher Hinsicht "bevorzugt" wird. Dem kann durch ein zeitlich flexibleres, die Erfordernisse des jeweiligen Berufsfeldes berücksichtigendes Regelungsverständnis Rechnung getragen werden.
Ferner sprechen die Entstehungsgeschichte und der darin zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck des § 185
Abs. 5
SGB IX dafür, dem Begriff des Arbeitslebens ein Verständnis zugrunde zu legen, das nicht strikt an das Erreichen einer bestimmten Lebensaltersgrenze gebunden ist, sondern die jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick nimmt, unter denen die Berufstätigkeit stattfindet.
Der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben ist erstmals durch das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29.9.2000 (BGBl. I
S. 1394
ff.) als § 31
Abs. 3a des Schwerbehindertengesetzes einführt worden. Der Gesetzgeber verfolgte damit ausweislich der allgemeinen Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf das Ziel, dem Benachteiligungsverbot des
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG Rechnung zu tragen. Unabhängig davon, dass Auslöser für die gesetzliche Regelung eine festgestellte überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen war,
vgl. BT-Drs. 14/3372, Seite 15,
wollte der Gesetzgeber die Chancengleichheit schwerbehinderter gegenüber nicht schwerbehinderten Menschen im Arbeits- und Berufsleben nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung, sondern während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit verbessern,
vgl. BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 17,
wodurch bei selbstständig tätigen schwerbehinderten Menschen ein insbesondere über die für abhängig Beschäftigte geltende sozialversicherungsrechtliche Rentenaltersgrenze hinausreichender Zeitraum eingeschlossen sein kann.
Vgl.
VG Schwerin, Urteil vom 18.4.2018 -
6 A 2151/16 SN -, juris Rn. 33.
Hinzu tritt die Einfluss-
bzw. Ausstrahlungswirkung der im Grundrecht der Berufsfreiheit nach
Art. 12
Abs. 1
GG mitenthaltenen Berufswahlfreiheit, die selbstverständlich auch schwerbehinderten Menschen wie dem Kläger zusteht. Die Berufswahlfreiheit umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in einen Beruf, sondern auch die Entscheidung darüber, ob und wie lange jemand, der einen bestimmten Beruf hat, weiter in ihm verbleiben, d.h. weiter in ihm tätig sein will; die Freiheit der Berufswahl wird also nicht nur vor oder bei der Berufsaufnahme ausgeübt, sondern auch bei der Entscheidung über die Berufsbeendigung.
Vgl. dazu
z. B.:
BVerfG, Beschluss vom 16.6.1959 - 1 BvR 71/57 -, juris Rn. 22 (Hebammenaltersgrenze).
In die gleiche Richtung weist außerdem § 185
Abs. 2 Satz 2
SGB IX, wonach die von den Integrationsämtern durchgeführte begleitende Hilfe im Arbeitsleben dahin wirken soll, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können, sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Die Maßnahmen zielen somit auch darauf ab, dem schwerbehinderten Menschen eine vollständige Umsetzung seiner vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Erwerbsleben zu ermöglichen und diese darüber hinaus weiterzuentwickeln. Dem liegt das Verständnis eines Menschen zugrunde, bei dem sich auch im Beruf die Persönlichkeit entfaltet und der seine Arbeitskraft hierfür einsetzt. Deshalb ist es (ebenso wie bei einem nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich Sache des schwerbehinderten Menschen zu entscheiden, welchem Beruf er nachgeht, ob er diesem seine Arbeitskraft vollumfänglich widmet oder ob er sie anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzt und ob er eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ausüben möchte.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 15.
Indem hier dem Begriff des Arbeitslebens ein Verständnis zugrunde gelegt wird, das von einer renten- oder versorgungsrechtlich festgelegten Altersgrenze abgekoppelt wird, wird allerdings nicht nur dem Benachteiligungsverbot des
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG und dem Grundrecht aus
Art. 12
Abs. 1
GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des
Art. 20
Abs. 1
GG Rechnung getragen, sondern auch dem in
Art. 27 des als Auslegungshilfe der Grundrechte und des (einfachen) Gesetzesrechts heranzuziehenden Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (
UN-Behindertenrechtskonvention -
UN-
BRK -) zum Ausdruck kommenden Menschenbild. Nach dessen
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 beinhaltet das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit u.a. das Recht, diese frei zu wählen.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 16;
VG Schwerin, Urteil vom 18.4.2018 - 6 A 2151/16 SN -, juris Rn. 34.
Die Anwendung des vorstehenden Maßstabs führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Frage, ob sich der Kläger im Arbeitsleben im Sinne des § 185
Abs. 5
SGB IX befindet, differenziert für seine jeweilige berufliche Betätigung zu beantworten ist. Soweit der Kläger sich als Rechtsanwalt betätigt, ist dies ab dem 67. Lebensjahr zu verneinen. Soweit er sich demgegenüber als Notar betätigt, steht er ungeachtet seines Lebensalters (noch) im Arbeitsleben.
Der Kläger steht als Rechtsanwalt nicht mehr im "Arbeitsleben", obwohl er sich über das 67. Lebensjahr hinaus noch als Rechtsanwalt betätigt. Nach den Angaben der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk I. - wo sich auch der Kläger betätigt - übten nur noch 10,4 % der zum 1.1.2019 zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte den anwaltlichen Beruf auch nach dem 67. Lebensjahr aus. Dieser Prozentsatz reicht offensichtlich nicht an die oben als Kriterium für die Üblichkeit der Berufsausübung gewählte Mehrheit der Berufstätigen im betreffenden Berufszweig heran. Da im Umkehrschluss die weitaus überwiegende Mehrheit von 89,6 % ab dem 67. Lebensjahr nicht mehr dem anwaltlichen Beruf nachgeht, kann ab diesem Lebensjahr generell nicht mehr von einem Arbeitsleben ausgegangen werden.
Der Kläger befindet sich demgegenüber trotz der Erreichung des 67. Lebensjahres nach wie vor im Arbeitsleben, soweit er noch als Notar tätig ist. Zwar reicht insoweit die Bezugnahme auf die Regelungen der Altersgrenze zum Erlöschen des Notaramtes nach §§ 47
Nr. 2, 48a BNotO, wonach das Notaramt erst mit dem Ende des Monats erlischt, in dem der Amtsinhaber das 70. Lebensjahr vollendet, nicht aus. Denn als Höchstaltersgrenze für die Berufsausübung besagt diese Regelung lediglich, dass Notare bis zum 70. Lebensjahr arbeiten dürfen; sie müssen es aber nicht. Die Maßgeblichkeit des gesellschaftlichen
bzw. sozialen Rahmens, in dem die Ausübung des Notarberufs stattfindet, zeigt jedoch, dass von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Nach den Angaben der aus Sicht der Kammer vorliegend maßgeblichen X1. Notarkammer, in deren Bezirk der Kläger seinen Amtssitz hat, bleibt die ganz überwiegende Anzahl der Notare bis zum 70. Lebensjahr tatsächlich im Amt. Dies verdeutlicht, dass die Höchstausübungsaltersgrenze für Notare in der Realität der Berufsausübung bis zum Ende ausgeschöpft wird, so dass bis dahin ohne weiteres von Arbeitsleben auszugehen ist.
Dem Anspruch des Klägers nach § 185
Abs. 5
SGB IX steht entgegen der Auffassung des Beklagten ferner nicht entgegen, dass er seit Vollendung des 65. Lebensjahres aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersrente und eine Altersversorgung des Versorgungswerks für Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen erhält. Derartige Leistungen lassen die Anspruchsvoraussetzung "Arbeitsleben" nicht entfallen. Wie vorstehend dargelegt, ist das Arbeitsleben ausgehend vom gesellschaftlichen Rahmen zu bestimmen, in dem sich die betreffende Arbeitstätigkeit vollzieht, wobei der Frage entscheidende Bedeutung zukommt, ob die Arbeitstätigkeit im gesellschaftlichen
bzw. sozialen Leben in dem in Rede stehenden Lebensalter tatsächlich noch ausgeübt wird. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der Anspruchsteller zusätzlich altersbedingte Renten- oder sonstige Versorgungsleistungen bezieht,
bzw. ist ein etwaiger Bezug altersbedingter Renten- oder Versorgungsleistungen jedenfalls förderungsunschädlich.
Soweit der Beklagte sich insoweit unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des
VG München,
vgl. Urteil vom 30.7.2010 -
M 15 K 10.2373 -, juris Rn. 26,
darauf beruft, dass es Zweck der Förderung im Arbeitsleben sei, schwerbehinderten Menschen die Erhaltung einer Beschäftigung und dadurch die ausschließliche Sicherung des Lebensunterhalts aus dieser Beschäftigung zu ermöglichen, um dadurch den Bezug von Rentenleistungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder in der Höhe zu verringern, dringt er vorliegend damit nicht durch. Abgesehen davon, dass die vom Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung eine begleitende Hilfe im Arbeitsleben zum Gegenstand hat, die als Ermessensleistung ausgestaltet ist, was bei der hier in Rede stehenden notwendigen Arbeitsassistenz, wie bereits oben erwähnt, nicht der Fall ist, ist den Regelungen des
SGB IX zur Arbeitsassistenz und zur Ausgleichsabgabe kein Rechtsgrundsatz dergestalt zu entnehmen, dass die Aufnahme oder die Erhaltung einer Beschäftigung und dadurch die ausschließliche Sicherung des Lebensunterhalts ermöglicht werden soll. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass der Betroffene seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus der geförderten Tätigkeit finanzieren muss. Die Annahme eines solchen Ausschließlichkeitskriteriums findet im Gesetz keine Stütze. Dagegen spricht, dass etwa eine bereits ausgeübte Teilzeitbeschäftigung einer Kostenübernahme für eine andere Erwerbstätigkeit nicht entgegensteht.
Vgl. dazu
BVerwG, Urteil vom 23.1.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 11, 17.
Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt, die Förderung zur Finanzierung einer notwendigen Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben deshalb abzulehnen, weil der Kläger bei voller und nachhaltiger Berufsausübung altersbedingt zusätzlich eine gesetzliche Altersrente und Versorgungsleistungen durch das Versorgungswerk für Rechtsanwälte erhält. Darüber hinaus erweisen sich nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Ausgleichsabgabe, namentlich nach dem Subsidiaritätsprinzip gemäß
§ 160 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IX, "andere Mittel" nur insoweit als förderungsschädlich, als sie für denselben Zweck von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden. Solche Mittel stehen vorliegend allerdings nicht in Rede. Mit "demselben" Zweck meint diese Vorschrift Mittel zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben. Dies ist bei der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der Altersversorgung durch das Versorgungswerk der Rechtsanwälte nicht der Fall.
Die Notwendigkeit einer (strikten) Parallelität des Endzeitpunkts im Arbeitsleben unselbstständig und selbstständig tätiger schwerbehinderter Menschen in Anlehnung an die sozialversicherungsrechtliche Regelaltersgrenze ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht im Hinblick auf den Förderzweck des Anspruchs nach § 185
Abs. 5
SGB IX bzw. der Ausgleichsabgabe, aus deren Mittel dieser Anspruch finanziert wird, geboten. Die hierfür vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.
Bei der Ausgleichsabgabe handelt es sich um eine nichtsteuerliche Sonderabgabe, die nach § 160
Abs. 1 Satz 1
SGB IX von Arbeitgebern, solange sie die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen (
vgl. dazu
§ 154 SGB IX) nicht beschäftigen, für jeden unbesetzten Arbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen entrichtet wird. Dadurch sollen einerseits Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen angehalten, zugleich aber auch die Wettbewerbsvorteile ausgeglichen werden, die aus einer Nichtbeschäftigung schwerbehinderter Menschen resultieren (sog. Antriebs- und Ausgleichsfunktion).
Vgl. dazu
z. B.:
BVerfG, Urteil vom 26.5.1981 -
1 BvL 56/78 -, juris Rn. 29.
Der Zweck für die Verwendung der durch die Ausgleichsabgabe aufgebrachten Mittel wird durch § 160
Abs. 5
SGB IX bestimmt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf die Ausgleichsabgabe nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben (§ 185
Abs. 1 Satz 1
Nr. 3) verwendet werden, soweit die Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden. Zu den begleitenden Hilfen im Arbeitsleben gehören nach § 185
Abs. 3
Nr. 1 Buchstabe c
SGB IX auch Geldleistungen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz. Aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe wird nach § 185
Abs. 5
SGB IX die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz im Arbeitsleben finanziert.
Nähere Vorschriften
u. a. über die Verwendung der Ausgleichsabgabe nach § 160
Abs. 5
SGB IX und die Gestaltung des Ausgleichsfonds nach
§ 161 SGB IX, die Verwendung der Mittel durch diesen Fonds für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und die Vergabe- und Verwaltungsverfahren des Ausgleichsfonds trifft die (nunmehr) auf
§ 162 SGB IX beruhende Schwerbehinderten-Ausgleichabgabenverordnung -
SchwbAV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.3.1988 (BGBl. I Seite 484), zuletzt geändert durch
Art. 168 des Gesetzes vom 29.3.2017 (BGBl. I Seite 626).
Danach ist für den vorliegend interessierenden Zusammenhang insbesondere von Bedeutung, dass nach
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAV die Integrationsämter die ihnen aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der Zinsen, der Tilgungsbeiträge aus Darlehen, der zurückgezahlten Zuschüsse sowie der unverbrauchten Mittel des Vorjahres
u. a. für Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zu verwenden haben.
§ 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c SchwbAV entspricht sodann § 185
Abs. 3
Nr. 1 c
SGB IX; § 17
Abs. 1 a
SchwbAV wiederholt den Wortlaut des § 185
Abs. 5
SGB IX. Hinsichtlich der Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz bestimmt ferner
§ 21 Abs. 4 SchwbAV, dass die §§ 17 bis
20 und die
§§ 22 bis
27 zugunsten von schwerbehinderten Menschen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben oder aufzunehmen beabsichtigen, entsprechend anzuwenden sind.
Vor dem Hintergrund dieser näheren Ausgestaltung, die das Aufkommen und der Verwendungszweck der Geldmittel aus der Ausgleichsabgabe erfahren haben, sieht die Kammer keinen Anlass, dem Kläger den Anspruch auf die begehrte Förderung zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben in Anlehnung an die sozialversicherungsrechtliche Rentenaltersgrenze zu versagen.
Soweit ein Wegfall der tatbestandlichen Voraussetzung "Arbeitsleben" des Anspruchs nach § 185
Abs. 5
SGB IX ab dem 67. Lebensjahr damit begründet wird, dass der Förderzweck des Anspruchs nicht (mehr) erreicht werden könne,
vgl. dieser Auffassung zuneigend insbesondere der HessVGH, Beschluss vom 15.12.2016 -
10 B 2438/16 -, juris Rn. 13,
ist dem nicht zu folgen. Die Ansicht beruht auf einer aus Sicht des Gerichts nicht statthaften Engführung des Förderzwecks des § 185
Abs. 5
SGB IX. Soweit der Hessische VGH sich in der vorstehend genannten - im Eilverfahren ergangenen - Entscheidung an dem in der Rechtsprechung des
BVerwG zur Eingliederungshilfe umrissenen Begriff des "Arbeitslebens" orientieren will, geht er von einem zu engen rechtlichen Maßstab aus. Wie bereits oben aufgezeigt, ist der Begriff "Arbeitsleben" aus dem gesellschaftlichen Rahmen heraus zu definieren, in dem sich eine Arbeitstätigkeit vollzieht. Das Erreichen des Ruhestandsalters wird danach nur in der Regel als Endzeitpunkt des Arbeitslebens genannt.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 21.12.2005 -
5 C 26.04 -, juris Rn. 14.
Trotz des Verweises auf diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der Passus "in der Regel" in der Entscheidung des Hessischen VGH nicht vor.
Vgl. HessVGH, Beschluss vom 15.12.2016 -
10 B 2438/16 -, juris Rn. 13.
Nach Auffassung der Kammer ist eine zweckentsprechende Verwendung der Mittel der Ausgleichsabgabe so lange noch möglich, wie nach den vorstehenden Ausführungen ein Arbeitsleben stattfindet.
Der Aufkommensseite der Mittel lässt sich die Notwendigkeit einer strikten Parallelität des Endzeitpunktes der Leistung für abhängig und selbstständig tätige schwerbehinderte Menschen nicht entnehmen. Diese Mittel werden außerdem neben der Arbeitsassistenz auch für andere Aufgaben des Integrationsamtes verwendet, wodurch sich ihre Bewirtschaftung nicht grundlegend von der Bewirtschaftung anderer Finanzmittel unterscheidet.
Vgl.
VG Schwerin, Urteil vom 18.4.2018 - 6 A 2151/16 SN -, juris Rn. 32; a.A. HessVGH, Beschluss vom 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 18.
Abzulehnen ist ferner, dass sich die Parallelität des Endzeitpunktes des Arbeitslebens bei unselbstständig und selbstständig tätigen schwerbehinderten Menschen aus der Regelung des § 21
Abs. 4
SchwbAV herleiten lasse.
Vgl. aber wohl HessVGH, Beschluss vom 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 16.
Nach § 21
Abs. 4
SchwbAV wird zwar zugunsten selbstständig tätiger schwerbehinderter Menschen
u. a. die den Wortlaut des § 185
Abs. 5
SGB IX wiederholende Regelung des § 17
SchwbAV für "entsprechend" anwendbar erklärt. Aber abgesehen davon, dass eine solche systematische Auslegung der
SchwbAV nicht zwingend zu einem Gleichlauf des Endzeitpunkts des Arbeitslebens bei selbstständig und unselbstständig erwerbstätigen schwerbehinderten Menschen führen muss, bleibt ihr die Anerkennung von vornherein versagt. Die Arbeitsassistenz als Förderung im Arbeitsleben bei selbstständigen schwerbehinderten Menschen beruht gerade nicht auf der in § 21
Abs. 4
SchwbAV angeordneten "entsprechenden" Anwendung des § 17
SchwbAV,
so aber wohl HessVGH, Beschluss vom 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 16,
sondern - wie bereits oben ausgeführt - auf der in § 185
Abs. 3
Nr. 1 Buchstabe c
SGB IX explizit zum Ausdruck gekommenen Entscheidung des Gesetzgebers des
SGB IX. Der Umstand, dass auch selbstständig tätige schwerbehinderte Menschen den Anspruch nach § 185
Abs. 5
SGB IX geltend machen können, ist danach keine "Wohltat" des Verordnungsgebers der
SchwbAV, worüber dieser verfügen könnte. § 21
Abs. 4
SchwbAV kann von vornherein auch nicht als "Einfallstor" für eine der zeitlichen Begrenzung bei unselbstständig tätigen schwerbehinderten Menschen durch die allgemeine Rentenaltersgrenze "entsprechende" zeitliche Begrenzung des Anspruchs aus § 185
Abs. 5 SGB bei selbstständigen schwerbehinderten Menschen dienen. Als
Rechtsverordnung steht die
SchwbAV normhierarchisch im Rang unterhalb des vom Parlament beschlossenen Gesetzes und kann es daher nicht ohne Verstoß gegen seinen Vorrang (
vgl. Art. 20
Abs. 3
GG) einschränken. Für das Verhältnis zwischen
Rechtsverordnung und Gesetz gilt der Vorrang des Gesetzes absolut.
Vgl. Ossenbühl, in: Kirchhof/Isensee (Hg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V "Rechtsquellen, Organisation, Finanzen", 3. Auflage 2005, § 103 Rn. 17.
Für eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz folgt ferner nichts daraus, dass nach § 185
Abs. 2 Satz 1
SGB IX die begleitende Hilfe im Arbeitsleben in enger Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den übrigen Rehabilitationsträgern durchgeführt wird. Es mag zwar sein, dass diese Kooperation vor dem Hintergrund sich überschneidender Aufgaben und Leistungszuständigkeiten der Bundesagentur für Arbeit und der übrigen Rehabilitationsträger einer- und der Integrationsämter andererseits zu sehen ist, weil die gewährten Leistungen die Erwerbstätigkeit erhalten, sie verbessern, wiederherstellen und die Teilhabe Schwerbehinderter am Arbeitsleben möglichst auf Dauer erhalten sollen. Solange ein Arbeitsleben stattfindet, lässt sich aber nicht annehmen, dass ein vorzeitiges Ausscheiden Schwerbehinderter aus dem Erwerbsleben
bzw. ihre dauerhafte berufliche Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nur bis zum Erreichen des Rentenalters bewirkt werden könne.
A.A. HessVGH, Beschluss vom 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 14.
Die Bestimmung des Endzeitpunktes des Arbeitslebens bei den selbstständigen schwerbehinderten Menschen in Anlehnung an die für unselbstständig beschäftigte schwerbehinderte Menschen geltende sozialversicherungsrechtliche Rentenaltersgrenze ist ferner nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen der Gleichbehandlung beider Gruppen geboten. Eine unter Umständen längere Dauer des Arbeitslebens bei selbstständig tätigen schwerbehinderten Menschen stellt keine gleichheitswidrige Begünstigung gegenüber den unselbstständig tätigen schwerbehinderten Menschen dar.
Art. 3
Abs. 1
GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dies gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei ist nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Differenzierungen bedürfen allerdings stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.
Vgl.
z. B.:
BVerfG, Urteil vom 10.4.2018 - 1 BvL 11/14
u. a. -, juris Rn. 94.
Hiervon ausgehend verstößt die unter Umständen längere Dauer des Arbeitslebens bei den selbstständig tätigen als bei den unselbstständig tätigen schwerbehinderten Menschen nicht gegen
Art. 3
Abs. 1
GG. Insoweit fehlt es aufgrund der Zugehörigkeit jeweils zu den Selbstständigen einerseits und den Unselbstständigen andererseits schon an der Vergleichbarkeit beider Gruppen. Jedenfalls stellt die selbstbestimmt ausgewählte Berufstätigkeit einen legitimen Sachgrund für eine mögliche unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Endzeitpunkts des Arbeitslebens dar. Wer sich für eine unselbstständige Beschäftigung entscheidet, muss hinnehmen, dass er mit Erreichen des dafür geltenden Ruhestandsalters, wie die meisten unselbständig Beschäftigten, aus dem Arbeitsleben ausscheiden wird. Wer sich demgegenüber für eine selbstständige Beschäftigung entschieden hat, kann je nach Art der Beschäftigung und abhängig davon, bis zu welchem Lebensalter der jeweilige Beruf üblicherweise ausgeübt wird, in den Genuss eines auf dem jeweiligen Berufsfeld länger stattfindenden Berufs-
bzw. Arbeitslebens gelangen.
Dem Anspruch des Klägers steht schließlich der im Wortlaut des § 185
Abs. 5
SGB IX zum Ausdruck kommende Vorbehalt der Verfügbarkeit der Mittel der Ausgleichsabgabe nicht entgegen. Es spricht nichts dafür, dass dieser Vorbehalt im vorliegenden Fall einschlägig ist. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die dem Integrationsamt zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe erschöpft wären oder dass jedenfalls abzusehen wäre, dass sie nach Bedienung des Anspruchs des Klägers nicht mehr zur vollumfänglichen Ausgabenerfüllung des Integrationsamtes ausreichen würden.
Der geltend gemachte Anspruch ist auch der Höhe nach begründet. Das Begehren auf einen ab Januar 2020 erhöhten monatlichen Betrag ist eine zulässige Klageerweiterung (§ 173
Abs. 1 WvGO
i.V.m. § 264
Nr. 2
ZPO).
Die Höhe des Anspruchs beruht zutreffend darauf, dass der Kläger im Umfang von drei Stunden pro Arbeitstag zur Ausübung seines Berufes auf die Unterstützung durch eine Arbeitskraft angewiesen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, obwohl sich der Kläger seit Vollendung des 67. Lebensjahres nach Maßgabe der obigen Ausführungen nicht mehr als Rechtsanwalt im Arbeitsleben befindet. Abgesehen davon, dass er nach den unbestrittenen Angaben seiner Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung lediglich in einem nur noch sehr geringen Umfang von 5-10 % überhaupt als Rechtsanwalt tätig ist, hat der Prozessvertreter des Beklagten den Umfang der Notwendigkeit der Arbeitsassistenz für die Notartätigkeit des Klägers nicht in Frage gestellt.
Hinsichtlich der Höhe der monatlichen Leistungen von 810 Euro im Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum 31.12.2019 und von 980 Euro im Zeitraum vom 1.1.2020 bis zum 30.4.2020 wird der Kläger schließlich so gestellt, wie er stehen würde, wenn der Beklagte seinem Antrag vom 15.1.2018 entsprochen hätte. Die Zeiträume orientieren sich dabei am regelmäßig zweijährigen Bewilligungszeitraum für entsprechende Leistungen.
Vgl. dazu
VG Schwerin, Urteil vom 18.4.2018 - 6 A 2151/16 SN -, juris Rn. 19,
m.w.N.Hätte der Beklagte dem Kläger die begehrte Förderung auf den Antrag vom 15.1.2018 bewilligt, wäre diese ab dem 1.1.2018 für die nächsten zwei Jahre in Höhe von 810 Euro monatlich erfolgt. Dabei hätte die zwischenzeitlich, nach den Angaben des Beklagten im Klageverfahren zum 1.1.2019 erfolgte Erhöhung des dem monatlichen Budget zugrunde liegenden Stundensatzes nicht unmittelbar zu einer entsprechenden Erhöhung des monatlichen Budgets geführt. Dies wäre - nach der ständigen Bewilligungspraxis des Beklagten - erst im Rahmen der Verlängerung der Leistungsgewährung nach Ablauf von zwei Jahren, also ab dem 1.1.2020, berücksichtigt worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154
Abs. 1, 155
Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1
VwGO. Der Ausspruch zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2
VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2
ZPO.
Die Berufung war gemäß §§ 124a
Abs. 1 Satz 1, 124
Abs. 2
Nr. 3
VwGO zuzulassen, weil die Kammer die Fragen der Auslegung und Anwendung des Begriffs "Arbeitsleben" im Sinne des § 185
Abs. 5
SGB IX für grundsätzlich bedeutsam hält.