Urteil
Hilfsmittelversorgung - ärztliche Verordnung eines behindertengerechten Fahrrades - Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung - mittelbarer Behinderungsausgleich - Betroffenheit eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens - Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB V - Anwendbarkeit auf andere Leistungsträger

Gericht:

LSG Sachsen-Anhalt 8. Senat


Aktenzeichen:

L 8 SO 41/13 B ER


Urteil vom:

21.02.2014


Grundlage:

Leitsatz:

Aus der ärztlichen Verordnung eines behindertengerechten Fahrrades ergibt sich kein Anspruch auf Versorgung mit einem (neuwertigen) Therapiedreirad.

Rechtsweg:

SG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 15.11.2013 - S 10 SO 70/13

Quelle:

Justiz Sachsen-Anhalt

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung des Antragstellers mit einem Therapie-Dreirad umstritten.

Der am ... 1965 geborene Antragsteller leidet im Wesentlichen an einer Arteriosklerose der unteren Extremitäten, die zur Amputation des rechten Oberschenkels im Juni 2010 geführt hat. Beim ihm sind ab dem 1. März 2012 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Merkzeichen "G" (Erhebliche Gehbehinderung), "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt worden.

Im Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Pflegeversicherung - SGB XI) vom 14. November 2011 ist u.a. angegeben, der Antragsteller benutze Unterarmgehstützen sowie eine Oberschenkelprothese; er verfüge über eine Gehbank, die er nicht nutze. Er habe nach der Prothesenversorgung das Gehen erlernt, welches ihm jedoch schwer falle. Im Wohn- und Außenbereich auf einer Ebene sei das Gehen möglich; ansonsten benötige er Unterarmgehstützen. Die Alltagskompetenz des Antragstellers sei nicht im Sinne von § 45a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) eingeschränkt. Pflegebedürftigkeit liege nicht vor.

Im Gutachten zur Feststellung von Erwerbsminderung für die Gesetzliche Rentenversicherung des Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie/Physikalische Therapie Dr. A. vom 20. Januar 2012 ist ausgeführt, dass der Antragsteller ein privat umgerüstetes Automatik-Auto besitze. Die Laufstrecke an zwei Unterarmgehstützen betrage nach Angaben des Antragstellers 20 Meter; danach müsse er sich hinsetzen. Er könne sich außerhalb des Autos kaum fortbewegen und benötige eine Begleitperson. Der Gutachter stellte eine deutliche Rötung des Stumpfes mit Narbe fest. Die Belastbarkeit beurteilte er dahingehend, dass dem Antragsteller allenfalls eine sitzende körperliche Tätigkeit an einem Rollstuhlarbeitsplatz zumutbar sei. Bei zur Zeit nicht vorliegender Wegefähigkeit sei der beruflichen Rehabilitation eine medizinische Rehabilitation in einer Spezialklinik für Amputierte dringend voranzuschalten, um den Versuch einer Optimierung der Prothesenanpassung und eine entsprechende Gangschulung zu unternehmen.

Ausweislich des zu den Akten gereichten Bescheides vom 30. Mai 2013 erhält der Antragsteller vom Jobcenter W. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. November 2013 in Höhe von monatlich 382,00 EUR.

Unter dem 6. Mai 2013 verordnete der Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. H. ein "behindertengerechtes Fahrrad" bei Zustand nach Oberschenkelamputation rechts "nach AVK". Diese Verordnung sowie einen Kostenvoranschlag der Orthopädietechnik Sch. & Co. GmbH vom 24. Mai 2013 über ein "HUGO-Spezial-Therapie-Dreirad mit 2 Rädern vorn" zum Preis von 3.571,19 EUR reichte der Antragsteller bei der AOK Sachsen-Anhalt (im Weiteren: AOK), bei der er krankenversichert ist, ein. Die AOK leitete den bei ihr am 30. Mai 2013 eingegangen Antrag an den Landkreis W. weiter, wo er am 5. Juni 2013 einging. Zur Begründung führte die AOK aus, das beantragte Therapie-Dreirad falle nicht in die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), da ein Anspruch nur für Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr bestehe. Eine Hilfsmittelversorgung mit behindertengerechten Rädern komme für Jugendliche und Erwachsene nicht in Betracht; Räder dienten primär der Fortbewegung und seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Mit der Benutzung eines Fahrrades/Dreirades würden nicht die Grundbedürfnisse nach Mobilität erfüllt, sondern das Fahrrad/Dreirad diene der Fortbewegung in der Freizeit, die nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zähle. Insoweit werde der Antrag gemäß § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) weitergereicht.

Der Landkreis W. forderte daraufhin den Antragsteller unter dem 12. Juni 2013 auf, u.a. einen ausgefüllten und unterschriebenen Sozialhilfeantrag und mindestens drei Kostenvoranschläge für das Dreirad (wobei einer bereits vorliege) sowie eine Entbindungserklärung für die ärztliche Schweigepflicht vorzulegen. Der Antragsteller teilte hierzu unter dem 4. Juli 2013 mit, keine Sozialhilfeleistungen beantragt zu haben. Aus seiner Sicht bestehe ein Anspruch gegen die Krankenkasse, da sich die medizinische Notwendigkeit der Versorgung mit dem Therapie-Dreirad aus der Verordnung für den Facharzt für Orthopädie ergebe. Auf Grund der ungewöhnlich ausgeprägten Arteriosklerose der Extremitätenarterien sowie einer peripheren Arterienverschlusserkrankung (PAVK Stadium IV) drohe auch für das linke Bein eine Amputation, weshalb eine kontinuierliche Bewegung zur Steigerung der Durchblutung der verbleibenden Extremität erforderlich sei. Als zweitangegangener Leistungsträger sei der Landkreis verpflichtet, ihn mit einem Therapie-Dreirad zu versorgen. Eine von ihm unterzeichnete Schweigepflichtentbindungserklärung ging am 5. Juli 2013 beim Antragsgegner ein.

Unter dem 26. Juli 2013 forderte der Antragsgegner ärztliche Unterlagen von der AOK, dem Landesverwaltungsamt und der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland an und teilte dem Antragsteller unter dem 31. Juli 2013 mit, die Angelegenheit befinde sich für eine amtsärztliche Stellungnahme in Bearbeitung. Nach Eingang der Unterlagen forderte der Antragsgegner am 1. August 2013 eine amtsärztliche Stellungnahme an, die von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie G. unter dem 26. August 2013 erstellt wurde. Sie führte aus, dem Antragsteller stünden zur Fortbewegung und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Prothesen, ein Rollstuhl und ein PKW zur Verfügung. Es sei zu prüfen, inwieweit die Anpassung der Prothesen optimiert werden könne. Die weiteren in der Antragsbegründung angeführten Sachverhalte (Besserung der Durchblutung der Beine, Gewichtsreduktion, Minderung von Ödemen in den Beinen) seien aus medizinischer Sicht sinnvoll, stellten jedoch keine Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) dar, sondern seien durch Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) zu erbringen.

Daraufhin lehnte der Landkreis im Namen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, des Landes Sachsen-Anhalt, den Antrag des Antragstellers mit Bescheid vom 9. September 2013 ab. Es sei weder erforderlich noch notwendig, den Antragsteller mit einem Spezial-Therapie-Dreirad zu versorgen. Wegen der Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Extremitäten auf Grund des Zustands nach Oberschenkelamputation rechts sei er bereits mit einer Oberschenkelprothese mit Haftschaftsystem, elektrisch gesteuertem C-Leg-Kniegelenk und Aktivfuß sowie mit zwei Unterarmgehstützen versorgt; weiterhin stehe als Hilfsmittel eine Gehbank zur Verfügung. Durch die vorhandenen Prothesen und deren Optimierung in Verbindung mit einer Gangschulung, den Unterarmgehstützen, der Gehhilfe sowie der Selbsthilfe der Beantragung eines Rollstuhls könne sich der Antragsteller fortbewegen. Zudem sei er berechtigt, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, da bei ihm die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen im Nahverkehr erfüllt seien. Damit sei die Teilhabe in der Gemeinschaft möglich. Der Antragsteller erhalte die erforderlichen Leistungen von anderen Sozialleistungsträgern. Hinsichtlich der Besserung der Durchblutung der Beine, Gewichtsreduktion sowie Minderung von Ödemen in den Beinen würden vorrangig Leistungen der Krankenkasse, z.B. in Form von Medikamenten, ärztlichen Behandlungen und therapeutischen Maßnahmen (wie Ergotherapie, Lymphdrainage, Ernährungsberatung und Reha-Sport) gewährt.

Hiergegen erhob der Antragsteller am Tag des Bescheides Widerspruch. Der zweitangegangene Rehabilitationsträger habe bei seiner Entscheidung alle Rechtsgrundlagen zu prüfen. Insoweit sei es nicht richtig, ihn wieder an den erstangegangenen Rehabilitationsträger zu verweisen. Ebenso sei es unrichtig, die Erforderlichkeit und die Notwendigkeit der beantragten Sachleistung an § 53 SGB XII zu orientieren. Entscheidend sei, dass das Hilfsmittel ärztlich verordnet worden sei und damit zur Therapie gehöre. In der entsprechenden Anwendung von § 13 Abs. 3a SGB V werde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens um zügige Entscheidung innerhalb von drei Wochen gebeten.

Am 17. Oktober 2013 hat der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ihm stehe ein Anspruch auf die beantragte Sachleistung gemäß § 33 SGB V zu. Da er den Antrag spätestens am 4. Juni 2013 gestellt habe, sei die Frist zur Bescheidung drei Wochen später, am 25. Juni 2013, abgelaufen und damit die Genehmigungsfiktion von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V am 25. Juni 2013 eingetreten. Auch in der Sache stehe ihm das beantragte Therapie-Dreirad zu. Wegen der Anpassungsprobleme der Prothese sei es ihm bislang nicht möglich, eine längere Strecke als 20 bis 50 Meter am Stück, je nach Verfassung und Tageszeit, zurückzulegen. Hierdurch habe er erheblich an Körpergewicht zugelegt, wodurch sich die Prognose für das linke Bein weiter verschlechtert habe. Mit dem Therapie-Dreirad würde zum einen die Durchblutung des linken Beines gesteigert und zum anderen durch die körperliche Betätigung eine Gewichtsreduktion erzielt, die sich gleichfalls günstig auf die Durchblutungsverhältnisse auswirken würde. Ein äußerst wünschenswerter Effekt der medizinisch erforderlichen Therapie sei der durch das Therapie-Dreirad zu erzielende größere Aktionsradius zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass ihm eine gravierende Gesundheitsgefährdung drohe, die umso schlimmer sei, als er bereits das rechte Bein durch die in beiden Extremitäten bestehende Verschlusserkrankung verloren habe. Ein stationäres Trainingsgerät sei nicht ausreichend. Durch die Anpassungsstörungen der Prothese benötige er für die Verrichtungen des täglichen Lebens erhebliche Zeit; so bedürfe schon die Morgentoilette bis zum erstmaligen Verlassen des Hauses je nach körperlicher Verfassung zwei bis drei Stunden. Mit einem stationären Trainer wäre er auf ein Training des verbleibenden Beines beschränkt. Mit dem Therapie-Dreirad könne er auf jedem Weg, den er bei seinen täglichen Verrichtungen außerhalb des Hauses zurücklegen müsse, fortgesetzt trainieren (Einkaufen, Besuche, Behördengänge, Arztbesuche, Therapiebesuche usw.) Dabei handele es sich täglich um etwa 50 bis 90 Minuten. Diese Zeitspanne käme als Trainingszeit hinzu, steigere die Durchblutung des Beines und fördere die Gewichtsabnahme. Neben den direkten Therapiezielen werde auch die allgemeine und geistige Leistungsfähigkeit gefördert und aufrechterhalten.

Mit Beschluss vom 15. November 2013 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zum einen sei die Genehmigungsfunktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V für die vorliegende Konstellation einer fristgerechten Weiterleitung im Sinne des § 14 SGB IX nicht anwendbar. Gemäß § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V sei § 15 SGB IX bezüglich der Leistungen der medizinischen Rehabilitation vorrangig. Nach Aktenlage bestünden keine Zweifel daran, dass die kontinuierliche medizinische Behandlung sowie Steigerung der Durchblutung des linken Beines zur Vermeidung weiterer Schädigungen zwingend notwendig sei. Die Erforderlichkeit der Anschaffung des begehrten Therapierades im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V werde aber trotz ärztlicher Verordnung nicht gesehen. Soweit der Antragsteller vorgetragen habe, dass es wegen der Anpassungsprobleme der Prothese bislang nicht möglich gewesen sei, eine längere Strecke als 20 bis 50 Meter am Stück zurückzulegen, sei dem durch eine Gangschulung, mit der ein sicheres Gangbild erreicht werden könne und damit eine bessere Belastung des linken Beines möglich werde, zu begegnen. Weiterhin erfolgten physiotherapeutische Behandlungen des linken Beines. Ferner komme die Nutzung von stationären Trainingsgeräten im Rahmen der bereits angebotenen Behandlungen in Betracht. Gerade solche Trainingsgeräte konzentrierten sich ganz gezielt auf Bewegung, Ausdauer und Kalorienverlust. Die alleinige Nutzung eines Therapie-Dreirades bei den vom Antragsteller beschriebenen alltäglichen Wegen reiche dagegen zum effektiven Training des linken Beines nicht aus. Letztendlich seien anderweitige, wirtschaftlich günstigere Mittel zur medizinischen Rehabilitation vorhanden, wodurch die Erforderlichkeit der Anschaffung eines kostenintensiven Therapie-Dreirades ausscheide. Gegebenenfalls komme, nach Anpassung der Prothese und Herstellung der Gangsicherheit, für den Antragsteller auch ein "normales" Radfahren in Betracht. Jedenfalls biete die elektronische C-Leg-Prothese dafür einen Ausgangspunkt. Desweiteren diene ein Therapie-Dreirad im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleiches auch nicht der Befriedigung von Grundbedürfnissen, da es für die Bewältigung von Strecken genutzt werde, die über den Nahbereich der Wohnung hinausgingen; insoweit sei der Antragsteller mit anderweitigen Hilfsmitteln (Oberschenkelprothese mit elektrisch gesteuertem C-Leg-Kniegelenk, Unterarmgehstützen, Gehbank) versorgt. Schließlich sei die Nutzung eines fahrradähnlichen Gerätes stark witterungsabhängig, wodurch ein Anordnungsgrund im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf die bevorstehende Herbst- und Winterzeit auch bei passender Kleidung fraglich erscheine; auch für die sichere Nutzung eines Therapie-Dreirades sei eine angepasste Prothese Bedingung. Im Bereich der sozialen Rehabilitation bestünden auf Grund der anderweitigen Fortbewegungsmöglichkeiten des Antragstellers Bedenken bezüglich eines Anspruchs im Sinne von §§ 53, 54 SGB XII. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf werde insoweit auch nicht geltend gemacht.

Gegen den ihm am 20. November 2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 26. November 2013 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hält daran fest, dass die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei. Auf Grund der Weiterleitung des Antrags vom erstangegangenen Rehabilitationsträgers an den zweitangegangenen Rehabilitationsträger könne es zu keiner Benachteiligung durch die Nichtanwendbarkeit der Genehmigungsfunktion kommen. Denn die Vorschrift des § 14 SGB IX diene ausschließlich dem Interesse der Antragsteller. Er habe Anspruch auf Versorgung mit dem ärztlich verordneten Therapie-Dreirad. Hervorzuheben sei, dass sein verbliebenes linkes Bein von der außergewöhnlichen arteriellen Verschlusskrankheit gleichfalls befallen sei und das Therapie-Dreirad sowohl zum Training als auch für die Wege des alltäglichen Lebens verwendet werden solle. Das Therapie-Dreirad erziele einen Muskelaufbau, fördere die Durchblutung und wirke motivationssteigernd; die Therapie könne in das alltägliche Leben integriert werden. Die Notwendigkeit der erstrebten Anordnung ergebe sich aus dem drohenden Nachteil, dass er auch sein linkes Bein verlieren könne. Der Nachteil des Antragsgegners dürfte sich auf den Wertverlust nach später abzuweisender Klage und Herausgabe eines gebrauchten Therapiedreirades zur weiteren Verwendung beschränken.

Der Antragsteller ist vom Senat darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes Genehmigungen nicht ersetzt werden können.


Er hat daraufhin ausdrücklich beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Kläger einstweilen mit einem ärztlich verordnen Therapiedreirad in der Gestalt des dem Beklagten vorliegenden Kostenvoranschlages über das HUGO Spezial-Therapiedreirad mit 2 Rädern vorn, 26 Zoll der Firma W. bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu versorgen.


Der Antragsgegner hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss und seinen Bescheid für rechtmäßig und die Beiladung der AOK für notwendig. Nach seiner Auffassung findet die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz SGB V keine Anwendung. Der Anspruch auf Sachleistungen gemäß § 33 SGB V sei mit der Weiterleitung des Antrages durch die AOK ausgeschlossen worden, so dass gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ein Anspruch im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation ausscheide. Die Genehmigungsfiktion beziehe sich einzig und allein auf die Verpflichtung der Krankenkasse, innerhalb der dort geregelten Fristen eine Entscheidung zu treffen; insoweit sei die vorgenannte Regelung für ihn - den Antragsgegner - nicht anwendbar. Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß § 53 Abs. 1 und 3 SGB XII, § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§ 26 und 55 SGB IX bestehe nicht. Das Anliegen des Antragstellers einer Verbesserung der Durchblutung der Beine, Gewichtsreduktion sowie Minderung von Ödemen in den Beinen, könne durch geeignete Leistungen der Krankenkasse nach dem SGB V erreicht werden. Der Bewilligung des begehrten Therapie-Dreirades bedürfe es dafür nicht (Bl,. 69 ff GA). Dem stehe nicht entgegen, dass das Therapiedreirad ärztlich verordnet worden sei. Zur Bindungswirkung der ärztlichen Verordnung für die Entscheidung der Krankenkasse werde auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 66/01 - Bezug genommen. Die vertragsärztliche Verordnung stelle danach lediglich eine ärztliche Empfehlung dar, die die Krankenkasse im Verhältnis zum Versicherten jedoch nicht binde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegners, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 15. November 2013 ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Es bestehen bereits Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrags. Denn dem von dem Antragsteller gestellten Antrag fehlt es an der Vorläufigkeit der begehrten Regelung. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, ihn mit einem von ihm nach Marke und Hersteller bezeichneten neuwertigen Therapie-Dreirad zum Preis von 3.571,19 EUR zu versorgen, wäre eine in Bezug auf den Antragsgegner endgültige Entscheidung insofern getroffen worden, als das ggfs. zurückzugebende Therapie-Dreirad als gebrauchtes Fahrrad einen erheblichen Wertverlust erlitten hätte, der nicht mehr rückgängig zu machen wäre und für den der Antragsgegner voraussichtlich keinen Ersatz verlangen könnte. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen im Rahmen der Grundrechtsgewährleistungen ohne einen - insbesondere in medizinischer Hinsicht - abschließend geklärten Sachverhalt eine endgültige Entscheidung geboten wäre, liegen nicht vor.

Der Antragsteller hat aber auch einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Sachlich und örtlich zuständig für das Begehren ist der Antragsgegner.

Die sachliche Zuständigkeit des Antragsgegners ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB IX. Der bei der AOK am 30. Mai 2013 eingegangene Antrag auf Versorgung mit dem näher bezeichneten Therapie-Dreirad ist von dieser geprüft und im Hinblick auf die dortige Einschätzung, für die Versorgung mit einem behindertengerechten Fahrrad nicht zuständig zu sein, binnen zwei Wochen, nämlich am 5. Juni 2013, an den Antragsgegner weitergeleitet worden. Als zweitangegangener Leistungsträger ist der Antragsgegner verpflichtet, im Außenverhältnis zum Antragsteller alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen für den geltend gemachten Rehabilitationsbedarf zu prüfen und die erforderlichen Maßnahmen selbst dann zu erbringen, wenn er meint, hierfür nicht zuständig zu sein; ggfs. steht ihm ein spezialgesetzlicher Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich zuständigen Leistungsträger zu (§ 14 Abs. 4 SGB IX). Der Antragsgegner ist auch örtlich zuständig (§ 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die in § 4 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII) geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei der Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers der Sozialhilfe entscheidet.

Der Senat hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von der Beiladung des als materiell-rechtlich zuständig in Betracht kommenden Leistungsträgers, der AOK, abgesehen.

Der Antragsteller kann die begehrte Versorgung mit dem von ihm bezeichneten Therapie-Dreirad nicht auf § 33 Abs. 1 SGB V in der anwendbaren Fassung des Art. 1 Nr. 17a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I 378) stützen. Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen dürfen gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligt werden.

Nicht entscheidend für den Versorgungsanspruch ist, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung i.S. einer Positivliste (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - in SozR 4-2500 § 33 Nr 32 und juris Rn 11). Dreiräder sind im Hilfsmittelverzeichnis unter Mobilitätshilfen aufgeführt (Hilfsmittelverzeichnis, GKV Spitzenverband, Stand 6. Januar 2007), allerdings nur für Kinder und nicht in Bezug auf das konkret vom Antragsteller beanspruchte Gerät. Auch für Erwachsene gelten Therapie-Dreiräder als Hilfsmittel (vgl. Urteil des BSG vom 30. Januar 2001 - B 3 KR 6/00 R -, juris Rn 11; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 - L 9 KR 392/10 -, juris Rn 20).

Ausweislich des Rezeptes des Dipl.-Med. H. vom 6. Mai 2013 wurde dem Antragsteller jedoch weder das von ihm konkret beanspruchte Rad noch ausdrücklich ein Therapie-Dreirad, sondern ein "behindertengerechtes Fahrrad" wegen der "OS Amputation rechts nach AVK" verordnet. Insoweit ergibt sich aus der Verordnung nur, dass vom ausstellenden Arzt ein behindertengerechtes Fahrrad im Hinblick auf den aufgrund einer arteriellen Verschlusskrankheit amputierten rechten Oberschenkel für erforderlich gehalten wurde. Nach den verbindlichen Vorgaben der Hilfsmittel-Richtlinien (Hilfsmittel-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses ist das Hilfsmittel in der ärztlichen Verordnung so eindeutig wie möglich zu bezeichnen und es sind alle für die individuelle Versorgung oder Therapie erforderlichen Einzelangaben zu machen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Hilfsmittel-RL). Denn das Einzelprodukt (bezeichnet durch die 10-stellige Positionsnummer, soweit vom Hilfsmittelverzeichnis erfasst) wird grundsätzlich vom Leistungserbringer nach Maßgabe der mit den Krankenkassen abgeschlossenen Verträge zur wirtschaftlichen Versorgung mit der oder dem Versicherten ausgewählt, wobei die Verordnung eines speziellen Hilfsmittels bei entsprechender Begründung dem Vertragsarzt möglich bleibt (§ 7 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 Hilfsmittel-RL). Hier fehlt es bereits an einer eindeutigen Bezeichnung des Hilfsmittels nach Maßgabe der oben genannten Hilfsmittel-RL, da als "behindertengerecht" diverse Arten von Fahrrädern in Betracht kommen können.

Darüber hinaus ist bereits im Hinblick auf den Wortlaut der Verordnung nicht erkennbar, dass - wie vom Antragsteller behauptet - ein Therapie-Dreirad im Hinblick auf das linke Bein und eine dort weiterhin bestehende arterielle Verschlusskrankheit benötigt werde. Aus diesem Grund scheidet die vom Antragsteller geltend gemachte Notwendigkeit der Versorgung zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative SGB V) aus.

Beim derzeitigen Sachstand kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass das vom Antragsteller beanspruchte Therapie-Dreirad zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung erforderlich ist (§ 33 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative SGB V). Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S. von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.S. der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R -, a.a.O., juris, Rn 21). Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG aaO). Beim Antragsteller bestehen neben der Gehbehinderung aufgrund der Amputation des rechten Beines und einer nicht passenden Prothese eine arterielle Verschlusskrankheit des linken Beines mit Ödembildung, ein inzwischen erhebliches Übergewicht, ein Bluthochdruck und eine Depression; dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. A. vom 20. Januar 2013 und den von Dipl.-Med. M. übersandten Unterlagen. Es ist jedoch anhand der bislang vorliegenden Unterlagen und insbesondere aufgrund der Verordnung von Dipl.-Med. H. vom 6. Mai 2013 nicht feststellbar, ob und ggfs. welche physio-, ergo- und psychotherapeutischen Maßnahmen im Rahmen eines aufeinander abgestimmten Behandlungskonzepts zur Behandlung der bestehenden Gesundheitsstörungen verordnet und durchgeführt worden sind, in deren Rahmen durch die Verwendung eines Therapie-Dreirades deren Erfolg wesentlich gefördert wird. Vielmehr lassen die beigezogenen ärztlichen Unterlagen erkennen, dass dem Kläger zwar eine C-Leg-Prothese verordnet worden ist, diese aber nicht passt und insoweit eine Prothesenanpassung und eine Gangschulung notwendig und Erfolg versprechend sind. Das Durchführen dieser Maßnahmen wird nicht beschrieben. Auch ein konkretes Vorgehen zur Gewichtsreduktion ist nicht erkennbar.

Der vom Antragsteller geltend gemachte Versorgungsanspruch ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative SGB V) begründet. Denn Aufgabe der GKV bei der Hilfsmittelversorgung ist allein die an Gesundheit, Organfunktion und Behandlungserfolg orientierte medizinische Rehabilitation. Darüber hinausgehende soziale oder berufliche Rehabilitationsleistungen könnten allenfalls von anderen Sozialleistungsträgern erbracht werden. Bei GKV-Hilfsmitteln, die - wie hier - nicht unmittelbar eine körperliche Funktion ersetzen, sondern lediglich die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen ("mittelbarer Behinderungsausgleich"), kann von medizinischer Rehabilitation aber nur dann die Rede sein, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient. Dies ist der Fall, wenn das Hilfsmittel die Auswirkungen einer Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist. Der Gesetzgeber hat diese ständige Rechtsprechung des BSG zur Hilfsmittelversorgung durch die Regelung in § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX ausdrücklich gesetzlich bestätigt (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - a.a.O., juris Rn 13 ff).

Sofern der Antragsteller das Therapie-Dreirad für die Bewältigung von Strecken nutzen will, die über den Nahbereich der Wohnung hinausgehen, ist das Hilfsmittel nicht "zum Behinderungsausgleich" erforderlich. Denn wegen der allein auf die medizinische Rehabilitation beschränkten Leistungspflicht der GKV ist diese im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs in Bezug auf Mobilitätshilfen nur verpflichtet, Versicherten die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums zu ermöglichen. Es sind deshalb nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die dem Grundbedürfnis dienen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und diese zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 5/10 R a.a.O., Rn 14).

Soweit der Antragsteller das Dreirad für kürzere, im Nahbereich seiner Wohnung liegende Strecken nutzen möchte, scheitert der Anspruch ebenfalls an der Erforderlichkeit der Versorgung, da er bereits mit hierfür geeigneten Hilfen in Form der Oberschenkelprothese, der beiden Unterarmgehstützen und der Gehbank ausreichend versorgt ist. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass es der Antragsteller wegen des Trainingseffekts vorzieht, abhängig von Witterungsverhältnissen und gesundheitlichem Befinden das beanspruchte Therapie-Dreirad zu benutzen. Denn das (Drei-)Radfahren als spezielle Art der Fortbewegung mit den damit verbundenen Effekten hinsichtlich Geschwindigkeit und sportlicher Betätigung ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des BSG vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R- a.a.O., juris Rn 15 mit weiteren Nachweisen), der sich der Senat anschließt, nicht als Grundbedürfnis des täglichen Lebens anerkannt worden.

Ein materieller Anspruch des Antragstellers auf Bewilligung des von ihm näher bezeichneten Therapie-Dreirades ergibt sich auch nicht - wie der Antragsteller meint - aufgrund der mit dem am 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz, BGBl I 2013, 277) in § 13 Abs. 3a Satz 6 SGBV normierten Genehmigungsfiktion. Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung (Satz 4). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).

Es ist zutreffend, dass auch für den Antragsgegner, da er an Stelle der Krankenkasse als zweitangegangener Leistungsträger über einen Anspruch auf ein beantragtes Hilfsmittel gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu entscheiden hat, die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gilt und der Antragsteller durch die Weiterleitung des Antrags nicht benachteiligt werden darf. Die gesetzlich bestimmten kurzen Bearbeitungsfristen dienen dem Interesse der Versicherten an einer zügigen Entscheidung (BT-Drs. 17/10488 S. 9). In Fällen unvermeidbarer Verzögerungen kann die Krankenkasse die Folgen der Nichteinhaltung der Fristen abwenden, indem sie dem Leistungsberechtigten die Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilt.

Hier lässt der Verfahrensablauf keine vermeidbaren Verzögerungen erkennen; zudem ist der Antragsteller über die erforderlichen Ermittlungsschritte rechtzeitig informiert worden. Der Antragsgegner hat den Antragsteller innerhalb einer Woche nach Antragseingang bei ihm unter dem 12. Juni 2013 zur Mitwirkung, insbesondere zur Übersendung der Schweigepflichtentbindungserklärung, aufgefordert, die bei ihm dann erst am 5. Juli 2013 eingegangen ist. Sodann hat er ermittelt, welche medizinischen Unterlagen anderer Sozialleistungsträger er beiziehen kann, die er für die Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme benötigte, diese Unterlagen sodann unter dem 26. Juli 2013 angefordert und den Antragsteller unter dem 31. Juli 2013 darüber unterrichtet, dass er für die einzuholende amtsärztliche Stellungnahme die Angelegenheit bearbeitet. Nach Eingang der unter dem 1. August 2013 angeforderten amtsärztlichen Stellungnahme vom 26. August 2013 hat er innerhalb weiterer 14 Tage einen Bescheid über den gestellten Antrag erstellt.

Selbst wenn die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion zu bejahen wären, ergäbe sich daraus jedoch auch nicht der Anspruch des Antragstellers auf das von ihm näher bezeichnete Therapie-Dreirad, sondern auf ein "behindertengerechtes Fahrrad".

Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung kommen derzeit auch nicht §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 7 SGB IX in Betracht. Denn es ist nicht feststellbar, ob dem Antragsteller, wie von § 19 Abs. 3 SGB XII gefordert, die Aufbringung der Mittel für die Anschaffung eines Therapie-Dreirads aus seinem Einkommen oder Vermögen nicht zumutbar ist, da er - auf die Aufforderung des Antragsgegners hin - Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verweigert hat. Aus dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II lassen sich insoweit keine hinreichenden Rückschlüsse ziehen, da die bereichsspezifischen Vermögensfreigrenzen deutlich höher als diejenigen der Sozialhilfe sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.

Referenznummer:

R/R6550


Informationsstand: 16.11.2015