Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass das Laufrad Leochrima HTL 16/12 und Leochrima HTL 20/12 in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden.
Anspruchsgrundlage ist
§ 139 Abs. 4 SGB V. Nach dieser Vorschrift ist ein Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach § 139
Abs. 2
SGB V und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sicher Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist.
Der Kläger ist Hersteller der beiden Laufräder, er hat auch den zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis erforderlichen Antrag gestellt. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten und des Sozialgerichts sind die Laufräder Leochrima HTL 16/12 und HTL 20/12 Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung. Der Inhalt des Hilfsmittelbegriffs ergibt sich daraus, dass nach
§ 33 Abs. 1 SGB V Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln haben, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Konkretisiert wird der Hilfsmittelbegriff durch
§ 47 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung. Danach umfassen Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) die Hilfen, die von den Leistungsberechtigten getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Die vom Kläger hergestellten Laufräder sind bewegliche Gegenstände, die von den Versicherten mitgeführt und mitgenommen werden können. Es handelt sich bei ihnen nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Sie sind auch nicht grundsätzlich von einer Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Für die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln und den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens ist nach der Rechtsprechung des
BSG darauf abzustellen, welche Zweckbestimmung dem Gegenstand aus der Sicht des Herstellers und aus der Sicht der Benutzer mitgegeben ist. Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder weit überwiegend von diesem Personenkreis auch benutzt werden, sind nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen (
BSG v. 16. September 1999 -
B 3 KR 1/99 R juris Rn 14; v. 29. April 2010 -
B 3 KR 5/09 R - juris Rn 24). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Kläger jedenfalls mittlerweile als eigentliche Zielgruppe für die Verwendung seiner Produkte nur (noch) kranke und behinderte Menschen im Blick hat. Das folgt schon daraus, dass er für die Laufräder eine Konformitätserklärung nach der für Medizinprodukte geltenden
EU-Richtlinie 93/42/EWG abgegeben und dazu eine Prüfung nach der
DIN EN 12182 (Technische Hilfe für behinderte Menschen) veranlasst hatte. Aus § 3 Medizinproduktegesetz ergibt sich, dass Medizinprodukte zur Verwendung durch kranke und behinderte Menschen bestimmt sind. Medizinprodukte sind (u.a.) Instrumente, Apparate, Vorrichtungen und Stoffe, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke (u.a.) der Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder Behinderung oder der Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu dienen bestimmt sind. Der Kläger hat seinen Laufrädern ausweislich der Konformitätserklärung die Funktionen "Therapielaufrad" und "Mobilitätshilfe" zugeschrieben. Diese Zweckbestimmung bezieht sich auf die besonderen Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen.
Zuzugeben ist dem Beklagten lediglich, dass gewisse Formulierungen in den früheren Internetauftritten des Klägers vermuten lassen, dass er ursprünglich ein weiteres Einsatzgebiet für die von ihm entwickelten Laufräder ins Auge gefasst hatte. Dafür sprechen auch die Hinweise in dem von dem gerichtlichen Sachverständigen erstatteten Gutachten, dass der Kläger die von ihm angebotenen Laufräder ursprünglich für seine eigenen Kinder entworfen hatte. Es ist jedoch kein Rechtsgrundsatz ersichtlich, aus dem sich ergeben könnte, dass ein Hersteller die mit seinen Produkten verfolgten Erwartungen in Bezug auf deren Einsatzmöglichkeiten im Laufe der Zeit nicht ändern könnte. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Hersteller seine Erwartungen nur der Realität angepasst hatte. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung, für die sich der Senat auf seine Beobachtungen des Straßen- und Fußgängerverkehrs stützt, werden Laufräder von gesunden Menschen nur bis zu einem Lebensalter benutzt, das etwa mit dem Eintritt in die Schule endet. Eine Benutzung von Laufrädern durch gesunde Jugendliche oder Erwachsene kommt - im Gegensatz zur Verwendung von Tretrollern - praktisch nicht vor. Laufräder für gesunde Jugendliche und Erwachsene sind ausgesprochene Nischenprodukte. Soweit die Beklagte das Gegenteil behauptet, hat sie das auch nicht ansatzweise belegen können. Richtig ist allerdings, dass die Einsatzmöglichkeiten der vom Kläger angebotenen Laufräder nach der durch die Werbematerialien dokumentierten Vorstellung des Klägers auch kleinere Kinder erfassen sollen und sich somit teilweise Überschneidungen mit der Zielgruppe der gesunden (Klein-)Kinder ergeben, für die handelsübliche Laufräder angeboten werden. Aus dieser für einen begrenzten Teilbereich bestehenden Überschneidung kann aber nicht abgeleitet werden, dass die vom Kläger angebotenen Laufräder allgemein als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen wären. Denn die Funktionalität dieser Laufräder wird wesentlich dadurch bestimmt, dass sie durch die Verstellmöglichkeiten der Höhe von Lenker und Sattel, die Größe und Länge des Rahmens sowie das maximale Benutzergewicht von 105
kg insbesondere von Personen benutzt werden können, die dem Kleinkindalter bereits entwachsen sind. In der durch die Art und Weise der Konstruktion vorgegebenen besonderen Zielgruppe der Produkte des Klägers, größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene, werden Laufräder nicht von gesunden Menschen, sondern überwiegend nur von kranken und behinderten Menschen benutzt. Damit sind sie nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen.
Der Kläger hat auch die Funktionstauglichkeit und Sicherheit seiner Laufräder nachgewiesen. Das ergibt sich aus der CE-Kennzeichnung seiner Produkte. Mit der CE-Kennzeichnung gilt ein Hilfsmittel auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne als funktionstauglich und sicher, ohne dass dies von den Krankenkassen oder den Gerichten noch gesondert zur prüfen wäre. Der CE-Kennzeichnung kommt Tatbestandswirkung zu (
BSG v. 28. September 2006 -
B 3 KR 28/05 R - juris Rn 37). Das ist mittlerweile durch den am 1. April 2007 in Kraft getretenen § 139
Abs. 5
SGB V ausdrücklich gesetzlich so geregelt. Von der nach § 139
Abs. 5 Satz 3
SGB V bestehenden Möglichkeit, zusätzliche Prüfungen vorzunehmen und dafür erforderliche Nachweise zu verlangen, hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Die
EU-Konformitätserklärung ist auch nicht deswegen wirkungslos, weil die ihr zugrunde liegende
EU-Richtlinie 93/42/EWG mittlerweile durch die VO über Medizinprodukte 2017/245 ersetzt worden ist. Die Regelungen der neuen Verordnung geltend nach Art 123
Abs. 2 VO 2017/245 zwingend nämlich erst ab dem 26. Mai 2020. Überdies sind in Art 120
Abs. 4 VO 2017/245 Übergangsfristen vorgesehen, während denen eine nach altem Recht erteilte Konformitätserklärung ihre Wirksamkeit behält. Besondere Qualitätsanforderungen für Laufräder im Sinne des § 139
Abs. 2
SGB V schließlich gibt es nicht, so dass die Produkte des Klägers solche auch nicht zu erfüllen hatten.
Den medizinischen Nutzen der Laufräder hat der Kläger soweit erforderlich nachgewiesen. Die an den Nachweis des medizinischen Nutzens zu stellenden Anforderungen unterscheiden sich danach, ob ein Hilfsmittel in Frage steht, welches therapeutischen Zwecken dient, oder ob es sich um ein Hilfsmittel zum bloßen Behinderungsausgleich handelt. Bei letzteren ist der Nachweis eines therapeutischen Nutzens, der über die Funktionstauglichkeit für den Ausgleich einer Behinderung hinausgeht, nicht geboten und im Regelfall auch nicht möglich (
BSG v. 28. September 2006 -
B 3 KR 28/05 R - juris Rn 33; v. 16. September 2004 -
B 3 KR 20/04 R - juris Rn 18). Soweit dagegen der therapeutische Nutzen eines Hilfsmittels geltend gemacht wird, muss zumindest die gleiche Wirksamkeit wie die von anderen herkömmlichen Produkten nachgewiesen werden. Die Durchführung und Vorlage klinischer Studien ist indessen auch hier nicht unbedingt erforderlich (
BSG v. 28. September 2006 - B 3 KR 28/05 R - juris Rn 33).
Ein therapeutischer Nutzen der von dem Kläger hergestellten Laufräder ist nicht nachgewiesen. Er ergibt sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den weiteren Ermittlungen des Senats (zur Zulässigkeit solcher weiterer Ermittlungen vgl
BSG v. 28. September 2006 - B 3 KR 28/05 R - juris Rn 29). Der gerichtlich beauftragte Sachverständige
Dr. D hat zwar ausgeführt, dass Laufräder zurzeit in der Kinder-Rheumatologie und der Kinder-Orthopädie verwendet würden. Besondere therapeutische Ziele, die im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung stehen, hat der Sachverständige allerdings nicht benannt, sondern allgemein auf gesundheitsfördernde Aspekte der Bewegung verwiesen. Die allgemein gesundheitsfördernde Wirkung körperliche Betätigung ist aber noch keine besondere Therapieform. Weder dem eingeholten Gutachten noch den sonstigen vom Kläger eingereichten Berichte und Unterlagen lässt sich entnehmen, dass eine Benutzung der vom Kläger angebotenen Laufräder durch kranke oder behinderte Menschen regelmäßig unter ärztlicher Kontrolle und Anleitung erfolgt. Damit fehlt es offensichtlich schon an einem inneren Zusammenhang zwischen der Verwendung der Laufräder und einer bestimmten ärztlich verantworteten Therapieform, deren Einleitung von bestimmten Indikationen abhängig gemacht wird und deren Erfolge und Ergebnisse überwacht werden könnten. Der Nachweis eines therapeutischen Nutzens der vom Kläger hergestellten Laufräder ist demnach nicht erbracht worden.
Hinreichend nachgewiesen ist der medizinische Nutzen der vom Kläger produzierten Laufräder aber für den Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Insoweit ergibt sich der medizinische Nutzen bereits aus der Funktionstauglichkeit (
BSG v. 28. September 2006 - B 3 KR 28/05 R - juris Rn 33; v. 16. September 2004 - B 3 KR 20/04 R - juris Rn 18). Für den Nachweis der Funktionstauglichkeit ist auf die CE-Kennzeichnung Bezug zu nehmen (
BSG v. 28. September 2006 - B 3 KR 28/05 R - juris Rn 37). Allerdings müsste eine Listung des Produktes in dem Hilfsmittelverzeichnis unterbleiben, wenn es regelmäßig nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst wird (
LSG Nordrhein-Westfalen v. 8. Dezember 2015 -
L 1 KR 61/11 - juris Rn. 35). Für den Ausschluss des Anspruches auf Aufnahme würde es aber nicht ausreichen, dass ein Produkt nur im Einzelfall und bei Vorliegen besonderer qualitativer Momente vom Versorgungsanspruch umfasst wird (
BSG v. 30. November 2017 -
B 3 KR 3/16 R). Denn insoweit können die objektiven medizinischen und sonstigen Voraussetzungen für eine Versorgung abstrakt im Hilfsmittelverzeichnis definiert werden.
Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des Beklagten anzuschließen, wonach die Versorgung eines behinderten Menschen mit einem Laufrad zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bereits deswegen stets ausgeschlossen ist, weil die Benutzung dieses Hilfsmittels den Erhalt der Gehfähigkeit sowie sonstiger körperlichen Fähigkeiten voraussetzt, welche es den Versicherten ermöglichen würden, den Nahbereich auch zu Fuß zu erschließen. Denn die Gehfähigkeit kann dem Grunde nach erhalten geblieben sein, ohne dass die Belastungsfähigkeit des versicherten Menschen für alle im Nahbereich gelegenen Ziele ausreichen muss, die von einem gesunden Menschen üblicherweise zu Fuß aufgesucht werden. In der Rechtsprechung des
BSG ist bereits anerkannt, dass Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln haben, wenn sie im Nahbereich gelegene Ziele ohne Hilfsmittel nur unter Schmerzen oder mit erheblichem Zeitaufwand erreichen können (
BSG v. 12. August 2009 -
B 3 KR 8/08 R - juris Rn 24). Aus den vom Kläger eingereichten Unterlagen und Verordnungen ergibt sich die Möglichkeit von Fällen, in denen bei Rheumapatienten trotz grundsätzlich erhalten gebliebener Gehfähigkeit zur Schonung der Gelenke oder bei Kleinwüchsigkeit die Verwendung eines Laufrades angezeigt erscheint, um den Versicherten den Nahbereich zu erschließen, der über den Umfang eines Grundbedürfnisses nicht hinausgeht. Darüber hinaus kann es bei Vorliegen besonderer Umstände, etwa zur Sicherstellung der Erreichbarkeit der behandelnden Ärzte, auch erforderlich sein, die Mobilität der Versicherten im Rahmen der Grundbedürfnisse in einem über den üblichen Nahbereich hinausgehenden Umfang sicherzustellen (
vgl. BSG v. 16. September 2004 -
B 3 KR 19/03 R - juris Rn 21).
Schließlich gibt es für die vom Kläger hergestellten Laufräder des Klägers auch eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache, welche die für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen enthält.
Nach alledem war auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und der Beklagte zur Aufnahme der Laufräder in das Hilfsmittelverzeichnis zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a
SGG iVm § 154
VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 160
Abs. 2
SGG zugelassen.