Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Beide Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 4. März 2019 mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides in der Fassung des Widerspruchsbescheides verpflichtet, die Klägerin mit dem Fußhebersystem zu versorgen.
Der Anspruch folgt aus
§ 33 SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen.
Bei der Klägerin liegt unstreitig eine Gehbehinderung vor.
Der Umfang des von der gesetzlichen Krankenversicherung durch Hilfsmittel zu gewährenden Behinderungsausgleichs bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des
BSG danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird. Bei Prothesen handelt es sich um Fälle des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, da mit diesen die ausgefallene Körperfunktionen des Stehens, Gehens und Rennens als solche wiederhergestellt werden sollen und nicht nur die Kompensation der Folgen des Ausfalls in Frage stehen wie etwa bei einem Rollstuhl. Im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs schuldet die gesetzliche Krankenversicherung einen möglichst vollständigen Ausgleich der Behinderung im Sinne eines Gleichziehens des behinderten Menschen mit den Fähigkeiten eines gesunden Menschen. Die Grenze der Leistungsverpflichtung wird erst erreicht, wenn weitere Gebrauchsvorteile zwar noch möglich sind, sie aber nicht mehr wesentlich erscheinen.
Deshalb ist bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet, vom Versorgungsauftrag umfasst (
vgl. BSG, Urteile vom 6. Juni 2002 -
B 3 KR 68/01 R- ; vom 6. September 2004 -
B 3 KR 20/04 R - und vom 24. Januar 2013 -
B 3 KR 5/12 R- juris-
Rdnr. 30ff).
Das streitgegenständliche Fußhebersystem einschließlich des Zubehörs soll hier (nur) dem Ausgleich der Behinderung der Klägerin beim Gehen dienen. Mit seiner Hilfe soll die Klägerin ihren rechten Fuß zum richtigen Zeitpunkt anheben und wieder absenken können. Durch die Oberschenkelmanschette soll das Beugen und Strecken des Knies kontrolliert und verbessert werden. Auch der Senat hält die einschlägigen Ausführungen des Sachverständigen
Dr. R für in sich schlüssig, fehlerfrei und überzeugend. Dieser hat bei seiner Untersuchung der Klägerin am rechten Bein im Bereich der gesäß- und hüftumgreifenden Muskulatur sowie der kniestabilisierenden Muskulatur und - in geringerem Umfang - im Bereich der Fuß- und Großzehenheber ausgeprägte muskuläre Dysbalancen festgestellt. Beim Stehen und beim Vorschwingen führt dies zu einem durchgedrückten und überstreckten Kniegelenk und einem nicht ausreichenden muskulär aktiven Kniehalteapparat. Auch in der Standbeinphase besteht eine Überstreckung bei nicht ausreichender Muskelkraft. Ein selbständiges Gehen ohne Hilfsmittel ist praktisch unmöglich, ohne dass hierbei eine erhebliche Sturzgefahr besteht. Hingegen ist die Klägerin mit dem Fußhebersystem in der Lage, das Haus auch ohne Rollator
bzw. Rollstuhl oder Begleitperson für kurze Strecken zu verlassen, kleinere Hindernisse zu überwinden oder einzelne Treppenstufen zu steigen.
Auch der MDK sieht eine Verbesserung der Gehfähigkeit im Vergleich zum unversorgten Zustand. Aus dem Befundbericht des behandelnden Arztes
Dr. N wird deutlich, dass die Klägerin mit Hilfe des Fußhebersystems eine alltagstaugliche Gehfähigkeit erreichen
bzw. schneller gehen kann.
Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass dem Sachverständigen
Dr. R in seiner Einschätzung gefolgt werden kann, dass ein entsprechender Behinderungsausgleich nicht durch günstigere Hilfsmittel zu erreichen ist. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, ermöglichen die herkömmlichen Peroneus-Orthesen in allen Varianten für den Fußbereich nur ein sicheres Gehen durch Verhinderung eines Absinkens des Vorfußes in der Spielbeinphase. Allerdings haben sie den Nachteil, dass keine aktive Muskelkontraktion im Wadenbereich erfolgt und ein aktives Anheben der Fußspitze nicht in gewünschtem Maße geschieht. Nur bei einer funktionellen Elektrostimulation ist ein dem natürlichen Gangbild angepasstes Gehen möglich.
Zusätzlich zur Schwäche des Fuß- und Großzehenheber bestehen bei der Klägerin
u. a. Dysbalancen der Oberschenkelmuskulatur und der Kniebeuger und Kniestrecker. Nach Ansicht des Sachverständigen würde eine Peroneus-Orthese alleine nicht ausreichen. Sie bedürfte auch einer Ganzbeinorthese entweder mit Kniefeder oder einer Schweizer Sperre oder einer andersartigen Konstruktion zur Verhinderung eines Durchschwingens des Unterschenkels gegen den Oberschenkel mit Überstreckung im Kniegelenk.
Da es vorliegend maßgebend um ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich geht, geht die Ansicht der Beklagten fehl, aufgrund einer fehlenden positiven Empfehlung des
G-BA sei die Versorgung mit dem Fußhebersystem Typ Ness L300 über die Sperrwirkung des
§ 135 SGB V ausgeschlossen.
Wird ein Hilfsmittel als untrennbarer Bestandteil einer neuen vertragsärztlichen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode eingesetzt, hat zwar die Krankenkasse die Kosten hierfür grundsätzlich erst zu übernehmen, wenn der
G-BA die Methode positiv bewertet hat (
BSG, Urt. vom 08.07.2015 -
B 3 KR 6/14 R - [CAM-Schiene]
Rdnr. 17ff und
B 3 KR 5/14 R [Glucosemonitoring System]
Rdnr. 26ff). Einschlägig ist insoweit aber die erste Alternative des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V, also die Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung
bzw. der Behinderungsvorsorge Diese betrifft lediglich solche Gegenstände, die aufgrund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Es ist ausreichend, aber auch notwendig, dass mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird (
BSG Urteil v. 16. September 2004 -
B 3 KR 19/03 R-, BSGE 93, 176, juris-
Rdnr. 18).
Wie bereits das SG ausführlich dargestellt hat, erfolgte die Verordnung des Fußhebersystems jedoch nicht zu Therapiezwecken (im Ergebnis ebenso für das gleiche System
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juni 2018 -
L 11 KR 1996/17 -, juris-
Rdnr. 29f;
LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. Juni 2018 -
L 5 KR 183/17 -, juris-
Rdnr. 44; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. November 2018 -
L 5 KR 21/18 -, juris-
Rdnr. 31).
Weder in der Reha-Klinik noch durch den behandelnden Orthopäden ist der Therapie-Modus angewendet worden. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies künftig ändern wird. Alleine der Umstand, dass das Gerät über einen solchen Modus verfügt und künftig angewendet werden könnte, ohne dass dies die Beklagte erführe, erlaubt nicht den Schluss, dass die Verordnung maßgeblich auch zu therapeutischen Zwecken erfolgt ist.
Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Urteil verwiesen, § 153
Abs. 2
SGG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160
Abs. 2
Nr. 1 oder 2
SGG liegen nicht vor.