Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat zurecht die Versorgung des Klägers mit einem Speedy-Bike als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung abgelehnt.
Nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34
Abs. 4 ausgeschlossen sind. Zwar ist ein Rollstuhl-Hand-Bike (auch: Rollstuhl- Bike, "Rolli-Bike" oder "Handy- Bike" oder "Speedy-Bike" genannt), wie es der Kläger begehrt, kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil es speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert und nur von ihnen eingesetzt wird (
BSG, Urteile vom 16.09.1999 -
B 3 KR 13/98 R und
B 3 KR 2/99 R; Urteil vom 10.10.2000 -
B 3 KR 29/99 R). Ein solches Hilfsmittel ist auch nicht durch die zu
§ 34 Abs. 4 SGB V erlassene
Rechtsverordnung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen. Dem Anspruch des Klägers auf ein Speedy-Bike steht jedoch entgegen, dass dieses nicht "erforderlich" ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Bei dem Rollstuhl-Bike handelt es sich um eine Handkurbel in Brusthöhe mit Kette oder Kupplungsgestänge zur Kraftübertragung auf die Räder, wodurch ein effektiverer Antrieb als mit den Greifreifen möglich ist. Die Kammer verkennt nicht, dass das Fahren mit einem Speedy-Bike geeignet ist, die Belastbarkeit des Klägers zu stärken, einen bewegungs- therapeutischen Effekt hat und wegen der Herz-Kreislauferkrankung sinnvoll ist, wie der Hausarzt dies im Attest vom 14.08. 2007 und zuletzt in seiner Stellungnahme vom 19. 02.2008 mitgeteilt hat. "Um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern" (
vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1, Erste Alternative SGB V), ist das Speedy-Bike jedoch nicht erforderlich, weil hierzu weniger aufwändigere wirtschaftlichere (
vgl. § 12 Abs. 1 SGB V) Therapiemaßnahmen zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang hat das
BSG jedoch mehrfach festgestellt, dass regelmäßige Krankengymnastik nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen Verfassung erreichen könne, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Herz-Kreislauf-System-, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (
vgl. BSG, Urteil vom 21.11.2002 -
B 3 KR 8/02 R; Beschluss vom 27.07.2006 -
B 3 KR 11/06 B).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf das Speedy-Bike, um "einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen". Dieser Zweck eines von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leistenden Hilfsmittels bedeutet nicht, dass nicht nur die Behinderung selbst, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderung des Alltags meistern zu können. Eine darüberhinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (
BSG, Urteil vom 16.09.1999 -
B 3 KR 9/98 R = SozR 3-2500 § 33
Nr. 32). Bei einem unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichteten Hilfsmittel,
z.B. einem künstlichen Körperglied, ist ohne Weiteres anzunehmen, dass eine medizinische Rehabilitation vorliegt. Hingegen werden nur mittelbar oder teilweise die Organfunktionen ersetzende Mittel lediglich dann als Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich ( Beruf/ Gesellschaft/ Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigen oder mildern und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (
BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu derartigen Grundbedürfnissen die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, die auf die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfassen.
Auch das Grundbedürfnis der Erschließung eines "gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden verstanden (
BSG, a.a.O.). Dieses Bedürfnis wird in aller Regel durch die Erschließung des Nahbereichs erfüllt. Nahbereich ist die Entfernung, die ein Gesunder zurücklegt, um sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
BSG, Urteil vom 16.09.1999 -
B 3 KR 8/98 R = SozR 3-2500 § 33
Nr. 31). Dieser Nahbereich wird bei gehbehinderten Menschen regelmäßig durch einen handbetriebenen oder Elektro-Rollstuhl erschlossen (
BSG, Urteil vom 19.04. 2007 -
B 3 KR 9/06 R = SozR 4-2500 § 33
Nr. 15). Soweit der Kläger das Speedy-Bike zum Zurücklegen längerer Wegstrecken an der frischen Luft, vergleichbar einem Radfahrer, nutzen will, gehört dies nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und führt daher ebenfalls nicht zu einem Anspruch eines Behinderten auf ein Hilfsmittel. Das Rollstuhl-Bike beschränkt sich dann auf eine bloße Freizeitbetätigung, die nicht zu den Grundbedürfnissen gehört (
BSG, Urteil vom 21. 11. 2002 -
B 3 KR 8/02 R).
Diese vom
BSG aufgestellten Grundsätze entbinden die Krankenkasse und das Gericht nicht von einer Prüfung der Besonderheiten jedes einzelnen Falles. Die Kammer hat deshalb auch im Fall des Klägers geprüft, ob Besonderheiten vorliegen, die bei ihm die Versorgung mit einem Speedy-Bike erforderlich machen. Sie ist zum Ergebnis gekommen, dass solche Besonderheiten nicht vorliegen. Der Kläger ist in der Lage, sich den Nahbereich der Wohnung selbstständig mittels seines Greifreifenrollstuhls zu erschließen. Er hat selbst dargelegt, dass er - wenn auch unter Anstrengung - in der Lage ist Entfernungen bis zu 500 m mit dem Greifreifenrollstuhl in Verbindung mit der Prothese zurückzulegen. Dies hat der Hausarzt in seinem Befundbericht vom 25.10.2007 bestätigt. Nach hausärztlicher Einschätzung ist der Kläger in der Lage mit dem Greifreifenrollstuhl innerhalb und außerhalb des Hauses zu fahren und damit Strecken bis 500 m zurückzulegen; ohne Rollstuhl ist er allein mit Hilfe seiner Prothese in der Lage, Wegstrecken bis 50 m zurückzulegen. Mit diesem Entfernungsradius ist der vom
BSG beschriebene übliche Nahbereich der Wohnung zu erschließen. Darauf, dass ihm dies in Einzelsituationen,
z.B. bei Steigungen, nicht oder nur schwer möglich ist, kommt es nicht an.
Denn es sind nicht die konkreten Wohn- und Lebensverhältnisse eines einzelnen Versicherten entscheidend, sondern die Tatsache, dass in einem städtischen Nahbereich grundsätzlich die Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
BSG, Urteil vom 16.09. 1999 -
B 3 KR 8/98 R = SozR 3-2500 § 33
Nr. 31; Urteil vom 19.04.2007 -
B 3 KR 9/06 R = SozR 4-2500 § 33
Nr. 15).
Schließlich begründet auch die vertragsärztliche Verordnung des Hausarztes vom 09.11.2006 keinen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Speedy-Bike. Eine solche Verordnung allein bewirkt keinen Leistungsanspruch; sie ist dafür nur eine "formale" Voraussetzung. Denn
gem. §§ 2
Abs. 4, 12
Abs. 1 Satz 2
SGB V dürfen die Krankenkassen unwirtschaftliche Leistungen nicht bewilligen. Nach § 275
Abs. 3
Nr. 1
SGB V können sie nach der Verordnung eines Hilfsmittels durch einen Vertragsarzt eine Prüfung durch den MDK zu der Frage herbeiführen, ob die Hilfsmittelversorgung erforderlich ist. Nach § 30
Abs. 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte sowie § 16
Abs. 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen, die die Verordnungstätigkeit regeln, hängt die Abgabe von Hilfsmitteln von der Genehmigung durch die Krankenkasse ab. Daraus folgt, dass eine Verordnung eines Vertragsarztes noch keine verbindliche Aussage über den Versorgungsanspruch des Versicherten darstellt, sondern dass der Anspruch der Entscheidung der Krankenkasse vorbehalten ist (Schleswig-Holsteinisches
LSG, Urteil vom 03.04.2001 -
L 1 KR 35/00 - unter Hinweis auf
BSG, Urteil vom 16.04.1998 -
B 3 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33
Nr. 27).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.