Die zum sachlich (§ 51
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) und örtlich (§ 57
SGG) zuständigen Sozialgericht München form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und erweist sich in vollem Umfang als begründet.
Die Kläger sind familienversicherte Mitglieder bei dem Beklagten. Sie können deshalb entweder über den Stammversicherten Vater, von dem hier das familienversicherte Recht abgeleitet ist oder in eigenem Namen Ansprüche geltend machen. Daran ändert auch nicht die Tatsache, daß das sozialgerichtlich vorgeschriebene Verwaltungs- und Vorverfahren durch den Vater H. W. abgewickelt wurde. Die Kläger sind deshalb aktiv legitimiert. Der Kläger zu 2) ist jetzt volljährig. Die Vollmacht auf den Vater wird gemäß § 73
Abs. 2 Satz 2
SGG unterstellt. Eine notwendige Beiladung des überörtlichen Sozialhilfeträgers Bezirk Oberbayern konnte unterbleiben, da er nachrangig leistungspflichtig ist und lediglich ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht hat (so auch Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage, § 75
Rdnr. 11 c). Die notwendige Beiladung der Pflegekasse erfolgte im Hinblick auf § 75
Abs. 2
SGG, da die beantragten Zusatzeinrichtungen des Pkw auch als Pflegehilfsmittel in Betracht kommen konnten.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.3.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.6.1997 war rechtswidrig und aufzuheben und die Beklagte gemäß
§ 13 Abs. 3 SGB V zur Zahlung von DM 33.000,- gemäß Anlage zur Rechnung vom 18.4.1997 des Autohauses Geiger in München für zusätzliche Klimatisierung, elektrisch einstellbare Liegefläche für zwei Personen, Erweiterung der elektrischen Anlagen und schnellen Zugang zur Liegefläche zu verurteilen. Gemäß
§§ 2 Abs. 1,
12 Abs. 1,
27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und
§ 72 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - SGB V - hat die Beklagte die im einzelnen genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Wege der Sachleistung zur Verfügung zu stellen, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Kläger zuzurechnen sind. Diese Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel besteht, wenn es notwendig ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen und soweit nicht die Hilfsmittel als allgemeine Gegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind oder nach § 34
SGB V ausgeschlossen sind (
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Im übrigen könnte die Beklagte den Klägern ein erforderliches Hilfsmittel auch leihweise überlassen (§§ 33
Abs. 5 Satz 1
SGB V). Unstrittig ist nach Auffassung des Gerichts, daß die Zusatzgerätschaften, die allein streitgegenständlich sind und nicht die Versorgung der Kläger mit einem Pkw, keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind. Diese werden gerade nicht von einer Vielzahl von Menschen benötigt und sind im täglichen Leben nicht über den allgemeinen Vertriebsweg des Pkw- Handels zu erhalten. Die streitgegenständlichen Ausstattungsgegenstände sind keine serienmäßigen Bestandteile eines Kraftfahrzeugs. Als maßgebliches Kriterium für die Leistungspflicht der Beklagten im Sinne von § 33
SGB V ist im vorliegenden Rechtsstreit neben der Eignung des Hilfsmittels zum Ausgleich eines Funktionsdefizits dessen Notwendigkeit zur wesentlichen Verbesserung der momentanen Lebensbetätigungen zu sehen. Dies hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 8.6.1994 USK 9436 als weiteren Prüfungsmaßstab für ein Hilfsmittel festgestellt. Die Zusatzeinrichtungen sind erforderlich im Sinne des § 33
SGB V. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen zählt das Bundessozialgericht in der o.a. Entscheidung einen gewissen körperlichen und geistigen Freiraum, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfaßt. Das Sozialgericht zieht zur Beurteilung dieser Frage die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen
Prof. H.V. heran, der als Leiter des Kinderzentrums München, einer Einrichtung des Bezirks Oberbayern für behinderte und mehrfach behinderte Kinder die uneingeschränkte fachliche Kompetenz besitzt, sich zu dieser Frage zu äußern.
Prof. H.V. führt in eindrucksvoller Weise aus, welche Defizite die Kläger von gesundheitlicher Sicht, aber auch in Hinsicht auf den eingeschränkten Freiraum im täglichen Leben besitzen. Der Gutachter hat ausgehend von der Beschreibung des Krankheitsbildes, dessen Folgen und dessen wenig einer Heilung zugänglichen Behandlungsmöglichkeiten überzeugend dargestellt, daß beide Patienten speziell bei
Kfz-Transporten liegend transportiert werden müssen, klimatisierte Luft zur Vermeidung von Infekten der Atemwege beim Transport erhalten müssen, jederzeit beatmet werden können und von einer Begleitperson überwacht werden müssen. Ausweislich der vorgelegten Aufstellung in der Anlage zum gerichtlichen Sachverständigengutachten, an deren Wahrheitsgehalt kein Zweifel besteht, müssen beide Kläger täglich zur medizinischen Behandlung an die Universität mit einer Fahrzeit von zweieinhalb Stunden und einer Strecke von 50
km durch die Mutter der Kläger transportiert werden. Darüberhinaus werden in unregelmäßigen täglichen Abständen sowohl für die Klägerin zu 1) und für den Kläger zu 2) in unterschiedlicher Intensität und unterschiedlichem Zeitaufwand Transporte zu Hilfsmittelerbringern, Ärzten anderer Fachrichtungen und Rehabilitationseinrichtungen notwendig. Das Sozialgericht sieht allein durch die Transportnotwendigkeiten zu diesen Einrichtungen den Hilfsmittelbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung für erfüllt an.
Im übrigen sieht das Sozialgericht die streitgegenständlichen Zusatzeinrichtungen zum Pkw nicht nur als Ausgleichsinstrumente der Folgen und der Auswirkungen einer Behinderung, die bei den Klägern unstreitig vorliegen, sondern auch als geeignete Hilfsmittel, die verschiedenen Lebensbereiche insbesondere auf beruflichen, wirtschaftlichen oder privatem Gebiet eröffnen (
BSG SozR 2200 § 182 b
Nr. 17). Auch hierfür sind in der zitierten Aufstellung Fahrten und Fahrtziele aufgeführt. Das Sozialgericht weist aber auch darauf hin, daß nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V die Erforderlichkeit der Zusatzeinrichtungen als Hilfsmittel im Einzelfall zu prüfen sind. Diesbezüglich führt der gerichtliche Sachverständige aus, daß das Krankheitsbild so selten und schwerwiegend ist, und eine differenzierte begleitende "Rettungsbehandlung und Rettungsaktivität" erfordert, die für die Kläger erforderlich ist, um grundlegende Lebensfunktionen zu bewältigen. Die Kläger erhalten durch die allein streitgegenständliche Zusatzeinrichtung des Pkw den notwendigen Freiraum, um Ärzte und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens aufzusuchen und damit eine stationäre Unterbringung oder einen erheblich teuren Hausbesuch eines Arztes zu vermeiden. Auch der vom Sachverständigen ins Feld geführte Vergleich zu einem voll ausgestatteten Rettungsfahrzeug, dessen Einsatz bei jedem Transport notwendig wäre, spricht für die Zuerkennung der Zusatzausstattung als Hilfsmittel an die Kläger. Es ist im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß
§ 12 Abs. 1 SGB V nicht vertretbar, bei Vorliegen einer kostengünstigeren Transportmöglichkeit, die nur durch den unermüdlichen und aufopferungsvollen persönlichen Einsatz der Eltern in Verbindung mit dem Pkw und den Zusatzeinrichtungen erbracht werden kann, die Kläger auf den teuren Einsatz der Notfallmedizin durch qualifizierte Rettungstransporteinrichtungen zu verweisen. Dieser Einsatz ist von Gesetzes wegen nicht der eigenen Vorsorge gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V der Kläger zuzuordnen, sondern wäre durch die Beklagte im Wege der Sachleistung zu erbringen.
Aus dieser Argumentation heraus ergibt sich, daß die Kläger ein hohes wirtschaftliches Verantwortungsbewußtsein hegen, um die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht über Gebühr in Anspruch nehmen zu müssen. Die Kläger haben einen Anspruch auf Versorgung mit der zusatzgerechten Behindertenausrüstung im beantragten Umfang als Hilfsmittel durch die Beklagte. Das Urteil des Bundessozialgeri chts vom 6.8.1998, Az.:
B 3 KR 3/97 R ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da es sich nicht um die behindertengerechte Ausstattung eines
Kfz handelt. Die Kläger sind gerade nicht in der Lage, aufgrund der streitgegenständlichen Einrichtungsausstattung das
Kfz selbst zu führen. Da der Anspruch dem Grunde nach als Sachleistungsanspruch ausgestaltet ist, der Vater der Kläger die behindertengerechte Einrichtungen im Jahre 1997 hat vornehmen lassen, hat die Beklagte die Kosten gemäß
§ 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten. Eine Prüfung des § 33
Abs. 5
SGB V braucht wegen der Ablehnung durch die Beklagte nicht zu erfolgen. Der Kostenerstattungsanspruch ergibt sich aus der Höhe der getätigten Aufwendungen. Entstanden ist die durch Anlage zur Rechnung belegte Summe von DM 33.000,-. Weiter läßt sich der Anspruch gegen die Beklagte auf § 20
i.V.m. § 12
Nr. 7 und §§ 1 und 2
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 des Rehabilitationsangleichungsgesetzes - RehaAnglG - stützen. Im vorliegenden Rechtsstreit kommt, nachdem die behindertengerechten Zusatzausstattungsgegenstände im Jahre 1997 beschafft wurden, nicht das 9. Buch des Sozialgesetzbuchs -
SGB IX - zur Anwendung.
Der vorliegende Fall ist als alter Fall zu beurteilen, da der Beschaffungsvorgang zum Zeitpunkt der Geltung des Rehabilitationsangleichungsgesetzes abgeschlossen wurde und der Anspruch somit mit der Beschaffung entstanden ist [Art. 67
Abs. 1
Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neunntes Buch
SGB IX vom 19.6.01 (BGBl. I
S. 1056 ff)]. Die Beklagte ist Rehabilitationsträger im Sinne des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (§ 2
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 RehaAnglG), die behindertengerechte Zusatzausstattung ist sonstige Leistung im Sinne von § 20 RehaAnglG. Danach hat die Beklagte sonstige Leistungen als ergänzende Leistungen nach § 12
Nr. 7 RehaAnglG zu erbringen, die unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern. Dies gilt gerade im Lichte von
Art. 3
Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes. Diese Bestimmung ist durch das Verfassungsreformgesetz vom 27. Oktober 1994 BGBl. I
S. 3146 in das Grundgesetz aufgenommen worden und schreibt vor, daß niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Die Kläger sind schwerstbehindert und wohl lebenslang auf Hilfe angewiesen. Die Zusatzausrüstung zum Pkw kann als sonstige Leistung im Sinne von § 20 RehaAnglG qualifiziert werden. Hinsichtlich der Erforderlichkeit zur Erreichung des Rehabilitationszieles wird auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen
Prof. H.V. Bezug genommen.
Im übrigen verkennt die Beklagte durch ihren Verweis auf den Bewilligungsbescheid des Bezirks Oberbayern den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2
Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG -). Diese Bewilligung führt zu keinem Leistungsausschluss gegenüber der Beklagten. Eine Leistungspflicht der Beigeladenen besteht nicht. Zwar können die Einrichtungsgegenstände am Pkw geeignet sein, den Klägern eine selbständigere Lebensführung zu ermöglichen. Wie bereits festgestelt, besteht aber die Zuständigkeit der Beklagten, sodass eine Inanspruchnahme der Beigeladenen aus dem Grundsatz der Subsidiarität der Leistungen der Pflegekasse gemäß § 40
Abs. 1 Satz 1
SGB XI ausscheidet. Der Klage war deshalb vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.