Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe.
Der Kläger ist nach seiner Ausbildung Diplom-Volkswirt. Er ist freiberuflich als Unternehmensberater sowie als Geschäftsführer der D. Grundstücksgesellschaft tätig. Die Hauptniederlassung der Unternehmensberatung wie auch der D.Grundstücksgesellschaft befindet sich in dem Haus, in dem der Kläger in N. wohnt, ein gemeinsames Zweitbüro besteht in C ... Nach seinem Vorbringen im Widerspruchsverfahren legt der Kläger aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit jährlich zwischen 20.000 und 30.000
km zurück, für das von ihm im Dezember 2000 zuletzt angeschaffte Fahrzeug ist in seinem Antrag vom 15.05.2003 ein Kilometerstand von 9.700 angegeben worden. Nach dem Vermerk des Reha-Beraters I. vom 14.04.2004 benötigt der Kläger aus wirtschaftlichen Gründen keinen Vollzeitfahrer, da er wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht mehr selbst fahren kann, wird er von seiner Ehefrau oder seiner Sekretärin gefahren.
Der am 00.00.1941 geborene Kläger leidet an progressiver spinaler Muskelatrophie. Nach der Auskunft der Klinik und Poliklinik für Technische Orthopädie und Rehabilitation (Oberarzt G.) vom 04.08.2003 gegenüber der Beklagten hat sich der Allgemeinzustand bezogen auf die Mobilität und den Zustand des Bewegungsapparates wie zu erwarten verschlechtert. Der Kläger sei trotz seiner Einschränkungen arbeitsfähig. Es besteht ein Grad der Behinderung (
GdB) von 100 mit den Merkzeichen G, aG und B. Die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges Mercedes VITO 220 CDI ist von der Beklagten im Jahre 2001 gefördert worden.
Der Kläger beantragte am 22.05.2002
Kfz-Hilfe für die Anpassung behinderungsbedingter Zusatzausstattungen. Er legte hierzu den Kostenvoranschlag vom über 35.998,28 Euro sowie das Gutachten der
TÜV Nord Straßenverkehr
GmbH, I., vom 30.04.2003 vor. Außerdem reichte er zwei weitere Kostenvoranschläge vom 23.06.2003 über 2.314,20 und 2.610,00 Euro ein.
Die Beklagte holte eine interne ärztliche Stellungnahme vom 15.10.2003 ein, die zu dem Ergebnis gelangt, die bereits geminderte Erwerbsfähigkeit könne durch die beantragte
Kfz-Hilfe nicht wesentlich gebessert
bzw. wiederhergestellt oder deren vollständige Verschlechterung abgewendet werden, da ein chronisch-progredientes Leiden vorliege; mit hoher Wahrscheinlichkeit arbeitet der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit. Nach der weiteren beratungsärztlichen Äußerung vom 23.10.2003 wird ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vorgeschlagen, im Übrigen wird ein Leistungsvermögen von maximal unterhalbschichtig, eher zwei bis drei Stunden täglich für beratende Tätigkeit bei optimaler Arbeitsumgebung angenommen.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab durch Bescheid vom 28.10.2003 mit der Begründung, die geminderte Erwerbsfähigkeit könne weder wesentlich gebessert noch wiederhergestellt noch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden, damit seien die Leistungsvoraussetzungen des § 10
SGB VI nicht gegeben. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beratende Tätigkeiten noch zwei bis drei Stunden mit diversen Hilfsmitteln ausüben, eine Besserung sei bei chronisch-progredientem Krankheitsverlauf nicht zu erwarten.
Im Übrigen enthält die Akte den Vermerk, dass "Rente
EU/BU" abgelehnt worden sei am 26.11.2001 und dass nach telefonischer Rücksprache mit dem Versicherten (23.10.2003) dieser keine Rente wolle und keinen Antrag eingereicht habe.
Der Kläger legte Widerspruch ein mit der Begründung, die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen seien Voraussetzung für eine Mobilität, die Grundlage für die Ausübung seines Berufes als Unternehmensberater und Geschäftsführer der D.Grundstücksgesellschaft und damit seiner Erwerbsfähigkeit seien.
Seine Reisetätigkeit erstrecke sich auf die Bundesrepublik Deutschland und das europäische Ausland, ohne entsprechende Mobilität sei die Ausübung seines Berufes und damit seiner Erwerbsfähigkeit massiv eingeschränkt. Es sei falsch, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beratende Tätigkeit nur noch zwei bis drei Stunden mit diversen Hilfsmitteln ausüben könne, sein beruflicher Einsatz liege zwischen 10 und 12 Stunden pro Tag und umfasse darüber hinaus noch Teile des Wochenendes. Dies sei mit den ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln und seinem Personal möglich. Im Übrigen weist der Kläger darauf hin, dass er trotz seiner Behinderung durch seine beruflichen Aktivitäten sieben weitere Arbeitsplätze geschaffen und aufrecht erhalten habe.
Nach dem Vermerk des Reha-Beraters vom 14.04.2004 sollte einer Förderung zugestimmt werden, da der Kläger dann seine Tätigkeit weiter ausüben könne und die im Jahre 2001 gewährte Förderung von
ca. 40.000 Euro nicht umsonst ausgegeben worden wäre. Der Kläger könne dann selbständig sein Fahrzeug VITO fahren.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück durch Widerspruchsbescheid vom 29.06.2004. Zur Begründung heißt es, nach den ärztlichen Feststellungen sei davon auszugehen, dass die Erwerbsfähigkeit zurzeit manifest gemindert sei und diese Minderung die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zur Folge hätte. Insofern seien nach dem Wortlaut des § 10
SGB VI die medizinischen Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn durch die beantragten Leistungen die geminderte Erwerbsfähigkeit abgewendet werden könne, dies sei jedoch nicht der Fall.
Hiergegen richtet sich die am 16.07.2004 erhobene Klage. Mit der Klagebegründungsschrift vom 15.11.2004 lässt der Kläger vor allem vortragen, er erfülle die persönlichen Voraussetzungen des § 10
Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe b oder c
SGB X. Durch den Einbau der streitgegenständlichen behinderungsbedingten Zusatzausstattung könne nicht nur eine wesentliche Verschlechterung seiner Erwerbsfähigkeit abgewendet, sondern auch sein Arbeitsplatz erhalten werden.
Die D.Grundstücksgesellschaft
mbH sei als Bauträgerin ganz überwiegend in C. tätig, deswegen unterhielten er persönlich und die
GmbH jeweils auch ein Büro in C ... Der Widerspruchsbescheid lasse keine vollständige Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage erkennen, sollte die Begründung als Ausübung eines Ermessens zu verstehen sein, seien diese mit erheblichen Mängeln behaftet. Dass er von der Möglichkeit, als schwerbehinderter Mensch schon vor Vollendung des 65. Lebensjahres Rente in Anspruch zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht habe, erscheine im Hinblick auf § 9
Abs. 1
S. 2
SGB VI, wonach Leistungen zur Teilhabe Vorrang vor Rentenleistungen hätten, unbeachtlich.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.10.2003 in der Ge- stalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2004 zu verurteilen, ihm
Kfz-Hilfe durch Kostenübernahme für behinderungsbedingte Zusatzeinrichtungen nach Maßgabe seines Antrags vom 15.05.2003 zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide bezogen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten.
Die Klage ist zulässig, sie ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 28.10.2003 nicht beschwert im Sinne des § 54
Abs. 2
S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG), weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte
Kfz-Hilfe als Teilhabeleistung nach § 10
Abs. 1 des Sozialgesetzbuches VI (
SGB VI). Entgegen dem Vorbringen auf Seite 4 der Begründungsschrift ist dagegen das Sozialgesetzbuch X nicht einschlägig. Die Beklagte hat zu Recht im Fall des Klägers die persönlichen Voraussetzungen der zitierten Vorschrift verneint. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes Ermessen allein auf der Rechtsfolgeseite auszuüben ist, handelt es sich insofern um eine sogenannte gebundene Entscheidung.
Zwar ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 10
Abs. 1 Ziff. 1SGB VI gemindert, sie kann jedoch entgegen dem Vorbringen des Klägers weder abgewendet (§10
Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a
SGB VI) noch wesentlich gebessert oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden (§10
Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe b
SGB VI) noch ohne Aussicht auf wesentliche Besserung bei teilweiser Erwerbsminderung erhalten werden (§10
Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe c
SGB VI).
Das Gericht hat zur Kenntnis genommen, dass der Kläger sich für leistungsfähig hält und nach eigenem Vorbringen in erheblichem Umfang, der deutlich über eine übliche 40- oder 42-Stunden-Woche hinausginge, arbeitend am Erwerbsleben teilnimmt. Allerdings ist in Reha-Angelegenheiten genauso wie in Rentenangelegenheiten die Leistungsfähigkeit eines Versicherten grundsätzlich nicht nach seiner subjektiven Einschätzung, sondern nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen. Dies ist unabhängig von der Frage, ob der Kläger eine Rente erhält oder erhalten kann. Da das Rentenversicherungsrecht vom Antragsprinzip bestimmt wird (§19
Abs. 1
S. 1
SGB IV), kann dem Kläger eine Rentenleistung nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden. Das Gericht kann es deshalb offen lassen, ob dem bei Antragstellung 61 Jahre alten und inzwischen 63 Jahre alten Kläger bei langjährig bestehender Schwerbehinderung der Zugang zu einer Altersrente ohne Abschlag bereits seit dem 60. Lebensjahr möglich wäre (§ 263 a
S. 5
SGB VI); die Akten der Beklagten enthalten zu den dafür erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keine Feststellungen.
Mit seiner Argumentation zur Auslegung des § 10
SGB VI und zu einer aus seiner Sicht erhaltenen Erwerbsfähigkeit verkennt der Kläger allerdings wesentliche Voraussetzungen des Rehabilitationsrechtes. Auch ohne dass es der Einholung eines fachärztlichen Gutachtens bedarf, kann das Gericht bereits aus der aktenkundigen ärztlichen Auskunft des Oberarztes G. der Klinik und Poliklinik für Technische Orthopädie und Rehabilitation vom 04.08.2003 ausreichend sicher erkennen, wie es um das objektive Leistungsvermögen des Klägers bestellt ist. Es entspricht durchaus objektiven Kriterien, die auch in der Rechtsprechung der erkennenden Kammer immer wieder zum Ausdruck gekommen sind, bei einem über 60-jährigen Versicherten mit dem Krankheitsbild einer progressiven spinalen Muskelatrophie und offensichtlich massiven Einschränkungen der Beweglichkeit eine weitgehende Erwerbsminderung anzunehmen. Das Gericht erachtet deshalb auch die beratungsärztliche Stellungnahme, die von einem zwei- bis dreistündigen Leistungsvermögen ausgeht, als schlüssig.
Bei unter dreistündigem Leistungsvermögen liegt aber volle Erwerbsminderung nach § 43
Abs. 2
SGB VI vor. Wenn ein weitergehender Einsatz objektiv nicht zumutbar ist, kann das Leistungsvermögen auch nicht durch
Kfz-Hilfen, die auf die Verbesserung der Mobilität zielen, weiter angehoben werden. Insofern kann weder von einer wesentlichen Verbesserung im Sinne des Buchstaben b noch von einer Erhaltung des Arbeitsplatzes im Sinne des Buchstaben c des § 10
Abs. 1 Ziff. 2
SGB VI ausgegangen werden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Kann eingetretene Erwerbsunfähigkeit (jetzt volle Erwerbsminderung) nicht abgewendet oder so wesentlich gebessert werden, dass keine Erwerbsunfähigkeit mehr vorliegt, besteht nach dem Urteil des
BSG vom 23.02.2000 kein Anspruch auf Reha-Leistungen. Auch eine wesentliche Besserung im Sinne des § 10
Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe b
SGB VI verlangt zumindest, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben teilweise und nicht nur vorübergehend behoben werden kann (Az.
B 5 RJ 8/99 R, BSGE 85, 298 = SozR 3-2600 § 10
Nr. 2). Selbst mit dem Argument, bei eingeschränkter Mobilität sei seine Leistungsfähigkeit noch weiter eingeschränkt, könnte der Kläger nicht gehört werden. Denn auch Maßnahmen, die lediglich darauf abzielen, den Versicherten "vor weiterem Abgleiten zu bewahren" (so die Wortwahl des Bundessozialgerichts), ohne dass Aussicht besteht, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, sind nicht förderungsfähig (Urteil des
BSG vom 27.02.1991, Az.
5 RJ 51/90, BSGE 68, 167 = SozR 3-2200 § 1237
Nr. 1). Das Gericht hat zur Kenntnis genommen, dass der Kläger Mitarbeiter beschäftigt und zumindest mittelbar geltend macht, dass deren Arbeitsplätze von der Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit abhängen. Dies ist allerdings kein zulässiges Kriterium für die Bewilligung von Reha-Leistungen durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Übrigen muss das Gericht nach dem Vorstehenden davon ausgehen, dass der Erhalt dieser Arbeitsplätze von der Willensentscheidung des Klägers, nicht aber von den begrenzten Fördermöglichkeiten der Beklagten abhängt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193
SGG.