Urteil
Übernahme von Wartungskosten für behinderungsgerechte KFZ-Zusatzausstattung - vorherige Leistungszusage durch das Integrationsamt

Gericht:

VG Osnabrück


Aktenzeichen:

6 A 195/06


Urteil vom:

23.01.2008


Grundlage:

Leitsatz:

Der Anspruch des Schwerbehinderten auf Übernahme der Wartungskosten für eine behinderungsbedingte Kfz-Zusatzausstattung hängt nicht davon ab, dass der Schwerbehinderte zuvor eine Leistungszusage des Integrationsamtes einholt.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes Niedersachsen

Sachverhalt:

Die Klägerin ist als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 80 und dem Merkzeichen "aG" anerkannt. Durch Bescheid E. vom 25. August 2004 wurde ihr gemäß § 33 Abs. 8 Nr. 1 SGB IX i. V. m. §§ 4, 5, 7, und 8 KfzHV, ein Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs mit behinderungsbedingter Zusatzausstattung in Höhe von 26.353,05 EUR bewilligt.

Mit Schreiben vom 18.05.2005 beantragte die Klägerin die von ihr verauslagten Kosten für Funktionsprüfung/Wartung der Zusatzausstattung des Fahrzeugs in Höhe von 263,90 EUR. Die Klägerin verwies darauf, dass bereits in der Rechnung der Lieferfirma vom 29.11.2004 auf die Notwendigkeit einer regelmäßigen technischen Kontrolle der modifizierten Servobremse hingewiesen worden sei. Dem Antrag entsprach der Beklagte durch Bescheid vom 09.06.2005. Zusätzlich wurde die Klägerin gebeten, bei zukünftigen Auftragsvergaben den Antrag jeweils mit einem Kostenvoranschlag vor Auftragsvergabe zu stellen, da bei Auftragsvergabe vor Erhalt des Bewilligungsbescheides eine Bezuschussung nicht mehr möglich sei.

Mit Schreiben vom 28.06.2006 legte die Klägerin erneut eine Rechnung für Wartung der behinderungsgerechten Zusatzausstattung vom selben Tage vor und beantragte Erstattung des von ihr bereits ausgelegten Rechnungsbetrages von 266, 22 EUR.

Durch Bescheid vom 10.07.2006 lehnte der Beklagte den Antrag mit folgender Begründung ab:

- Die Klägerin habe entgegen dem ihr im Bescheid vom 09.06.2005 erteilten Hinweis die Reparaturmaßnahme durchführen lassen, bevor über ihren Antrag auf Kostenübernahme habe entschieden werden können. Sie habe die Möglichkeit gehabt, rechtzeitig vor Auftragsvergabe einen entsprechenden Kostenvoranschlag zur Entscheidung vorzulegen, da es sich um eine Reparaturmaßnahme handele, die sich in regelmäßigen Abständen wiederhole.
- Nach dem im gesamten Leistungsbereich geltenden Grundsatz des vergangenen Bedarfs müsse eine abschließende Entscheidung der Verwaltungsbehörde abgewartet werden, bevor Verpflichtungen eingegangen würden. Auf Anfrage könne aus wichtigen Gründen eine Ausnahme zugelassen werden. Eine entsprechende Anfrage der Klägerin habe nicht vorgelegen.

Die Klägerin legte dagegen mit folgender Begründung Widerspruch ein:

- Die Kosten seien gemäß § 7 KfzHV zu übernehmen.
- Dass die Wartungskosten für die behindertengerechte Zusatzausstattung in regelmäßigen Abständen entstehen würden, sei aus den Unterlagen, die dem Beklagten vorgelegen hätten, zu ersehen gewesen. Die Entstehung von Folgekosten sei daher bekannt gewesen.
- § 10 KfzHV schreibe für Leistungen zur technischen Überprüfung und Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung keinen vorherigen Antrag, sondern nur eine Beantragung der Leistung innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung vor.

Durch Bescheid vom 11.10.2006 - zugestellt am 12.10.2006 - wies der Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück. Dazu wurde u. a. ausgeführt:

- Bei dem Grundsatz des vergangenen Bedarfs handele es sich um eine Prämisse, die im gesamten Gebiet der sozialrechtlichen Gesetzgebung Anwendung finde.
- Eine Antragstellung innerhalb eines Monats (nach bereits erfolgter Begleichung der Rechnung) entspreche nicht dem § 10 KfzHV.
- Bei der Klägerin habe auch kein atypischer Fall vorgelegen, in dem ausnahmsweise eine nachträgliche Beantragung ausreiche. Die Deckung des Bedarfs sei nicht unaufschiebbar gewesen, da es sich um jährlich wiederkehrende vorhersehbare Kosten handele.

Die Klägerin hat dagegen am 13.11.2006, einem Montag, Klage erhoben, zu deren Begründung sie ergänzend geltend macht:

- Das Erfordernis einer vorherigen Beantragung finde in der einschlägigen KfzHV keine Rechtsgrundlage. In § 10 KfzHV werde ausschließlich die Antragsfrist genannt. Damit sei das Verfahren abschließend geregelt.
- Die Forderung eines Kostenvoranschlages sei auch unverhältnismäßig. Allein die Durchführung der vorgeschriebenen Wartungsarbeiten bedeute für sie eine erhebliche gesundheitliche Belastung. Dazu müsse sie mit ihrem Fahrzeug eine 2- bis 3- stündige Fahrt zu der Fachwerkstatt in Hilden und zurück durchführen. Einschließlich Wartungsarbeiten und Wartezeiten ergebe sich ein Zeitaufwand von mindestens einem Tag. Um einen ordnungsgemäßen Kostenvorschlag, wie er vom Beklagten gefordert werde, vorlegen zu können, müsste sie die Fachwerkstatt vorab aufsuchen, um ihr Fahrzeug zunächst auf den erforderlichen Wartungsaufwand untersuchen zu lassen. Dadurch würden ihr zusätzliche Kosten entstehen.
- Die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung kollidiere mit dem Unternehmerpfandrecht des Auftragnehmers gemäß § 647 BGB, welcher das Fahrzeug nach Durchführung der Reparaturarbeiten ohne Bezahlung nicht herauszugeben brauche. Sie müsse daher die Arbeiten sogleich vor Ort bezahlen.
- Die vom Beklagten geforderte Verfahrensweise sei nur gerechtfertigt, wenn es um größere Beträge, etwa bei der Gewährung eines Zuschusses für die Anschaffung eines Fahrzeugs gehe. Bei der hier in Rede stehenden Wartungspauschale ergäben sich daraus für die Behörde jedoch keine weitergehenden Prüfungsmöglichkeiten, sondern nur doppelter Verwaltungsaufwand.


Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 10.07.2006 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 11.10.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die verauslagten Wartungskosten in Höhe von 266,22 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 10.07.2006 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt aus den Gründen der angefochtenen Bescheide,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch folgt aus § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 SGB IX i. V. m. § 7 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV -. Danach werden dem behinderten Menschen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt, die Hilfen zur Erhaltung und Erlangung eines Arbeitsplatzes umfassen. Dazu gehört u. a. die hier in Rede stehende Kraftfahrzeughilfe nach den Vorschriften der KfzHV.

Gemäß § 2 Abs. 1 KfzHV umfasst die Kraftfahrzeughilfe neben den Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs (Nr. 1) solche für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung (Nr. 2). Zu letzteren gehören gemäß § 7 Satz 1 KfzHV nicht nur die entsprechenden Anschaffungskosten, sondern auch die notwendigen Kosten für die erforderliche Wartung der Zusatzausstattung.

Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen erfüllen die vorstehenden Voraussetzungen. Wie auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt wird, mussten die Wartungsarbeiten durchgeführt werden, um die Funktionstüchtigkeit der Zusatzausstattung zu gewährleisten. Dass der dafür aufgewendete Betrag über das notwendige und angemessene Maß hinausging, ist nicht ersichtlich.

Der Erstattungsfähigkeit des Rechnungsbetrages steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Wartungsarbeiten in Auftrag gegeben und bezahlt hat, ohne zuvor vom Beklagten eine entsprechende Leistungszusage eingeholt zu haben. Eine Rechtsgrundlage für ein derartiges Voranerkennungserfordernis ergibt sich weder aus § 10 KfzHV noch aus allgemeinen, für sämtliche Leistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs oder auch nur für die Schwerbehindertenfürsorge geltenden Strukturprinzipien.

Gemäß § 10 KfzHV sollen Leistungen vor dem Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behinderungsbedingte Zuatzausstattung beantragt werden (Satz 1). Diese Regelung gilt nach ihrem eindeutigen und insoweit weder auslegungsbedürftigen noch in einem anderen Sinne auslegungsfähigen Wortlaut unmittelbar nur für den Kauf eines Kraftfahrzeuges und einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung, also deren erstmalige Anschaffung. Ihre entsprechende Anwendung für die hier in Rede stehenden, in der Regel auf Grund eines Werkvertrages anfallenden Folgekosten verbietet sich zum einen mit Rücksicht darauf, dass in das Erfordernis der vorherigen Beantragung als weitere Leistung nur die Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis gemäß § 8 einbezogen sind. Danach liegt eine Auslegung als abschließende Regelung in dem Sinne nahe, dass weitere Leistungen der Kraftfahrzeughilfe nicht von einer vorherigen Beantragung abhängen. Zum anderen hat der Verordnungsgeber in Satz 2 der Vorschrift geregelt, dass Leistungen zur technischen Überprüfung und Wiederherstellung der technischen Funktionsfähigkeit einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung zu beantragen sind. Aus dem redaktionellen Kontext zu Satz 1 der Gesamtregelung folgt, dass es sich insoweit um eine abschließende Regelung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung derartiger Leistungen handelt, insoweit also nicht etwa zusätzlich die Anforderungen des Satzes 1 gelten.

Der Zweck der Regelung des § 10 KfzHV rechtfertigt keine andere Auslegung. Soweit es um die von Satz 1 erfassten Leistungen geht, wird die materiellrechtliche Bedeutung des Reha-Antrages nach § 10 Satz 1 KfzHV in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 15.12.1994 - 4 RA 44/93 - SozR 3-5765 § 10 Nr. 3) wie folgt begründet:

Gemäß § 40 Abs. 2 SGB I entsteht bei Ermessensleistungen ein Anspruch auf Sozialleistungen (hier: Geldleistung als Zuschuß nach §§ 4 bis 7 KfzHV) grundsätzlich im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ermessensentscheidung. Nach § 10 Satz 1 KfzHV sollen Leistungen (iS der §§ 1 bis 9 aaO) "vor dem Abschluß" eines Kaufvertrages über das Kfz und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung (sowie "vor Beginn" einer nach § 8 aaO zu fördernden Maßnahme) beantragt werden. Dabei handelt es sich nicht um eine "bloße" Ordnungsvorschrift. Die Norm konkretisiert vielmehr den für den Rentenversicherungsträger kraft gesetzlicher Regelung (§ 19 Wgb IV, § 1545 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung, § 115 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI) höherrangig festgeschriebenen Grundsatz, daß der Reha-Antrag bzw die ihm gleichgestellte Zustimmung (§ 115 Abs. 4 SGB VI) nicht nur verfahrensrechtliche, sondern auch materiell-rechtliche Bedeutung hat und Rechtswirkungen grundsätzlich
(abgesehen von atypischen Fallgestaltungen, dazu näher unten) nur für die Regelung von zukünftigen Reha-Bedarfslagen entfaltet, dh für denjenigen Bedarf, der im Zeitpunkt des Antrags/der Zustimmung beim Versicherungsträger entweder noch objektiv unbefriedigt fortbesteht oder sich erst später ergibt. Hierauf weist die Begründung der Bundesregierung zu § 10 KfzHV ausdrücklich hin (BR-Drucks 266/87 S 28, vgl ferner S 11 f aaO).

Die auch materiell-rechtliche Bedeutung des Reha-Antrages einschließlich seines in § 10 KfzHV geregelten Unterfalles ergibt sich gemäß § 40 Abs. 2 SGB I daraus, daß erst die - wie ausgeführt: erforderliche - Ermessensentscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Reha einen Anspruch auf konkrete Leistungen begründet. Sie ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt solange schwebend unwirksam, wie der Antrag/die Zustimmung noch nicht beim Rentenversicherungsträger eingegangen ist (vgl Erichsen in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl, § 9 Rz 19; Badura, ebendort, § 39 Rz 2 ff, 7; Meyer, GK-SGB VI, § 115 Rz 9, 33 ff, 37 ff; alle mwN). Der Antrag/die Zustimmung hat Rechtswirkungen grundsätzlich jedoch nur für die Zukunft. Dies folgt daraus, daß die Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung von Reha-Leistungen eine zukunftsorientierte, mit prognoseähnlichen Elementen vermischte und die Umstände des Einzelfalles abwägende Entscheidung ist (BSG SozR 2200 § 1236 Nrn 37 und 45; BSG USK 9254). In ihr wird bestimmt, welche Maßnahmen im konkreten Fall zur Verwirklichung der beim Versicherten festgestellten Reha-Chance geeignet, erforderlich, zumutbar, wirtschaftlich und sparsam sind und vom Versicherungsträger deswegen nach dem Naturalleistungsprinzip durchgeführt werden müssen. Ein Reha-Bedarf, der bereits vor Eingang des Antrages beim Rentenversicherungsträger oder auch nach Antragstellung, aber vor dessen Zustimmung durch eigene Bemühungen des Versicherten (sog selbstbeschaffte Reha) oder durch Leistungen anderer befriedigt worden ist, kann nicht Gegenstand einer Ermessensentscheidung über die Gewährung von Leistungen zur Reha sein (BSG SozR 2200 § 1236 Nr 50). Denn der Rentenversicherungsträger ist kein bloßer "Kostenträger", sondern das verantwortliche Rechtssubjekt, das die Leistungen entweder mit eigenen Mitteln oder durch Vertragseinrichtungen erbringt.

Dies gilt auch für die in der KfzHV vorgesehenen Geldleistungen. Hierbei hat der Reha-Träger vor allem die Aufgabe, bei der Vorbereitung der Anschaffung eines Kfz, einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung oder einer Fahrerlaubnis beratend und unterstützend darauf hinzuwirken, daß der Versicherte eine iS der genannten Wertungsmaßstäbe des Reha-Rechts angemessene Kaufentscheidung trifft und dabei auch Alternativen berücksichtigen kann (§ 14 Sat z 2 SGB I). Der Versicherte und der Reha- Träger müssen also in einem dialogischen Verwaltungsverfahren zuvor klären, daß das - anzuschaffende - Kfz und dessen Zusatzausstattung nicht nur objektiv im wesentlichen behinderungsbedingt, sondern zur Förderung des Reha-Zweckes auch erforderlich, ferner den besonderen Umständen des Einzelfalles angemessen sowie wirtschaftlich und - unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichheit der Versicherten bei der Mittelverwendung - sparsam ist. Auch die Kfz-Hilfe ist nämlich regelmäßig nur eine von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen, die zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes eingesetzt werden können. Hierdurch wird gesichert, daß die Geldleistungen nach der KfzHV so gewährt werden, daß sie auf das für den jeweiligen Reha-Träger maßgebliche Wiedereingliederungsziel ausgerichtet sind. Hiermit wäre - wie bereits der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zur Rechtslage vor Inkrafttreten der KfzHV geklärt hat (BSG SozR 2200 § 1236 Nrn 37 und 45) - unvereinbar, wenn der Versicherungsträger darauf beschränkt würde, die Kosten einer selbstbeschafften Reha-Leistung in der jeweils angefallenen Höhe zu bezuschussen. Es ist aber gerade die Aufgabe des Versicherungsträgers, die im Einzelfall im og Sinne notwendigen Maßnahmen zur Reha zu bestimmen und durchzuführen. Sofern dem Reha-Träger nicht ausreichend Zeit für seine Entscheidung zugebilligt würde, müßte er anderenfalls - bei Vorliegen der grundsätzlichen Voraussetzungen des Reha- Bedarfs - zwar keine Leistung für jeden beliebigen Kaufpreis erbringen, weil der Zuschuß für die Beschaffung eines Kfz in § 5 KfzHV auf einen Kaufpreis von 18.000,00 DM begrenzt ist; dagegen wäre aber die bei teureren Fahrzeugen meist auch teurere behinderungsbedingte Zusatzeinrichtung zu erstatten, ein Ergebnis, das den genannten Voraussetzungen der Ermessensentscheidung widerspricht.

... Der Rentenversicherungsträger darf durch seine Ermessensentscheidung eine einmalige Geldleistung nach der KfzHV grundsätzlich nur gewähren, wenn er durch den Antrag nach § 10 Satz 1 KfzHV so rechtzeitig mit dem Fall befaßt worden ist, daß er seine Entscheidung "vor dem Abschluß des Kaufvertrages", also vor der Befriedigung des Bedarfs, iS von § 40 Abs. 2 SGB I bekanntgeben kann (so auch das og Urteil des Senats vom 16. November 1993).

Die vorstehenden Erwägungen betreffen ausschließlich den Anwendungsbereich des § 10 Satz 1 KfzHV. Für die Leistungen nach § 10 Satz 2 KfzHV sind sie dagegen nicht einschlägig, wie der dazu vorliegenden Rechtsprechung des BSG (vgl. Urt. v. 16.12. 1993 - 4 RA 16/93 - SozR 3-5765 § 10 Nr. 2) entnommen werden darf. Mit der insoweit allein vorgeschriebenen Antragsfrist soll lediglich die Möglichkeit einer zeitnahen Überprüfung der geltend gemachten Aufwendungen auf deren Notwendigkeit und Angemessenheit sichergestellt werden. Das Integrationsamt hat nicht mehr darüber zu befinden, ob diese Kosten als Leistungen der Kraftfahrzeughilfe gewährt werden können. Vielmehr beinhaltet bereits die Bewilligung eines Zuschusses nach Maßgabe der §§ 4 bis 6 KfzHV in der Sache eine Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit künftig anfallender Reparatur- und Wartungskosten nach § 7 KfzHV dem Grunde nach. Dabei handelt es sich nicht - abweichend von den gemäß § 6 einkommensabhängig bezuschussten Anschaffungskosten - um eine Ermessensleistung, sondern um zwangsläufige Folgekosten, welche der Rehabilitationsträger als Pflichtleistung unabhängig von den Einkommensverhältnissen des behinderten Menschen in vollem Umfang zu übernehmen hat. Das Integrationsamt wird dabei weder erstmalig mit einer bereits vergangenen Bedarfslage konfrontiert noch bedarf es zur Abklärung dieses Bedarfs eines "dialogischen Verfahrens". - Soweit es um die Vermeidung nicht notwendiger, unangemessener oder unwirtschaftlicher Reparatur- und Wartungskosten geht, obliegt es dem behinderten Menschen, ggf. im eigenen Interesse diesbezüglich eine Entscheidung des Rehabilitationsträgers herbeizuführen, bevor er kostenträchtige Maßnahmen veranlasst. Die Notwendigkeit, zuvor in jedem Falle einen Kostenübernahmeantrag zu stellen, hat der Verordnungsgeber daraus für die von § 10 Satz 2 KfzHV erfassten Aufwendungen ersichtlich nicht hergeleitet.

Inwieweit die Antragsfrist des Satzes 2 ihrerseits auch für Leistungen nach Satz 1 gilt, wenn die entsprechende Beantragung wegen atypischer Fallgestaltung ausnahmsweise nachgeholt werden kann, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung (vgl. dazu BSG, Urt. v. 15.12.1994, aaO; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 10. Aufl. 2003, KfzHV § 10 Rn. 3 f.).

Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt nichts Abweichendes. In den Materialien (vgl. Bundesrats-Drucksache 266/87 vom 19.06.1987 [S. 28 f.]) heißt es zur Begründung des § 10 (Antragstellung):

Satz 1 entspricht dem allgemeinen Grundsatz, den Rehabilitationsträger vor Beginn der zu treffenden Maßnahme und damit zur Deckung eines bestehenden Bedarfs einzuschalten. Die Regelung ist als Sollvorschrift formuliert, um Ausnahmen zu ermöglichen, beispielsweise wenn die Deckung des Bedarfs unaufschiebbar oder ein sofortiges Handeln aus sonstigen Gründen geboten ist.

Bei Reparaturen und Maßnahmen zur technischen Überprüfung der behinderungsbedingten Zusatzausstattung sind gemäß Satz 2 die jeweiligen Leistungen spätestens einen Monat nach Ausstellung der Rechnung zu beantragen; nach Ablauf dieser Frist vorgelegte Anträge können nicht berücksichtigt werden. Die Verwendung des Begriffes "spätestens" weist darauf hin, dass auch hier ein früherer Antrag wünschenswert ist. Die Regelung berücksichtigt jedoch, daß in der Praxis derartige Maßnahmen kurzfristig geboten sein können. Es wird Sache der Träger sein, darauf hinzuwirken, daß sich der Behinderte - soweit möglich - vor größeren Reparaturen an sie wendet, um insbesondere auch die Frage der Ersatzbeschaffung prüfen zu können.

Danach hat der Verordnungsgeber dem Grundsatz, dass Leistungen nur zur Deckung eines (noch) bestehenden Bedarfs gewährt werden dürfen, ausschließlich bei den unter Satz 1 fallenden Leistungen ein derartiges Gewicht beigemessen, dass er für den Regelfall eine Befassung des Rehabilitationsträger vor Beginn derartiger Maßnahmen als Voraussetzung der Leistung fordert. Bezüglich der unter Satz 2 fallenden Leistungen begnügt er sich demgegenüber mit der Anregung an die Träger, für bestimmte Bedarfslagen auf die Initiative des behinderten Menschen zur Vorabklärung hinzuwirken. Eine Ermächtigung an den Träger, im Verwaltungswege über § 10 KfzHV hinausgehende Verfahrensanforderungen rechtsverbindlich, d. h. mit anspruchsbeschränkender Wirkung festzulegen, ergibt sich daraus nicht, zumal aus dem Wortlaut der Vorschrift dafür keinerlei Anknüpfungspunkte ersichtlich sind.

Das sozialrechtliche Strukturprinzip, dass Sozialleistungen nicht für einen vergangenen Bedarf gewährt werden, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Ungeachtet dessen, dass dieser Grundsatz keine absolute Geltung verlangt, führt die normative Ausgestaltung der hier einschlägigen Leistung dazu, dass es sich bei der von der Klägerin beanspruchten Kostenübernahme nicht im Rechtssinne um einen vergangenen Bedarf handelt. Der Verordnungsgeber fordert lediglich einen Antrag innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung. Danach sieht § 10 Satz 2 KfzHV einen auf die technische Überprüfung und Wiederherstellung der technischen Funktionsfähigkeit einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung gerichteten Primäranspruch nicht vor, da die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung regelmäßig bereits durchgeführt ist. Vielmehr verweist der Verordnungsgeber den schwerbehinderten Menschen insoweit auf Selbstbeschaffung. Gegenstand der Kraftfahrzeughilfe ist demzufolge insoweit ein von vornherein auf Kostenübernahme gerichteter Sekundäranspruch. Der entsprechende Bedarf setzt lediglich voraus, dass entweder eine Vermögensbelastung in Gestalt einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit besteht oder der Schwerbehinderte die angefallenen Kosten verauslagt hat. In letzterem Falle handelt es sich im leistungsrechtlichen Sinne nicht etwa um einen vergangenen, durch Selbsthilfe gedeckten, sondern um einen in der eingetretenen Vermögensminderung fortbestehenden Bedarf (vgl. dazu Armborst/Birk in LPK-SGB XII, 7. Aufl. 2005, § 18 Rn. 10 ff. [mwN]).

Eine nachträgliche Kostenerstattung kann der Klägerin schließlich nicht nach Maßgabe des § 18 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SchwbAV versagt werden. Danach können die unter § 17 Abs. 1 SchwbG fallenden Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zwar nur erbracht werden, wenn es dem schwerbehinderten Menschen wegen des behinderungsbedingten Bedarfs nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen; im Falle der Klägerin handelt es sich insoweit um Leistungen zur Erreichung des Arbeitsplatzes im Sinne der Nr. 1 lit. b) der Vorschrift. aaO). Damit ist jedoch die Gewährung von Leistungen der Kraftfahrzeughilfe nicht generell an eine weitere tatbestandliche Voraussetzung geknüpft. Vielmehr regelt die auf § 79 SGB IX (früher: § 11 Abs. 3 SchwbG) beruhende Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung insoweit lediglich, unter welchen Voraussetzungen derartige Leistungen aus (zweckgebundenen) Mitteln der Ausgleichsabgabe gewährt werden dürfen ( vgl. § 14 SchwAV). Bezüglich der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen bleibt es indessen im Sinne einer abschließenden lex specialis bei den Vorschriften der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung, auf die im übrigen auch § 20 SchwbAV verweist. Wie bereits dargelegt, stellt die von der Klägerin beanspruchte Kostenübernahme gemäß § 7 KfzHV eine einkommensunabhängige Pflichtleistung dar, bei der sich die Frage, ob der Klägerin der Einsatz eigener Mittel für die angefallenen Kosten zugemutet werden kann, nicht stellt.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB nicht zu, da die Verzinsung von Geldansprüchen auf Sozialleistungen in § 44 SGB I abschließend geregelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.07.1982 - 5 C 96/81 - BVerwGE 66, 90; ferner BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34/00 - BVerwGE 114, 61; LSG Hamburg, Urt. v. 16.08.2006 - L 1 KR 23/05 - (juris); LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.11.2007 - L 7 SO 5195/06 - (juris) [mit Hinw. auf die Rspr. d. BSG]). Danach sind derartige Leistungen nach Ablauf eines Monat nach dem Eintritt der Fälligkeit mit vier vom Hundert zu verzinsen (Abs. 1). Die Verzinsung beginnt jedoch frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Eingang des Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger (Abs. 2). Im vorliegenden Falle ging der maßgebliche Leistungsantrag der Klägerin am 05.07.2006 beim Integrationsamt ein, so dass die Verzinsung (erst) am 06.01.2007 begonnen hat und der Zinssatz auf 4 v. H. begrenzt ist.

Referenznummer:

R/R3153


Informationsstand: 18.05.2009