Urteil
Anspruch eines querschnittsgelähmten Beamten auf Gewährung von Beihilfen für die Inspektion eines rollstuhlgerechten Kraftfahrzeugs

Gericht:

OVG NRW 1. Senat


Aktenzeichen:

1 A 2270/13


Urteil vom:

18.03.2015


Grundlage:

  • BVO NRW § 4 Abs. 1 Nr. 10

Leitsatz:

Ein querschnittsgelähmter Beamter hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfen für die Inspektion eines rollstuhlgerechten Kraftfahrzeugs bzw. Ersatzteile hierfür.

Rechtsweg:

VG Köln, Beschluss vom 30.08.2013 - 19 K 3889/13

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 300 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO sind bereits nicht entsprechend den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dargelegt bzw. liegen auf der Grundlage der maßgeblichen - fristgerecht vorgelegten - Darlegungen nicht vor.

1. Es bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe zu Aufwendungen für Inspektion und Ersatzteile seines Kraftfahrzeugs hat.

a) Dagegen wendet der Kläger ein, ohne u. a. seinen Pkw wäre er als Querschnittsgelähmter nicht mobil. Er könnte seinen beamtenrechtlichen Verpflichtungen als Lehrer nicht nachkommen, weil er von seinem Wohnort aus ohne Pkw die Schule nicht erreichen könnte. Zusammen mit seinem elektrischen Rollstuhl ersetze das Fahrzeug ihm Füße, Beine und Hüfte.

Dieses Vorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Der Kläger geht zu Recht davon aus, dass sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 10 BVO NRW kein Beihilfeanspruch ergibt. Entgegen seiner Rechtsauffassung folgt auch aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn kein Anspruch auf Beihilfe für die hier streitgegenständlichen Aufwendungen. Diese sind nicht im beihilferechtlichen Sinne medizinisch notwendig (§§ 77 Abs. 3 LBG NRW, 3 Abs. 1 BVO NRW), weil sie vor allem beruflichen Zwecken des Klägers dienen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Frage der (medizinischen) Notwendigkeit im Beihilferecht nur der allgemeine Lebensbereich maßgebend, d. h. die gewöhnlichen, im Regelfall vorkommenden Lebensbedürfnisse und Aktivitäten. Beihilferechtlich sind grundsätzlich Aufwendungen zu erstatten, die existentielle Bedeutung haben oder notwendig sind, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können. Hilfsmittel, die ausschließlich durch eine berufliche Tätigkeit erforderlich werden, dienen nicht unmittelbar dem Ausgleich des Körperleidens. Sie fallen nicht in den Regelungsbereich der Beihilfeverordnung, weil sie den von ihr festgelegten Rahmen überschreiten.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 -, ZBR 2013, 249 = juris, Rn. 20 ff., vom 15. Dezember 1983 - 2 C 66.81 -, ZBR 1984, 274 = juris, Rn. 15, und vom 30. Juni 1983 - 2 C 36.81 und 2 C 37.81 -, DVBl. 1984, 429 = juris, Rn. 28, 30; OVG NRW, Beschlüsse vom 24. April 2012 - 1 A 2243/10 -, juris, Rn. 7 f., und vom 3. Februar 2012- 1 A 1429/10 -, juris, Rn. 6 f.

Um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können, ist es nicht typischerweise erforderlich, ein Kraftfahrzeug zu unterhalten. Für die Mobilität im räumlichen Nahbereich - soweit sie von der Fürsorgepflicht überhaupt umfasst ist - genügt vielmehr im Regelfall ein elektrischer Rollstuhl. Aus demselben Grund hat die Nutzung eines Kraftfahrzeugs bei typisierender Betrachtung auch für behinderte Menschen keine existentielle Bedeutung, sondern ist in ihrem Schwerpunkt dem nicht durch krankheitsbedingte Leiden geprägten Bereich der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 -, ZBR 2013, 249 = juris, Rn. 23.

Gemessen daran ist es hier nicht medizinisch erforderlich, dass der Kläger ein Kraftfahrzeug besitzt und unterhält. Denn zur Erledigung der wesentlichen Verrichtungen des täglichen Lebens (z. B. Einkaufen) steht ihm nach seinen Angaben ein elektrischer Rollstuhl zur Verfügung. Soweit er meint, u. a. das Fahrzeug ersetze ihm Füße, Beine und Hüfte, trifft dies nicht auf räumlichen Nahbereich zu, in dem sich nicht gehbehinderte Menschen typischerweise zu Fuß bewegen. Diesen Bereich kann sich der Kläger nämlich schon mit seinem elektrischen Rollstuhl erschließen. Sollten Fahrten mit einem Pkw zu ärztlichen Behandlungen erforderlich sein, steht dem Kläger ebenso wie anderen Beihilfeberechtigten ggf. ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung nach § 4 Abs. 1 Nr. 11 BVO NRW zu. Der Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug benötigt, um seinem Beruf nachzugehen, ist beihilferechtlich aus den oben genannten Gründen irrelevant.

b) Dem Kläger steht auch kein Beihilfeanspruch aufgrund eines Diskriminierungsverbots wegen seiner Behinderung zu. Um im fußläufigen Bereich ähnlich wie gesunde Menschen im Alltag möglichst mobil sein zu können, kann der Kläger seinen elektrischen Rollstuhl benutzen. Über diesen Bereich hinaus besteht beihilferechtlich grundsätzlich kein allgemeiner Anspruch auf Mobilität. Dem Kläger wird also keine Leistung verwehrt, die jedem zusteht.


2. Die Berufung kann auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.

Die vom Kläger aufgeworfene Frage,

ob bei querschnittsgelähmten Personen Kosten an den "Fortbewegungsgeräten" bzw. "Mobilitätsgeräten" wie dem Rollstuhl und dem behindertengerecht umgebauten Pkw so beihilfefähig sind wie die Kosten am "Fortbewegungsgerät" bzw. "Mobilitätsgerät" eines nicht behinderten Menschen, also beispielsweise den Beinen, Füßen und Hüften,

hat keine grundsätzliche Bedeutung im oben genannten Sinne. Soweit sich die Frage auf Kosten für einen Rollstuhl bezieht, war sie weder für das Verwaltungsgericht entscheidungsrelevant, noch wird sie es in einem Berufungsverfahren sein. Denn solche Kosten sind hier nicht streitgegenständlich. Hinsichtlich von Unterhaltungskosten für einen behindertengerecht umgebauten Pkw lässt sich die Frage ohne Weiteres anhand der unter 1. zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung verneinen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.

Referenznummer:

R/R7899


Informationsstand: 11.01.2019