Die nach §§ 143, 151
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte und nach § 144
Abs. 1 Satz 2
SGG statthafte Berufung ist zulässig und begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54
Abs. 2 Satz 1
SGG, denn sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz.
Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, dass ihr Antrag auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz nicht auf Ansprüche aus Gesichtspunkten der Eingliederungshilfe
bzw. sonstiger Ansprüche aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (
SGB XII) gerichtet war, sind solche Ansprüche, die gegen die Beklagte möglicherweise als erstangegangener Rehabilitationsträger nach
§ 14 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) in Betracht kommen, nicht Gegenstand des Verfahrens. Versicherte können ihre Anträge insoweit beschränken. Insbesondere muss es ihnen überlassen bleiben, ob ein Sozialhilfeanspruch - für den auch eine umfassende Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen wäre - geltend gemacht werden soll, wenn gegen eine Sozialversicherung kein entsprechender Anspruch gegeben ist. Auch eine Beiladung des Sozialhilfeträgers kam daher nicht in Betracht.
Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs im Krankenversicherungsrecht ist
§ 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV-Wettbewerbsstärkungssetz vom 26. März 2007, BGBl. I 378). Nach
Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten auch hier die Grundsätze der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen nach
§ 2 Abs. 1, 4 und
§ 12 Abs. 1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und Krankenkassen nicht bewilligen.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" (
§ 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V) den beantragten Hubschwenksitz zu bewilligen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betrifft die 1. Alternative des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V lediglich solche Gegenstände, die auf Grund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Daher muss mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt werden. Eine weitergehende Ausdehnung der unter diese Alternative fallenden Hilfsmittel auch auf solche, die eine ärztliche Behandlung erst ermöglichen, ist nicht geboten, denn insoweit geht es bereits um die Frage eines Behinderungsausgleichs, der von der 3. Alternative des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V erfasst wird (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 19. April 2007, Az.:
B 3 KR 9/06 R m. w. N.).
§ 33
Abs. 1 Satz 1 2. Alternative
SGB V, die der Vorbeugung einer drohenden Behinderung dient, liegt ersichtlich nicht vor. Schließlich besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz "um eine Behinderung auszugleichen" (§ 33
Abs. 1 Satz 1 3. Alternative
SGB V). Gegenstand eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also dem unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktion dienen (
vgl. BSG zuletzt Urt. v. 25. Juni 2009 -
B 3 KR 2/08 R sowie
B 3 KR 19/08 R, zu Badeprothesen). Auch nach dem Inkrafttreten des
SGB IX (
vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) hat die gesetzliche Krankenversicherung nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Aufgabe der Krankenkassen ist nach wie vor allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen, einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Damit sind über den unmittelbaren Behinderungsausgleich hinaus nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sogenannter mittelbarer Behinderungsausgleich). Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrung aufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (
vgl. nur
BSG, Urt. v. 12. August 2009, Az.:
B 3 KR 8/08 R - zitiert nach Juris - m. w. N.). Im Bereich der Mobilität bezieht sich dies auf den Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht (st. Rspr.
vgl. nur
BSG, Urt. v. 20. November 2008, Az.:
B 3 KR 6/08 R - zitiert nach Juris m. w. N.,). Dazu ist der Versicherte nach Möglichkeit zu befähigen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
BSG, Urt. vom 20. November 2008,
a. a. O.). Dagegen hat er grundsätzlich keinen Anspruch darauf, in Kombination von Auto und Rollstuhl den Radius der selbständigen Fortbewegung erheblich zu erweitern. Dies gilt auch, wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich liegen, dafür also längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen. Besonderheiten des Wohnortes können für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich sein (
vgl. hierzu ebenfalls
BSG, Urt. v. 20. November 2008
a. a. O. m. w. N.). Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (
vgl. BSG, Urt. v. 16. September 2004, Az.:
B 3 KR 19/03 R sowie
BSG, Urt. v. 12. August 2009 - Az.:
B 3 KR 8/08 R - jeweils zitiert nach Juris).
Ein Anspruch auf Hilfe zur Mobilität über den Nahbereich hinaus kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann bestehen, wenn die medizinische Versorgung Anforderungen stellt, die regelmäßig im Nahbereich der Wohnung nicht erfüllbar sind. Davon ist aber in aller Regel nicht auszugehen, denn das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, wird regelmäßig durch die Erschließung des Nahbereichs ausreichend erfüllt; auch insoweit hat die Krankenkasse nicht für individuelle Besonderheiten der Wohnsituation einzustehen (
vgl. BSG, Urt. v. 20. November 2008, Az.:
B 3 KR 6/08 R - zitiert nach Juris m. w. N.). Anders kann es sich dann verhalten, wenn die Krankenbehandlung besondere Anforderungen stellt, denen ausnahmsweise durch einen Pkw-Transport Rechnung zu tragen ist, denn die notwendige medizinische Versorgung ist grundlegende Voraussetzung, um die elementaren Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigen zu können (
vgl. BSG, Urt. v. 16. September 2009 - Az.:
B 3 KR 19/03 R - zitiert nach Juris). Ein Hubschwenksitz kann danach ein von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellendes Hilfsmittel sein, wenn es einem Versicherten dadurch ermöglicht wird, einen Pkw zu benutzen, um damit die Unfähigkeit zu gehen auszugleichen (so auch der 8. Senat des
BSG,
vgl. Urt. v. 26. Februar 1991 - Az.:
8 RKn 13/90 - zitiert nach Juris). Allerdings muss in jedem Einzelfall gesondert festgestellt werden, ob ein Versicherter dieses Hilfsmittel trotz bereits zur Verfügung stehender anderweitiger Hilfsmittel zur Befriedigung seines körperlichen Freiraums tatsächlich benötigt. Dies gilt auch für den behinderungsgerechten Umbau eines Pkw. Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin kein Anspruch auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz zu. Da die Beklagte rechtlich verpflichtet ist, die Kosten für Fahrten zu übernehmen, die aus medizinischen Gründen notwendig sind, kann es nicht darauf ankommen, ob die Klägerin wegen ihres komplexen Krankheitsbildes spezialisierte Fachärzte und Therapeuten aufsuchen muss und ob hierfür die Erschließung des Nahbereichs ausreicht. Durch die Verpflichtung der Beklagten die medizinisch notwendigen Transporte durch entsprechende Krankentransporte
bzw. Fahrten mit dem Taxi sicher zu stellen, stehen der Klägerin jedenfalls für ihr Bedürfnis, Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, hinreichende Leistungen zur Verfügung.
Die Beklagte - nicht die Mutter der Klägerin - ist rechtlich verpflichtet, der Klägerin das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten durch die Übernahme der Transportkosten der entsprechenden Fahrdienste zu ermöglichen. Durch den Einbau eines Hubschwenksitzes in den Pkw der Eltern der Klägerin kann daher ein Transport der Klägerin zu Ärzten oder Therapeuten nicht sichergestellt werden. Selbst bei einer Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Hubschwenksitz hätte die Klägerin weiterhin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Kostenübernahme für Transporte zu ärztlichen und therapeutischen Terminen mit dem Taxi
bzw. durch Krankentransport. Daher kann die Versorgung mit dem begehrten Hubschwenksitz nicht maßgeblich auf Transporte zu Ärzten oder Therapeuten gestützt werden und ist jedenfalls im Hinblick darauf für die Beklagte auch nicht wirtschaftlich.
Zudem wird der Klägerin durch eine Versorgung mit dem begehrten Hubschwenksitz keine größere Eigenständigkeit und Bewegungsfreiheit ohne Hilfe durch andere Personen ermöglicht. Sie wäre auch mit dem Sitz nicht in der Lage, selbständig Ärzte oder Therapeuten aufzusuchen, verfügt selbst nicht über einen Pkw und könnte einen solchen auch nicht ohne Hilfe nutzen.
Der Fall der Klägerin ist auch nicht mit dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall der Wachkomapatientin (
BSG, Urt. v. 16. September 2004,
B 3 KR 19/03 R, zitiert nach Juris) vergleichbar, weil für die Wachkomapatientin der Weg zu Ärzten und Therapeuten erst durch die Benutzung des Pkws ermöglicht wurde. Nur durch den Transport im vertrauten Fahrzeug und in Gegenwart der Eltern wurden der Wachkomapatientin Angstzustände genommen und zusätzliche spastische Anfälle vermieden. Diese besondere Konstellation rechtfertigte es, der Notwendigkeit, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufsuchen zu können, ausnahmsweise durch die Möglichkeit eines Pkw-Transportes Rechnung zu tragen.
Die Situation der Klägerin ist jedoch eine völlig andere, da ihr der Transport in dem Taxi oder mittels Krankentransport zumutbar ist. Sie hat diese auch in der Vergangenheit regelmäßig in Anspruch genommen und im Zuge der Vergleichsverhandlungen ausdrücklich erklärt, hierauf auch in Zukunft nicht vollständig oder zu einem gewissen Teil verzichten zu können und zu wollen. Die Beklagte ist auch verpflichtet, professionelle Krankentransporte kurzfristig abzusichern, wenn diese Kurzfristigkeit medizinisch begründet ist. Organisatorische Schwierigkeiten bei der Absicherung der Transporte können einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz schon deshalb nicht begründen, weil diese möglicherweise gerade dann auftreten, wenn eine Fahrt nicht durch die Mutter der Klägerin mit dem privaten Pkw abgesichert werden kann. Bei organisatorischen Problemen, die dadurch entstehen, dass die Mutter der Klägerin diese bei den Arztbesuchen begleitet, wäre
ggf. zu prüfen, ob und inwieweit die Beklagte auch für Fahrkosten einer wegen der Behinderung der Klägerin erforderlichen Begleitperson aufzukommen hat (
vgl. hierzu Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht,
Bd. 1 § 60 Rd.-Nr. 12;
vgl. auch § 53
SGB IX). Jedenfalls kann dadurch nicht ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hubschwenksitz begründet werden, wenn die Beklagte weiterhin verpflichtet bleibt, Fahrten der Klägerin zu Ärzten und Therapeuten (ob mit oder ohne Begleitung) durch die Übernahme der Kosten der entsprechenden Fahrdienste abzusichern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls auf Grund gesicherter Rechtsgrundlage handelt.