Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124
Abs. 2
SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Da der Kläger sein Klagebegehren im Berufungsverfahren im Wege einer zulässigen Klageänderung (§ 153
Abs. 1
iVm § 99
Abs. 3
Nr. 3
SGG) auf Kostenerstattung umgestellt hat, war hierüber zu entscheiden. Der Tenor des Urteils der Vorinstanz vom 25. April 2008 war entsprechend abzuändern, weil der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Beschaffung des Rollstuhlzuggerätes Speedy DUO 2 in Höhe von 4.884,31
EUR hat.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist
§ 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch ist nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (
vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2012 - Az.:
B 3 KR 20/08 R, nach Juris Rn. 10). Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemeiner Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (ständige Rechtsprechung
vgl. nur
BSG, Urteil vom 21. Februar 2006 - Az.: B 1 KR 29/04 R, zitiert nach Juris Rn. 9). Ob die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, ist nach dem für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsrecht und für Leistungen der
GKV somit nach den Bestimmungen des
SGB V zu prüfen.
Die Beklagte hat die Versorgung des Klägers mit dem streitgegenständlichen Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 im Sinne von § 13
Abs. 3 Satz 2
SGB V zu Unrecht abgelehnt. Maßgebende Vorschrift für die Leistungspflicht der
GKV im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Erforderlichkeit im Einzelfall im Sinne der Vorschrift setzt voraus, dass das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Weder eine vertragsärztliche Verordnung des begehrten Hilfsmittels noch seine Listung im Hilfsmittelverzeichnis sind verbindlich für die Leistungspflicht der Krankenkasse (
vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2011 - Az.:
B 3 KR 9/10 R, zitiert nach Juris).
Dem begehrten Rollstuhlzuggerät (auch Rollstuhlbike, Rollstuhlhandbike oder Speedy Bike genannt) kann auch in Bezug auf erwachsene Versicherte nicht generell die Eigenschaft als Hilfsmittel abgesprochen werden. Hilfsmittel im Sinne von § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V sind alle sächlichen Mittel, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine bestehende Behinderung ausgleichen, selbst dann, wenn ihre Anwendung durch den Versicherten selbst sicher zu stellen ist. Das Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 erfüllt diese Voraussetzungen, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale, wie zum Beispiel das Alter des Versicherten, sind nicht ausschlaggebend. Gegenteiliges kann der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. September 1999 (
vgl. Urteil vom 16. September 1999 - Az.:
B 3 KR 8/98 R in NZS 2000
S. 236/238) nicht entnommen werden. Das Gericht hat in einer späteren Entscheidung klar gestellt, dass mit dieser Aussage nicht die Hilfsmitteleigenschaft des Rollstuhlbikes für erwachsene Versicherte generell in Frage gestellt, sondern nur dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der Versorgungsziele des § 33
SGB V im Einzelfall beurteilt werden solle (
vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - Az.:
B 3 KR 12/10 R zitiert nach Juris).
Das als Hilfsmittel zu qualifizierende Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 ist grundsätzlich nicht zur Sicherstellung der in § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V genannten Versorgungsziele erforderlich, weswegen eine Leistung regelmäßig ausscheidet. Es liegen aber im Fall des Klägers besondere qualitative Umstände vor, die gleichwohl eine Leistungspflicht der Beklagten für das Rollstuhlzuggerät begründen. Ein Rollstuhlzuggerät ist als Hilfsmittel der
GKV grundsätzlich nicht zur Gewährleistung der in § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V genannten Versorgungsziele erforderlich. In Betracht kommt allein der sogenannte mittelbare Behinderungsausgleichs, weil durch das begehrte Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird, sondern lediglich die Folgen einer Funktionsbeeinträchtigung der Beine ausgeglichen werden sollen. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der
GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkung der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, worunter auch das Erschließen eines körperlichen Freiraums in der eigenen Wohnung und dem umliegenden Nahbereich zu fassen ist. (
vgl. BSG, Urteile vom 10. März 2011 - Az.:
B 3 KR 9/10 R und vom 7. Oktober 2010 - Az.:
B 3 KR 13/09 R, jeweils zitiert nach Juris). Für die Bestimmung des Nahbereiches gilt ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab (ständige Rechtsprechung des
BSG,
vgl. nur Urteil vom 19. April 2007 - Az.:
B 3 KR 9/06 R = BSGE 98,213/219 und zuletzt Urteil vom 18. Mai 2011- Az.: B 3 KR 12/10 R, zitiert nach Juris). Nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen sind maßgebend, weil der Nahbereich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens konkretisiert und somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung betrifft (
vgl. BSG, Urteile vom 18. Mai 2011 - Az.:
B 3 KR 7/10 R und B 3 KR 12/10 R, jeweils zitiert nach Juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen eröffnet das Rollstuhlzuggerät den behinderten Menschen eine dem Radfahren vergleichbare und somit eine über den in der
GKV abzudeckenden Nahbereich hinausgehende Mobilität. Mit Hilfe des Rollstuhlzuggerätes können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern darüber hinaus auch Arbeits- und Freizeitwege jeglicher Art in Angriff genommen werden.
Bei dem Kläger ist die Gewährung des Rollstuhlzuggerätes als Hilfsmittel im Sinne von § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V jedoch nicht ausgeschlossen, weil besondere qualitative Momente dieses Mehr an Mobilität erfordern. Solche besonderen qualitativen Momente liegen vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist (
vgl. BSG, Urteile vom 18. Mai 2011 - Az.: B 3 KR 7/10 R und B 3 KR 12/10 R, jeweils zitiert nach Juris). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar ist, weil Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können oder die vom Hilfebedürftigen benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Abzustellen ist dabei jeweils auf die Umstände des Einzelfalles. Ein besonderes qualitatives Moment kann nicht bereits darin gesehen werden, dass der Kläger die sich in seinem Wohnumfeld befindlichen Steigungen nicht mehr ohne weiteres bewältigen kann. Das
BSG hat in den genannten Urteilen vom 18. Mai 2011 ausdrücklich betont, dass im Zusammenhang mit der Prüfung dieser besonderen qualifizierenden Umstände, welche ausnahmsweise eine Versorgung mit einem Rollstuhlzuggerät rechtfertigen können, ausschließlich auf die medizinische Aspekte im Einzelfall abzustellen ist. Dabei steht die Frage, ab welcher Strecke die Fortbewegung zu gesundheitlichen Beschwerden führt, im Vordergrund. Das konkrete Wohnumfeld hat hingegen Außen vor zu bleiben, da nach wie vor der abstrakte, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängige, Maßstab gilt. Soweit die Sachverständigen
Dr. W. und
Dr. M. die Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 mit den konkreten Umständen des Wohnumfeldes des Klägers begründen, kann dem der Senat nicht folgen.
Der Senat kann die von der Vorinstanz aufgeworfene Frage offen lassen, ob durch diese Auslegung eine Verletzung von Artikel 11
GG gegeben ist. Die besonderen qualitativen Umstände ergeben sich hier unabhängig vom konkreten Wohnumfeld des Klägers aus den schon von
Dr. M. beschriebenen und von
Dr. Sch. dargelegten degenerativen Veränderungen der Schultergelenke des Klägers. Bei ihm liegt ein vorderes Impingement-Syndrom an beiden Schultern vor, welches sich bereits in konkreten Funktionseinschränkungen bemerkbar macht.
Dr. Sch. konnte beidseits eine erhebliche Einschränkung der Armseit- und -vorhebung feststellen. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers und seiner behandelnden Physiotherapeutin, dass er seit sechs Jahren eine Physiotherapie erhalte und bei dieser Behandlung immer wieder über Schmerzen in beiden Schultern geklagt habe. Es handelt sich um einen typischen Befund, der verstärkt bei Rollstuhlfahrern auftritt, insbesondere, wenn eine so lange Nutzung wie im Fall des Klägers vorliegt. Auch wenn dies zur Zeit noch relativ gut kompensiert werden kann, ist aufgrund des Alters des Klägers und des Umstandes, dass in den letzten eineinhalb Jahren ein deutliches Fortschreiten zu verzeichnen ist, damit zu rechnen, dass in Kürze durch den Rollstuhlgebrauch ohne Antriebshilfe eine konfluierende Defektzone im cranialen Rotatorenmanschettenbereich entsteht, die im ganz normalen Lebensalltag erhebliche Probleme bei der Bedienung des Rollstuhls mit sich bringt und dem Kläger nicht mehr der Aktionsradius verbleibt, der schultergesunden Rollstuhlfahrern zur Verfügung steht. Auch wenn das selbst angeschaffte Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 die Krankheit nicht aufhalten kann, so ist es doch nach den überzeugenden Ausführungen des
Dr. Sch. in der Lage, die Progredienz, also das Fortschreiten, der Veränderungen an den Schultergleitgeweben zu vermindern.
Andere in Betracht kommende Geräte sind insoweit nicht gleich geeignet. Die Versorgung mit einem zusätzlichen Elektrorollstuhl ist - worauf
Dr. M. bereits hingewiesen hat - aufgrund des erforderlichen Transfers vom Elektrorollstuhl in den Aktivrollstuhl und umgekehrt nicht sinnvoll, da es aufgrund von Problemen im Bereich der unteren Extremitäten schon häufiger zu Frakturen beim Übersetzen gekommen ist. Eine elektrische Restkraftunterstützung hat den erheblichen Nachteil, dass das Zusatzgewicht für die beiden Elektroantriebe sowie die Batterie vom Rollstuhlfahrer ständig mitbewegt werden muss, selbst wenn keine Restkraftunterstützung notwendig ist. Hierdurch dürften sich die Schulterbeschwerden eher verstärken. Gegen ein Rollstuhlzuggerät mit reinem Elektroantrieb spricht, dass nur eine eingeschränkte Reichweite besteht und bei Batterieversagen keine selbständige Fortbewegung mehr möglich ist. Ein Handbike ohne elektrische Unterstützung ist von Nachteil, da bei aufkommenden Schulterschmerzen keine Möglichkeit der Entlastung besteht und der Kläger gezwungen ist, sich unter Schmerzen oder nur mit fremder Hilfe fortzubewegen. Diese Nachteile vermeidet allein das Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2, so dass es auf den von den Sachverständigen angesprochene Trainingseffekt nicht ankommt, der - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - eine Versorgung als Hilfsmittel allein nicht rechtfertigen kann.
Auch die übrigen Voraussetzungen des § 13
Abs. 3 Satz 1 Fall 2
SGB V sind erfüllt. Der Kläger hat sich das Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 selbst beschafft, weil die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Anhaltspunkte dafür, dass das Rollstuhlzuggerät Speedy DUO 2 nicht notwendig im Sinne von
§ 12 SGB V ist, bestehen nicht. Durch die Selbstbeschaffung wurde auch eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Klägers ausgelöst.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 44
Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB I). Der Senat war nach § 153
Abs. 1
iVm § 123
SGG an den beantragten Beginn zum 1. Januar 2011 gebunden, auch wenn ein früherer Zeitpunkt nach § 44
Abs. 1
iVm § 41
SGB I möglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs. 2
Nr. 1, 2
SGG).