Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 436,00
EUR nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. September 2009. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Behandlung mit der CPM-Schiene und die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Miete der motorisierten Schulterbewegungsschiene nach
§ 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V. Diese Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alt.) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden (2. Alt.), sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2
SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der Leistung und der Kostenlast des Versicherten muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Der Erstattungsanspruch ist daher ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor der Inanspruchnahme
bzw. Beschaffung der Leistung nicht die Entscheidung der Krankenkasse über deren Gewährung abgewartet hat. Das Abwarten auch der Entscheidung über einen gegen die Leistungsablehnung eingelegten Widerspruch ist in der Regel aber nicht notwendig. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Beschaffungsweg eingehalten: sie hat mit ärztlicher Verordnung die Behandlung unter Inanspruchnahme eines zugelassenen Leistungserbringers erst nach Ablehnungsbescheid begonnen. Die Leistungsversagung war rechtswidrig. Die Behandlung war erforderlich.
Die Klägerin hatte Anspruch auf die Versorgung mit der Motorschiene gemäß
§ 33 Abs 1 SGB V. Hilfsmittel wie die verordnete Motorbewegungsschiene sind als Bestandteil der Krankenbehandlung (
§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3,
§§ 33 und
34 SGB V) als Sachleistung (
§ 2 Abs 2 SGB V) zu erbringen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Nach § 33 Abs 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4
SGB V ausgeschlossen sind. Damit wird das Gebot des § 2 Abs 4
SGB V konkretisiert, wonach Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherter darauf zu achten haben, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.
Die Behandlung mit der Motorschiene war im Falle der Klägerin erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern und auch eine Behinderung zu vermeiden. Dem steht nicht bereits entgegen, dass dieses Hilfsmittel aus dem Hilfsmittelverzeichnis nach § 128
SGB V aF gestrichen worden ist. Wie das
BSG bereits wiederholt festgestellt hat, steht den Spitzenverbänden der Krankenkassen keine gesetzliche Ermächtigung zu, ihre Leistungspflicht gegenüber den Versicherten durch das Hilfsmittelverzeichnis im Sinne einer Positivliste abschließend festzulegen (vgl
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20 und 27 (3. Senat) sowie SozR 3-2500 § 33 Nr 25 (8. Senat) ). Demzufolge können durch das Hilfsmittelverzeichnis keine Hilfsmittel von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden, die den gesetzlichen Anforderungen des § 33
SGB V genügen. Das Hilfsmittelverzeichnis schafft lediglich eine Auslegungshilfe, die zudem im Streitfall für die Gerichte unverbindlich ist (
BSG, Urteil vom 10.04.2008,
B 3 KR 8/07 R, RdNr 10). Dieser Rechtsprechung, die gerade im Fall einer Motorschiene erging, folgt die Kammer.
Die Eignung der Motorschienenbehandlung zur Behandlung nach Schultergelenk-Operationen im Sinne eines therapeutischen Nutzens steht für die Kammer nicht in Frage. Sie folgt nicht nur aus dem orthopädischen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, sondern auch aus den ausführlichen Darstellungen des MDK. Sofern die Beklagte und der MDK wiederholt einen zusätzlichen Nutzen der Behandlung als wesentliches Entscheidungskriterium fordern, ist ein solches Tatbestandsmerkmal dem Gesetz fremd (
BSG Urt. v. 28.09.2006,
B 3 KR 28/05 R). Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit sind die Tatbestandsmerkmale neben der Zielsetzung, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder einer drohenden Behinderung vorzubeugen. Tatsächlich belegen sämtliche vom MDK zitierten Studien keinerlei Vorteile oder bessere Eignung der Physiotherapie gegenüber der Motorschienenbehandlung. Im Gegenteil lassen sich hinreichend Anhaltspunkte dafür finden, dass die Motorschienenbehandlung zumindest geringfügig besser ist. So belegt die jüngste der zitierten Studien (Garofalu u.a., 2010) eine deutlich stärkere Reduzierung des Schmerzerlebens zum Zeitpunkt der ersten Prüfung (unabhängig davon, ob dies nun nach 2,5 Wochen oder 2,5 Monaten erfolgt sein soll) - dies ist für die Kammer ein erheblicher Vorteil; hinsichtlich der Schmerzentwicklung kann es nicht nur auf einen fast identischen funktionalen Zustand nach einem Jahr ankommen. Alle anderen ausgewerteten Studien kommen jeweils zu dem Ergebnis, dass bestimmte Bewegungsausmaße zumindest passiv früher erreicht werden oder die Bewegungsausmaße zumindest leicht besser sind als bei physiotherapeutischer Behandlung.
Damit steht für die Kammer fest, dass die Behandlung im Sinne eines therapeutischen Nutzens grundsätzlich geeignet ist. Sie war im Fall der Klägerin auch erforderlich. Dies folgt aus dem auch insofern überzeugenden Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser hat sowohl bestätigt, dass die Behandlung zur Sicherung eines Behandlungserfolges erforderlich gewesen sei, als auch die Notwendigkeit gesehen, eine drohende Behinderung abzuwenden. Dies schließt er insbesondere daraus, dass postoperativ die Gefahr einer Schultersteife bestand, die durch die Behandlung vermieden werden konnte. Durch die rasche passive Mobilisierung hätten Verklebungen vermieden werden können, weshalb eine langwierige Behinderung mit dem Erfordernis der Nachbehandlung abgewendet werden konnte. Diese Ausführungen des Sachverständigen sind schlüssig und überzeugend. Insofern hat der MDK keine relevanten Kritikpunkte vorbringen können. Dass ohne entsprechende Behandlung, insbesondere passive Mobilisierung, die Gefahr einer Schultersteife bestand, hat der MDK nicht bestritten. Soweit moniert wurde, dass die Verschreibung einen Zeitraum von 6 Wochen nach der OP vorsah, die Schiene jedoch nur für 4 Wochen gemietet wurde. Ist zum einen anzumerken, dass die Behandlung bis zum 31. März 2009 erfolgte, was etwa einem Zeitabstand zur OP von 6 Wochen entspricht. Zum anderen kann gerade die Beklagte die Versorgungslücke zwischen Krankenhausbehandlung und Versorgung ab 3. März 2009 nicht beanstanden, weil sie zuvor die Behandlung (als Sachleistung) ausdrücklich abgelehnt hatte.
Es ist auch nicht erkennbar, dass eine physiotherapeutische Behandlung wirtschaftlicher gewesen wäre (bei der erfolgten täglichen Behandlung). Der gerichtlichen Auflage vom 8. Dezember 2010 an die Beklagte, darzulegen, inwieweit andere Behandlungsalternativen gegenüber der erfolgten Behandlung ebenso wirksam und wirtschaftlich sein sollen und zu belegen, wieso dies insbesondere für die Physiotherapie gelten solle und welche Evidenz entsprechende Studien aufweisen, hat die Beklagte bzw der MDK nicht reagiert. Angesichts der vorhandenen Beweislage war die erfolgte Behandlung erforderlich und alternativlos.
Unter diesen Umständen erscheint es angesichts der Rechtsprechung des
BSG ausgeschlossen, die Behandlung mit dem Argument zu versagen, dass es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele (so aber
LSG Baden-Württemberg 16.06.2010,
L 5 KR 4929/07), für die ein positives Votum des GBA fehle. Das
LSG Baden-Württemberg hat seinem Urteil vom 16. Juni 2010 weder ausgeführt, weshalb es sich um eine neue Methode handeln soll, noch welche dann zulässige Alternative zur Verfügung stehe. Denn auch die vom MDK favorisierte Physiotherapie ist vom GBA als geeignete postoperative Behandlung nach einer Schulteroperation nicht positiv anerkannt. Nach der vom MDK referierten Studienlage sind beide Behandlungen mindestens gleichwertig, wenn nicht die Motorschienenbehandlung zumindest leicht günstiger ist. Die Behandlungen mit Motorschienen nach Schulteroperationen werden schon über erhebliche Zeiträume vorgenommen und nach wie vor von verschiedenen Kassen geleistet. Selbst das
LSG Baden-Württemberg räumt ein, dass die Behandlung im Krankenhaus üblich sei. Die Streichung aus dem Hilfsmittelverzeichnis ist gerichtlich angefochten; insofern wurde zwischen den Beteiligten des dortigen Rechtsstreites ein außergerichtlicher Vergleich über die Eintragung in das
HMV geschlossen, weshalb die Streichung aus dem Hilfsmittelverzeichnis die Methode nicht zur neuen machen kann. Im Übrigen geht es um Behandlungskonzepte (vgl
BSG Urt. v. 12.08.09,
B 3 KR 10/07 R). Dieses liegt hier in der passiven Mobilisierung des Gelenks unter definierten Bedingungen. Insofern fehlt bei Möglichkeit der Patienten, das Gerät nach entsprechender Anleitung und Einweisung jeweils einzustellen, das Risiko, das bei der Physiotherapie durch den menschlichen Faktor besteht. Daher lässt sich nicht erkennen, dass eine neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode vorliegen soll, die vor einer zulässigen Behandlung eine Bestätigung des GBA erforderlich machen würde. Zudem kann auch ohne entsprechende Bewertung durch den GBA die erforderliche Behandlung erbracht werden, wenn der Einsatz des Hilfsmittels der Vorbeugung einer drohenden Behinderung dient. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb es auf das vom
LSG Baden-Württemberg aufgeworfene Problem im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ankommt.
Das Hilfsmittel dient nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens oder ist nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen.
Die Zahlungsforderung ist rechnerisch nicht zu beanstanden. Die Zinsforderung stützt sich auch hinsichtlich ihres Beginns zutreffend auf § 44
SGB I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung durch die Klägerin.
Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 144 Abs 2
SGG) liegen nicht vor. Die Kammer folgt in allen wesentlichen, streiterheblichen Aspekten der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Deshalb hat die Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung. Die Divergenz zum
LSG Baden-Württemberg begründet keine Möglichkeit der Berufungszulassung, weil es sich nicht um das Berufungsgericht für den vorliegenden Fall handelt.