Urteil
Krankenversicherung - Kostenerstattung für ein vorübergehend genutztes Hilfsmittel - schuldrechtliche Zahlungsverpflichtung des Versicherten

Gericht:

BSG 3. Senat


Aktenzeichen:

B 3 KR 17/11 B


Urteil vom:

01.12.2011


Grundlage:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von ihm getragener Kosten in Höhe von 275 Euro für die Miete einer von der Firma O. vertriebenen CPM-Schulterbewegungsschiene, die er in der Zeit vom 10.11. bis zum 23.11.2007 im häuslichen Bereich getragen hat, nachdem er am 7.11.2007 ambulant an der rechten Schulter operiert worden war. Die Beklagte lehnte den über die Firma O. gestellten, als eilbedürftig gekennzeichneten Antrag vom 8.11.2007 auf mietweise Versorgung des Klägers mit der vom behandelnden Arzt für 28 Tage verordneten CPM-Schulterbewegungsschiene nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil der therapeutische Nutzen dieses Hilfsmittels im häuslichen Bereich nicht nachgewiesen sei (Bescheid vom 20.11.2007). Unmittelbar nach Zugang des Ablehnungsbescheides gab der Kläger das Hilfsmittel an die Firma O. zurück. Deren Rechnung vom 28.12.2007 über 275 Euro beglich er am 17.3.2008. Sein auf Kostenerstattung gerichteter Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.6.2008). Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 23.11.2010); der Erstattungsanspruch sei unmittelbar aus § 2 Abs 2 Satz 1 iVm § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V abzuleiten, weil der Kläger bis zum Zugang des Ablehnungsbescheides vom 20.11.2007 davon ausgegangen sei und auch davon habe ausgehen dürfen, er erhalte das Hilfsmittel auf Kosten der Beklagten. Ein Fall der Selbstbeschaffung einer Leistung iS des § 13 Abs 3 SGB V liege nicht vor. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.7.2011). Für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch komme allein § 13 Abs 3 SGB V als Rechtsgrundlage in Betracht; die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien aber nicht erfüllt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG richtet sich die Beschwerde des Klägers, die er mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet.

Rechtsweg:

SG Braunschweig, Urteil vom 23.11.2010 - S 6 KR 275/08
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20.07.2011 - L 4 KR 6/11

Quelle:

Rechtsprechung im Internet

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

Zur formgerechten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist es erforderlich, eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren und aufzuzeigen, warum sie in dem angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein würde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54), über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65). Klärungsbedürftigkeit ist grundsätzlich nicht mehr gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Um eine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit darzutun, muss unter Auswertung der bisherigen Rechtsprechung des BSG substantiiert vorgetragen werden, dass neue, bisher noch nicht berücksichtigte Argumente bestehen oder dass gegen die Entscheidung des BSG von dritter Stelle, etwa im Schrifttum, in nicht unerheblichem Umfang Kritik vorgebracht worden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65). Klärungsbedürftigkeit ist auch dann zu verneinen, wenn sich eine Rechtsfrage unmittelbar und eindeutig anhand der gesetzlichen Vorschriften beantworten lässt. Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48). Deren Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Der Kläger hat zwar eine Rechtsfrage formuliert, deren Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit aber nicht formgerecht dargelegt.

Der Kläger sieht - sinngemäß - folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam an: Richtet sich der Anspruch auf Erstattung von Versicherten aufgebrachter Kosten für ein vorübergehend benutztes Hilfsmittel, das er bis zum Zugang des Ablehnungsbescheides der Krankenkasse als Sachleistung der GKV ansah, nach § 2 Abs 2 Satz 1 iVm § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V oder nach § 13 Abs 3 SGB V

Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage ist jedoch nicht hinreichend dargelegt worden, weil den Ausführungen des Klägers in der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen ist, dass sich die Antwort auf diese Rechtsfrage nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz ergibt.

Das Leistungsrecht der GKV im Hilfsmittelbereich ist geprägt vom Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V). Die Kostenerstattung als Ausnahme vom Sachleistungsanspruch ist nur zugelassen, wenn das SGB V oder das SGB IX diese Leistungsform vorsieht (§ 2 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V). Dieser Grundsatz wird in § 13 Abs 1 SGB V wiederholt. Kostenerstattung anstelle einer Sachleistung kommt also nur in Betracht, wenn der Versicherte dies von vornherein mit seiner Krankenkasse vereinbart hat (§ 13 Abs 2 SGB V) oder wenn der Versicherte sich eine Leistung selbst beschafft hat, weil die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte, oder nachdem die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs 3 SGB V, ähnlich auch § 15 SGB IX). Die vom SG herangezogene Vorschriftenkombination (§ 2 Abs 2 Satz 1 iVm § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) scheidet als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch von vornherein aus. Der hier geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gegen die Krankenkasse kann sich nur aus § 13 Abs 3 SGB V ergeben, dessen Voraussetzungen das LSG als nicht erfüllt angesehen hat. Ob dies zutrifft, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde allerdings nicht zu überprüfen.

Der Senat weist aber ergänzend auf Folgendes hin: § 13 Abs 3 SGB V regelt nur Sachverhalte, in denen ein Versicherter gegenüber einem Leistungserbringer eine eigene schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen ist und diese durch seine Zahlung erfüllt hat (Helbig in jurisPK-SGB V, § 13 RdNr 41, 42 mwN), um sich eine Sachleistung zu beschaffen, für die er die Krankenkasse als an sich leistungspflichtig ansieht. Fehlt es hingegen an einer solchen schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung des Versicherten gegenüber dem Leistungserbringer (wofür das Vorbringen des Klägers und die Ausführungen des SG sprechen könnten) und zahlt er auf eine ihm zu Unrecht zugesandte Rechnung des Leistungserbringers irrtümlich dennoch den Rechnungsbetrag, scheidet eine Kostenerstattung durch die Krankenkasse aus. Es handelt sich dann vielmehr um eine rechtsgrundlos erfolgte Zahlung, für die der Versicherte im Verhältnis zum Leistungserbringer als Zahlungsempfänger einen Ausgleich nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften (§§ 812 ff BGB) suchen muss; ein etwaiger Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber der Krankenkasse bleibt durch die Zahlung des Versicherten in solchen Fällen unberührt (Palandt/Grünberg, BGB, 70. Aufl 2011, § 267 RdNr 3 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R9016


Informationsstand: 19.05.2020