Urteil
Kein Anspruch auf Versorgung mit einem fremdkraftbetriebenen therapeutischen Bewegungstrainer "Motomed gracile 12" als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung - Keine Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung

Gericht:

LSG Thüringen 6. Senat


Aktenzeichen:

L 6 KR 131/11


Urteil vom:

28.10.2014


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. November 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Klägerin mit einem fremdkraftbetriebenen, therapeutischen Bewegungstrainer versorgen muss.

Die 1986 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einer frühkindlichen Hirnschädigung mit Störungen der motorischen, psychischen und intellektuellen Entwicklung sowie spastischer Lähmung der Extremitäten. Sie ist geh- und stehunfähig und wird in einer angepassten Sitzschale mit Untergestell oder im Schieberollstuhl passiv fortbewegt. Die Klägerin erhält ärztlich verordnete "Einzelbehandlungen bei sensomotorischer perzeptiver Störung" bzw. "Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen nach Vollendung des 18. Lebensjahres nach Bobath" und zwar seit Januar 2011 fünfmal pro Woche Physiotherapie jeweils eine Stunde am Tag und seit Juni 2011 zusätzlich zweimal pro Woche 45 Minuten Ergotherapie.

Am 14. September 2007 beantragte die Klägerin mittels Vorlage einer Verordnung des Chefarztes der Orthopädischen Klinik des M. A. CA Dr. med. S. vom 27. August 2007 die Versorgung mit dem Bewegungstrainer Motomed gracile 12 bei dem Beklagten. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag der Firma O. W. GmbH E. vom 12. September 2007, welcher einen Gesamtpreis in Höhe von 4.445,99 Euro ausweist.

Zur Prüfung ihrer Einstandspflicht konsultierte die Beklagte den M. D. der Krankenversicherung (MDK) Th. e.V. In ihrer Stellungnahme vom 24. September 2007 schätzte die Dipl.-Med. H. ein, dass die Versorgung mit dem Bewegungstrainer medizinisch nicht indiziert sei, da dieses Hilfsmittel die Geh-, Stehfähigkeit nicht beeinflusse und die Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage weder ergänze noch ersetze. Die hierzu angehörten Eltern der Klägerin teilten mit Schreiben vom 17. Oktober 2007 mit, dass die Klägerin am 24. Mai 2007 am linken Fuß operiert wurde und im Anschluss fast zehn Wochen einen Liegegips getragen habe. Eine Physiotherapie sei in dieser Zeit kaum möglich gewesen und die Gelenke der Klägerin dadurch viel steifer geworden. Um weiteren Operationen an Hüfte und Wirbelsäule vorzubeugen, wollten sie mit dieser an den vier Tagen in der Woche, an denen sie keine Physiotherapie hat, am Motomed üben. Man habe diesen Bewegungstrainer im M. zur Nachbehandlung getestet und die Klägerin habe ihn gut angenommen. Dem Schreiben war ein Bericht der Physiotherapeutin Th. vom 15. Oktober 2007 beigefügt. Darin führte sie aus, dass es im Hinblick auf die Operation von Vorteil für die Klägerin sei, wenn unterstützend zu der Krankengymnastik an den vier anderen Tagen ein Motomed zum Einsatz kommen würde. Dies würde auch deren Mutter körperlich und zeitlich entlasten und die Chancen zur Erhaltung des derzeitigen körperlichen und muskulären Zustands der Klägerin deutlich erhöhen. Dr. Dr. S. teilte ergänzend in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 2008 mit, dass die Klägerin dreimal pro Woche Krankengymnastik und ergänzend einmal Therapie im Bewegungsbad erhält. Zur Frage, ob durch den Einsatz des Bewegungstrainers die Krankengymnastik vermieden werden könne, gab er an, dass eine Berechnung der Verkürzung der Krankengymnastik nicht erstellt werden könne. Das Motomed solle zur Ergänzung dienen, um eigenständige Bewegungsübungen an Armen und Beinen durchführen zu können. Eine vierwöchige Erprobung habe im M. A. leider nicht erfolgen können, da die Klägerin auf Grund erheblicher Ernährungsprobleme nach einem stationären Aufenthalt vom 4. bis 11. Juli 2007 notfallmäßig verlegt werden musste. Die Erprobung im M. zeigte jedoch eine gute Compliance, so dass ihr mit dem Motomed ein wertvolles Therapiegerät zur Verfügung stehen würde.

Dipl.-Med. H. vom MDK erläuterte in ihrem Gutachten vom 30. Juli 2008 nach Untersuchung der Klägerin am 24. Juli 2008, dass zur Behandlung des vorliegenden Krankheitsbildes eine passive und aktive Bewegungstherapie indiziert sei, die derzeit viermal wöchentlich durchgeführt werde. Bei Bedarf sei die Häufigkeit der physiotherapeutischen Behandlungen zu erhöhen. Der Einsatz eines Bewegungstrainers sei im vorliegenden Fall medizinisch nicht zu begründen. Insbesondere sei die Wirksamkeit eines Bewegungstrainers zur Minderung der Spastik bisher nicht belegt. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2008 die begehrte Kostenübernahme ab.

In ihrem Widerspruch vom 4. September 2008 führte die Mutter der Klägerin aus, dass das beantragte Hilfsmittel für eine passive Langzeittherapie genutzt werden solle. Die Erprobung habe ergeben, dass dieses Hilfsmittel eine sinnvolle Ergänzung sei, um deren jetzigen körperlichen Zustand solange wie möglich zu erhalten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2009 zurück und führte zur Begründung aus, dass das beantragte Hilfsmittel nicht erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sei. Insbesondere solle das Gerät im Falle der Klägerin allein als ergänzende Maßnahme zur krankengymnastischen Behandlung eingesetzt werden, so dass dadurch sonstige physikalische Behandlungen weder kompensiert noch sonst finanziell erspart werden. Im Übrigen könnten die Therapieziele einer Verbesserung der Muskulatur und einer Minderung der Spastik mit einem fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainer nicht erreicht werden, da bei einem solchen der Motor die Beine des Trainierenden bewege. Auch fehlte es bei der Ausstellung der Verordnung an einer vorausgegangenen mindestens vierwöchentlichen aussagekräftigen Anwendungserprobung in Zusammenhang mit dem verordneten Arzt und den Physio- bzw. Ergotherapeuten, die im Hilfsmittelverzeichnis zwingend vorgeschrieben sei.

Hiergegen hat die Mutter der Klägerin, die zugleich deren rechtliche Betreuerin (u.a. mit dem Aufgabenkreis "Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten") ist, am 13. Februar 2009 beim Sozialgericht Nordhausen (SG) Klage erhoben und darauf verwiesen, dass im Anschluss an die Operation im Mai 2007 im M. A. die Möglichkeit bestanden habe, ein Motomed für Arme und Beine für eine Woche täglich zu nutzen. Die Klägerin habe dies sehr gut angenommen. Die Beklagte habe keine Möglichkeit gegeben, das Hilfsmittel für vier Wochen zu Hause zu testen. Es sei es geboten, den Bewegungstrainer an jenen Wochentagen einzusetzen, in denen die Klägerin keine physiotherapeutischen Maßnahmen erhalte.

Das SG hat einen Befundbericht von Dr. S. vom 11. Mai 2009 beigezogen. Er hat auf konkrete Nachfrage zur möglichen Verringerung der Physiotherapiefrequenz mitgeteilt, dass eine deutliche Reduzierung der Physiotherapie nicht empfehlenswert sei. Der Einsatz des Motomed sei medizinisch notwendig, um der weiteren Verschlimmerung des Krankheitsbildes der Klägerin vorzubeugen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. November 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Verordnung komme unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) nur in Betracht, wenn durch das Hilfsmittel sonstige physikalische personengebundene Behandlungen kompensiert und dadurch finanziell erspart werden könnten. Eben dies sei im Falle der Klägerin nicht gegeben. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen und den Angaben des Physiotherapeuten und des Dr. S. solle der Bewegungstrainer lediglich ergänzend zur Anwendung gelangen.

Gegen das am 20. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Januar 2011 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Erhöhung der physiotherapeutischen Behandlung bei den vorgenommenen Behandlungen an vier Tagen in der Woche kaum noch möglich sei. Insoweit sei es der Sinn des Bewegungstrainers, auch an Zeiten, an denen physiotherapeutische Maßnahmen nicht verabreicht werden können (Wochenende, Feiertage) eine weitere Maßnahme zur Erhaltung des körperlichen und muskulären Zustandes regelmäßig durchzuführen. Insofern würden schon in absehbarer Zeit die von der Beklagten angebotenen und medizinisch notwendigen weiteren physiotherapeutischen Maßnahmen durch die Anschaffung des Bewegungstrainers kompensiert und finanziell ausgeglichen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. November 2011 sowie des Bescheides vom 6. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2009 zu verpflichten, ihr die Versorgung mit dem Bewegungstrainer Motomed gracile zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dipl.-Med. (MDK) vom 30. Januar 2013 werde die Klägerin dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie haben. Durch den Bewegungstrainer werde eine eigene körperliche Betätigung aber nicht unterstützt, da es sich nur um ein passives Durchbewegen der Gelenke handelt. Er könne die Behandlungsfrequenz nicht verringern, weil dessen Therapieansatz mit der einer Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage nicht zu vergleichen sei. Ziel einer solchen Therapie ist die pathologische zentrale Bewegungssteuerung zu beeinflussen. Dies ist mit einem passiven Bewegungstrainer nicht möglich, so dass dessen Einsatz die notwendige physiotherapeutische Behandlung nicht ersetzen kann.

Im Erörterungstermin am 11. November 2013 hat der Berichterstatter des Senats die Beteiligten auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R hingewiesen. Hierauf hat die Klägerin Stellungnahmen ihres behandelnden Arztes sowie der behandelnden Therapeuten vorgelegt. Dr. R. hat in seiner Stellungnahme vom 14. Januar 2014 mitgeteilt, dass der Bewegungstrainer eine sinnvolle Ergänzung aber kein Ersatz für eine Physiotherapie sei. Trotzdem könne bei einer guten Anwendung des Motomed die Physiotherapiefrequenz von fünf Einheiten pro Woche auf drei reduziert werden. Der Physiotherapeut P. hat in einer undatierten Stellungnahme ausgeführt, dass die Klägerin durch das Motomed ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben kann. Positiv sei eine deutliche Reduzierung des Muskeltonus, eine Lockerung der Muskulatur und die Förderung der herabgesetzten Durchblutung. Auch würden die Restmuskelkräfte gefördert und eine optimale Prophylaxe gegen Thrombose und Dekubitus erreicht. Die zusätzlichen Behandlungen mit Motomed zu Hause würden für die Therapie bedeuten, dass die Muskulatur lockerer ist und bei den passiven Bewegungsübungen weniger Widerstand zu spüren ist. Die Behandlung sei daher schmerzfreier möglich und das Risiko, die Klägerin zu verletzen, werde gesenkt. Nach der mit "Therapieplan" überschriebenen Stellungnahme der Ergotherapeutin M. vom 20. Januar 2014 soll die Klägerin das Motomed einmal täglich anwenden. Die Therapiedauer sollte mindestens 20 Minuten betragen. Zur Vorbereitung der laufenden Therapien sei eine vorhergehende Motomedtherapie notwendig, um die Effizienz der angebotenen Therapien nach einer entsprechenden Muskellockerung zu erhöhen. Manuell könne diese Muskellockerung nicht erreicht werden. Durch den Einsatz des Hilfsmittels komme es ferner zu einer Förderung der Durchblutung und damit zur Stabilisierung der Herz- Kreislauffunktion, ferner fördere die regelmäßige Anwendung die Verdauung und steigere das psychische und physische Wohlbefinden.

Nach der Stellungnahme der Dr. E. (MDK) vom 7. März 2014 kann den Argumentationen der behandelnden Ärzte und Therapeuten nicht gefolgt werden. Insbesondere sei eine Kontrakturprophylaxe mit einer passiven Bewegung mittels Motomed nicht zu erreichen. Insofern bestehe angesichts der Schwere der spastischen Zerebralparese bei der Klägerin keine Möglichkeit, die Physiotherapie zu reduzieren. Die Lockerung der Muskulatur sei mittels Physiotherapie und/oder Einsatz von Medikamenten besser zu erreichen als mit dem Bewegungstrainer. Die Vorbeugung von Dekubitalulcera sei Bestandteil der Grundpflege und könne durch entsprechende Lagerung erreicht werden. Zur Thromboseprophylaxe und Verbesserung der Verdauung stünden andere Maßnahmen - in erster Linie Medikamente - zur Verfügung. Im Übrigen sei nicht belegt, dass das Hilfsmittel für diese Therapieziele geeignet ist. Insgesamt könne eine physiotherapeutische Behandlung durch den passiven Einsatz des Motomed weder ersetzt noch wesentlich gefördert werden. Eine Reduktion der Therapiefrequenz erscheine angesichts der bereits bestehenden Kontrakturen nicht realistisch.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG Nordhausen, Urteil vom 17.11.2010 - S 19 KR 531/09

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligter nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Urteil vom 17. November 2010 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 6. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem Bewegungstrainer "Motomed gracile 12".

Die Sachleistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln bestimmt sich nach § 33 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Anspruch auf Versorgung besteht nur, soweit das begehrte Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenversicherung gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG in SozR 4-2500 § 33 Nr. 11).

Hiervon ausgehend hat die Beklagte die Versorgung mit dem begehrten Bewegungstrainer "Motomed gracile 12" zu Recht abgelehnt. Zwar handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V, das im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung als therapeutisches Bewegungsgerät gelistet ist (Nr. 32.06.01.0001) und weder nach § 34 Abs. 4 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen noch als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist.

Die Klägerin hat keinen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit dem Ziel des Behinderungsausgleichs oder auf Versorgung zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative und 2. Alternative SGB V). Ein solcher wird von ihr auch nicht geltend gemacht. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf die Versorgung mit dem streitgegenständlichen Bewegungstrainer zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB V).

Grundsätzlich fallen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (vgl. BSG in SozR 4-2500 § 33 Nr. 7). Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen.

Übertragen auf den vorliegenden Fall müssen damit die in den Stellungnahmen des Physiotherapeuten P. und der Ergotherapeutin M. ergänzend angeführten Behandlungsziele der Förderung der Durchblutung, des Kreislaufs, der Verdauung, des psychischen und physischen Wohlbefindens sowie der Thrombose- und Dekubitusprophylaxe von vornherein außer Betracht bleiben, da sie nur allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Mobilisierung von Restfunktionen der Klägerin zielen. Hinsichtlich der prophylaktischen Wirkungen ist ergänzend und in Übereinstimmung mit der Gutachterin Dr. med. E. darauf hinzuweisen, dass entsprechende Vorbeugemaßnahmen durch andere Mittel wie insbesondere Medikamente und Pflegeleistungen erreicht werden können.

Die begehrte Versorgung mit dem Bewegungstrainer weist darüber hinaus keinen ausreichenden Bezug zu einer Krankenbehandlung auf. Denn ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.S.v. § 27 Abs. 1 SGB V kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.S.d. Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung - wie hier mit dem Bewegungstrainer - dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten als wirtschaftlich darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 07. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 32, SozR 4-3250 § 2 Nr. 3).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist die Klägerin - was zwischen den Beteiligten außer Streit steht - dauerhaft auf Maßnahmen der physikalischen Therapie (hier der Physio- und Ergotherapie) angewiesen. Jedoch ist die begehrte Versorgung mit dem Bewegungstrainer nicht geeignet, diese Therapie wesentlich zu fördern oder die Behandlungsfrequenz zu verringern.

Insoweit erscheint es bereits zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall eine Förderung der Krankenbehandlung gegeben ist. Denn angesichts der nur passiven Beweglichkeit der Klägerin kann sie das Hilfsmittel nicht aktiv nutzen, was Zweifel an der Geeignetheit des Bewegungstrainers zur Erreichung des Behandlungsziels der Kontrakturprophylaxe begründet. Insofern hat Dr. E. in ihrer Stellungnahme vom 7. März 2014 überzeugend dargelegt, dass die hierfür erforderliche Behandlungsintensität mit einer passiven Bewegung durch den Bewegungstrainer nicht zu erzielen ist. Im Übrigen haben weder die Klägerin noch der verordnende bzw. behandelnde Arzt einen Therapieplan für den Einsatz des Bewegungstrainers vorgelegt. Die mit "Therapieplan" überschriebene Stellungnahme der Ergotherapeutin M. erfüllt die Anforderungen eines ärztlichen Therapieplans nicht. Ebenso wenig wurde das Gerät von der Klägerin ausreichend und unter ärztlicher Anleitung erprobt. Nach den Angaben ihrer Mutter war eine Nutzungserprobung nur während eines einwöchigen Aufenthaltes im Juli 2007 im M. möglich. Nach den Richtlinien des GKV-Hilfsmittelverzeichnisse ist jedoch zwingend eine vierwöchige Erprobungsphase in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt und den Physio-/ Ergotherapeuten erforderlich. Daher ist auch nicht nachvollziehbar, worauf sich die Einschätzungen der aktuell behandelnden Therapeuten P. und M. stützen.

Letztlich kann der Senat diese Frage dahingestellt sein lassen. Denn selbst wenn man die Geeignetheit des Bewegungstrainers zur Unterstützung der Krankenbehandlung, hier also der Physio- und Ergotherapie als gegeben unterstellt, wäre eine wesentliche Förderung dieser Therapien nicht zu erkennen. Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen des Physiotherapeuten P. und der Ergotherapeutin M. soll die Förderung in einer Muskellockerung bestehen. Damit wird letztlich nur eine für die Physio- bzw. Ergotherapie förderliche Maßnahme im Sinne einer besseren passiven Beweglichkeit der Klägerin beschrieben. Dies macht den Einsatz des Bewegungstrainers aber nicht erforderlich, um den Erfolg dieser Krankenbehandlung zu sichern. Die Krankenbehandlung ist vielmehr auch ohne den Einsatz des Bewegungstrainers erfolgreich möglich. Besondere Umstände, die den therapiebegleitenden Einsatz des Gerätes im Falle der Klägerin notwendig erscheinen lassen, sind jedenfalls weder von der Klägerin noch dem verordnenden Arzt Dr. S., dem behandelnden Dr. R. noch den behandelnden Therapeuten P. und M. dargelegt und im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich.

Schließlich wäre der Einsatz des Bewegungstrainers auch nicht geeignet, die Behandlungsfrequenz für die notwendigen physio- und ergotherapeutischen Behandlungen zu senken. Insoweit liegt auch unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) eine Erforderlichkeit dann nicht vor, wenn die Verordnung eines derartigen Gerätes nicht sonstige physikalische personengebundene Behandlungen kompensiert und dadurch finanziell erspart. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, sowohl ein derartiges Gerät zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig unvermindert weiter die personengebundene Therapie, hier in Form von Krankengymnastik, fortzuführen (vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2005 - L 11 KR 2161/04 m.w.N., juris).

Aufgrund der im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Dr. S. vom 12. Juni 2008 und der MDK-Gutachten der Dipl.-Med. H. vom 30. Januar 2013 und der Dr. E. vom 7. März 2014 steht fest, dass der Einsatz des Bewegungstrainers die Frequenz für die notwendige physiotherapeutischen Behandlungen nicht zu senken vermag. Dr. S. hat im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten angegeben, dass eine Berechnung der Verkürzung der Krankengymnastik nicht erstellt werden kann und das Motomed zur Ergänzung dient, um eigenständige Bewegungsübungen durchführen zu können. Auch in seinem an das SG gerichteten Befundbericht vom 11. Mai 2009 hat er angegeben, dass eine deutliche Reduzierung der Physiotherapie auch bei einem Einsatz des Bewegungstrainers nicht empfehlenswert ist. Dipl.-Med. H. hat in ihrer Stellungnahme vom 30. Januar 2013 überzeugend dargelegt, dass der Bewegungstrainer die Behandlungsfrequenz nicht verringern kann, weil dessen Therapieansatz mit der einer Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage nicht zu vergleichen ist. Ziel einer solchen Therapie ist die Beeinflussung der pathologisch zentralen Bewegungssteuerung. Dies ist mit einem passiven Bewegungstrainer nicht möglich, so dass dessen Einsatz die notwendige physiotherapeutische Behandlung nicht ersetzen kann. Dieses Ergebnis wird im Gutachten der Dr. E. vom 7. März 2014 bestätigt. Sie weist zusätzlich darauf hin, dass die Therapiefrequenz angesichts der bei der Klägerin bereits bestehenden Kontrakturen nicht realistisch erscheine.

Der Senat ist nicht gehindert, die MDK-Gutachten als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Ergeben sich - wie hier - weder aus anderen medizinischen Äußerungen, noch aus dem Vorbringen der Beteiligten Zweifel an der Schlüssigkeit derartiger Gutachten, hat das Tatsachengericht keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 5/00 R, SozR 3-3300 § 15 Nr. 11, SozR 3-3300 § 18 Nr. 1 m.w.N.)

Der Senat folgt nicht der in sich widersprüchlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. R. vom 14. Januar 2014. Er betont zunächst in Übereinstimmung mit den MDK-Gutachtern, dass der Bewegungstrainer eine Ergänzung und kein Ersatz für eine Physiotherapie ist. Es ist dann nicht nachvollziehbar, wie "bei einer guten Anwendung des Motomed die Physiotherapiefrequenz von fünf Einheiten pro Woche auf drei zu reduzieren" sein soll. Im Übrigen ist die damit nur vage und unter Vorbehalt in Aussicht gestellte Verringerung der Therapiefrequenz nicht ausreichend, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu genügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R9014


Informationsstand: 28.05.2020