Das Gericht kann
gem. §§ 12
Abs. 1 Satz 2, 105 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter und ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise angehört worden sind.
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das begehrte Hilfsmittel zu. Der Anspruch ergibt sich aus der eingetretenen Fiktionswirkung, die nicht durch den Bescheid vom 10.06.2017 aufgehoben werden konnte.
Nach
§ 13 Abs. 3a S. 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13
Abs. 3a
S. 2
SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachterlich Stellung (§ 13
Abs. 3a
S. 3
SGB V). Kann die KK die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13
Abs. 3a
S. 5
SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13
Abs. 3a
S. 6
SGB V).
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies: Die Frist begann am 17.05.2017 zu laufen. Denn der maßgebliche Antrag der Klägerin ging der Beklagten (wohl) am 16.05.2017 zu (
vgl. § 26
Abs. 1
SGB X iVm § 187
Abs. 1
BGB); die Kammer unterstellt hier die (mitgeteilten) Angaben der Beklagten als wahr, obgleich der Verwaltungsakte keinerlei Datumsvermerk zu entnehmen ist. Die Frist endete am 06.06.2017 (§ 26
Abs. 1
SGB X iVm § 188
Abs. 2
BGB). Nach dem aufgezeigten Regelungssystem galt die gesetzliche Drei-Wochen-Frist (
vgl. § 13
Abs. 3a
S. 1 Fall 2
SGB V). Denn die Beklagte informierte die Klägerin in der erforderlichen Form weder innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen wollte (
vgl. § 13
Abs. 3a
S. 2
SGB V) noch über Gründe für eine Fristüberschreitung (§ 13
Abs. 3a
S. 5
SGB V).
Demgemäß konnte die Klägerin nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag als genehmigt galt (
vgl. BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13
Nr. 33, RdNr. 28). Maßgeblich ist - wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jeder der behördeninternen Entscheidung über die Information (
vgl. §§ 39, 37
SGB X;
vgl. dazu auch
BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 - B 1 KR 26/16 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 13
Nr. 36, Rn. 29).
Im vorliegenden Fall gab die Beklagte den Bescheid vom 10.06.2017 per einfachen Brief bekannt, so dass grundsätzlich die Bekanntgabefiktion des § 37
Abs. 2
SGB X gilt. Allerdings greift diese nur dann, wenn dem Bescheid ein Absendevermerk oder sonstige Quittierung der Aufgabe zur Post zu entnehmen ist (
vgl. statt vieler: Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auf. 2017, § 37
SGB X, Rn. 97). Daran mangelt es hier. Aber selbst wenn man eine Aufgabe zur Post am 10.06.2017 unterstellen würde, so wäre die Bekanntgabe erst am 13.06.2017 erfolgt und damit nach Ablauf der maßgeblichen Frist am 06.06.2017.
Darüber hinaus sind die weiteren Voraussetzungen eines aufgrund der Genehmigungsfiktion eingetretenen Anspruchs gegeben.
Die begehrte Leistung der Klägerin fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Norm des § 13
Abs. 3a
SGB V. Ausgeschlossen von der Genehmigungsfiktion sind lediglich unmittelbar auf Geld gerichtete Leistungsbegehren sowie Leistungsbegehren, die auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind (
vgl. zum Ganzen
BSG Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R). Hinsichtlich der vorliegend begehrten Hilfsmittelversorgung ist zu beachten, dass die Klägerin dieses Hilfsmittel nicht zum Behinderungsausgleich sondern zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nutzen will. Gegenstände, die unmittelbar der Krankenbehandlung dienen, indem von ihnen ein therapeutischer Erfolgt erhofft wird, sind Hilfsmittel. Hierunter fallen vor allem orthopädische Mittel, wie Stützen und Haltevorrichtungen (Beck/Pilz in: Schlegel/Voelze, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 33
SGB V, Rn. 22). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den ärztlichen Stellungnahmen, dass Gangabläufe deutlich intensiver trainiert und Skelettdeformitäten vermieden werden können. Zudem soll die bessere Aufrichtung der Klägerin erreicht werden. Mithin soll ein therapeutischer Erfolg erreicht werden.
Zudem war/ist die Klägerin aufgrund der Familienversicherung leistungsberechtigtes Mitglied der Beklagten.
Der Antrag der Klägerin auf Versorgung mit dem Innowalk-small war hinreichend bestimmt, um eine Genehmigungsfiktion auszulösen. Der Kostenvoranschlag vom 10.05.2017 sowie die beigefügte ärztliche Verordnung lassen keinen Zweifel, welches Hilfsmittel begehrt wird.
Darüber hinaus betraf der Antrag der Klägerin eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der
GKV liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der
GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des
GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (
vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R - Juris RdNr. 21 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13
Nr. 33, RdNr. 26). Zur Begründung, dass nur Leistungen übernommen werden, die für erforderlich gehalten werden durften und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der
GKV liegen, führt das
BSG aus: Von besonderer Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Auslegung weder das Qualitätsgebot (
§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (
§ 12 Abs. 1 SGB V) entgegensteht (
BSG, Urteil vom 07. November 2017 - B 1 KR 24/17 R). § 13
Abs. 3a
SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von deren Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine KK einem im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragsteller nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13
Abs. 3a
SGB V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Regelung des § 13
Abs. 3a
S. 6
SGB V obsolet (dies verkennend:
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.05.2014 -
L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B - Juris RdNr. 26 ff = NZS 2014, 663; v Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 604; Knispel, SGb 2014, 374 ff;
vgl. dagegen
BSG, Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R;
BSG, Urteil vom 07. November 2017 - B 1 KR 24/17 R).
Der grundsätzliche Anspruch der Klägerin auf Hilfsmittelversorgung folgt aus
§ 33 SGB V. Seitens der Beklagten wird unter Beteiligung des MDK die Wirtschaftlichkeit der Versorgung verneint unter Verweis darauf, dass ein anderes Hilfsmittel vorhanden sei (NF-Walker). Die Klägerin tritt diesen Umständen unter Beibringung von substanziellen ärztlichen Stellungnahmen entgegen. Mithin durfte die Klägerin gefußt auf die Empfehlungen der behandelnden Ärzte die Versorgung für erforderlich halten.
Abschließend ist zu berücksichtigen, dass die entstandene Genehmigung auch nicht später erloschen ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch eine fingierte Genehmigung wirksam bleibt, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. In diesem Sinne ist eine KK nach Fristablauf nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen (
BSG, Urteil vom 07. November 2017 - B 1 KR 24/17 R).
Zu berücksichtigen ist die Besonderheit, dass die Beklagte mit Bescheid vom 10.06.2017 ausdrücklich eine Rücknahme
gem. § 45
SGB X der fingierten Genehmigung regelte und zusätzlich in jenem Bescheid die Leistung materiell-rechtlich ablehnte. Demgemäß ist der Bescheid vom 10.06.2017 - ebenso wie der aufrechterhaltene Widerspruchsbescheid vom 28.02.2018 - zu kassieren.
Eine Rücknahme auf der Grundlage des § 45
Abs. 1
SGB X scheidet aus. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass kein rechtswidriger (Fiktions-)Verwaltungsakt bestand. Das
BSG führt diesbezüglich aus: Maßstab der Rechtmäßigkeit der Genehmigung ist § 13
Abs. 3a
SGB V. In Einklang mit Wortlauf und Entstehungsgeschichte soll nach dem Regelungssystem die Genehmigungsfiktion die Berechtigten vom Risiko entlasten, dass eine beantragte Leistung nicht in den Leistungskatalog der
GKV fällt. § 13
Abs. 3a
SGB V begründet hierzu einen eigenen Anspruch des Berechtigten, den ihnen das Gesetz kraft Genehmigungsfiktion durch fingierten Verwaltungsakt zuerkennt. Der Gesetzgeber ging damit bewusst über den bisher mittels sachleistungsersetzender Kostenerstattung gewährten Schutz hinaus (
vgl. dazu § 13
Abs. 3
SGB V). Während dort die Berechtigten im Streitfall bei auf eigene Kosten selbstbeschafften Leistungen das Risiko der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen ihres Leistungsanspruchs tragen, genügt in den Fällen des § 13
Abs. 3a
SGB V der Eintritt der Genehmigungsfiktion, weil deren Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gesetzgeber begegnet mit der Regelung des § 13
Abs. 3a
SGB V einem spezifischen Systemversagen, der nicht zeitgerechten Entscheidung der KK über eine hiervon erfassten Leistungsantrag. Der berechtigte Antragsteller soll schnell Gewissheit erlangen, ob ihm die beantragte Leistung endgültig zusteht. Dementsprechend ist die KK nach Eintritt der Genehmigungsfiktion zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die dem Berechtigten durch Selbstbeschaffung einer erforderlichen Leistung entstanden sind (
vgl. § 13
Abs. 3a
S. 7
SGB V). Die Berechtigten tragen nur noch das geringere Risiko der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen des Eintritts der Genehmigungsfiktion. Der dabei fingierte Verwaltungsakt erwirkt verfahrensrechtlichen Vertrauensschutz durch die Schranken für seine Beseitigung (
vgl. insbesondere §§ 45, 47, 39
SGB X). Gleichen Schutz wie bei Selbstverschaffung gewährt der Eintritt der Genehmigungsfiktion für Berechtigte, die Erfüllung ihres kraft Genehmigungsfiktion entstandenen Anspruchs in Natur von ihrer KK verlangen. Dieser Naturalleistungsanspruch sichert unter Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes (
Art. 3
Abs. 1
GG), dass Berechtigte ihren Sozialleistungsanspruch nicht nur dann realisieren können, wenn sie hinreichend vermögend sind, um eine sofortige Selbstbeschaffung vorzufinanzieren. Der gesetzliche Regelungszweck würde verfehlt, wollte man einen rechtmäßig nach § 13
Abs. 3a
S. 6
SGB V fingierten Verwaltungsakt als einen eine Leistung rechtswidrig bewilligenden Verwaltungsakt ansehen. Die Gesamtregelung bezweckt, das Interesse aller Berechtigten an einem beschleunigten Verwaltungsverfahren zu schützen und zögerliche Antragsbearbeitung der KKn zu sanktionieren. Eine Genehmigung ist dementsprechend rechtmäßig, wenn die oben aufgezeigten Voraussetzungen der Norm erfüllt sind (§ 13
Abs. 3a
SGB V;
vgl. oben und
BSG, Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R;
BSG, Urteil vom 07. November 2017 - B 1 KR 24/17 R). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion - wie oben ausgeführt - eingetreten.
Darüber hinaus scheidet eine Korrektur auf der Grundlage des § 47
Abs. 1
SGB X aus. Zwar betrifft diese Vorschrift rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte, allerdings sind die äußerst restriktiven Widerrufsbestandsmerkmale (Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten
bzw. nicht erfüllte Auflage) ersichtlich nicht erfüllt. Selbiges gilt für die Norm des § 48
Abs. 1
SGB X, der die Korrektur von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung erfasst.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Kassationsentscheidung der Beklagten vom 10.06.2017 schon daran krankt, dass keine vorherige Anhörung (
vgl. § 24
SGB X) erfolgt ist. Insbesondere der Ausnahmetatbestand des § 24
Abs. 2
Nr. 2
SGB X greift vorliegend nicht (
vgl. zum Ganzen ausführlich: Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 24
SGB X, Rn. 45). Eine Nachholung der Anhörung ist ebenfalls ausgeschlossen, da die maßgebliche Jahresfrist zur Korrektur zwischenzeitlich abgelaufen ist.
Des Weiteren hat sich die (fingierte) Genehmigung auch nicht auf andere Weise erledigt (§ 39
Abs. 1
SGB X). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen (
BSG, Urteil vom 08. März 2016 - B 1 KR 25/15 R). Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vorneherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (
BSG, Urteil vom 07. November 2017 - B 1 KR 24/17 R).
Im vorliegenden Fall sind keine Umstände ersichtlich, aus denen abgeleitet werden könnte, dass die Genehmigung entfallen sein könnte. In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, dass die behandelnden Ärzte fortwährend die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel befürworten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.