Die Antragstellerin begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit einem Bewegungstrainer des Typs "Innowalk" der Firma Made of Movement zum Kauf für insgesamt 21.287,75 Euro.
Der Antrag ist auf den Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG gerichtet. Er ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.
Nach § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist, insbesondere auch ein Eilbedürfnis vorliegt (Anordnungsgrund). Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 920
Abs. 2
ZPO i.V.m. § 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG). Dabei stehen die Prüfungspunkte "Anordnungsanspruch" und "Anordnungsgrund" nicht etwa isoliert nebeneinander, sondern vielmehr in einem Wechselverhältnis zueinander. Das bedeutet, dass an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je geringer der Anordnungsgrund ausgeprägt ist. Umgekehrt sind im Falle der Glaubhaftmachung eines besonders ausgeprägten Anordnungsgrundes die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs verhältnismäßig geringer (
vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 27).
Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, hat er Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Die Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz dürfen auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (
BVerfG, Beschluss vom 27.05.1998 - 2 BvR 378/98, juris, Rn. 17). Bei offenem Ausgang ist eine Folgenabwägung zulässig (
BVerfG, Beschluss vom 13.07.2016 - 2 BvR 134/16, juris, Rn. 8). Dabei sind die Grundrechte der Betroffenen gebührend zu berücksichtigen.
Hiervon ausgehend war dem Antrag auf der Grundlage einer Folgenabwägung stattzugeben. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (hierzu 1). Das Vorliegen eines Anordnungsanspruches lässt sich im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens nicht abschließend klären. Ob das "Innowalk" eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode darstellt, bedarf weitergehender Ermittlungen
(z. B. Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses, Stellungnahme des Herstellers zu technischen Fragen, Sachverständigengutachten zu Nutzerrisiken). Die Antragstellerin hat schlüssige Argumente für das Bestehen eines Anspruchs vorgetragen. Dies ist bei der Gesamtwürdigung von - glaubhaft gemachtem - Anordnungsgrund und - offenem - Anordnungsanspruch für den Erlass einer Regelungsanordnung ausreichend (hierzu 2.).
1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Für die 1998 geborene und an einem Rett-Syndrom leidende Antragstellerin sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und H festgestellt. Vor der Erprobung des "Innowalk" waren in den unteren Extremitäten kein aktiven Bewegungen beobachtbar. Die Beine konnten angestellt gehalten werden, gegen Schwerkraft war allerdings kein Halten der Beine möglich (Reha-Abschlussbericht der Sch-Klinik vom 17.11.2015, Seite 3). Die Stehfähigkeit der Antragstellerin hat deutlich abgenommen, sie kann bei Transferbewegungen
z.B. vom Rollstuhl aufs Bett nur noch 1 Minute die Kraft in ihren Beinen halten. Unterstützte Gehbewegungen finden nahezu nicht mehr statt. Es besteht die dringende Gefahr, dass die Antragstellerin bald auch ihre Stehfähigkeit verliert (so die Fachärztin für Neurologie
Dr. Klemm im Attest vom 08.04.2018).
Deshalb dürfte hier unstreitig sein, dass die Antragstellerin eine effektive Therapie benötigt, um einer weiteren Verschlechterung ihrer Gesundheit entgegenwirken. Sie nimmt derzeit eine hochfrequente Ergo- und Physiotherapie in Anspruch und wurde in der Vergangenheit auch mit dem Hilfsmittel "NF-Walker" versorgt. Letzterer ist seit Anfang 2016 wachstumsbedingt nicht mehr nutzbar (Attest
Dr. K. vom 08.04.2018). Das Annastift hat mit der Antragstellerin das mechanische Gangtrainingsgerät des Typs "Mowego" der Firma Atoform leider ohne Erfolg erprobt. Die Antragstellerin konnte darin weder aktive noch passive Gehbewegungen ausüben. Auch ein Standardstehtrainingsgerät hält das Annastift zur Kontrakturprophylaxe, Mobilisation der Gelenke und Kräftigung der Muskulatur für nicht medizinisch ausreichend. Ein Bewegungstrainingsgerät des Typs "Motomed" sei aufgrund der Versorgung mit dem Sitzschalenrollstuhl ebenfalls nicht möglich (Stellungnahme
Prof. Dr. M. / U. K. des Diakoverere Annastift vom 7.12.2017). Aufgrund der - praktische Erfahrungen einschließend - Stellungnahme des Annastifts erschließt sich für das Gericht nicht, mit welcher Begründung die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 24.5.2018 an der - nach Aktenlage ergangenen - Stellungnahme des MDK vom 30.5.2017 festhält, wonach ein Standardstehtrainer von der Antragstellerin vorrangig einzusetzen sei. Für das Gericht ist bei einer summarischen Prüfung vielmehr glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin dringend eine wirksame Versorgung benötigt und nach derzeitigem Kenntnisstand hierfür nur das Hilfsmittel "Innowalk" konkret in Betracht kommt. Dieses wurde bei der Antragstellerin über ein dreiviertel Jahr andauernd erprobt und hat im individuellen Fall die gewünschte Effektivität gezeigt (Stellungnahme
Prof. Dr. M. / U. K. des Diakovere Annastift vom 7.12.2017).
2. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist offen, weshalb eine Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung ergeht.
Bei dem "Innowalk" handelt es sich um ein Hilfsmittel, das primär einen therapeutischen Nutzen hat und somit der Krankenbehandlung dient. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Zweck eines Behinderungsausgleichs steht bei diesem Hilfsmittel nur im Hintergrund. Gemäß
§ 33 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V - was hier nicht der Fall ist - ausgeschlossen sind. Das Hilfsmittel würde nur dann einem Behinderungsausgleich dienen, wenn es primär dazu eingesetzt wird, um eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu verbessern. Das "Innowalk" ist ein stationäres Hilfsmittel, sodass es - anders als zum Beispiel der "NF-Walker" - nicht auch dazu dient, den Bewegungsradius der Antragstellerin zu erweitern. Allein die Vertikalisierung durch das "Innowalk" und die so ermöglichte Kommunikation "auf Augenhöhe" ist aus Sicht des Gerichts noch nicht ausreichend, um es primär als Behinderungsausgleich einzuordnen. Das "Innowalk" ist vielmehr eine Stimulations- und Aktivierungshilfe, mit denen sich Verbesserungen der Beweglichkeit, des Schlafs, der Verdauungsfunktion, der Krampfneigung und - bei einigen Kindern auch - der Gehfunktion erreichen lassen (Ziffer 8 des übersetzten Auszugs aus einer Studie des norwegischen Kostenträgers NAV). Damit steht der therapeutische Nutzen im Vordergrund.
Handelt es sich somit primär um ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung, so besteht ein Leistungsanspruch gemäß § 33
Abs. 1
SGB V nur dann, wenn dieses "im Einzelfall erforderlich" ist.
Bei summarischer Prüfung ist das "Innowalk" für die Antragstellerin erforderlich,
d. h. es ist für die Behandlung ihrer Erkrankung medizinisch geeignet und unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten angemessen. Die medizinische Eignung ergibt sich bei summarischer Prüfung aus der Stellungnahme des Annastifts vom 7.12.2017 und der Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie
Dr. K. vom 8.04.2018. Die Wirtschaftlichkeit einer Versorgung folgt daraus, dass ein anderes gleich geeignetes Hilfsmittel nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zur Verfügung steht und im Falles eines Verlusts der Stehfähigkeit der Antragstellerin andere, derzeit noch vermeidbare Kosten auf die Antragsgegnerin zukommen würden (
z.B. die Anschaffung mobiler Lifter).
Im Kern dieses Rechtsstreits geht es jedoch um die Frage, ob das "Innowalk" eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iSv
§ 135 SGB V darstellt mit der Folge, dass eine Bewilligung durch die Antragsgegnerin vorliegend nicht erfolgen könnte. § 135
SGB V enthält folgend Regelung:
(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach
§ 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1
Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, dass diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Staffelung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist. Hat der Gemeinsame Bundesausschuss in einem Verfahren zur Bewertung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode nach Ablauf von sechs Monaten seit Vorliegen der für die Entscheidung erforderlichen Auswertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch keinen Beschluss gefasst, können die Antragsberechtigten nach Satz 1 sowie das Bundesministerium für Gesundheit vom Gemeinsamen Bundesausschuss die Beschlussfassung innerhalb eines Zeitraums von weiteren sechs Monaten verlangen. Kommt innerhalb dieser Frist kein Beschluss zustande, darf die Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden.
Der Umstand, dass das "Innowalk" noch nicht in das Hilfsmittelverzeichnis des
GKV-Spitzenverbandes aufgenommen ist, ist eine hiervon zu unterscheidende Frage. Die Prüfung des medizinischen Nutzens eines Hilfsmittels durch den
GKV-Spitzenverband ist nicht gegenüber dem Methodenbewertungsverfahren durch den GBA vorrangig. Das Hilfsmittelverzeichnis des
GKV-Spitzenverbandes ist für den Anspruch der Versicherten auch nicht verbindlich (
BSG, Urteil vom 8.07.2015 -
B 3 KR 6/14 R, juris, Rn. 15 f.). Deshalb spielt es keine Rolle, dass nach einer telefonischen Auskunft des
GKV-Spitzenverbandes vom 31.07.2018 aktuell kein Antrag des Herstellers auf die Aufnahme des Hilfsmittels "Innowalk" in das Hilfsmittelverzeichnis anhängig ist. Zwar habe es im August 2016 bereits einmal einen Antrag gegeben, die der Hersteller nach einer Nachforderung von Unterlagen seinerzeit aber zurückgenommen habe. Das von der Antragstellerin vorgelegte Schreiben der Firma BEO MedConsulting Berlin
GmbH vom 4.09.2017 besagt hierüber nichts abweichendes, da hierin nur die Erstellung des Antrags auf Aufnahme des "Innowalk" in die Produktgruppe 32 ("Therapeutische Bewegungsgeräte") des Hilfsmittelverzeichnisses bestätigt wird, nicht aber eine bereits erfolgte Einreichung dieses Antrags.
Vielmehr kommt dem vom GBA durchzuführenden Methodenbewertungsverfahren nach § 135
Abs. 1
SGB V der Vorrang zu, soweit der Einsatz eines Hilfsmittels untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode verbunden ist. Eine Empfehlung des GBA für das "Innowalk" oder ein Antrag auf eine Methodenbewertung liegen bisher nicht vor. Ob eine Empfehlung des GBA erforderlich ist
bzw. ob es sich beim "Innowalk" um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, ist zwischen den Beteiligten streitig geblieben und auch im Rahmen dieses Eilverfahrens nicht abschließend zu beurteilen.
Eine Behandlungsmethode ist dann "neu", wenn ihr ein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grund liegt. Sie ist auch dann "neu", wenn sie aus einer Kombination verschiedener - für sich allein jeweils bereits anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen besteht, die in ihrer Kombination eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren. Ob eine Änderung oder Erweiterung wesentlich ist, ist am Schutzzweck des § 135
Abs. 1
SGB V zu orientieren. Danach dient die Notwendigkeit einer Empfehlung das GBA, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zulasten der
GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz des Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen
bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leitungspflicht der
GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungen und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (
BSG, Urteil vom 8.07.2015 -
B 3 KR 6/14 R, juris, Rn. 21).
Das theoretische Konzept des "Innowalk" besteht in einer unterstützenden Vertikalisierung und einem fremdkraftbetriebenen Beintraining. Beide Ansatzpunkte sind für sich betrachtet nicht neu. "Stehtrainer" in feststehender und fahrbarer Ausführung sind in Gruppe 28 des
GKV-Hilfsmittelverzeichnisses gelistet. Und "Fremdkraftbetriebene Funktionstrainer für Arme und Beine" sind in der Gruppe 32 des
GKV-Hilfsmittelverzeichnisses gelistet. Für die fremdkraftbetriebenen Funktionstrainer sind als Indikation
z.B. neuromuskuläre Erkrankungen genannt und die Beschreibung lautet wie folgt (Gruppe 32, Ortsnummer 29, Untergruppe 01,
Art. 0):
"Fremdkraftbetriebene Kombinationstrainer für Arme und Beine ähneln in ihrer Konstruktion sog. Fahrradergometern. Sie besitzen jedoch keinen Sattel, da das Bewegungstraining sitzend aus dem Rollstuhl
etc. durchgeführt wird.
Bei fremdkraftbetriebenen Kombinationstrainern für Arme und Beine bewegt ein Motor passiv beide Beine
bzw. Arme durch. Über eine Steuerelektronik können Motorgeschwindigkeit und Drehrichtung beeinflusst und überwacht werden.
An den Radius und teilweise im Abstand verstellbaren Tretkurbeln befinden sich Fußschalen, in denen die Füße fixiert und gelagert werden, und die auch mit Beinführungen ausgestattet sein können.
Zusätzlich zu den Tretkurbeln sind Handkurbeln für das Armtraining vorhanden.
An den Handkurbeln befinden sich Griffe und Armlagerungsschalen.
Fremdkraftbetriebene Kombinationstrainer ermöglichen ein kontinuierliches Beweggen der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke,
bzw. der Hand-, Arm- und Schultergelenke.
Das Training der Arme und Beine kann unabhängig voneinander oder auch gleichzeitig durchgeführt werden.
Um eine weitestgehende Sicherheit des Nutzers zu gewährleisten, sind die Geräte mit einer "Spasmenschaltung" ausgerüstet, d.h. bei einer auftretenden Spastik wird das Gerät nicht einfach abgeschaltet oder fährt in der Bewegung ungehindert fort, sondern durch eine Drehrichtungsänderung oder Pendelbewegung
etc. wird der Spastik entgegengewirkt. Dieser Vorgang wird elektronisch überwacht.
Wenn eine eigenhändige Abschaltung
z.B. durch Fixierung der Arme o.ä. nicht möglich ist, muss eine Betreuungsperson die Therapiephase überwachen.
Diese Produkte sind für einen leihweisen Einsatz geeignet."
Das "Innowalk" setzt sich aus beiden Komponenten zusammen. Ob die einzelnen Maßnahmen - Stehständer und fremdkraftbetriebenes Training - hierdurch eine wesentliche Änderung erfahren, erscheint fraglich. Dafür könnte sprechen, dass die Wirkung auf den Körper bei Bewegungstrainern, die im Sitzen ausgeführt werden und zugelassen sind (
z.B. "Motomed") anders auf den Körper wirken als Bewegungstrainer, die - wie das "Innowalk" - im Stehen ausgeführt werden. Dagegen ließe sich argumentieren, dass diese Änderung nicht wesentlich ist. Nach dem Schutzzweck des § 135
Abs. 1
SGB V kommt es für die Frage der Wesentlichkeit einer Änderung maßgeblich auf das potentielle Anwendungsrisiko für einen Versicherten an. Deshalb ist eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode auch dann "neu", wenn sie nicht nur im Rahmen beausichtigter physiotherapeutischer Behandlungen, sondern zu Hause in Selbstanwendung durchgeführt wird. In diesem Fall wird der GBA nämlich zu prüfen haben, ob das Risiko einer Überbelastung oder Falschbelastung im Rahmen der Selbstanwendung besteht (
vgl. BSG, Urteil vom 8.07.2015 - B 3 KR 6/14 R, juris, 24
ff.). Auch die fremdkraftbetriebenen Kombinationstrainer der Gruppe 32 des
GKV-Hilfsmittelverzeichnisses sind nur dann überwachungspflichtig, wenn eine eigenständige Abschaltung nicht möglich ist. Wenn eine eigenständige Abschaltung möglich ist, sind dem Hilfsmittelverzeichnis dagegen keine Einschränkungen für eine Eigenanwendung zu entnehmen. Das "Innowalk" verfügt über eine Spastikkontrolle, die den Motor im Falle eines zu starken Gegendrucks automatisch so lange abgeschaltet, bis die Spastik sich gelöst hat. Es bedarf weiterer Ermittlungen, ob das potentielle Nutzerrisiko des "Innowalk" gleichwohl ein Maß erreicht, das eine Methodenbewertung des GBA erforderlich ist. Hierfür kommt eine Befragung des GBA, aber auch ein Sachverständigengutachten über die technische Ausführung und mögliche Risiken des "Innowalk" in Betracht.
Ob das "Innowalk" eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iSv § 135
SGB V darstellt, wird sich abschließend erst in einem Hauptsacheverfahren klären lassen. Auf diese Klärung kann auch nicht verzichtet werden unter Hinweis auf
§ 2 Abs. 1a SGB V. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, die medizinische Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, im Einzelfall auch eine Leistung beanspruchen, deren Qualität und Wirksamkeit noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, aber gleichwohl eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankenverlauf besteht. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift mit Wirkung ab dem 1.01.2012 einfachgesetzlich niedergelegt, was das Bundesverfasssungsgericht im Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß
Art. 2
Abs. 2 Satz 1
GG von ihm Gefordert hat (
vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.03.2014 - 1 BvR 2415/13, juris, Rn. 9
ff.). Der drohende Verlust einer Stehfähigkeit dürfte keine einer regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung sein, das die Ausnahmeindikation nach § 2
Abs. 1a
SGB V eng auszulegen ist (
BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 12/06 R, juris, Rn. 16; a .A.wohl
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.03.2011 - L 4 KR 48/11 B ER, juris, Rn. 25).
Vor diesem Hintergrund nimmt das Gericht eine Folgenabwägung vor, die wegen der Gefahr eines Verlusts der Stehfähigkeit der Antragstellerin, des vom Annastift bescheinigten Fehlens anderer gleich wirksamer Hilfsmittel sowie der positiven Erprobung des "Innowalk" im Falle der Antragstellerin zu deren Gunsten ausfällt. Nach telefonischer Auskunft der Firma Made für Movement kostet das "Innowalk" in der Version Medium als Mietprodukt monatlich 595 Euro netto
zzgl. einer Anpasspauschale iHv 500 Euro. Dem steht ein Kaufpreis iHv 21.287,75 Euro gegenüber (Kostenvoranschlag vom 03.02.2017). Die gesundheitlichen Interessen der Antragstellerin überwiegen das wirtschaftliche Interesse der Antragsgegnerin.
Eine vorläufige Versorgung der Antragstellerin kann auf beide Weise - Kauf oder Miete - umgesetzt werden, eine Entscheidung hierüber obliegt der Antragsgegnerin. Das Gericht sieht von der Anordnung einer Sicherheitsleistung durch die Antragstellerin gemäß § 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG iVm § 921 Satz 1
ZPO vorliegend ab, weil diese Sozialhilfe bezieht (Schriftsatz der Antragstellerin vom 11.7.2018) und deshalb davon auszugehen ist, dass sie keine Sicherheiten leisten kann. Die Regelungsanordnung wird in entsprechender Anwendung des § 86b
Abs. 1 Satz 3
SGG unter der Auflage erlassen, dass die Anwendung des "Innowalk" im häuslichen Umfeld durch eine geeignete Person,
z.B. durch die Mutter der Antragstellerin oder eine andere in den Gebrauch eingewiesene Person, zu überwachen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1
SGG.