Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch des Berufungsverfahrens.
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Versorgung mit einem sogenannten Fußheber- und Oberschenkelsystem (Bioness L 300 und L 300 plus) streitig.
Die am 1978 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an Multipler Sklerose (
MS) mit sekundär chronischem Verlauf (Erstmanifestation und -diagnose Dezember 2004). Seit Januar 2007 erfolgt eine medikamentöse Behandlung mit Tysabri, unter der es zu keinem weiteren Krankheitsschub gekommen ist. Wegen ausgeprägten Extremitäten- und Rumpftremor erfolgte im Januar 2012 eine tiefe Hirnstimulation (Thalamus, bilateral VIM). Ein Grad der Behinderung von 90 und die Merkzeichen "G", "B" und "aG" sind festgestellt. Seit 2007 bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit beschrieb Pflegefachkraft W., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung, in ihrem Gutachten vom 23. September 2013 als pflegebegründende Diagnosen eine Mobilitätseinschränkung und Gangunsicherheit bei
MS, eine links betonte Tetraspastik, eine partielle Darm- und Blasenschwäche sowie eine bilaterale VIM zur Hirnstimulation. Das Gehen in der Wohnung am Rollator sei ausreichend sicher, das Gangbild breitbasig; es bestehe eine linksbetonte Spastik. Für weitere Spaziergänge werde der Rollstuhl genutzt; freies Stehen sei nicht möglich.
Vom 2. bis 23. Juni 2014 befand sich die Klägerin in stationärer neurologischer Rehabilitation. Im Entlassbericht vom 29. Juli 2014 nannte
Prof. Dr. F. bei vorgenannten Diagnosen als Funktionsstörungen eine Extremitäten- und Rumpfataxie, eine linksbetonte spastische Paraparese, eine Feinmotorikstörung beidseits und eine Dysarthrie. Die Rumpfausrichtung und die Beweglichkeit der oberen Extremitäten zeigten sich bei Entlassung verbessert. Fortschritte hinsichtlich des Gehvermögens wurden nicht benannt.
Am 26. März 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Versorgung mit einem Fußheber- und Oberschenkelsystem Bioness L300 plus als Hilfsmittel. Beilegt wurde die Verordnung des Arztes für Neurologie
Fa. vom 13. März 2015 über das genannte System nach erfolgreicher Erprobung wegen
MS; als Zeitraum der Versorgung wurde "auf Dauer" angegeben. Nach dem vorgelegten Kostenvoranschlag des Sanitätshauses vom 24. März 2015 umfasste die begehrte Versorgung ein NESS L300 Fußhebersystem links (
EUR 4.943,40), ein NESS L300 Plus upgrade (
EUR 3.120,12), Anamnese, Vorgespräche mit Ärzten und Therapeuten, Anpassung, Einweisung
etc. (
EUR 874,73), je zehn Sätze Kontaktelektroden und Elektroden Plus upgrade (
EUR 125,83 und
EUR 166,92), die Dokumentation der Testversorgung,
ICF-Score Bewertung, Dokumentation
etc. (
EUR 233,26); insgesamt
EUR 9.464,26. Beigelegt wurde des Weiteren die Dokumentation der Testversorgung vom 11. März 2015 durch Sanitätshaus und der Patientenfragebogen.
Unter dem 26. März 2015 informierte die Beklagte die Klägerin über Einschaltung des MDK sowie mit Schreiben vom 7. April 2015 über eine Verzögerung beim MDK.
In seinem Gutachten vom 8. April 2015 kam
Dr. Z., MDK, zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel seien nicht erfüllt. Versorgungsziel sei die Verbesserung der Gehfähigkeit. Die Fähigkeit zur Nutzung sei unklar, da für längere Gehstrecken ein Rollstuhl benutzt werde. Das Gangbild erscheine - u.a. nach Auswertung der vorgelegten Videoaufzeichnung - auch mit Fußhebersystem ungelenk. Das Fußhebersystem sei ein Muskelschrittmacher für die Fußhebermuskulatur, der durch elektrische Impulse die Fußhebermuskulatur zur Kontraktion bringe. Dabei würden die Impulse durch einen Fußsohlensensor gesteuert. Bei der Klägerin sei aber durch die
MS die gesamte Beinmuskulatur in ihrer Koordination und Kraft gestört. Die Gangstörungen der Klägerin seien also nicht allein durch eine Fußheberschwäche bedingt. Auch herkömmliche statische oder dynamische Fußheberorthesen könnten einem Fallfuß links entgegenwirken. Die Überlegenheit des begehrten Systems sei nicht bewiesen, da bei der Videodokumentation des Gangbilds kein Vergleich mit einer angepassten Peronäusschiene erfolgt sei.
Mit Bescheid vom 14. April 2015 lehnte die Beklagte die begehrte Versorgung ab, da die medizinischen Voraussetzungen für das Hilfsmittel nicht vorlägen. Nach Abklärung durch den MDK fehle der Nachweis, dass allein durch das begehrte System die Gehfähigkeit gebessert werden könne. Empfohlen werde eine Peronäusschiene.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, das begehrte System bestehe aus drei Komponenten (Beinmanschetten, Gangsensor, Fernbedienung mit jeweils kabelloser Verbindung). Durch den an der Ferse angebrachten Sensor erkenne das Gerät die Schrittphase und gebe entsprechende Kontraktions- oder Relaxationsimpulse. Eine Peronäusschiene bewirke allein, dass die Fußspitze nicht absinke. Das zum normalen Laufen nötige Anheben der Fußspitze könne sie hingegen nicht erreichen. Das Hilfsmittel vermittle dem Anwender die folgenden Behinderungsausgleiche: sichereres und einfacheres Gehen, Gehen auf ebenem oder unebenem Untergrund, Treppensteigen und -hinuntergehen. Zur Funktionsweise und zur Verbesserung der Mobilität lägen drei - im einzelnen genannte - Studien aus den Jahren 2005 bis 2009 vor. In erster Linie handle es sich um ein Mobilitätshilfsmittel; soweit damit therapeutische Effekte erreicht würden, würden diese gern hingenommen, aber nicht vordergründig bezweckt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) schulde die Krankenversicherung bei einem - wie vorliegend - unmittelbaren Behinderungsausgleich einen möglichst weitgehenden Ausgleich im Sinne eines Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen; dies gelte auch bei einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels impliziere grundsätzlich dessen Wirtschaftlichkeit (Verweis u.a. auf
BSG, Urteil vom 25. Juni 2009 -
B 3 KR 19/08 R - juris). Die Ablehnung stelle einen Eingriff in die ärztliche Verordnungshoheit dar (Verweis auf
BSG, Urteil vom -
B 3 KR 14/10 R - juris). Das streitige Hilfsmittel sei in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bereits als kostenübernahmefähig anerkannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2015, der Klägerin am 21. Oktober 2015 bekanntgegeben, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch, gestützt auf die Ausführungen von
Dr. Z., als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20. November 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), mit der sie die Versorgung mit einem NESS L300 plus Fußhebersystem mit Oberschenkelführung begehrte. Sie legte zur Begründung über ihr bisheriges Vorbringen hinaus eine Aufstellung von sozialgerichtlichen Verfahren vor, in denen eine Versorgung mit dem streitigen Hilfsmittel anerkannt oder zugesprochen worden sei. Ergänzend führte sie aus, mit Hilfsmittel sei ihr sogar wieder das Treppensteigen möglich. Der gerichtliche Sachverständige (dazu unten) habe widerspruchsfrei dargelegt, dass sie im Rahmen der Mobilität vom streitigen Hilfsmittel profitieren könne. Aus dem Gutachten ergebe sich auch, dass das Hilfsmittel nicht zur Krankenbehandlung, sondern zum Behinderungsausgleich diene. Einer Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedürfe es daher nicht. Durch die CE-Kennzeichnung sei belegt, dass das Hilfsmittel die Anforderungen nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) erfülle.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Auch im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs sei unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht jede optimale Versorgung geschuldet. Eine kostenaufwändige Versorgung sei dann in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung eingeschlossen, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt werde, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative biete (Verweis auf
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 3 KR 20/08 R - juris). Der MDK habe solche wirtschaftlicheren Maßnahmen genannt. Auch unter Berücksichtigung der Angaben des Arztes
Fa. als sachverständige Zeuge (dazu unten) sei kein Vorteil des Hilfsmittels für die Klägerin zu erkennen. Dem Entlassbericht von
Prof. Dr. F. sei zu entnehmen, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt bereits seit
ca. vier bis fünf Jahren nicht mehr frei habe gehen können; die Fortbewegung sei bereits damals nur mit dem Rollator und nur für kurze Strecken von maximal 80 m möglich gewesen. Der gerichtliche Sachverständige habe die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit widersprüchlich beantwortet. (65/68) Im Übrigen sei weder die vertragsärztliche Verordnung eines Hilfsmittels noch seine Listung im Hilfsmittelverzeichnis verbindlich für die Leistungspflicht der Krankenkasse (
BSG, Urteil vom 10. März 2011 -
B 3 KR 9/10 R - juris). Eine Auswertung des Anwenderhandbuches des Herstellers zeige, dass es mit dem bloßen Anlegen des Geräts nicht getan sei. Vielmehr sei eine umfangreiche tägliche Wartung und Pflege nötig. Unter Berücksichtigung des Standes der Erkrankung der Klägerin sei davon auszugehen, dass diese mit Bedienung, Wartung und Pflege nicht allein zurechtkommen werde. Laut Handbuch werde empfohlen, das Gerät nach drei bis vier Stunden für 15 Minuten abzulegen. Es könne zu Hautreizungen kommen; dann müsse die Anwendung des Hilfsmittels unterbrochen werden. Unterbrechungen ergäben sich auch beim Laden des Akkus oder Verschleiß von Teilen. Für diese Fälle sei eine normale Orthese nötig, dadurch bestehe eine Doppelversorgung. Das Gerät verfüge über einen Trainingsmodus, durch den ohne eigene Bewegung eine Stimulation zur Reaktivierung der Muskulatur, Verhinderung oder Verzögerung der Muskelatrophie, Aufrechterhaltung oder Verbesserung des Bewegungsspielraums der Fußgelenke und Erhöhung der lokalen Durchblutung erfolgen solle und der vom behandelnden Spezialisten voreinzustellen sei. Dabei handle es sich um eine neue Behandlungsmethode
i.S.d. § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), so dass nach der Rechtsprechung des
BSG (Urteile vom 8. Juli 2015 -
B 3 KR 5/14 R - und -
B 3 KR 6/14 R - beide juris) eine positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschusses nötig sei. Das streitige Hilfsmittel solle nach seiner Konzeption sowohl dem Behinderungsausgleich als auch Therapiezwecken dienen. Wegen der untrennbaren Verbindung der beiden Zwecke sei positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nötig hinsichtlich Nutzen, Risiken und Wirtschaftlichkeit. Nicht entscheidend sei, ob subjektiv für die Klägerin der unmittelbare Behinderungsausgleich im Vordergrund stehe. (73/74)
Das SG zog den Entlassbericht von
Prof. Dr. F. bei und befragte Arzt
Fa. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser beschrieb in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2016 ein unsicheres Gangbild; aufgrund der immer wieder einschießenden Streckspastik sei das Gehen unsicher mit deutlich erhöhter Sturzneigung. Das Gehen erfolge für kurze Wegstrecken mit zwei Ein-Punkt-Gehstöcken, für längere bedürfe die Klägerin eines Rollstuhls. Beim Versuch redressierender Maßnahmen, wozu auch eine Peronäusschiene zähle, sei es zu einer Zunahme der Streckspastik und hierdurch eher zur Verschlechterung des Gehvermögens gekommen. Er habe daher auf die Möglichkeit eines elektrischen Fußhebersystems hingewiesen. Dessen Vorteil gegenüber einer Peronäusschiene bestehe darin, dass durch die Stimulation des Fußhebers der Fuß in der Standphase nicht mehr hängenbleibe, so dass sich das Stolpern und die Sturzgefahr reduzierten. In dem vom Gehen unabhängigen Modus könne es als Trainingsgerät zum Muskelaufbau zu verwendet werden. Das Bücken werde möglich, da die Flexion im Sprunggelenk im Gegensatz zur Peronäusschiene nicht eingeengt werde. Das Hilfsmittel beseitige nicht die zugrundeliegende Pathologie; das Gehen werde daher aufgrund der Tetraspastik weiterhin ungelenk bleiben. Durch das System werde aber eine Symptomverbesserung hin zu einem physiologischen Gehen möglich, was sich dann nicht mehr nur auf die Gang- und Standsicherheit, sondern auch auf den Muskeltonus der Extremität günstiger auswirke. In einem Schreiben vom 23. Januar 2017 gab er ergänzend an, er selbst verfüge seit sieben Jahren über ein solches Hilfsmittel; das Anlegen sei unproblematisch und könne von der Klägerin ohne Schwierigkeiten geleistet werden.
So dann bestellte das SG den Facharzt für Neurologie
Dr. C. zum gerichtlichen Sachverständigen. In seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 7. September 2016 am selben Tag erstatteten Gutachten stellte dieser die Diagnose einer Encephalomyelitis disseminata (
MS) mit sekundär chronisch-progredienten Verlauf. Eine zwingende medizinische Notwendigkeit zum Einsatz des begehrten Systems bestehe nicht; die chronisch fortschreitende Grunderkrankung werde sich durch das Hilfsmittel nicht kausal beeinflussen lassen. Ein wesentlicher therapeutischer Effekt im Sinne der Kräftigung der Muskulatur sei aus seiner Sicht nicht zu erwarten. Eine Nutzung durch Klägerin sei zweifelsfrei möglich. Mit dem begehrten System seien eine Erweiterung der Gehstrecke in der Ebene von 200 m auf 400 m, eine etwa hälftige Verminderung der hierfür erforderlichen Anstrengung und eine Steigerung der Gehgeschwindigkeit um etwa ein Drittel zu erwarten. Der Rollator werde weiterhin nötig sein; der Einsatz des Rollstuhls könnte jedoch häufiger vermieden werden, insbesondere bei Distanzen bis zu 400 m. Im Alltag wäre dadurch eine Erweiterung der Selbständigkeit zu erreichen (
z.B. bei Einkäufen o.ä.). Ein vergleichbarer Effekt durch den Einsatz einer rein mechanischen Peronäusschiene habe in der Vergangenheit nicht erreicht werden können. Das begehrte System sei daher als medizinisch erforderlich anzusehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2017 hob das SG den Bescheid vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2015 auf und verurteilte die Beklagte, die Klägerin mit dem Fußhebersystem NESS L300 komplett links der Firma Bioness Inc. zu versorgen. Die Klägerin habe Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel. Vorliegend solle das Hilfsmittel nur zum Behinderungsausgleich, der durch die
MS hervorgerufenen linksbetonten spastischen Paraparese, eingesetzt werden, nicht im Rahmen einer ärztlichen Behandlung. Der Gebrauchsvorteil, den das begehrte Hilfsmittel im Vergleich zur Versorgung mit einer Peronäusschiene biete, diene in erheblichem Umfang den vom
BSG im Rahmen des Behinderungsausgleichs näher bezeichneten Grundbedürfnissen, hier der Fortbewegung. Der Gebrauchsvorteil sei darin zu sehen, dass das Fußhebersystem die noch mögliche Gehstrecke von 200 m auf 400 m erweitere, die dafür erforderliche Anstrengung vermindere und die Gehgeschwindigkeit steigere. Dadurch könne öfters auf die Benutzung eines Rollstuhls verzichtet werden. Die Sturzgefahr werde verringert. Die Erweiterung der Gehstrecke um 100 % stelle eine entscheidende Erweiterung der Selbständigkeit im Alltag hinsichtlich Einkäufen und anderen Erledigungen dar. Auch die damit verbundene Kraftersparnis wirke sich positiv auf die Alltagsgestaltung aus. Unter Anwendung einer Peronäusschiene komme es zu einer Zunahme der Streckspastik und hierdurch eher zu einer Verschlechterung des Gehvermögens. Die Vorteile des Fußhebersystems seien weder auf spezielle Lebensbereiche begrenzt noch erschöpften sie sich in der Bequemlichkeit oder im Komfort der Nutzung. Die höheren Kosten der Versorgung seien unter Berücksichtigung der Gebrauchsvorteile nicht unverhältnismäßig hoch und damit nicht unwirtschaftlich. Dass die Klägerin mit Anwendung, Pflege oder Wartung des Systems überfordert sei, sei nicht erkennbar.
Gegen diesen ihr am 1. Februar 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 13. Februar 2017 Berufung beim Landessozialgericht (
LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
In Ausführung der sozialgerichtlichen Entscheidung hat die Beklagte der Klägerin die begehrte Versorgung vorläufig gewährt und unter Berücksichtigung eines Eigenanteils von
EUR 10,00 für das Hilfsmittel NESS L300 Fußhebersystem links bioness mit Zubehör unter Vorbehalt der Rückgabe Kosten in Höhe von
EUR 9.514,61 übernommen (Bescheid vom 4. Mai 2017).
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte vertiefend ihre Ausführungen zu einer untrennbaren Verbindung zwischen Behinderungsausgleich und Behandlungsmethode nach der Konzeption des Hilfsmittels und der daher bestehenden Notwendigkeit einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wiederholt. Dies sei auch den Ausführungen des Arztes
Fa. zu entnehmen. Dieser habe auf einen auch möglichen Einsatz als Trainingsgerät hingewiesen und ausgeführt, durch das System sei eine Symptomverbesserung hin zu einem physiologischeren Gehen möglich. Das Gerät werde also im Rahmen einer ärztlichen Behandlung eingesetzt. Auch wenn die Klägerin das Gerät mittlerweile offensichtlich erfolgreich nutze, ersetze dies nicht die notwendige Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Ergänzend hat sie Urteile der Sozialgerichte Speyer (vom 28. April 2016 - S 17 KR 476/14 - juris), Kassel (vom 14. Februar 2018 - S 12 KR 300/17 - nicht veröffentlicht) und Berlin (vom 3. November 2017 -
S 112 KR 218/16 - juris; nicht rechtskräftig) verwiesen, die ihre Auffassung stützten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat vertiefend ausgeführt, das streitgegenständliche Hilfsmittel diene vorliegend als Mobilitätshilfsmittel und ersetze unmittelbar die verlorenen Körperfunktionen. Das Gerät helfe ihr seit der Versorgung auch beim Treppensteigen. Auch bei einer Versorgung mit einer mechanischen Orthese setzten Trainingseffekte ein, so werde
z.B. durch die verbesserte Bewegungsmöglichkeit in der Regel die Muskulatur aufgebaut. Auch die mechanische Orthese werde durch diesen positiven Nebeneffekt nicht zu einem Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung. Das Bayrische
LSG (Urteil vom 23. Oktober 2017 -
L 4 KR 349/17 - juris) habe zu einem vergleichbaren Fußhebersystem mit Trainingsmodus entschieden, dass der Schwerpunkt der Versorgung gleichwohl im Behinderungsausgleich liege und im Übrigen Bedenken hinsichtlich eines Wirksamkeitsnachweises mittlerweile nicht mehr griffen. Vielmehr seien Hilfsmittel, die mit funktioneller Elektrostimulation arbeiteten, zwischenzeitlich in die Produktgruppe 9 des Hilfsmittelverzeichnisses aufgenommen worden, so dass es sich nicht mehr um eine "Methode" handeln könne, deren Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss es noch bedürfte. Da es sich vorliegend aber ohnehin um einen Behinderungsausgleich handle, gelte die Beschränkung der
§§ 2 Abs. 1 Satz 3,
12 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
1. Die nach § 151
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft
gem. §§ 143, 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1. Die begehrte Sachleistung übersteigt den Beschwerdewert von
EUR 750,00, da die Kosten hierfür
EUR 9.514,61 betragen.
2. Gegenstand des Verfahrens ist auch im Berufungsverfahren das Begehren der Klägerin auf Versorgung mit einem Fußheber- und Oberschenkelsystem nebst Begleitleistungen (Zubehör, Einführung, Dokumentation der Testversorgung) als Sachleistung. Dem steht nicht entgegen, dass der Klägerin mittlerweile das begehrte Gerät zur Verfügung gestellt wurde. Denn die hierfür von der Beklagten erteilte Kostenübernahme ist ausweislich des Bescheides vom 4. Mai 2017 bei laufendem gerichtlichen Verfahren nur vorläufig bewilligt worden. Ausdrücklich hat sich die Beklagte vorbehalten, nach einer Entscheidung des Senats die Rückgabe der Versorgung geltend zu machen. Eine endgültige, das Begehren erledigende Versorgung ist damit nicht erfüllt. Streitbefangen ist damit der Bescheid vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2015. Der Ausführungsbescheid vom 4. Mai 2017 ist nicht, auch nicht nach § 96
Abs. 1
SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. § 96 Rn. 4b
m.w.N.). Das Begehren umfasst in der Sache trotz der undifferenzierten Bezeichnung in den genannten Bescheiden nicht nur das Fußhebersystem NESS L300, sondern auch das Oberschenkelgerät NESS L 300 plus. Dieses war nach Verordnung und vorgelegtem Kostenvoranschlag bereits im Verwaltungsverfahren begehrt worden; dieses Begehren hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden insgesamt abgelehnt. Gleiches gilt für die genannten Begleitleistungen.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die begehrte Versorgung zu gewähren. Der Bescheid vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Diese hat Anspruch auf die begehrte Versorgung. Sie erfüllt die Eingangsvoraussetzungen des Leistungsanspruches (dazu a). Bei dem begehrten System handelt es sich um ein Hilfsmittel (dazu b), das zur Erreichung des Versorgungszwecks (dazu c) erforderlich ist (dazu d). Der Anspruch erstreckt sich auch die vom Begehren umfassten Begleitleistungen (dazu e).
Nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
a) Die bei der Beklagten versicherte Klägerin hat aufgrund der bei ihr bestehenden
MS-Erkrankung mit linksbetonter spastischer Paraparese gemäß
§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, die nach Satz 2
Nr. 3 auch die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst.
b) Bei dem begehrten Fußheber- und Oberschenkelsystem nebst Zubehör handelt es sich um eine sächliche medizinische Leistung und damit um ein Hilfsmittel. Es besteht kein Ausschluss als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens oder durch
Rechtsverordnung nach § 34
Abs. 4
SGB V.
c) Das Fußheber- und Oberschenkelsystem dient im vorliegenden Fall dem Versorgungszweck des Behinderungsausgleichs.
Nach den Produktinformationen des Herstellers (abrufbar unter www.bioness.com/Deutschland/L300_bei_Fußheberschäche und L300_Plus__bei_Ober-schenkelschwäche) setzt das Fußhebersystem eine lernfähige, drahtlose Technologie ein, die wahrnimmt, ob der Fuß auf dem Boden steht oder nicht und die sich den Veränderungen in der Gehgeschwindigkeit anpasst. Das System ermöglicht die Dorsalflexion des Sprunggelenks. Während der Schwungphase des Schrittes stimuliert das System bestimmte Muskeln im betroffenen Bein durch elektrische Impulse, um eine Dorsalflexion (Anhebung des Vorfußes) zu bewirken. Der Anwender erhält so seine Mobilität zurück. Das System kann außerdem den Gang verbessern, die Reaktivierung der Muskulatur fördern, Muskelatrophie verhindern oder verzögern, den Bewegungsspielraum der Gelenke aufrechterhalten oder verbessern und die lokale Durchblutung erhöhen (unter angegebener Adresse abrufbares Benutzerhandbuch
S. 3). Das System ist mithin nach seiner primären Zielsetzung auf die Wiederherstellung der Mobilität durch Ersatz einer durch Lähmung an sich entfallenen Körperfunktion gerichtet. Gleiches gilt für das ergänzende Oberschenkelsystem. Die Oberschenkelmanschette hilft bei der besseren Kontrolle beim Beugen und Strecken des Knies und daher bei einem natürlicheren Gang und einfacherem Treppensteigen. Dass der Hersteller bei der Anwendung auch die genannten, auf eine Verbesserung des Gesundheitszustands gerichteten Nebenfolgen erwartet, ändert an der primären Zielsetzung nichts.
Im vorliegenden Fall der Klägerin soll das System auch gerade zum Behinderungsausgleich und nicht zu therapeutischen Zwecken im Sinne einer Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung eingesetzt werden. Dies entnimmt der Senat zunächst der ärztlichen Verordnung vom 13. März 2015. Darin wird ausdrücklich eine Versorgung "auf Dauer" bezeichnet und damit kein Zusammenhang mit einer speziellen Krankenbehandlung. In seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2016 hat Arzt
Fa. ausdrücklich bestätigt, dass das System die zugrundeliegende Pathologie nicht "zum Verschwinden" bringt, so dass das Gehen aufgrund der Tetraspastik weiterhin ungelenk bleibt. Einen therapeutischen Zweck verknüpft er mit dem Einsatz des Systems mithin nicht. Vielmehr stellt er auf ein physiologischeres Gehen mit erhöhter Gang- und Standsicherheit ab. Nur ergänzend verweist er auf den vom Gehen unabhängigen Modus, der als Trainingsgerät zum Muskelaufbau für die Fußheber eingesetzt werden könne. Der gerichtliche Sachverständige
Dr. C. bestätigt, dass der Einsatz des Systems die chronisch-fortschreitende Grunderkrankung der
MS nicht kausal beeinflussen kann. Des Weiteren schließt er auch einen therapeutischen Effekt im Sinne einer Kräftigung der Muskulatur aus pathophysiologischen Gesichtspunkten der Grunderkrankung aus. Andererseits beschreibt er nachvollziehbar und anschaulich bei unmittelbarem Einsatz des Systems eine Erweiterung der der Klägerin möglichen Gehstrecke, eine Reduzierung der hierfür nötigen Anstrengung und eine Steigerung der Gehgeschwindigkeit, u.a. mit der Folge, dass die Benutzung des Rollstuhls häufiger vermieden werden kann. Damit dient auch der Übungsmodus, jedenfalls bei der Klägerin, nicht der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung (hier der
MS). Vielmehr soll bei unmittelbarer Anwendung des Systems die Gehfähigkeit verbessert, das Gehen und Stehen als Körperfunktion sicherer gemacht und der Einsatz eines Rollstuhls reduziert werden. Das System dient somit nach Auffassung des Senats dem Behinderungsausgleich, ohne dass eine neue Behandlungsmethode oder ein untrennbarer Zusammenhang mit einer solchen bestünde. Einer positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf es daher nicht. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des
BSG vom 19. September 2017 (B 3 KR 8/17 B - juris, Rn. 10: Hand-Elektrostimulationsgerät), da sich dieser allein auf das von der Vorinstanz festgestellte Versorgungsziel der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung bezog.
d) Das begehrte Fußheber- und Oberschenkelsystem ist zur Erreichung des genannten Versorgungszwecks erforderlich.
Das Hilfsmittel muss objektiv geeignet, unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Versicherten notwendig und im Vergleich zu anderen Hilfsmitteln oder Behandlungsmöglichkeiten wirtschaftlich sein, um den Versorgungszweck zu erreichen (Butzer in Becker/Kingreen, 5. Aufl.,
SGB V § 33 Rn. 9
m.w.N.). Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach
§ 139 Absatz 2 SGB V festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1
SGB V gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind (
§ 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der ab 11. April 2017 geltenden Fassung des
Art. 1
Nr. 2 Buchst. a D Buchst. aa des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung vom 4. April 2017, BGBl. I,
S. 778).
aa) Geeignet ist ein Hilfsmittel, wenn mit seiner Hilfe der Versorgungszweck wesentlich gefördert werden kann. Beurteilungsmaßstab hierfür ist nach § 2
Abs. 1, Satz 3 und
§ 139 Abs. 1 und 4 SGB V der aktuelle, allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (
BSG, Urteil vom 15. März 2012 -
B 3 KR 2/11 R - juris, Rn. 21). Bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich ist maßgeblich die Funktionstauglichkeit hierzu; der Nachweis eines darüber hinausgehenden therapeutischen Nutzens ist schon von der Zielrichtung des Hilfsmittels nicht geboten und in der Regel auch nicht möglich (
BSG, Urteil vom 16. September 2004 -
B 3 KR 20/04 R - juris, Rn. 18).
Für eine objektive Geeignetheit spricht zunächst, dass mehrkanalige, sensorgesteuerte Stimulationsgeräte (Elektrostimulationsgeräte zur funktionellen Elektrostimulation [FES]) zum Behinderungsausgleich - wie das vorliegend streitige System - im Hilfsmittelverzeichnis mit der Hilfsmittelnummer 09.37.04.1.x aufgeführt sind, wenn auch ohne gelistetes Einzelprodukt. Grundsätzlich sind demnach diese Geräte vom Gemeinsamen Bundesausschuss als geeignet bewertet, da andernfalls die Aufnahme dieses Unterpunkts ins Hilfsmittelverzeichnis nicht plausibel erklärbar wäre (ebenso Bayrisches
LSG, Urteil vom 23. Oktober 2017 -
L 4 KR 349/17 - juris, Rn. 47).
Das Fußheber- und Oberschenkelsystem soll zu einer im Hilfsmittelverzeichnis zu dieser Untergruppe beschriebenen Indikation eingesetzt werden (Behinderungsausgleich bei zentralen Lähmungen mit resultierenden erheblichen Funktionsstörungen der oberen oder unteren Extremitäten, die funktionell einer Gebrauchsaufhebung [z.B. einer "Ohnhändigkeit"] der betroffenen Extremität gleichkommen). Ein solcher Fall ist bei der Klägerin gegeben, da sie in Folge ihrer
MS nur einzelne Schritte und dabei ataktisch und unsicher gehen kann.
Nicht entscheidend für den Versorgungsanspruch ist allerdings, ob das begehrte Hilfsmittel tatsächlich im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (
BSG, Urteil vom 18. Juni 2014 -
B 3 KR 8/13 R - juris, Rn. 9
m.w.N.).
Die objektive Geeignetheit des hier streitbefangenen Fußheber- und Oberschenkelsystems für den angegebenen Versorgungszweck ergibt sich aus der CE-Kennzeichnung für das NESS L 300 und L 300 plus. Denn deren Erteilung setzt voraus, dass Medizinprodukte nicht nur sicher, sondern auch im Rahmen der vom Hersteller vorgegebenen Zweckbestimmung medizinisch-technisch leistungsfähig sind (§§ 7, 19 MPG;
vgl. BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 20/04 R - juris, Rn. 16). Die Eignung von Medizinprodukten für den vorgesehenen Verwendungszweck ist durch eine klinische Bewertung anhand von klinischen Daten zu belegen, soweit nicht in begründeten Ausnahmefällen andere Daten ausreichend sind. Die klinische Bewertung schließt die Beurteilung von unerwünschten Wirkungen sowie die Annehmbarkeit des in den Grundlegenden Anforderungen der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG genannten Nutzen-/Risiko-Verhältnisses ein. Die klinische Bewertung muss gemäß einem definierten und methodisch einwandfreien Verfahren erfolgen und gegebenenfalls einschlägige harmonisierte Normen berücksichtigen (§ 19
Abs. 1 MPG). Die Verkehrsfähigkeit des streitigen Fußheber- und Oberschenkelsystems als Medizinprodukt hat auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Die Klägerin hat das CE-Zertifikat des Fußheber- und Oberschenkelsystems, zuletzt vom 18. April 2017, gültig bis 17. April 2022, vorgelegt. Deshalb bedarf es weder unter dem Gesichtspunkt der Patientensicherheit noch der medizinisch-technischen Leistungsfähigkeit einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.
bb) Das begehrte Fußheber- und Oberschenkelsystem ist im Falle der Klägerin notwendig.
Notwendigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn das Hilfsmittel unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse zwangsläufig, unentbehrlich oder unvermeidlich ist (Butzner, a.a.O., Rn. 11). Bei einem Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich im Sinne des § 33
Abs. 1 Satz 1 3. Variante
SGB V wird stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar zum Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst eingesetzt wird, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt und es daher zu deren Aufgabenbereich gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern (
BSG, Urteil vom 18. Juni 2014 - B 3 KR 8/13 R - juris, Rn. 16). Bei unmittelbarem Ausgleich ist der Ausgleich der Fähigkeitsstörung in vollem Umfang Maßstab der Notwendigkeit. Der Anspruch richtet sich auf den erforderlichen und nach Stand der Medizintechnik möglichen Ausgleich. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Solange ein Gleichziehen mit einem gesunden Menschen nicht erreicht ist, kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend (
BSG, Urteile vom 16. September 2004 - B 3 KR 20/04 R - juris, Rn. 12; Urteil vom 25. September 2009 -
B 3 KR 2/08 R - juris, Rn. 18
m.w.N.).
Vorliegend handelt es sich um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich. Denn das begehrte Fußheber- und Oberschenkelsystem kompensiert nicht nur den durch den Ausfall der Körperfunktion Gehen entstehenden Mobilitätsverlust, sondern zielt auf die Wiederherstellung und Verbesserung des Gehvermögens selbst und damit einer Körperfunktion. Bei der Klägerin wird dieses Ziel auch tatsächlich erreicht. Die entnimmt der Senat dem Gutachten von
Dr. C.. Danach ist bei Anwendung des begehrten Systems eine Erweiterung der Gehstrecke (mit Rollator) in der Ebene von 200 m auf 400 m, eine etwa hälftige Verminderung der erforderlichen Anstrengung hierfür und eine Steigerung der Gehgeschwindigkeit um etwa ein Drittel zu erwarten. Diese Einschätzung hat der gerichtliche Sachverständige überzeugend begründet. Ausgehend von dem bei seiner Begutachtung am 7. September 2016 erhobenen Befund hat er anhand der Videodokumentation aus 2014 über die Testversorgung zunächst dargelegt, dass aufgrund des Vergleichs mit dem dort ersichtlichen Gangbild und dem bisherigen Verlauf davon ausgegangen werden kann, dass der Einfluss des Hilfsmittels auch zum Zeitpunkt der Begutachtung mit dem Effekt von 2014 vergleichbar war. Dabei entsprach das Gangbild ohne Fußhebersystem im Wesentlichen dem bei der Begutachtung aktuell beschriebenen Gangbild. Unter Einsatz des begehrten Systems zeigte sich das Gangbild etwas flüssiger und etwas zügiger; die Innenrotation des linken Fußes war weiterhin vorhanden, jedoch deutlich weniger ausgeprägt. Die von der Klägerin angegebene Gehstrecke von 200 m in der Ebene am Rollator (ohne Hilfsmittel) erachtete er als realistisch. Die
MS-bedingte Behinderung der Körperfunktion Gehen wird durch das begehrte Hilfsmittel mithin für eine Gehstrecke von 400 m ausgeglichen. Damit erweitert sich der ohne Rollstuhl zu bewältigende Radius in der Ebene erheblich im Sinne einer Verdoppelung bei zusätzlicher Steigerung der Gehgeschwindigkeit. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin, die auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, ermöglicht ihr das Fußheber- und Oberschenkelsystem seit der vorläufigen Versorgung, insbesondere aufgrund des Oberschenkelsystems, das Treppenlaufen. Dies ist auch nach der Produktbeschreibung des Herstellers nachvollziehbar, da das Oberschenkelsystem das Beugen und Strecken des Knies erleichtern soll. Bei dem durch das begehrte Hilfsmittel erzielbaren Umfang des Behinderungsausgleichs handelt es sich daher nicht um im Alltag nicht relevante Vorteile oder einen bloßen Zugewinn in der Bequemlichkeit.
Entgegen der Annahme der Beklagten hat der gerichtliche Sachverständige die ihm gestellten Fragen nicht unklar oder widersprüchlich beantwortet. Soweit er ausgeführt hat, eine zwingende medizinische Notwendigkeit zum Einsatz des Fußhebersystems bestehe nicht, bezieht er sich hierbei auf die - verneinte und hier nicht relevante - Frage, ob sich die chronisch fortschreitende Grunderkrankung durch das Hilfsmittel kausal beeinflussen lasse. So führt er in diesem Zusammenhang auch aus, dass ein wesentlicher therapeutischer Effekt im Sinne einer Kräftigung der Muskulatur aus seiner Sicht nicht zu erwarten sei. Die hier allein maßgebliche Frage eines Behinderungsausgleichs hat er hingegen bejaht und daher eine medizinische Notwendigkeit des Hilfsmittels festgestellt.
Die im Hilfsmittelverzeichnis zur genannten Untergruppe genannten Gegenindikationen liegen bei der Klägerin nicht vor.
Der Senat sieht auch keinerlei Anhaltspunkte, dass die Klägerin nicht in der Lage wäre, das Hilfsmittel zu nutzen. Die anderweitige, nicht belegte Behauptung der Beklagten erhält diese selbst nicht mehr aufrecht. Denn nach der vorläufigen Versorgung hat sie ausgeführt, "auch wenn die Klägerin das Gerät mittlerweile offensichtlich erfolgreich nutze", ersetze dies nicht die notwendige Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Sowohl der gerichtliche Sachverständige als auch der behandelnde Arzt haben bestätigt, dass die Klägerin das Hilfsmittel nutzen kann.
cc) Das begehrte Hilfsmittel ist wirtschaftlich. Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (
BSG, Urteil vom 25. Juni 2009 - B 3 KR 2/08 R - juris, Rn. 18). Ein solches gleichwertiges Hilfsmittel steht nicht zur Verfügung. Die von der Beklagten und dem MDK angeführte Peronäusschiene ist nach Überzeugung des Senats nicht tatsächlich gleichwertig. So hat
Dr. C. ausdrücklich ausgeführt, dass ein vergleichbarer Effekt durch Einsatz einer rein mechanischen Peronäusschiene in der Vergangenheit nicht erreicht werden konnte. Dies wird bestätigt durch die Angaben des Arztes
Fa.. Danach war es beim Versuch redressierender Maßnahmen, wozu auch eine Peronäusschiene zählt, zu einer Zunahme der Streckspastik und hierdurch eher zur Verschlechterung des Gehvermögens gekommen. Weiter hat er überzeugend dargelegt, dass auch Bücken möglich wird, da die Flexion im Sprunggelenk im Gegensatz zur Peronäusschiene nicht eingeengt wird. Der abweichenden, nicht auf eigenen Befunderhebungen beruhenden Einschätzung von
Dr. Z. vermag der Senat daher nicht zu folgen. Des Weiteren besteht der Vorteil des Treppensteigens.
e) Der Anspruch der Klägerin besteht auch für die geltend gemachten Begleitleistungen. Denn der Hilfsmittelanspruch umfasst als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einen Anspruch auf Gewährung von Zubehör, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen
bzw. zu erhalten (Beck/Pitz in jurisPK-SGB V, § 33 Rn. 21
m.w.N.). Des Weiteren umfasst er auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie u.a. die Ausbildung in ihrem Gebrauch (§ 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1 Satz 1,
Abs. 4
SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (
vgl. § 160
Abs. 2
SGG) nicht vorliegen.