Urteil
Krankenversicherung muss Leistungserbringer Einsicht in Verträge mit anderen Leistungserbringern gewähren

Gericht:

LSG Baden-Württemberg 5. Senat


Aktenzeichen:

L 5 KR 2458/09 ER-B


Urteil vom:

09.11.2009


Kurzbeschreibung:

Die Krankenversicherung schrieb im September 2008 die Versorgung ihrer Versicherten mit TENS-Geräten, PG 09 des Hilfsmittelverzeichnisses der GKV, über ihre Homepage und in verschiedenen nationalen Ausschreibungsanzeigen aus. Art und Umfang wurden in diesen Texten beschrieben, jedoch hieß es dort auch, dass die Vertragsgestaltung wie z.B. Zahlungsmodalitäten, Vertragsdauer u. ä. im Verhandlungswege geregelt werden sollten. Die Bieter mussten also erst einen Preis anbieten, damit dann der günstigste Preis den Zuschlag erhielt, um dann erst die Vertragsbedingungen festzulegen. Es wurde damit ein Preisangebot der Bieter "ins Blaue" verlangt. Wesentliche Bedingungen kannten die Bieter somit nicht. Im Januar 2009 schloss die Krankenkasse mit dem Ausschreibungsgewinner dann einen Vertrag ab. Einer der teilnehmenden Bieter konnte diese Verfahrensweise nicht akzeptieren und ging daher im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Ausschreibung vor. Die Krankenkasse informierte sofort ihre Mitglieder, dass eine Versorgung nur noch über den Ausschreibungsgewinner erfolgen könne.

Das zuerst angerufene Sozialgericht Konstanz wies den Anspruch des Leistungserbringers zurück. Das LSG Baden-Württemberg entschied hingegen anders. Demnach ist der ist der Leistungserbringer auch weiterhin zur Versorgung berechtigt. Die Krankenkasse darf ihre Versicherten nicht mehr auf den Ausschreibungsgewinner umversorgen und muss die Versicherten hierüber entsprechend informieren. Außerdem muss die Krankenkasse dem klagenden Leistungserbringer Einsicht in den mit dem Ausschreibungsgewinner abgeschlossenen Vertrag gewähren.

Tragende Gründe für die Entscheidung des LSG waren, dass die Ausschreibung sich an den Vorgaben des Vergaberechts messen lassen muss. Dies gilt auch für Ausschreibungen, die den Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung nicht erreichen, denn diese finden nicht im rechtsfreien Raum statt. Die Ausschreibung der Krankenkasse war aufgrund einer Vielzahl von Vergaberechtsverstößen rechtswidrig. Eine rechtswidrige Ausschreibung kann jedoch nicht zum Ausschluss anderer Leistungserbringer führen.

Quelle: Wissen.kompakt Der Hartmann Rechtsanwälte Newsletter Nr. 41 vom November 2009

Hinweis:

Einen Fachbeitrag zum Einstweiligen Rechtsschutz finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2013/A4-...

Rechtsweg:

SG Kostanz Beschluss vom 16.04.2009 - S 2 KR 860/09 ER

Quelle:

HARTMANN Rechtsanwälte

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 16.04.2009 aufgehoben. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird Folgendes verfügt:

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin bis 31.12.2009 zur Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin mit TENS-Geräten der Produktgruppe 09.31.01 (alt) bzw. 09.37.01 (neu) des Hilfsmittelverzeichnisses berechtigt ist,

2. Der Antragsgegnerin wird untersagt,

a. ihre Versicherten darüber zu informieren, dass eine Versorgung mit den unter 1. genannten TENS-Geräten auch in der Zeit bis 31.12.2009 nur noch durch die Fa. x erfolgen kann,

und

b. ihre Versicherten unter Umgehung des den Versicherten zustehenden Wahlrechts eigenmächtig hinsichtlich der Versorgung mit TENS-Geräten umzuversorgen,

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, der Antragstellerin unverzüglich Informationen über den Inhalt des zur Versorgung mit den unter 1. genannten TENS-Geräten abgeschlossenen Vertrags zu erteilen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 31.605 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Vergabe von Lieferaufträgen für Hilfsmittel.

Die Antragstellerin, am 31.03.2007 zugelassener Leistungserbringer (§ 126 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V a.F.) für die Versorgung (u.a.) der etwa ... Mitglieder der Antragsgegnerin mit TENS-Geräten.

Im September 2008 schrieb die Antragsgegnerin einen Lieferauftrag über TENS-Geräte öffentlich aus. Die Ausschreibung erfolgte im Ausschreibungsanzeiger Sachsen-Anhalt und im Deutschen Ausschreibungsblatt (jeweils) vom 12.9.2008 sowie auf der Homepage der Antragsgegnerin. Im Ausschreibungstext heißt es zu Art und Umfang der Leistung:

"Mietweise Lieferung/Überlassung von Elektrostimulationsgeräten der Produktgruppe 09.31.01.1000 (TENS-Zweikanalgeräte) und 09.31.01.2000 (programmierte TENS-Zweikanalgeräte) des HIlfsmittelverzeichnisses gem. § 139 SGB V an Versicherte der numIKK. Miet-/Überlassungszeiträume sowie Geräteanzahl (Lierfermenge) für: a) bis zu 6 Monate, Gesamtliefermenge: 450, b) bis zu 12 Monate, Gesamtliefermenge: 80, c) bis zu 18 Monate, Gesamtliefermenge: 10, d) bis zu 24 Monate, GEsamtliefermenge: 40; der Bedarf der Liefermenge von insgesamt 580 Geräten bezieht sich auf 12 Monate. Die Beschaffenheit der Produkte hat mindestens den Standards gem. § 139 SGB V zu entsprechen. Dabei sind insbesondere folgende Anforderungen einzuhalten .....

Die Vergütung der mietweisen Lieferung/Überlassung der Elektrostimulationsgeräte erfolgt mittels Versorgungs-/Entgeltpauschalen und zwar bezogen auf die zuvor genannten Zeiträume. Die Pauschalen sollen dabei oben genannten Gerätetypen bzw. Produktgruppen in derselben Höhe gelten. Es werden nur Angebote berücksichtigt, die jeweils Entgeltpauschalen bezogen auf alle oben genannte Zeiträume (Nrn. a bis d)) benennen. Die Versorgungspauschalen vergüten neben dem Miet-/Überlassungspreis insbesondere alle erforderlichen Zubehörteile, Zurüstungen, Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien sowie die Anlieferung und Abholung des Hilfsmittels beim/vom Versicherten und die Beratung/Einweisung zur Bedienung/Handhabung des Geräts.

Nebenangebote: Änderungsvorschläge und Nebenangebote sind nicht zugelassen.

Vertragsgestaltung: die allgemeine Vertragsgestaltung (u.a. Zahlungsmodalitäten, datenschutzrechtliche Bedingungen, Vertragslaufzeit) erfolgt auf dem Verhandlungswege.
..."

Im Ausschreibungstext sind außerdem der Ablauf der Angebotsfrist (17.10.2008, 12 Uhr), das Datum der Eröffnung der Angebote (27.10.2008) und Zuschlagsfriste (10.11.2008) festgelegt.


Mit Schreiben vom 14.10.2008 gab die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die genannte Ausschreibung ein Preisangebot ab. Bis zum Ablauf der Angebotsfrist gingen bei der Antragsgegnerin 20 Angebote ein. Den Zuschlag erhielt eine Mitbewerberin der Antragstellerin. Der Vertrag mit dem Ausschreibungsgewinner wurde am 26.01.2009 geschlossen.

Am 18.03.2009 suchte die Antragstellerin beim Sozialgericht Koblenz um vorläufigen Rechtsschutz nach. Sie trug vor, sie sei seit vielen Jahren Leistungserbringer für gesetzlich Krankenversicherte; der Schwerpunkt liege bei der Versorgung mit TENS-Geräten. Die Vorgehensweise der Antragstellerin bei der in Rede stehenden Ausschreibung habe von Anfang an zur Verunsicherung bei den Leistungserbringern geführt. So sei nicht erkennbar gewesen, ob es sich um eine öffentliche Ausschreibung gemäß § 127 Abs. 1 SGB V oder um einen Vertragsabschluss nach § 127 Abs. 2 SGB V im Wege einer öffentlichen Bekanntmachung handeln solle. Die Antragsgegnerin habe nämlich einerseits mitgeteilt, Unterlagen seien bis zum 17.10.2008 anzufordern, andererseits hätten Angebote bis zum 27.10.2008 eingereicht werden sollen. Außerdem seien die Leistungserbringer in einem Schreiben vom 2.10.2008 darüber informiert worden, es solle eine öffentliche Ausschreibung vorgenommen werden, jedoch würden Verdingungsunterlagen nicht versandt. Unter dem 13.10.2008 habe ihr die Antragsgegnerin auf weitere Nachfrage mitgeteilt, mi den Gewinnern der Ausschreibung würden Verhandlungen geführt, während in einer E-Mail vom 9.10.2008 dargelegt worden sei, die Leistungen würden nach VOL/A gem. § 127 Abs. 1 SGB V ausgeschrieben. Telefonische Rückfragen seien ebenfalls erfolglos geblieben. Im Ausschreibungsportal www.medizinprodukte-ausschreibung.de sei am 2.10.2008 überraschenderweise nur noch ein Termin für die Einreichung von Angeboten genannt gewesen, während die Antragsgegnerin zwei Tage zuvor noch zwei Termine - für die Anforderung von Unterlagen bzw. die Angebotseinreichung - benannt habe. Auf weitere Nachfrage habe ihr ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin gesagt, um eine Ausschreibung im eigentlichen Sinne handele es sich nicht, vielmehr werden den Anbietern bis zum 17.10.2008 die Möglichkeit zur Einreichung von Preisangeboten eingeräumt. Die hierfür maßgeblichen Modalitäten würden per Fax eröffnet.

Nachdem ihr die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.11.2008 mitgeteilt habe, ein anderer Bieter habe den Zuschlag erhalten, habe sie sich (erfolglos) an den Vorstand der Antragsgegnerin sowie an das Bundesversicherungsamt gewandt. Im Laufe des Februar 2009 habe die Antragsgegnerin ihren Mitgliedern mitgeteilt, die Versorgung mit TENS-Geräten erfolge ab sofort ausschließlich durch den Ausschreibungsgewinner. Andere Leistungserbringer seien zur Abgabe dieser Hilfsmittel nicht mehr berechtigt; eine Wahlmöglichkeit gemäß § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V gebe es nicht mehr. In einem weiteren Schreiben vom 20.02.2009 habe sie die Antragsgegnerin aufgefordert, ihre Berechtigung zur Versorgung der Versicherten mit TENS-Geräten anzuerkennen und Einsicht in die abgeschlossenen Verträge gem. § 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V zu gewähren.

Was den Anordnungsanspruch angehe, sei sie im Hinblick auf die in § 126 Abs. 2 Satz 2 SGB V festgelegte Übergangsfrist bis zum 31.12.2009 weiterhin zur Leistungserbringung berechtigt, sofern keine Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 SGB V erfolgt sei. Eine Ausschreibung dieser Art habe die Antragsgegnerin allerdings nicht vorgenommen.

Die Berechtigung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln beruhe grundsätzlich auf Verträgen gem. § 127 Abs. 1 und 2 SGB V. Die Krankenkasse dürfe die Leistungen öffentlich ausschreiben. Hier sei der Schwellenwert von 206.000 EUR für eine Ausschreibung nach den Angaben des GWB nicht erreicht gewesen. Das berechtige jedoch nicht zur Wahl eines "Verfahrens ohne Rechtsgrundlagen". Vielmehr setze § 22 Abs. 2 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) voraus, dass die Ausschreibung den Anforderungen der VOL/A entspreche. Nach einer Ausschreibung dieser Art sei das Wahlrecht des Versicherten gem. § 22 Abs. 6 Satz 2 SGB V eingeschränkt; nur der Ausschreibungsgewinner dürfe Hilfsmittel abgeben. Das setze freilich voraus, dass die Ausschreibung rechtmäßig gewesen sei. Es genüge nicht, einen irgendwie gearteten, öffentlich bekannt gemachten Vertragsabschluss vorzunehmen, diesen als "öffentliche Ausschreibung" zu bezeichnen und daraufhin gleichsam willkürlich einen bestimmten Leistungserbringer zum Alleinversorgungsberechtigten zu erklären.

Die Vorgehensweise der Antragsgegenerin sei rechtswidrig gewesen. Sie dürfe Vertragsabschlüsse entweder im Wege der öffentlichen Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 SGB V herbeiführen, oder den Weg des Vertragsabschlusses nach öffentlicher Bekanntmachung gem. § 127 Abs. 2 SGB V wählen. Entscheide sie sich für die öffentliche Ausschreibung (§ 127 Abs. 1 SGB V), müsse die Ausschreibung in jeder Hinsicht den Anforderungen der VOL/A gerecht werden. Das gelte auch dann, wenn der Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung nicht erreicht sei. Die Antragsgegnerin habe die Vorgaben des § 127 Abs. 1 und 2 SGB V nach eigenem Gutdünken vermengt. Für eine derartige "Mischform" des Vertragsabschlusses gebe es keine Rechtsgrundlage. Deshalb könne eine Ausschreibung dieser Art die Rechtsfolgen einer korrekten Ausschreibung i.S. des § 127 Abs. 1 SGB V nicht herbeiführen. Wie ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin ausdrücklich mitgeteilt habe, habe eine Ausschreibung im eigentlichen Sinne nicht durchgeführt werden sollen; Gleiches gehe aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 2.10.2008 hervor. Danach habe man den Bietern lediglich die Möglichkeit geben wollen, bis zum 17.10.2008 ein Preisangebot abzugeben. In Wahrheit liege daher eine Scheinausschreibung vor.

Gem. § 16 Nr. 2 VOL/A seien Ausschreibungen für vergabefremde Zwecke unzulässig. Die Ausschreibung der Antragsgegnerin sei nicht auf die Erteilung eines Zuschlages für eine konkret bezeichnete Leistung, sondern darauf gerichtet gewesen, Preise für anschließende Vertragsverhandlungen zu erfahren. Mit den Grundsätzen des Vergaberechts sei das nicht vereinbar. Zudem habe die Antragsgegnerin die Regelung in § 9 Nr. 1 VOL/A missachtet, da sie Verdingungsunterlagen nicht versandt habe. Die Antragsgegnerin hätte auch die Vertragsbedingungen für die Ausführung der Leistung von vornherein festlegen müssen. Statt dessen solle die allgemeine Vertragsgestaltung nach dem Text der Ausschreibung "auf dem Verhandlungswege" erfolgen; dies verstoße gegen § 9 Nr. 2-4 VOL/A, da die Modalitäten zwingend in den Vergabeunterlagen anzugeben seien. Die Leistungsbeschreibung genüge den Anforderungen des § 8 VOL/A nicht, da aus dem Ausschreibungstext noch nicht einmal hervorgehe, welche Gerätetypen bzw. Produktgruppen für welchen Zeitraum und in welcher Menge benötigt würden.

Bei der Bekanntmachung der Ausschreibung sei die notwendige Publizität nicht hergestellt worden. Hierfür sei die Vorschrift in § 17 VOL/A maßgeblich. Den dort festgelegten Anforderungen werde die Veröffentlichung auf zwei Internetplattformen nicht gerecht. Die Versorgung mit TENS-Geräten sei in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ausgeschrieben worden. Die Ausschreibung sei jedoch nur im Ausschreibungsanzeiger Sachsen-Anhalt zugänglich gewesen. Die Veröffentlichung im Deutschen Ausschreibungsblatt sei unzureichend, da der Zugang zu dieser Plattform die Zahlung einer Jahresgebühr von 281 EUR voraussetze. Mit dem Grundgedanken der Publizität sei das nicht vereinbar. Offenbar sei der Antragsgegenerin an einer hinreichenden Publizität ihrer Ausschreibung auch gar nicht gelegen gewesen; sie habe die Ausschreibung lediglich zur Preisermittlung missbraucht.

Mit dem Ausschreibungsgewinner sei ein wirksamer Vertrag nach § 127 Abs. 1 SGB V nicht zustande gekommen und dieser sei nicht allein zur Versorgung der Versicherten berechtigt. Die Versicherten hätten vielmehr nach wie vor ein Wahlrecht unter den in Betracht kommenden Leistungserbringern. Daher dürfe sie nicht von der Versorgung mit TENS-Geräten ausgeschlossen werden. Da es keinerlei Anhaltspunkte für einen Vertrag nach § 127 Abs. 3 SGB V gebe, könne der mit dem Ausschreibungsgewinner abgeschlossene Vertrag lediglich als Vertrag i.S. des § 127 Abs. 2 SGB V gewertet werden. Gem. § 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V müsse die Antragsgegnerin über den Inhalt dieses Vertrages auf Nachfrage informieren; das habe sie nicht getan.

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liege auch ein Anordnungsgrund vor. Die Antragsgegnerin greife schwerwiegend in ihre Grundrechte auch Art. 12 und 14 GG ein und versage ihr die Teilnahme am Wettbewerb, da neunzig Prozent der Bevölkerung gesetzlich krankenversichert seien. Ein mindestens drei bis fünf Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren könne effektiven Rechtsschutz nicht gewähren. Während dieser Zeit sei sie vom maßgeblichen Markt ausgeschlossen, während sich ihre Konkurrenten Wettbewerbsvorteile sichern könnten (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.03.2004 - L 5 B 90/03 KR ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5.06.2002 - L 15 B 14/02 -).

Die Antragsgegnerin trug vor, die vorgenommene Ausschreibung sei rechtmäßig. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin sei im Ausschreibungstext nicht zur Anforderung von Unterlagen bis 17.10.2008 aufgefordert worden. Vielmehr habe man unmissverständlich eine Angebotsfrist festgelegt. Auch Konditionen und Lieferumfang seien unmissverständlich beschrieben worden. Weitergehende Verdingungsunterlagen seien nicht erforderlich gewesen. Nur wenig gewichtige allgemeine Inhaltes, wie datenschutzrechtliche Bestimmungen, hätten noch verhandelt bzw. erörtert werden sollen. Außerdem unterlägen die entsprechenden Gesprächsinhalte gesetzlichen Vorgaben. Eine "Stellenausschreibung" liege nicht vor. Aus dem Vergabevermerk bzw. der Bieterliste sei ersichtlich, dass die Antragstellerin Auschreibungsverlierer sei. Die Behauptung der Antragstellerin, einer ihrer Mitarbeiter habe telefonisch mitgeteilt, eine Ausschreibung im eigentlichen Sinne solle nicht durchgeführt werden, werde bestritten; dieser Sachverhalt müsse gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Wesentliche Nachteile drohten der Antragstellerin, deren Preisangebot weit höher als das Angebot des Ausschreibungsgewinners sei, nicht. Die gesamte Liefermenge betrage 580 Geräte, bezogen auf zwölf Monate. Sie sei eine kleine Krankenkasse mit ... Mitgliedern, während die Antragstellerin europaweit der größte Anbieter von TENS-Geräten sei.

Die Antragstellerin versuche offenbar, die vom Gesetzgeber gewollte wirtschaftliche und sparsame Leistungserbringung in der Krankenversicherung zu unterlaufen. Entgegen ihrem Vorbringen seien auch die Gerätetypen und Produktgruppen bzw. die benötigten Mengen in der Ausschreibung klar festgelegt worden. Die Ausschreibung habe die notwendige Publizität gewahrt und habe nicht lediglich zur Einholung von Preisangeboten gedient. Das preisliche Angebot des Ausschreibungsgewinners sei im Liefervertrag fixiert.

Die Antragstellerin machte abschließend geltend, die Angaben im Ausschreibungstext könnten Verdingungsunterlagen nicht entbehrlich machen. In diesen werde auf der Grundlage des § 9 VOL/A festgelegt, welche Vertragsbedingungen zwischen dem Auftraggeber und dem späteren Vertragspartner gelten sollten. Die Vertragsbedingungen würden durch den Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen abschließend bestimmt, weitere Vertragsverhandlungen fänden nicht statt. Das Aushandeln von Verträgen mit dem Bestanbieter verstoße gegen § 9 VOL/A und das Nachverhandlungsverbot des § 24 VOL/A. Das Vorbringen der Antragsgegnerin, nur wenig relevante Punkte würden nachverhandelt, ändere daran nichts. Sämtliche Vertragsbedingungen müssten zwingend vorher festgelegt sein. Außerdem stellten Zahlungsbedingungen und die Laufzeit eines Vertrages essenzielle Vertragsinhalte dar. Ihr stehe das Informationsrecht des § 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V zu, damit sie einen etwaigen Vertragsbeitritt (§ 127 Abs. 2a SGB V) prüfen könne. Komme ein Vertragsbeitritt nicht zustande, bleibe es dabei, dass sie auf Grund ihrer Altzulassung nach § 126 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 7 SGB V weiterhin zur Versorgung der Mitglieder der Antragsgegnerin zum niedrigsten Vertragspreis berechtigt sei.

Mit Beschluss vom 16.04.2009 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Zur Begründung führte es aus, die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Sie habe am 31.3.2007 (unstreitig) über eine Zulassung nach § 126 SGB V a.F. verfügt und dürfte daher gem. § 126 Abs. 2 Satz 1 SGB V n.F. noch bis 30.06.2010 an der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln teilnehmen. Die Bestandsschutzregelung setze aber voraus, dass eine Ausschreibung nach § 127 Abs 1 SGB V nicht erfolgt sei. Letzteres sei jedoch geschehen und es sein ein Vertrag gem. § 127 Abs. 1 SGB V mit dem Ausschreibungsgewinner geschlossen worden.

Gem. § 127 Abs. 1 Satz 4 SGB V sollten Vertragsabschlüsse der Krankenkassen regelmäßig auf einem Ausschreibungsverfahren beruhen. Die Antragsgegnerin habe diesen Grundsatz beachtet; ein Verstoß gegen Verfahrensregelnm der zur Nichtigkeit des Vertrages mit dem Ausschreibungsgewinner führen könnte, liege nicht vor. Die Regelungen der §§ 97 bis 101 GWB seien mangels gesetzlicher Verweisungsnorm nicht unmittelbar anwendbar. Da die Krankenkassen aber an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden seien, müssten die materiellen Grundsätze des Vergaberechts beachtet werden. Daher sei ein transparentes, diskriminierungsfreies, verhältnismäßiges und nachprüfbares Auswahlverfahren durchzuführen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.02.2008 - L 5 KR 23/07 ER-B -). Die Antragsgegnerin habe nicht gegen materielle Grundsätze des Vergaberechts verstoßen. Dem abgeschlossenen Vertrag sei eine öffentliche Ausschreibung (§ 22 Abs. 1 SVHV) vorausgegangen, die den Anforderungen der VOL/A entsprochen habe. Das gelte insbesondere für die in §§ 16, 17 VOL/A festgelegten Grundsätze (Grundsätze der Ausschreibung und der Informationsübermittlung, Bekanntmachung, Aufforderung zur Angebotsabgabe). Die Bekanntmachung sei zumindest in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und einem allgemein zugänglichen Internetportal erfolgt und habe die Mindestangaben des § 17 VOL/A umfasst; mehr sei nicht erforderlich. Die von der Antragstellerin - die Leistungserbringer verunsichert hätten, seien rechtlich unschädlich. Davon abgesehen habe sich die Antragstellerin von der Teilnahme an der Ausschreibung auch nicht abhalten lassen. Dass sie nicht zum Zuge gekommen sei, liege allein an ihrem zu hohen Preisangebot. Da ein Vertrag nach § 127 Abs. 1 SGB V geschlossen worden sei, müsse die Antragsgegnerin die Antragstellerin auch nicht gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 und 4 SGB V über den Vertragsinhalt unterrichten.

Auf den ihr am 22.4.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 22.5.2009 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung bekräftigt sie ihr bisheriges 'Vorbringen und trägt ergänzend vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei das materielle Vergaberecht anzuwenden. Das folge aus § 22 SVHV. Außerdem verweise § 69 SGB V in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung (zusätzlich) auf das Vergaberecht. Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG folge ein Anspruch des Bieters auf Einhaltung der einschlägigen Verdingungsordnungen. Öffentliche Stellen, die Aufträge zu vergeben hätten, dürften nicht willkürlich handeln. Öffentliche Stellen, die Aufträge zu vergeben hätten, dürften nicht willkürlich handeln. Die Antragsgegnerin habe daher die Vorgaben der 'VOL/A beachten müssen. Das sei nicht geschehen. So sei bereits § 9 Nr. 1 VOL/A verletzt worden, wonach die Vergabeunterlagen aus dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) und den Verdingungsunterlagen (Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen) bestehen müssten, da die Antragsgegnerin im Schreiben vom 2.10.2008 mitgeteilt habe, Verdingungsunterlagen würden nicht zugesandt. Die Antragsgegenerin hätte die Vertragsbedingungen auch von vornherein festlegen müssen. Stattdessen habe sie im Text der Ausschreibung für die allgemeine Vertragsgestaltung auf den Verhandlungsweg verwiesen und damit gegen das Nachverhandlungsverbot verstoßen. Wesentlich für eine Ausschreibung sei, dass der Zuschlag nur auf den ausgeschriebenen Vertrag erfolge. Daran fehle es, wenn erst später ein Vertrag verhandelt werde; ein hinreichend bestimmbares Angebot eines Biters liege dann nicht vor. Das mit der Zuschlagserteilung verbundene Verbot der Nachverhandlung diene der Wettbewerbs- und Chancengleichheit aller Bieter, die zu gleichen Bedingungen Angebote abgeben könnten. Insoweit habe die Antragsgegnerin gegen Grundprinzipien des Vergaberechts verstoßen.

Die Ausschreibung habe eine den Anforderungen des § 8 VOL/A genügende Leistungsbeschreibung nicht enthalten. Art und Umfang der Leistung mit allen maßgebenden Bedingungen und Regelungen seien nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen. Insgesamt habe die Antragsgegnerin eine öffentliche Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 SGB V nicht vorgenommen, die Ausschreibung vielmehr zur Preisermittlung missbraucht. Das ergebe sich aus dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 2.10.2008 sowie einer (bereits erwähnten) Telefonauskunft; danach habe eine Ausschreibung im eigentlichen Sinne nicht vorgelegen und man habe den Bietern die Möglichkeit geben wollen, bis zum 17.10.2008 ein Preisangebot abzugeben. Ausschreibungen zur Markterkundung seien aber gem. § 16 Nr. 2 VOL/A unzulässig.

Für den abgeschlossenen Vertrag mit dem Ausschreibungsgewinner gelte nach alledem die Regelung des § 127 Abs. 2 SGB V. Bei einer öffentlichen Ausschreibung wäre der zuvor im Detail festgelegte Vertrag durch Zuschlagserteilung zustande gekommen, was die Antragsgegnerin freilich nicht bezweckt habe. Die Bezeichnung der öffentlichen Bekanntmachung als Ausschreibung stehe der Anwendung des § 127 Abs. 2 SGB V nicht entgegen. Damit stehe ihr das in § 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V festgelegte Informationsrecht zum Inhalt des abgeschlossenen Vertrags zu, damit sie einen etwaigen Vertragsbeitritt prüfen könne.

Schließlich wolle sie die Antragsgegenerin offenbar in weit größerem Umfang von der Versorgung ausschließen, als dies bei einer rechtmäßigen Ausschreibung möglich wäre. Die Ausschreibung beziehe sich auf zwei Produktarten des Hilfsmittelverzeichnisses, während die Antragsgegnerin eine Produktuntergruppe mit insgesamt vier Produktarten heranziehe. Hinsichtlich der nicht ausgeschriebenen Produktarten könne sie von vornherein nicht von der Versorgung ausgeschlossen werden.


Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 16.4.2009 aufzuheben und im Wege der einstweiligen Anordnung

1. festzustellen, dass sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zur Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin mit TENS-Geräten der Produktgruppen 09.31.01 (alt) bzw. 09.37.01 (neu) des Hilfsmittelverzeichnisses berechtigt ist,

2. der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, ihre Versicherten darüber zu informieren, dass eine Versorgung mit den unter 1. genannten TENS-Geräten nur noch durch die xxxx erfolgen könne,

3. der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, ihre Versicherten unter Umgehung des den Versicherten zustehenden Wahlrechts eigenmächtig hinsichtlich der Versorgung mit TENS-Geräten umzuversorgen,

4. die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr unverzüglich Informationen über den Inhalt des zur Versorgung mit den unter 1. genannten TENS-Geräten abgeschlossenen Vertrags zu informieren.


Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, die Antragstellerin habe für das Jahr 2007 eine Bilanzsumme von .... ausgewiesen. Im Jahr 2006 habe das Ergebnis ..... betragen. Für 2008 erwarte die Antragstellerin eine weitergehende prosperierende Unternehmensentwicklung. Allein im Jahr 2007 habe ihr Umsatz aus der Vermietung von Geräten sowie dem Verkauf von Zubehör ... betragen. Im Verhältnis dazu liege das finanzielle Volumen der in Rede stehenden Ausschreibung für zwölf Monate bei einer Liefermenge von nur 580 Geräten weit im unteren einstelligen Promillebereich. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes liege daher nichts ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig; sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.

1. Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden; im Wege der Regelungsanordnung können ggf. auch Feststellungen ausgesprochen werden (vgl. etwa Meyer-Ladewig, SGG § 86b Rdnr. 30 m.w.N.). Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.

Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung freilich möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr. 12 ff. m.N. zur Rechtsprechung). Das Gebot effektiven REchtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erlangt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren besonderes Gewicht, wenn Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren praktisch nicht mehr stattfinden kann. Damit der Rechtsschutz in solchen Fällen nicht gänzlich ausfällt, muss das vorläufige Rechtsschutzverfahren die Aufgabe des Hauptsacheverfahrens mit übernehmen. Deswegen dürfen, namentlich bei drohendem und nicht wieder gut zu machenden Grundrechtsverletzungen nicht unerheblichen Ausmaßes, an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Andernfalls würde der Zugang zum Gericht überhaupt in Frage gestellt.

Im Hinblick darauf kann der Antragstellerin das Abwarten eines Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden. Sie macht Rechte zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln aus der Übergangsvorschrift in § 126 Abs. 2 Satz 3 SGB V geltend. Die darin festgelegte Übergangsfrist endet am 31.12.2009. Vorher kommt Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren praktisch nicht (mehr) in Betracht.


2. Nach Auffassung des Senats liegt auch ein Anordnungsanspruch vor. Er folgt aus den Bestimmungen des § 126 Abs. 2 Satz 3 bzw. § 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V.

a. Gem. § 126 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB V bleiben Leistungserbringer, die am 31.3.2007 über eine Zulassung nach § 126 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung verfügen, abweichend von § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V (wonach Hilfsmittel nur auf der Grundlage von Verträgen nach § 127 SGB V abgegeben werden dürfen) bis zum 31.12.2009 zur Versorgung der Versicherten berechtigt, soweit keine Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1 SGB V erfolgen. Nach der letztgenannten Vorschrift können (u.a.) die Krankenkassen, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern schließen.

Mit der Übergangsvorschrift in § 126 Abs. 2 SGB V soll der grundlegende Systemwechsel im Leistungserbringerrecht für Hilfsmittel zeitlich gestreckt werden. Den über Zulassungen (nach altem Recht) verfügenden Leistungserbringern muss die Möglichkeit gegeben werden, sich während einer angemessenen Übergangszeit auf die neuen Bedingungen einzustellen, soweit sie nicht ohnehin schon vertragliche Beziehungen zu den Krankenkassen unterhalten (vgl. die Begründung zu § 126 Abs. 2 SGB V, BT-Drs. 16/3100 S. 141). Die Rechtsprechung der Sozialgerichte zu § 126 Abs. 2 SGB V (in der Gesetzesfassung vom 26.3.2997) war nicht einheitlich. Einzelne Landessozialgerichte vertraten die Auffassung, die Übergangsvorschrift wäre sinnlos, wenn nach Abschluss von Verträgen der Krankenkassen alle Leistungserbringer als Lieferanten sofort aus dem Versorgungssystem herausfallen müssten; diese dürften daher die Übergangsfrist (gem. § 126 Abs. 2 SGB V a.F. bis 31.12.2008; nunmehr verlängert bis 31.12.2009) auf jeden Fall bis zu deren Ende auszunutzen (so etwa LSG Hamm, Beschluss vom 17.9.2008 - L 8 KR 166/08 B ER -, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.2.2008 - L 1 B 41/08 KR ER -, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.6.2008 - L 11 KR 2428/08 ER-B -; anders etwa: LSG Sachsen, Beschluss vom 29.4.3008 - L 1 B 207/08 KR ER -). § 126 Abs. 2 SGB V wurde mittlerweile freilich geändert; nunmehr wird die Berechtigung zur Leistungserbringung während der Übergangsfrist (bis 31.12.2009) ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass bzw. soweit keine Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1 SGB V erfolgen. Der Senat kann bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offen lassen, ob nicht aus den vom LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 11.6.2008 (a.a.O.) genannten Gründen - nach wie vor - die uneingeschränkte Ausnutzung der Übergangsfrist verfassungsrechtlich geboten ist. Auf jeden Fall bedarf das Tatbestandsmerkmal "Erfolgen von Ausschreibungen", das, abhängig vom Verhalten der Krankenkassen, zu einer erheblichen Verkürzung der den zugelassenen Leistungserbringern verbleibende Übergangzeit führen kann, einer restriktiveren - im Hinblick auf das Grundrecht der Leistungserbringer aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) grundrechtsfreundlichen - Auslegung. Nach Auffassung des Senats dürften daher nur wettbewerbsrechtlich rechtmäßige Ausschreibungen bzw. auf der Grundlage rechtmäßiger Ausschreibungen abgeschlossene Verträge (§ 127 SGB V) die bis 31.12.2009 laufende Übergangszeit verkürzen können. Wettbewerbsrechtlich rechtswidrige Ausschreibungen wird man bei Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften grundsätzlich nicht zu berücksichtigen haben.

§ 69 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V sieht hierzu die Anwendung der §§ 97 bis 115 und 128 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vor, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei gilt die Maßgabe, dass der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen besonders zu berücksichtigen ist ( § 69 Abs. 2 Satz 3 SGB V ). Die §§ 97 ff. GWB regeln das Vergabeverfahren. § 97 GWB legt die materiell-rechtlichen Eckpunkte des Vergaberechts, namentlich die Transparenz des Vergabeverfahrens und das Diskriminierungsverbot fest ( § 97 Abs. 1 und 2 GWB). Diese Grundsätze sind bei der Auslegung der jeweils einschlägigen Verdingungsordnungen umfassend zu berücksichtigen und als zu den Grundregeln des EG-Vertrags (Art. 43, 49 EG) gehörig und außerdem verfassungsfundiert (in Art. 3 Abs. 1 GG) auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergaberechts, bspw. (wie hier) bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte (§ 100 Abs. 1 GWB), zu beachten.

Davon ausgehend muss das Begehren der Antragstellerin Erfolg haben. Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass die Antragstellerin zu den in § 126 Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten zugelassenen Leistungserbringern zählt. Sie darf daher gem. § 126 Abs. 2 Satz 3 SGB V bis 31.12.2009 die Versicherten versorgen, soweit keine - nach dem Gesagten rechtmäßige - Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 SGB V erfolgt ist. Daran fehlt es. Denn die Antragsgegnerin hat bei der Ausschreibung der in Rede stehenden Leistungen gegen die hierfür maßgeblichen Bestimmungen verstoßen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bundesversicherungsamtes in dessen Schreiben an die Antragsgegnerin vom 5.6.2009 an. So ist zunächst zu beanstanden, dass die Antragsgegenerin (Nach-)Verhandlungen offenbar als Ausgleich einer unzureichenden Leistungsausschreibung vorgesehen hatte. Verhandlungen mit Bietern sind gem. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A (§ 22 SVHV) aber nur zulässig, um Zweifel über die Angebote oder Bieter zu beheben. Der Hinweis in der Bekanntmachung der Ausschreibung, die allgemeine Vertragsgestaltung (Zahlungsmodalitäten, Vertragslaufzeit usw.) solle auf dem Verhandlungswege erfolgen bzw. es werde bis 10.11.2008 mitgeteilt, mit wem man in Vertragsverhandlungen eintrete, ist damit nicht vereinbar. Außerdem muss die Leistungsbeschreibung als Kernelement jeder Ausschreibung zur Wahrung der Vergabeprinzipien des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Transparenz eindeutig und erschöpfend sein (§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A). Das ist hinsichtlich der Abnahmemenge und der Vertragslaufzeit nicht geschehen. Gerade die Vertragslaufzeit gehört zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen. Änderungen entgegen der im Rahmen einer Ausschreibung beschriebenen Leistungen führen grundsätzlich zu einem neuen vergaberechtsrelevanten Tatbestand. Deswegen darf die Vertragslaufzeit nicht nach Erteilung des Zuschlags im Verhandlungswege festgelegt werden. Auch die Gesamtliefermenge wurde unzureichend beschrieben; die Angabe eines Mengenkoningents für einen Zeitraum von 12 Monaten reicht nicht aus. Schließlich hätte die Antragsgegenerin weiter gehende Verdingungsunterlagen vorsehen bzw. versenden müssen.

Im Hinblick darauf sind zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin die Anordnungen nach Nr. 1 und 2 der Entscheidungsformel zu erlassen.

b. Gem. § 127 Abs. 2 Satz 1 SGB V schließen (u.a.) die Krankenkassen, soweit Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1 SGB V nicht durchgeführt werden, Verträge mit Leistungserbringern über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, namentlich über Preise und Abrechnung (u.ä.). Über den Inhalt abgeschlossener Verträge sind andere Leistungserbringer auf Nachfrage unverzüglich zu informieren (§ 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V). Auch bei Anwendung dieser Vorschrift dürften nach Auffassung des Senats aus den dargelegten Gründen nur wettbewerbsrechtlich rechtmäßige Ausschreibungen von Belang sein. Im Hinblick darauf steht der Antragstellerin der Informationsanspruch aus § 127 Abs. 2 Satz 4 SGB V zur Seite, da - wie oben dargelegt wurde - eine rechtmäßige Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 SGB V nicht stattgefunden hat; demzufolge ist die Anordnung nach Nr. 3 der Entscheidungsformel zu erlassen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Referenznummer:

R/R5101


Informationsstand: 02.12.2009