Urteil
Rechtmäßigkeit der Ausschreibung von Elektrostimulationsgeräten

Gericht:

LSG Hessen 1. Senat


Aktenzeichen:

L 1 KR 337/09 ER Verg


Urteil vom:

15.12.2009


Tenor:

Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen vom 5. November 2009 (69 d - VK - 39/2009) über den 16. Dezember 2009 hinaus bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.

Tatbestand:

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung von Elektrostimulationsgeräten.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) schrieb mit einer am 6. August 2009 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union erschienenen Bekanntmachung im Offenen Verfahren einen Lieferauftrag in Form einer Rahmenvereinbarung aus. Gegenstand dieses Auftrags ist die Bereitstellung von Elektrostimulationsgeräten für die Versicherten einschließlich Serviceleistungen. Bei diesen Geräten handelt es sich um Medizinprodukte, die in der Produktgruppe 09 (09.37.01, 09.37.02 und 09.99.99 - TENS- und EMS-Geräte) des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 Abs. 1 SGB V benannt sind.

Elektrostimulationsgeräte sind elektrisch betriebene Medizinprodukte. Sie erzeugen einen therapeutisch wirksamen Strom und führen ihn über Elektroden unterschiedlicher Ausführung dem Körper zu. Die elektrischen Impulse lösen eine Reizung der Nerven (TENS - transkutane elektrische Nervenstimulation) oder der Muskeln (EMS - elektrische Muskelstimulation) aus. Diese Geräte werden in häuslicher Therapie eingesetzt.

Der Auftrag soll für das Kalenderjahr 2010 gelten. Es sind drei Verlängerungsoptionen für jeweils ein weiteres Kalenderjahr vorgesehen. Außerdem ist der Auftrag in drei Gebietslose (Los 1 / Nordhessen, Los 2 / Südhessen, Los 3 / Überregional) unterteilt. Für diese Lose ist eine Schätzung der Anzahl der Versorgungen im Vertragszeitraum angegeben. Einziges Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Der Wert der gesamten Ausschreibung wurde zwischen 395.126,16 EUR und 498.346,16 EUR geschätzt und der Auftragswert unter Berücksichtigung der Verlängerungsoption mit 1,8 Millionen EUR beziffert.

Seit dem 1. Januar 2008 erfolgt die Versorgung mit TENS- und EMS-Geräten in allen drei Losen durch die Ausschreibungsgewinnerin (Fa. D.). Die vertragliche Befristung endet am 31. Dezember 2009. Eine Verlängerung ist aufgrund der vertraglichen Regelungen nicht möglich. Für die Zeit ab 1. Januar 2010 besteht (noch) keine vertragliche Regelung zur Lieferung von Elektrostimulationsgeräten.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) vertreibt seit Jahrzehnten Elektrostimulationsgeräte zur Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten. Ihren eigenen Angaben zufolge gehört sie zu den führenden Unternehmen in diesem Marktbereich und ist insoweit bundesweit tätig. Am 11. August 2009 forderte sie die Vergabeunterlagen von der Antragsgegnerin an.

Unter Punkt 2.4 der Ausschreibungsbestimmungen ist festgehalten, dass Bieter die Verpflichtung haben, die Vergabestelle unverzüglich über unklare Regelungen in den Vergabeunterlagen, die der Erstellung des Angebots oder die Preisermittlung beeinflussen können, zu informieren.

Am 17. August 2009 übersandte die Antragstellerin der Antragsgegnerin ein Telefaxschreiben. Darin heißt es: "Nach Durchsicht und erster Prüfung der Verdingungsunterlagen haben sich eine Vielzahl von Fragen ergeben, deren Klärung zur Kalkulation unseres Angebots von erheblicher Bedeutung sind. Gleichzeitig erheben wir die nachstehenden Fragen als Rügen im Sinne des Vergaberechts (§ 107 Abs. 3 GWB). Soweit die nachstehenden Fragen nämlich nicht geklärt sind, fehlt es z.B. bereits an einer eindeutigen Leistungsbeschreibung und der Eindeutigkeit der Verdingungsunterlagen, so dass die maßgeblichen Grundsätze eines Vergabeverfahrens - wie z.B. Wettbewerbs- und Chancengleichheit der Teilnehmer - nicht gewahrt sind."

Anschließend führte sie 16 Punkte auf. Manche dieser Punkte bedürften der Klarstellung (z.B. Punkt 1: Fragen zu den Versorgeberechtigten). Zu anderen Punkten führte die Antragstellerin aus, dass es der Klarstellung bedürfe, "da wir ansonsten einen entsprechenden Vergabeverstoß sehen, der gerügt ist" (z.B. Punkt 2: Medizinprodukteberater) oder "Die Regelungen bedürfen jedenfalls der Klarstellung und werden vorsorglich als vergaberechtswidrig gerügt" (Punkt 5: Produkt-Leistungsbeschreibung). Schließlich rügte die Antragstellerin Vertragsregelungen ohne weitere Einschränkung "ausdrücklich als vergaberechtswidrig" (z.B. Punkt 12: Kündigungsfrist).

Unter dem 3. September 2009 wies die Antragsgegnerin die Rügen der Antragstellerin zum Teil als unzulässig (Punkte 9, 10 und 14), im Übrigen als unbegründet (Punkte 4, 7, 11 - 13, 15 und 16) zurück. Auch wies sie darauf hin, dass sie die unter den Punkten 1 - 3, 5, 6 und 8 - 10 gestellten Fragen in der nächsten Zusatzinformation beantworten werde.

Mit Schreiben vom 27. August 2009, 10. September 2009 und 18. September 2009 übermittelte die Antragsgegnerin der Antragstellerin sowie allen weiteren Interessenten die Zusatzinformationen Nr. 1 bis 3, mit welchen sie auf die Fragen der Interessenten antwortete.

Im Anschluss hieran wandte sich die Antragstellerin nicht erneut an die Antragsgegnerin.

Die Angebotsfrist endete am 25. September 2009. Bei dem Verhandlungstermin zur Eröffnung der Angebote gemäß § 22 VOL/A lag neben anderen auch ein Angebot der Antragstellerin vor.

Bereits am 18. September 2009 hatte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beantragt. Die Ausschreibung verstoße gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1, 2 und 3 VOL/A. Vertragsgegenstand und Leistungsumfang seien nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben. Es sei unklar, welche Produkte erfasst seien. Die Einweisungspflicht sei in keiner nachvollziehbaren und kalkulatorischen Weise beschrieben worden. Der konkrete Versorgungszeitraum pro Versichertem sei nicht erkennbar. Die Gewährleistung für den gesamten Versorgungszeitraum sei nicht kalkulierbar. Das Verlangen einer kostenfreien Um- und Neuversorgung stelle ein unzumutbares Wagnis dar. Die Vertragsstrafenregelung verstoße gegen § 12 VOL/A. Die kurze Kündigungsfrist nach § 13 Nr. 2 Satz 1 stelle eine unangemessene Bieterbenachteiligung dar.

Nach mündlicher Verhandlung vom 29. Oktober 2009 hat die Vergabekammer des Landes Hessen mit Beschluss vom 5. November 2009 den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Antrag sei zum überwiegenden Teil unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Ordnungsgemäße Rügen seien hinsichtlich der im Schreiben der Antragstellerin vom 17. August 2009 aufgelisteten Punkte 1 - 10 nicht gegeben. Nach dem Wortlaut seien die Rügen nicht eindeutig ausschließlich als solche erhoben worden. Die Antragstellerin habe sie eingeschränkt, indem sie z. B. zunächst um Klarstellung gebeten und lediglich "ansonsten" einen entsprechenden Vergaberechtsverstoß gerügt oder zunächst um Beantwortung von Fragen gebeten und "andernfalls" einen bestimmten Sachverhalt als vergaberechtswidrig gerügt habe. Weiter habe sie einen bestimmten Sachverhalt "vorsorglich" gerügt. Damit hätten die Rügen unter einem Vorbehalt der vorherigen Beantwortung und somit unter einer Bedingung gestanden. Dies widerspreche jedoch Sinn und Zweck und der erforderlichen Eindeutigkeit einer Rüge. "Vorratsrügen" seien nicht zulässig. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Obersatz in dem Schreiben der Antragstellerin, wonach sie die aufgeführten Fragen als Rügen im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB erhebe, da hierdurch der Widerspruch nicht aufgehoben werde.

Die Rügen zu den Punkten 11 - 16 hingegen seien ordnungsgemäß erhoben, aber unbegründet. Die Leistung sei eindeutig und erschöpfend im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A beschrieben und dem Auftragnehmer sei auch kein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet worden. Das Auftragsvolumen sei so genau wie möglich ermittelt und beschrieben worden. Die Antragsgegnerin habe den voraussichtlichen Bedarf so sorgfältig ermittelt, wie es ihr möglich und zumutbar gewesen sei. Eine Rahmenvereinbarung sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass es dem Auftraggeber nicht möglich sei, den Bedarf von vornherein bis ins kleinste Detail festzulegen. Er müsse sich insoweit nicht abschließend auf ein bestimmtes Auftragsvolumen festlegen. Dieses hänge zudem von der Anzahl der Patienten, welche die entsprechende Versorgung benötigen, sowie dem Inhalt der ärztlichen Verordnung ab. Nicht zu beanstanden sei, dass in den Ausschreibungsbedingungen nicht nach Erst- und Umversorgung differenziert werde. Denn die Antragsgegnerin erhalte aufgrund des Abrechnungssystems nur von den Erstversorgungen Kenntnis. Weitere Daten zu generieren, hätte einen unverhältnismäßigen Aufwand dargestellt. Auch sei die Antragstellerin mit der Materie vertraut, so dass von einem ungewöhnlichen Wagnis nicht auszugehen sei. Hinsichtlich der Kündigungsfrist (§ 13 Nr. 2 Satz 2) habe die Antragstellerin nicht dargelegt, weshalb diese für sie nachteilig sei und ihre Kalkulation beeinflusse. Die außerordentliche Kündigung sei nur für den Fall vorgesehen, dass das gesamte Kontingent ausgeschöpft sei. Der Auftragnehmer habe aber genau wie der Auftraggeber Kenntnis von dieser Tatsache, so dass eine außerordentliche Kündigung für ihn nicht überraschend komme. Auch hinsichtlich der Gewährleistung (§ 5 Nr. 1) sei nicht ersichtlich, welcher Nachteil für die Antragstellerin entstehen sollte. Die Gewährleistungsfrist stehe klar fest und sei daher gerade nicht unbestimmt. Die Vertragsstrafenregelung (§ 12) sei klar formuliert und gelte zudem für alle Bieter. Die Antragstellerin könne sich hierauf einstellen. Schließlich führe auch die Bestimmung über die Umversorgung (§ 6 Abs. 1) nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin. Die Umversorgung sei nur innerhalb bestimmter Produktgruppen geregelt. Damit habe eine ausreichend klare Grundlage für die Kalkulation der Antragstellerin bestanden. Ein ungewöhnliches Wagnis habe auch insoweit nicht bestanden.

Die Antragstellerin hat gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2009 zugestellten (berichtigten) Beschluss am 1. Dezember 2009 beim Hessischen Landessozialgericht sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor: Sie habe die Punkte 5, 9 und 10 ausdrücklich als vergaberechtswidrig gerügt. Sie habe als juristischer Laie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht nur Fragen stelle, sondern von der Vergaberechtswidrigkeit ausgehe. Dass sie daneben auch Fragen erhoben habe, sei unschädlich. Die Vergabekammer habe sich auf einen formalistischen Standpunkt gestellt. Schließlich habe die Antragstellerin im Obersatz ausdrücklich gerügt, dass alle Punkte eine Rüge darstellten, da von einem Vergabeverstoß ausgegangen werde. Zudem komme es immer darauf an, ob ein aktueller Bezugspunkt bei den ausgesprochenen Rügen vorliege. Da die Antragstellerin immer umfangreich den maßgeblichen Sachverhalt dargestellt habe, könne auch nicht von Vorratsrügen ausgegangen werden. Die auch im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Punkte seien damit ordnungsgemäß gerügt worden.

Der Nachprüfungsantrag sei zudem begründet. Die Ausschreibung biete in ihrer Gesamtheit keine ordnungsgemäße Kalkulationsgrundlage. Die Antragsgegnerin habe in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer durchaus Zahlen über durchschnittliche Versorgungszeiträume präsentieren können. Es sei daher unglaubwürdig, wenn die Antragsgegnerin behaupte, konkrete Zahlen und insbesondere Differenzierungen der einzelnen Produktgruppen, Produktarten und Versorgungszeiträume lägen ihr nicht vor. Sie habe daher nicht so sorgfältig ermittelt, wie es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre. Es könne auch nicht darauf verwiesen werden, dass die Antragstellerin seit Jahren auf diesem Markt tätig sei. Denn es sei nicht feststellbar, inwieweit ihre Versorgungszahlen repräsentativ seien. Auch stehe der Antragsgegnerin aus der Vergangenheit ausreichend Zahlenmaterial zur Verfügung. Eine entsprechende Auswertung sei auch zumutbar gewesen. Die Vergabekammer habe sich nicht ausreichend mit der Frage der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung sowie dem ungewöhnlichen Wagnis beschäftigt. Hinsichtlich der Kündigungsfrist verweist die Antragstellerin darauf, dass ein Bieter auch bei Kenntnis der Kontingentzahlen weiterhin entsprechende unternehmerische Kapazitäten - insbesondere Personal - vorhalten müsse. Bezüglich der Gewährleistung führt sie an, dass der Versorgungszeitraum deutlich länger sein könne als der Vertragszeitraum. Er könne sogar auf unbestimmte Zeit andauern. Damit sei der Gewährleistungszeitraum nicht bestimmt. Hinsichtlich der kostenlosen Umversorgung trägt sie vor, dass die Produkte nur innerhalb einer Produktart gleichwertig und gleichartig seien, nicht hingegen innerhalb einer Produktuntergruppe. Gerade bei Umversorgungen innerhalb einer Produktuntergruppe seien andere Geräte einzusetzen, denen auch eine andere Kostenkalkulation zugrunde liege. Daher sei es auch insoweit für eine ausreichend kalkulierte Preisfindung von Bedeutung, dass das Zahlenmaterial der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt werde.

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 118 GWB sei nur dann abzulehnen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie dem Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwögen. Eine derartige Eilbedürftigkeit lasse sich nicht feststellen. Insbesondere sei vorliegend auch die Versorgung der Versicherten in keiner Weise gefährdet, da eine Versorgung der Versicherten auch ohne die Durchführung der Ausschreibung sichergestellt sei. Dies folge aus § 127 Abs. 3 SGB V. Die Versorgung der Versicherten mit den Produkten der PG 09 könne also ohne Weiteres auch über den 31. Dezember 2009 hinaus durch alle gemäß § 126 SGB V versorgungsberechtigen Leistungserbringer durchgeführt werden. Eine Gefährdung der Versorgung der Versicherten sei daher ausgeschlossen. Unter diesen Umständen verdiene das Interesse des Bieters auf effektiven Rechtsschutz zur Einhaltung der zu seinem Schutz erlassenen Vergabebestimmungen im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB Vorrang.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die sofortige Beschwerde sei bereits gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin kommentarlos auf ihren Nachprüfungsantrag verweise. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet, da die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zu Recht zurückgewiesen habe. Insoweit wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihren bisherigen Vortrag.

Ergänzend trägt sie vor, dass sie die Angebote zwischenzeitlich gemäß § 25 VOL/A gewertet habe. Diese Wertung habe ergeben, dass auf das Angebot der Antragstellerin bei keinem Los der Zuschlag erteilt werden könne. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 und 8. Dezember 2009 habe sie der Antragstellerin den Namen der Unternehmen, deren Angebote angenommen werden sollen (Lose 1 und 2: Fa. D., Los 3: Fa. E.) die Gründe der Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin und den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses mitgeteilt.

Ferner sei die Beanstandung der Kündigungsfrist nicht ordnungsgemäß gerügt worden. Dies sei nur pauschal und ohne Hinweis darauf, worin die Antragstellerin eine angebliche unangemessene Benachteiligung sieht, geschehen. Die Vergaberechtsvorschrift, gegen die die Kündigungsfrist verstoße, werde nicht benannt. Erstmals im Nachprüfungsantrag habe sie die Begründung der angeblichen unangemessenen Benachteiligung ausgeführt. Dies sei zu spät.

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sei unbegründet. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer habe keine Aussicht auf Erfolg. Das Angebot der Antragstellerin sei mangels formaler Erfüllung der Versorgungsbedingungen und insbesondere mangels Wirtschaftlichkeit nicht zuschlagfähig. Das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Verfahrensabschluss zur Vergabe des Versorgungsauftrags sei daher vorrangig.

Eine weitere Verzögerung der Auftragsvergabe beeinträchtige das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin erheblich. Zum 1. Januar 2010 sei eine nahtlose Versorgung sicherzustellen. Diese sei auch nicht anders als mittels Verträgen mit Leistungserbringern möglich. Selbst wenn die Antragsgegnerin eine Vereinbarung gemäß § 127 Abs. 3 GWB schlösse, müsste sie zunächst Preisangebote bei mehreren Leistungsanbietern einholen.

Dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Versorgung stehe kein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin an einer Verlängerung des Zuschlagsverbots gegenüber. Die Antragstellerin habe keine Aussicht, den Versorgungsauftrag zu erhalten. Sie habe einen deutlich höheren Preis für die Versorgung mit Elektrostimulationsgeräten angeboten als der jeweils wirtschaftlichste Bieter. Zudem sei das Angebot der Antragstellerin nach § 25 Nr. 1 VOL/A ausgeschlossen, weil ein von ihr angebotenes Elektrostimulationsgerät nicht über den im Hilfsmittelverzeichnis geforderten einstellbaren Frequenzbereich verfüge. Daher bringe der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Antragstellerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Vorteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Vergabekammerakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde über den 16. Dezember 2009 hinaus zu verlängern (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) ist abzulehnen.

1. Der Antrag ist zulässig.

Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wie auch über den damit verbundenen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Dies folgt aus den mit Wirkung vom 18. Dezember 2008 durch Art. 2b Nr. 2 und Nr. 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG, BGBl. I S. 2426) eingeführten §§ 29 Abs. 5 und 142a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach entscheidet in Streitigkeiten über Entscheidungen von Vergabekammern, die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen, ausschließlich das für den Sitz der Vergabekammer zuständige Landessozialgericht (§ 29 Abs. 5 Satz 1 SGG). Dabei sind § 115 Abs. 2 Satz 2 bis 5, § 116 Abs. 1 und 2, die §§ 117 bis 123 sowie die §§ 125 und 126 GWB entsprechend anzuwenden ( § 142a Abs. 1 SGG).

Da hier die Vergabekammer des Landes Hessen in der Sache entschieden und damit den spezifischen vergaberechtlichen Rechtsschutz nach §§ 102 ff. bzw. 116 ff. GWB eröffnet hat, ist das Hessische Landessozialgericht zuständig für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gemäß § 116 Abs. 1 GWB sowie den damit verbundenen Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB.

Die Antragsgegnerin ist ein öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur GKV - durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht. Die Qualifikation als öffentlicher Auftraggeber ist gegeben (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009 - C-300/07; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. August 2009 - L 21 KR 45/09 SFB - und Beschluss vom 10. September 2009 - L 21 KR 53/09 SGB - juris). Bei den zu schließenden Rahmenvereinbarungen handelt es sich auch unstreitig um öffentliche Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB.

Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung besteht, da die von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde nicht offensichtlich unzulässig ist. Nach § 116 Abs. 1 und 2 GWB ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den Beteiligten am Verfahren vor der Vergabekammer zu. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Sie ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen und muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 GWB). Diese formalen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Entscheidung der Vergabekammer mit berichtigter Rechtsmittelbelehrung ist der Antragstellerin am 18. November 2009 zugestellt worden, so dass die am 1. Dezember 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde fristgerecht eingelegt worden ist. Die Antragstellerin ist als ein an der Ausschreibung interessiertes und mittlerweile bietendes Unternehmen ferner antragsbefugt.

2. Der Antrag ist aber unbegründet.

Bei der Entscheidung über den Eilantrag hat das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 GWB). Das Gericht lehnt den Antrag ab, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen. Dabei sind auch die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die allgemeinen Aussichten des Antragstellers im Vergabeverfahren, den Auftrag zu erhalten, und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens, zu berücksichtigen.

Verspricht die Beschwerde auf der Grundlage des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstandes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist der Antrag abzulehnen, ohne dass es einer Interessenabwägung nach § 118 Abs. 2 Satz 2 GWB bedarf. Hiervon war bereits nach § 118 GWB in der Fassung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114) auszugehen (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. März 2007 - VII-Verg 5/07; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. April 2009 - L 21 KR 36/09 SFB; Summa in jurisPK-Verg, § 118 GWB Rn. 35; Otting in Bechthold, GWB, Kommentar, 5. Aufl., § 118 Rn. 6) und dies gilt um so mehr gemäß der seit 24. April 2009 gültigen Fassung (BGBl. I S. 790).

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand wird der Senat die sofortige Beschwerde zurückzuweisen haben, da der angegriffene Beschluss der Vergabekammer rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Zutreffend hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Vergabekammer die Punkte 1 - 10 des Schreibens der Antragstellerin vom 17. August 2009 als unzulässig bewertet hat, weil die Vergabestelle sie nicht zweifelsfrei als Rügen habe einordnen können. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin insoweit dagegen angeführt, dass sie die Punkte 5, 9 und 10 ausdrücklich als vergaberechtswidrig gerügt habe. Bei dieser Sachlage braucht der Senat auf die anderen Punkte nicht einzugehen.

Die Anforderungen an ein Rügeschreiben im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB sind hinsichtlich der Punkte 5, 9 und 10 nicht erfüllt.

Sinn der Rüge ist es, dem Auftraggeber die Möglichkeit der Heilung der aufgezeigten Mängel bereits im Vergabeverfahren zu ermöglichen, damit zeitraubende Nachprüfungsverfahren vermieden werden können. Der Rüge muss daher eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein. An den Inhalt einer Rüge dürfen aber ansonsten, um die Gewährung effektiven Rechtsschutzes sicherzustellen, nur geringe Anforderungen gestellt werden. Zum notwendigen Bestandteil einer Rüge gehört daher weder, dass der Bieter das Wort "Rüge" benutzt, noch, dass er die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens androht (OLG München, Beschlüsse vom 5. November 2009 - Verg 15/09 und 26. Juni 2007 - Verg 6/07 - juris). Auch die verletzte Norm muss nicht im Einzelnen angegeben werden. Vielmehr genügt die Darlegung von Tatsachen und die Behauptung, dadurch sei das Vergaberecht verletzt (Dreher in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, Kommentar zum Deutschen Kartellrecht, 4. Aufl., § 107 GWB Rn. 38).

Zum Ausdruck kommen muss aber, welchen Sachverhalt das Unternehmen für vergaberechtswidrig hält und dass es dem Auftraggeber vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit einer Selbstkorrektur geben möchte. Dabei muss nach dem objektiven Empfängerhorizont zumindest durch Auslegung eindeutig erkennbar sein, dass nicht nur eine Anregung zur Optimierung eines Vergabeverfahrens gegeben werden soll, sondern ein Rechtsfehler geltend gemacht wird. Entscheidend ist, dass die Vergabestelle die Aussage als ernst gemeinte und verbindliche Rüge qualifizieren kann. Es muss klar sein, dass es sich um eine Beanstandung handelt und nicht etwa um eine Frage zu tatsächlich oder vermeintlich missverständlichen Formulierungen in den Verdingungsunterlagen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 2007 - 11 Verg 15/06 - juris; Summa in jurisPK-VergR § 107 GWB Rn. 110).

Die Antragstellerin hat mit den Punkten 5, 9 und 10 jeweils um Klarstellung durch die Antragsgegnerin gebeten. Hierauf hat die Antragsgegnerin zunächst der Antragstellerin mit Schreiben vom 3. September 2009 u.a. die Rügen unter Punkte 9 und 10 für unzulässig erklärt und hinsichtlich Punkt 5 auf die nächste Zusatzinformation verwiesen. Zudem hat sie allen potentiellen Bietern mit Schreiben vom 10. September 2009 und 18. September 2009 die Zusatzinformationen Nr. 2 und 3 übermittelt und darin auf die Fragen der Antragstellerin geantwortet (Punkt 5: Zusatzinformation Nr. 2, Antworten zu Fragen 5, 7 und 8 - 11, Zusatzinformation Nr. 3, Antworten zu Fragen 2 und 9; Punkt 9: Zusatzinformation Nr. 2, Antwort zu Frage 19; Punkt 10: Zusatzinformation Nr. 2, Antworten zu Fragen 20, 21 - 24, 25 und 26 - 27). Aus dem Schreiben der Antragstellerin vom 17. August 2009 ist nicht erkennbar, ob in Anbetracht dieser Antworten die Rügen als erhoben gelten sollen. Einer solchen Klarstellung hätte es jedoch angesichts der umfänglichen Antworten auf die gestellten Fragen unbedingt bedurft.

Die Rügen zu den Punkten 11 - 16 hat die Vergabekammer zutreffend als unbegründet bewertet. Die darin zur Nachprüfung gestellten Leistungsbedingungen in der Versorgung der Versicherten verletzen keine Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 7 GWB. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Leistung eindeutig und erschöpfend im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A beschrieben. Dem Auftragnehmer ist auch kein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet worden.

Die unter Punkt 11 angeführten Rügen sind unbegründet. Damit hat die Antragstellerin beanstandet, dass die unter 3.3 der Verdingungsunterlagen vorgegebenen Mengenkontingente willkürlich seien. Denn es heiße darin, dass die anhand der Versorgungszahlen aus dem Jahr 2008 errechneten voraussichtlichen Mengenkontingente weder abgerufen werden müssten, noch abschließend seien. Damit behalte sich die Antragsgegnerin das Recht vor, nach eigenem Gutdünken Mengen abzurufen, die überhaupt keinen Bezug zu den angegebenen Mengengerüsten hätten. Zudem seien die Mengengerüste zu unbestimmt und als Kalkulationsgrundlage ungeeignet. Es werde nicht nach bi- oder monophasischen Geräten unterschieden, noch werde die Versorgung z.B. bezüglich der erfolgten Umversorgungen aufgeschlüsselt. Da die Antragsgegnerin jedoch bereits über eine zweijährige Ausschreibungserfahrung auf diesem Gebiet verfüge, müsste sie genauere Kalkulationsgrundlagen zur Verfügung stellen können. Ferner sei es vergabewidrig, dass sie sich vorbehalte, die Mengengerüste aus einem anderen Losgebiet abzurufen.

Die Antragsgegnerin hat vorliegend eine Rahmenvereinbarung ausgeschrieben. Gemäß § 3 a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A sind dies öffentliche Aufträge, die die Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis. Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist hiernach so genau wie möglich zu ermitteln und zu beschreiben, muss aber nicht abschließend festgelegt werden.

Unter Beachtung von Art. 3 Grundgesetz ist ferner gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A die Leistung so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Maßgeblich für die Auslegung der Leistungsbeschreibung ist der objektive Empfängerhorizont, also die Sicht der potentiellen Bieter (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 16. Januar 2009 - Z3-3-3194-1-33-09/08). Dabei ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen und sachkundigen Bieters, der mit Beschaffungsleistungen der entsprechenden Art vertraut ist, abzustellen (OLG Koblenz, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 1 Verg 7/07).

Darüber hinaus darf dem Bieter kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A auferlegt werden (s. Schaller, Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Teile A und B, Kommentar, 4. Aufl., § 3 a VOL/A Rn 57). Welches Wagnis ungewöhnlich und vergaberechtlich nicht zulässig ist, kann nur einzelfallbezogen nach Art und Umfang der nachgefragten Leistung unter Beachtung des Gesichtspunktes der Branchenüblichkeit geklärt werden. Es liegt nur dann vor, wenn die für den jeweiligen Vertragstyp rechtlich, wirtschaftlich bzw. technisch branchenübliche Risikoverteilung einseitig und nicht nur unerheblich zu Ungunsten des Auftragnehmers verändert vorgegeben wird (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 1 Verg 9/08). Entscheidend ist zudem, dass dem Bieter im Rahmen der Leistungsbeschreibung hinreichende Grundlagen für die erforderliche Kostenkalkulation zur Verfügung gestellt werden (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 Verg 6/04). Vorhandene Zahlen über das zu erwartende Verordnungsvolumen müssen die Krankenkassen den Bietern zur Verfügung stellen, um den Bietern eine zuverlässige Preisermittlung zu ermöglichen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Februar 2008 - L 5 KR 407/08 ER-B). Die Pflicht des Auftraggebers, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen und damit den genauen Leistungsgegenstand und- umfang vor Erstellung der Leistungsbeschreibung aufzuklären, unterliegt der Grenze des Mach- und Zumutbaren. Diese Pflicht endet, wo eine in allen Punkten eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich ist (Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 6. Februar 2009 - Z3-3-3194-1-36-10/08). Darüber hinaus ist für die Feststellung eines ungewöhnlichen Wagnisses nicht allein auf die mit einer Vertragsbedingung möglicherweise verbundenen Ungewissheiten abzustellen. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A fordert vielmehr zusätzlich, dass diese Ungewissheiten eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation des Angebotspreises für den Bieter unzumutbar machen (Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 15. November 2007 - VK 2 - 105/07).

Nach diesen Maßstäben ist ein vergaberechtlicher Verstoß vorliegend nicht ersichtlich.

In § 4 Nr. 1 d) des Vertrags sowie unter 3.1 der Verdingungsunterlagen hat die Antragsgegnerin die zu erwartende Anzahl an Versorgungen in dem jeweiligen Los (Rahmenkontingent) für den Zeitraum von 12 Monaten dargestellt (Gebietslos 1: ca. 3.197 Versorgungen, Gebietslos 2: ca. 6.836 Versorgungen und Gebietslos 3: ca. 289 Versorgungen). Gemäß 3.3 der Verdingungsunterlagen hat sie für jedes Gebietslos bestimmte Mengenkontingente an Elektrostimulationsgeräten, gegliedert nach den im Hilfsmittelverzeichnis festgelegten Produktuntergruppen der Elektrostimulationsgeräte, festgelegt. Diese Mengenkontingente beschränken die Auftraggeberin nicht, weitere Geräte abzurufen. Ebenso wenig ist sie verpflichtet, die Kontingente auszuschöpfen. Soweit ein Losgebiet das Kontingent einer Produktuntergruppe vor Vertragsende ausgeschöpft wird, kann die Auftraggeberin die Versorgung durch Lieferung aus einem anderen Losgebiet dieser Ausschreibung sicherstellen.

Bei den Produktuntergruppen handelt es sich um 09.37.01 (Niederfrequente Elektrostimulationsgeräte zur Schmerzbehandlung - TENS-Geräte), 09.37.02 (Niederfrequente Elektrostimulationsgeräte zur Muskelstimulation - EMS-Geräte), 09.99.01 (Oberflächenelektroden) sowie 09.99.02 (sonstige Elektroden und Zubehör).

Unter 2.17 der Verdingungsunterlagen hat die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Versorgungszahlen aus dem Geschäftsjahr 2008 wie folgt nach diesen Produktuntergruppen aufgeschlüsselt:

Los 1 Nordhessen
TENS-Geräte 3.074
EMS-Geräte 123

Los 2 Südhessen
TENS-Geräte 6.669
EMS-Geräte 167

Los 3 überregional
TENS-Geräte 277
EMS-Geräte 12

Die Mengengerüste sind hinreichend bestimmt. Die Leistung ist gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ausreichend beschrieben. Ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne von § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ist nicht erkennbar.

Die Antragsgegnerin musste sich nicht auf ein bestimmtes Auftragsvolumen festlegen. Ihr war es auch nicht möglich, den Bedarf bis ins kleinste Detail zu bestimmen. Insbesondere konnte sie nicht vorab klären, welche Geräte und Gerätetypen in welcher Anzahl zum Einsatz kommen würden, da sie hierauf keinen Einfluss hat. Vielmehr ist dies von der Anzahl und dem Inhalt der künftigen ärztlichen Verordnungen abhängig. Damit werden dem Bieter auch keine einseitigen Risiken aufgebürdet, mit denen er bei der Abwicklung des Vertrages üblicherweise nicht rechnen müsste. Vielmehr ist es der fachlich vertrauten Antragstellerin als verständige und sachkundige Bieterin, die mit Beschaffungsleistungen der entsprechenden Art vertraut ist, bekannt, dass die objektive Bedingungen (Anzahl und Art der Erkrankungen) sowie subjektive Einflüsse (ärztliche Verordnung und ihr Inhalt) die Leistung beeinflussen und ein geradezu vertragstypisches Risiko darstellen.

Auch die Bezugnahme der Antragsgegnerin auf die Daten aus dem Jahre 2008 ist ausreichend. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin nicht nach Erst- und Umversorgung differenziert hat. Zunächst ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht dazu verpflichtet war, mit der Ausschreibung verschiedene Preispauschalen für Erst- bzw. Umversorgung wie auch für Erst- und Folgeversorgung anzufordern. Vielmehr konnte sie sich für einheitliche Pauschalen für alle Versorgungsfälle während der Vertragsdauer entscheiden.

Darüber hinaus war die Antragsgegnerin auch nicht dazu verpflichtet, den Bietern Daten aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Versorgungsvarianten vorzulegen. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin erhält sie aufgrund des Abrechungssystems nur Kenntnis von den Erstversorgungen. Dies ist von der Antragstellerin nicht ausreichend substantiiert bestritten worden. Soweit sie sich auf die Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer beruft, hat sie in der Beschwerdeschrift lediglich vorgetragen, dass die dort anwesenden Mitarbeiter der Antragsgegnerin Zahlen über durchschnittliche Versorgungszeiträume aus der Vergangenheit präsentiert haben. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Antragsgegnerin auch Daten über den Umfang der Umversorgungen vorliegen.

Zudem liegen der fachlich vertrauten Antragstellerin aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung selbst umfangreiche Daten über die Versorgung mit Elektrostimulationsgeräten vor. Dies wird bereits dadurch belegt, dass nach ihrem eigenen Vortrag im Rahmen eines weiteren vergaberechtlichen Verfahrens die Kosten für die Folgeversorgung betriebswirtschaftlich zu vernachlässigen seien, weil die wesentlichen Ausgaben zu Beginn einer Versorgung anfielen. Denn die Behandlung mit Elektrostimulationsgeräten sei ihrer Erfahrung nach in der Regel nach sechs Monaten abgeschlossen, so dass die danach nötige Folgeversorgung zu vernachlässigen sei und deshalb von ihr zu 1 EUR angeboten werden könne (vgl. BSG, Beschluss vom 22. April 2009 - B 3 KR 2/09 D). Hieraus wird deutlich, dass die Antragstellerin über die Dauer der regelmäßigen Versorgung bestens informiert ist.

Es kann davon ausgegangen werden, dass ihr auch hinsichtlich der Erst- und Umversorgung ausreichend Daten zur Verfügung stehen, die ihr eine entsprechende Kalkulation ermöglichen. Denn wie andere sachkundige Bieter auch hat sie als für die Erst- wie Umversorgung zuständige Leistungserbringerin unmittelbar die Informationen über deren Häufigkeit. Diese Daten konnte sie bei ihrer Kalkulation heranziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2008 - VII-Verg 15/08 - zu Inkontinenzartikel). Soweit sie vorträgt, ihre Daten seien nicht repräsentativ, hat sie dies nicht substantiiert begründet. Es erscheint aufgrund der führenden Marktstellung der Antragstellerin und dem entsprechend großen Versorgungsumfang auch in keiner Weise nachvollziehbar.

Auch hinsichtlich der Produktarten innerhalb einer Produktuntergruppe musste die Antragsgegnerin keine differenzierten Daten vorlegen. Denn auch insoweit ist nicht erwiesen, dass die Antragsgegnerin über diese Daten verfügt. Zudem ist die Anzahl der Umversorgungen abhängig von den konkret angebotenen Geräten und damit von der Entscheidung der Antragstellerin. So ist ein höherwertiges Gerät prinzipiell in der Lage, die Anforderungen für mehrere Produktarten zu erfüllen. Darüber hinaus hat die Antragstellerin nicht dargelegt, inwieweit die Preise dieser Produkte sich unterscheiden und welchen Einfluss sie auf die Kalkulation des Pauschalpreises haben. Damit ist für den Senat nicht ersichtlich, dass eine Preiskalkulation für einen professionellen Anbieter wie die Antragstellerin nicht möglich sein soll.

Schließlich ist es auch nicht vergabewidrig, dass die Antragsgegnerin sich vorbehält, die Mengengerüste aus einem anderen Losgebiet abzurufen. Denn dies tritt nach der o.g. Regelung erst dann ein, wenn das Kontingent des einen Losgebietes bereits vollständig abgerufen worden ist. Da die Kalkulation sinnvollerweise auf das entsprechende Kontingent ausgerichtet sein sollte, ist nicht erkennbar, wieso die Kalkulation beeinträchtigt wird, wenn über dieses Kontingent hinaus die Auftraggeberin die Versorgung durch Lieferung aus einem anderen Losgebiet dieser Ausschreibung sicherstellt. Dies gilt gleichermaßen hinsichtlich der Möglichkeit der Antragsgegnerin, nach Ausschöpfung der Kontingente weitere Geräte abzurufen. Denn es steht regelmäßig im wirtschaftlichen Interesse der Bieter, möglichst viele Versorgungen zu tätigen.

Auch die in § 6 Nr. 1 des Vertrages geregelte kostenlose Um- und Neuversorgung (Rüge 16) ist nicht vergaberechtswidrig.

Nach dieser vertraglichen Regelung ist innerhalb der ersten sechs Monate eine Umversorgung innerhalb der Produktgruppen 09.37.01 und 09.37.02 während des Versorgungszeitraums kostenfrei durch den Auftragnehmer sicherzustellen. Nach § 6 Nr. 2 des Vertrages können spätere Umversorgungen gesondert abgerechnet werden. Soweit innerhalb der Vertragslaufzeit bei einem Versicherten die erneute Versorgung mit einem Elektrostimulationsgerät notwendig wird, hat der Leistungserbringer die Versorgung kostenfrei durchzuführen. Unter 5.1 der Verdingungsunterlagen sind den Produktuntergruppen 09.37.01 und 09.37.02 jeweils vier Produktarten zugeordnet (biphasisch einkanalig, biphasisch mehrkanalig, monophasisch einkanalig und monophasisch mehrkanalig).

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Produkte innerhalb einer Produktart als gleichartig und gleichwertig anzusehen seien, nicht aber die Produkte innerhalb einer Produktuntergruppe. Die Vergabekammer hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass eine ausreichend klare Grundlage für die Kalkulation bestanden hat. Die Umversorgung hat nur innerhalb der jeweiligen Produktuntergruppe zu erfolgen. Zudem waren die Bieter gemäß Anlage 5 der Verdingungsunterlagen gehalten, für jede Produktuntergruppe einen einheitlichen Preis anzugeben, ohne nach den Produktarten zu differenzieren. Es ist nicht erkennbar, dass die geforderte Kalkulation eines Pauschalpreises für die verschiedenen Produktuntergruppen nicht zumutbar wäre.

Die weiteren Rügen der Antragstellerin sind ebenfalls nicht begründet. Auf die Rüge unter Punkt 14 (Bestätigungspflicht bei Email-Eingang) ist hier nicht weiter einzugehen, da diese weder von der Antragstellerin weiter verfolgt noch von der Vergabekammer im Beschluss aufgegriffen worden ist.

Soweit die Antragstellerin die Kündigungsfrist (Punkt 12) rügt, ist fraglich, ob diese Rüge zulässig ist. Dieser Rüge ist keine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen ist. Pauschale Rügen oder unsubstantiierte Rügen genügen jedoch nicht den vergaberechtlichen Anforderungen (vgl. OLG München, Beschluss vom 2. August 2007 - Verg 7/07). Erfolgt eine Begründung erst im Nachprüfungsantrag, ist dies nicht fristgemäß.

Jedenfalls aber begründet die Kündigungsfrist keine unangemessene Bieterbenachteiligung. Nach § 13 Nr. 2 S. 1 des Vertrages kann die Auftraggeberin den Vertrag mit einer Frist von einer Woche ab Zugang der Kündigungserklärung beim Auftragnehmer kündigen, wenn das unter Punkt 3.1 der Verdingungsunterlagen beschriebene Kontingent auch nach losübergreifender Versorgung ausgeschöpft ist. Zutreffend hat die Vergabekammer darauf verwiesen, dass es für den Auftragnehmer frühzeitig erkennbar ist, wann sein Kontingent ausgeschöpft ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht insoweit, als auf die Kontingente der anderen Lose abgestellt wird. Denn insoweit bleibt es dem entsprechenden Auftragnehmer unbenommen, beim Auftraggeber den jeweiligen Stand hinsichtlich der anderen Kontingente abzufragen. Soweit die Antragstellerin sich darauf beruft, dass sie bei Kündigung ihre Betriebsabläufe sowie frei werdende personelle Ressourcen reorganisieren müsse, kann dies die Rüge ebenfalls nicht begründen. Ein personalintensiver Einsatz ist mit der maßgeblichen Versorgung nicht verbunden, da die Einweisung der Versicherten regelmäßig durch den verordnenden Arzt erfolgt. Zudem erbringt die Antragstellerin ihre Leistungen für eine Vielzahl von Versicherten anderer Kassen und hat daher ausreichend Möglichkeit, die personellen Ressourcen zu verteilen. Demgegenüber ist die Antragsgegnerin verpflichtet, einen nahtlosen Übergang in der Versorgung sicherzustellen. Der genaue Zeitpunkt des Versorgungsübergangs vom Altunternehmen auf den neuen Vertragspartner kann die Antragsgegnerin nicht langfristig planen. Sie ist mithin auf kurze Kündigungsfristen angewiesen. Eine unangemessene Bieterbenachteiligung durch die kurze Kündigungsfrist ist daher nicht erkennbar.

Dies gilt auch für die gerügten Vertragsstrafen (Punkt 15), die gemäß § 12 VOL/A nur für die Überschreitung von Ausführungsfristen ausbedungen werden sollten.

Vom bieterschützenden Charakter des § 12 VOL/A ist auszugehen, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer bereits in den Vergabeunterlagen diesbezüglich unangemessen benachteiligende und deswegen nicht zumutbare Vertragsbedingungen stellt. Denn derartige Regelungen können am Auftrag interessierte Unternehmen davon abhalten, sich mit einem Angebot an der Ausschreibung zu beteiligen, was dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip widerspricht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.4.2008 - VII-Verg 15/08 - juris).

Mit § 12 VOL/A ist nur der in der Praxis am meisten vorkommende Fall der Vertragsstrafenvereinbarung erfasst. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist damit keineswegs ausgeschlossen, dass im Rahmen der Vertragsfreiheit des BGB für eine ganze Reihe von anderen Fällen Vertragsstrafen vereinbart werden können (vgl. Schaller, a.a.O., VOL/A § 12 Rn 12 f.; Raufeisen, in Willenbruch/Bischoff, Vergaberecht, Kompaktkommentar, S. 497).

In § 12 des Vertrages ist bestimmt, dass die Auftraggeberin unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Verwarnungen und in schwerwiegenden Verstößen eine Vertragsstrafe bis zu 20.000 EUR beschließen kann. Ferner ist aufgelistet, was insbesondere als schwerwiegender Verstoß gilt (z.B. Berechnung nicht ausgeführter Leistungen und Lieferungen, Forderung bzw. Annahme zusätzlicher Entgelte vom Versicherten).

Damit ist ausreichend bestimmt, in welchen Fällen eine Vertragsstrafe verhängt werden kann. Die Antragstellerin konnte sich darauf einstellen. Auch gilt die Regelung für alle Bieter. Ferner ist der Grundsatz der Angemessenheit beachtet, da Vertragsstrafen nur bei schwerwiegenden Verstößen des Leistungserbringers vorgesehen sind. Hierbei handelt es sich überwiegend um Verhaltensweisen, die ohnehin sozialrechtlich verboten und/oder strafrechtlich relevant sind. Die Antragstellerin hat zudem nicht benannt, in Bezug auf welchen Vertragsverstoß eine Vertragsstrafe eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers darstellen würde. Ein vergaberechtlicher Verstoß durch § 12 des Vertrages ist mithin nicht ersichtlich.

Auch die Rüge der Antragstellerin, die Ausdehnung der Gewährleistung auf den gesamten (nicht definierbaren) Versorgungszeitraum (Punkt 13) sei eine unangemessene Bieterbenachteiligung, ist nicht begründet.

Gemäß § 5 Nr. 1 des Vertrages garantiert der Auftragnehmer die Versorgung der Versicherten mit funktionsgerechten, technisch, optisch und hygienisch einwandfreien Hilfsmitteln. Sollte die Versorgung durch wiederaufbereitete Produkte erfolgen, sind die einschlägigen Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes zum Wiedereinsatz zu beachten. Die Gewährleistung umfasst den gesamten Versorgungszeitraum.

Hierin liegt kein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A. Diese Vorschrift setzt eine Ungewissheit auf der Bieterseite voraus, die eine vernünftige Kalkulation des Angebotspreises unzumutbar macht. Diese ist hier nicht erkennbar. Denn zusätzlich zu dem gewöhnlichen Wagnis erfordert § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, dass ein branchenkundiger und erfahrener Bieter den Grad des Risikos und die Wahrscheinlichkeit seiner Verwirklichung nicht selbst einschätzen und die damit verbundenen voraussichtlichen Auswirkungen auf den Preis nicht mehr angemessen absehen kann.

Die Antragsgegnerin hat in der Zusatzinformation Nr. 2 (Antwort 25) darauf hingewiesen, dass die regelmäßige Versorgungsdauer zeitlich begrenzt ist und dem erfahrenen Bieter die gängigen Versorgungszeiträume bekannt sind. Weitergehende Angaben musste die Antragsgegnerin - wie bereits dargelegt - insoweit nicht machen. Es ist nicht widerlegt, dass die Antragsgegnerin über keine detaillierteren Daten über die Versorgungsdauer verfügt.

Die Antragstellerin konnte zudem - wie andere branchenkundige und erfahrene Bieter - aufgrund der ihr bekannten durchschnittlichen Versorgungszeiträume und ihrer bereits langjährig bestehenden Gewährleistungspflichten über den gesamten Versorgungszeitraum den entsprechenden Gewährungsaufwand kalkulieren. Diese Kenntnis hatte sie aufgrund früherer Verträge mit der Antragsgegnerin, sowie aufgrund von Verträgen mit anderen Krankenkassen (hierzu bereits oben). Diese Erfahrungswerte konnte die Antragstellerin für ihre Kalkulation ergänzend heranziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2008 - VII-Verg 15/08).

Bei dieser Sach- und Rechtslage erweist sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet, so dass eine Abwägung der Interessen gemäß § 118 Abs. 2 GWB nicht vorzunehmen ist.

Ergänzend wird lediglich darauf hingewiesen, dass auch im Hinblick auf die allgemeinen Aussichten der Antragstellerin im Vergabeverfahren, den Auftrag zu erhalten, und das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftragsgebers sowie an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens (§ 118 Abs. 2 Satz 2 und 3 GWB) der Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB keinen Erfolg haben kann. Die Antragsgegnerin hat die auf die Ausschreibung eingegangenen Angebote mittlerweile gemäß § 25 VOL/A gewertet und mitgeteilt, dass hiernach das Angebot der Antragstellerin in keinem Los der Zuschlag erteilt werden kann. Damit besteht für die Antragstellerin keine Aussicht, den Auftrag zu erhalten. Demgegenüber besteht ein Interesse der Allgemeinheit daran, dass die Antragsgegnerin eine nahtlos an den 31. Dezember 2009 anschließende und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten sicherstellt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Beschwerdeentscheidung vorbehalten.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 142 a, 177 SGG).

Referenznummer:

R/R3239


Informationsstand: 08.01.2010