Urteil
Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer 24-Luftkammer-Hosenmanschette (zum genehmigten Kompressionsgerät "Lympha Press Mini Timer")

Gericht:

SG München 29. Kammer


Aktenzeichen:

S 29 KR 1017/12


Urteil vom:

10.10.2013


Tenor:

I. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 7. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 dahingehend abzuändern, dass von der Beklagten die Kosten eines Kompressionsgerätes mit Hosenmanschette übernommen werden muss.

II. Außergerichtliche Kosten werden durch die Beklagte erstattet.

Tatbestand:

1. Die Klägerin begehrt die Leistung einer 24-Luftkammer-Hosenmanschette zum bereits genehmigten Kompressionsgerät "Lympha Press Mini Timer". Eine entsprechende ärztliche Verordnung der kardiologisch-angiologischen Schwerpunktpraxis Dr. D., D-Stadt, vom 3. April 2012 liegt vor.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2012 genehmigte die Beklagte das beantragte Kompressionsgerät lediglich mit einer Beinmanschetten, da nach der Beurteilung durch den MDK die Versorgung mit einer Beinmanschetten ausreichend sei.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde nach Erstellung eines sozialmedizinischen Aktenlagegutachtens durch den MDK vom 6. Juni 2012 durch Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wird angeführt, dass unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten die befürwortete Beinmanschette ausreichend und zweckmäßig sei, weil durch sie objektiv der angestrebte Zweck, nämlich der medizinische Erfolg gegebenenfalls zusammen mit individueller Anpassung dem Stand der medizinischen Kenntnisse entspreche und auch der befragte MDK keine medizinische Notwendigkeit für die Anwendung einer Hosenmanschette sehe.

2. Mit der am 28. September 2012 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass im vorliegenden Einzelfall angesichts der geringen Preisdifferenz das Wirtschaftlichkeitsgebot durch eine Hosenmanschette nicht verletzt werde und im Übrigen medizinisch für die Krankheit der Klägerin notwendig sei.

3. Mit Beweisanordnung vom 1. März 2013 wurde der Internist Dr. E. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt.

In seinem Gutachten vom 5. April 2013 kommt der Sachverständige nach einer persönlichen Untersuchung der Klägerin am 5. April 2013 zu dem zusammenfassenden Ergebnis, dass der begehrte Einsatz der Hosenmanschette voraussichtlich eine deutliche Reduktion der manuellen Dränage nach sich ziehen würde. Ein völliger Verzicht darauf sei jedoch nicht zu erzielen. Das Hilfsmittel diene vor allem der Besserung des physiologischen Gesamtzustandes. Zur Begründung führt der Sachverständige an, dass die Behandlung des Lymphödems in einer konsequenten Kompression bestehe. Dabei müsse davon ausgegangen werden, dass die Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen inzwischen durch die eindeutige Schmerzenthematik beeinträchtigt werde. Die regelmäßig durchgeführten Lymphdrainagen hätten bei der Klägerin nur einen mäßigen Erfolg gezeigt. Trotz der Verwendung von Kompressionsstrümpfen hoher Kategorie sei davon auszugehen, dass weitere Maßnahmen erforderlich seien. Trotz vielschichtiger intensiver Maßnahmen habe der Klägerin noch kein ausreichendes Therapiekonzept angeboten werden können.

Die Beklagte legt als Antwort zu diesem Gutachten ein MDK-Gutachten vom 3. Juni 2013 vor, das zu dem Ergebnis kommt, dass sich an keiner Stelle des Gutachtens eine medizinische Begründung für die beantragte Hosenmanschette ergebe und auch der therapeutische Nutzen und der Vorteil gegenüber der Beinmanschetten nicht belegt werde.

Dazu wurde eine ergänzende Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen Dr. E. eingeholt, der diese am 5. Juli 2013 abgegeben hat. Er weist unter anderem darauf hin, dass am Oberrand der Stiefelmanschetten Eiweißeinlagerungen auftreten, die gerade durch die empfohlene Hose vermieden werden könnten, da auch dieser Bereich dann mit drainiert werde. Im Übrigen sei bei der Klägerin durch seine klinische Untersuchung eindeutig nachgewiesen worden, dass der Einsatz der Kompressionshose erhebliche Vorteile für die Klägerin schaffe. Die gutachterliche Untersuchung habe die bereits bestehende Indikation für die Kompressionshose letztendlich nur noch gefestigt. Deswegen sei unverändert daran festzuhalten, dass der Einsatz der Kompressionshose zu einer Reduktion der manuellen Drainage geführt habe und diese weiter reduzieren werde.

Die Beklagte machte dagegen in ihrem Schriftsatz vom 29.8.2013 geltend, dass über Ergebnisse des Einsatzes der Kompressionshose deswegen noch nicht berichtet werden könne, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt die Kompressionstherapie weder mit der genehmigten Beinmanschetten noch mit der abgelehnten Hosenmanschette angewandt habe. Daher seien die diesbezüglichen Äußerungen des Sachverständigen nicht schlüssig. Vielmehr müsse die Beklagte annehmen, dass die Erkrankung der Klägerin auch gänzlich ohne diese Kompressionstherapie behandelbar sei.

In einer weiteren ergänzenden Erwiderung des Gutachters vom 21. September 2013 weist dieser darauf hin, dass eine bereits stattgefundene Reduktion aufgrund der Anwendung der Hosenmanschette im Gutachten nicht erwähnt werde. Die Notwendigkeit der Anwendung der Kompressionshose basiere auf den eindeutigen Erkenntnissen des behandelnden Angiologen sowie den Folgerungen aus der klinischen Untersuchung.

4. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 7. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 dahingehend abzuändern, dass von der Beklagten die Kosten eines Kompressionsgerätes mit Hosenmanschette anstatt nur mit einer Beinmanschetten übernommen werden muss.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Akteninhalt verwiesen. Der Kammer haben die Beklagtenakten vorgelegen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig, da das sachlich (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und örtlich (§ 57 Abs. 1 SGG) zuständige Sozialgericht München angerufen, das gesetzlich vorgesehene (§ 78 SGG) Vorverfahren durchgeführt wurde und fristgerecht (§ 87 Abs. 2 SGG) Klage erhoben worden ist. Vorliegend konnte das Gericht einen Gerichtsbescheid erlassen, da gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt geklärt war. Die Beteiligten wurden ordnungsgemäß gehört, bzw. haben sich vorab mit einem Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.

2. Die Klage ist auch begründet.

Versicherte haben gemäß § 33 SGB V Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung, die im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit sie nicht - was vorliegend auszuschließen war - als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Hilfsmittel können zu Lasten der Krankenkasse nur geleistet werden, wenn sie notwendig sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern beziehungsweise eine Behinderung auszugleichen und darüber hinaus auch wirtschaftlich sind (§ 12 Abs. 1 SGB V).

Vorliegend kann als geklärt gelten (und ist zwischen den Parteien im übrigen unstreitig), dass grundsätzlich Hosenmanschetten Hilfsmittel im Sinne des Gesetzes sind, die auch nicht generell von der Versorgung ausgeschlossen sind.

Strittig ist allein, ob bei der Klägerin Beinmanschetten ausreichend oder ganze Hosenmanschetten medizinisch notwendig sind.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass im Falle der Klägerin eine medizinische Notwendigkeit besteht. Nach dem Gerichtsgutachten basiert die Notwendigkeit der Anwendung der Kompressionshose auf den eindeutigen Erkenntnissen des behandelnden Angiologen sowie den Folgerungen aus der klinischen Untersuchung des Sachverständigen. Erwähnung findet beim ihm insbesondere die Vermeidung von Oberrandeiweißeinlagerungen, die bei Anwendung der Stiefelmanschetten auftreten. Zu Recht weist er ergänzend darauf hin, dass die Indikation einer Hilfsmittelmaßnahme aus einem Zusammenspiel aktueller anamnestischer Daten, den Darlegungen der behandelnden Ärzte sowie der klinischen Bewertung zu stellen sind. Dies sei anhand der Aktenlage nicht möglich. Der Sachverständige, der die Klägerin selbst ausgiebig befunden hat (vergleiche Blatt 4-7 des Gutachtens), konnte die speziellen medizinischen Bedürfnisse der Klägerin in besonders intensiver Weise beurteilen. Unter Zubilligung eines gutachterlichen Ermessensspielraums hat das Gericht keine Bedenken den Empfehlungen des Sachverständigen zu folgen. Die geringen Mehrkosten von etwas über 800 EUR rechtfertigen keine andere Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen.

3. Der Klage war daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge aus § 193 SGG stattzugeben.

Referenznummer:

R/R6283


Informationsstand: 29.09.2014