Urteil
Ausschluss der Versorgung des Versicherten mit einem Hochton-Therapiegerät EMS HiToP zur Behandlung einer Polyneuropathie

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen 16. Senat


Aktenzeichen:

L 16 KR 530/13


Urteil vom:

29.01.2015


Grundlage:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 06.06.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für die Anschaffung eines sogenannten Hochton-Therapiegerätes HiToP 191.

Der 1945 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist schwerbehindert und leidet u.a. an einer Polyneuropathie. Anfang Juli 2009 reichte der Kläger bei der Beklagten eine ärztliche Verordnung von Dr. L vom 06.07.2009 ein, die eine leihweise Überlassung von 3 Monaten eines EMS HiToP 191 beinhaltete, sowie einen Kostenvoranschlag der H Medizintechnik AG vom 01.07.2009 für ein HiToP 191 zum Preis von 1.550,00 Euro. Den Unterlagen war auch ein Angebot derselben Firma vom 01.07.2009 beigefügt, in der der Kläger auf die Möglichkeit der Miete des Gerätes gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 155,00 Euro hingewiesen wurde.

Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 13.07.2009 erklärte sich die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit Bescheid vom 23.07.2009 bereit, für den Zeitraum vom 07.07.2009 bis 06.10.2009 von den Mietkosten des Hochtontherapiegerätes in Höhe von 473,00 Euro einen Anteil von 455,00 Euro zu übernehmen. Bei einem positiven Behandlungsergebnis werde um eine erneute Vorlage eines kassenärztlichen Rezepts und einen ausführlichen ärztlichen Bericht des betreuenden Arztes über den Behandlungsverlauf gebeten.

In der Folgezeit legte der Kläger eine neue ärztliche Verordnung von Dr. L vom 08.12.2009 über ein EMS HiToP 191 vor. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 10.12.2009 mit, dass von dem behandelnden Arzt eine ärztliche Stellungnahme bezüglich der dreimonatigen Erprobung des Gerätes benötigt werde. Da diese schriftliche Stellungnahme noch immer nicht vorliege, sei ihr eine Prüfung der evtl. Kostenübernahme nicht möglich.

Hinsichtlich der vom Kläger in diesem Zusammenhang eingereichten Bescheinigung von Dr. L vom 14.12.2009, in der dieser ausführte, dass die Weiterführung der EMS HiToP 191-Therapie aus medizinischer Sicht dringend erforderlich sei, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein ausführlicher medizinischer Erprobungsbericht benötigt werde. Diesen Bericht legte der Kläger unter Hinweis darauf, dass eine weitere Beauftragung von Dr. L kostenpflichtig sei und er die Kosten nicht übernehmen wolle, nicht vor.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.01.2010 den Antrag bezüglich der Kostenübernahme für ein EMS HiToP 191 ab. Eine Kostenübernahme sei nicht möglich, auch nicht für eine Weiterführung der Behandlung mit einem Leihgerät. Bei der bisherigen Kostenübernahme habe es sich um eine Kulanzentscheidung ohne Rechtsanspruch gehandelt.

Dagegen legte der Kläger am 07.01.2010 Widerspruch ein und fügte u.a. eine Bescheinigung des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. F bei. Dieser führte aus, dass medikamentöse Therapien aufgrund verschiedener Unverträglichkeiten vom Kläger abgelehnt würden. Eine Therapie mit EMS habe sich hingegen als hilfreich erwiesen.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten vom MDK ein. Dr. T kam in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 16.07.2010 zu der Einschätzung, die Wirksamkeit pharmakologischer Basistherapien sei gesichert. Für die Hochtontherapie fehle es hingegen an einer Anerkennung des therapeutischen Nutzens. Deshalb sei eine Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV momentan noch ausgeschlossen. Davon unbenommen unterliege es der Entscheidung der Krankenkasse, ob in diesem Einzelfall die Kosten übernommen würden.

Mit Bescheid vom 05.08.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es bei ihrer Ablehnung vom 06.01.2010 bleibe. Sie bezog sich zur Begründung auf das Gutachten des MDK vom 16.07.2010.

Nachdem der Kläger am 29.09.2010 beim Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2011 den Widerspruch vom 07.01.2010 sowie die in dieser Klage zu sehenden Widersprüche gegen die Entscheidungen vom 06.01.2010 und vom 05.08.2010 zurück. Dem Kläger stünden genügend therapeutische Alternativen zur Versorgung mit dem hier streitigen Hochtontherapiegerät zur Verfügung. Hierzu nahm die Beklagte auf das von dem Kläger bei Gericht eingereichten sozialmedizinischen Gutachten von dem Neurologen und Psychiater G. vom 08.01.2009 Bezug. Zu den Alternativen zähle eine multimodale Rehabilitationsbehandlung, welche sowohl organmedizinisch schmerztherapeutische Maßnahmen und eine psychotherapeutische Schmerzbehandlung zur Schmerzbewältigung inklusive entspannungsfördernder Maßnahmen wie z.B. autogenes Training oder Jacobsen-Training beinhalte. Hinzu komme die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Physiotherapie. Für den therapeutischen Nutzen des Hochtontherapiegerätes fehlten hingegen genügende Anhaltspunkte.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger unter Beifügung von Berichten zur Hochtontherapie ausgeführt, er habe zahlreiche Medikamente genommen, die ihm nur geschadet hätten. Es sei unverständlich, dass die Beklagte sehr kostenintensive Medikamente bezahle, günstige Therapiealternativen jedoch verweigere. Ziel seiner Klage sei es, dass die Beklagte verurteilt werde, ihm ein Gerät zur Muskelstimulation (EMS) HiToP 191 nebst Zubehör als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Um die Zeit zu überbrücken, habe er sich ein kleines Gerät (Sanitas Digital EMS/TENS, SEM 40) im Supermarkt gekauft.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06.01.2010 und 05.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2011 zu verurteilen, die Kosten für das Elektrostimulationsgerät HiToP 191 als Sachleistung zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen. Sie sehe keine Kostenübernahmeverpflichtung für das streitige Gerät bzw. die streitige Therapie. Es lägen keine Nachweise über die Wirtschaftlichkeit und den Nutzen dieser Therapie vor. Die behandelnden Ärzte sähen alternative Behandlungsmöglichkeiten.

Das SG hat Befundberichte von Dr. F, von Frau Dr. T1 sowie von Dr. L (einschließlich einer ergänzenden Stellungnahme) eingeholt. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 06.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei im Zeitpunkt ihrer Entscheidung zulässig. Der erst nach Klageerhebung ergangene Widerspruchsbescheid vom 09.02.2011 sei nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens. Die Klage sei allerdings unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenübernahme für ein Hochtontherapiegerät. Der Leistungsanspruch des Klägers scheitere vorliegend daran, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) keine positive Empfehlung für die Hochtontherapie abgegeben habe. Die Behandlung eine Polyneuropathie mittels Hochtontherapiegerät zur Muskelstimulation stelle zur Überzeugung des SG eine neue Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V dar. Eine Abrechnungsmöglichkeit für diese Therapie sehe der EBM-Ä (noch) nicht vor. Eine Empfehlung des GBA über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode fehle. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedürfe, sei nicht gegeben. Weder sei ein sog. Seltenheitsfall noch ein sog. Systemversagen gegeben. Die Voraussetzungen im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 bzw. des § 2 Abs. 1 a SGB V lägen nicht vor. Schließlich komme auch ein Kostenübernahmeanspruch für das Hochtontherapiegerät, welches als Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V anzusehen sei, zur Sicherung einer vorangegangenen Behandlung nicht in Betracht. Denn Voraussetzung sei, dass die Behandlung ihrerseits in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung falle. Dies sei nicht der Fall, weil der GBA für die Hochtontherapie noch keine positive Empfehlung abgegeben habe. Insoweit erfasse die Sperrwirkung des § 135 SGB V auch den Einsatz eines entsprechenden Hilfsmittels für die Behandlung (Hinweis auf BSG SozR 4-2500, § 139 Nr. 4).

Gegen das ihm am 28.06.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.07.2013 Berufung eingelegt. Unter Beifügung von ärztlichen Unterlagen führt der Kläger aus, alle der Schulmedizin bekannten Medikamente (Schmerzmittel, Morphine, Psychopharmaka) eingenommen zu haben. Dies sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden gewesen, die eine Teilnahme am öffentlichen Leben unmöglich machten. Er könne nicht nachvollziehen, weshalb diese teilweise sehr teuren Medikamente von der Krankenkasse bezahlt würden, obwohl die Einnahme auf Dauer aus den oben angeführten Gründen unzumutbar sei. Die von der Beklagten nicht bezahlte TENS-Therapie lindere hingegen sanft und mache die Teilnahme am öffentlichen Leben möglich, weil sich durch diese Therapie eine deutliche Verbesserung des Krankheitsbildes zeige. Die Beklagte habe die Kosten für das Hochtongerät für eine dreimonatige Testphase übernommen. Das Testergebnis sei positiv vom behandelnden Arzt Dr. L bestätigt worden. Laut Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien setze die Verordnung von Elektrostimulationsgeräten eine Erprobung mit positivem Ergebnis voraus. Vorliegend sei das Gerät über einen Zeitraum von drei Monaten positiv erprobt worden. Die AOK habe eine Neuregelung für die Versorgung mit Elektrostimulationsgeräten ab 01.10.2011 getroffen. Hiernach würden regelmäßig die Kosten für TENS-Geräte zur Schmerztherapie und Muskelstimulation von der Krankenkasse übernommen. Seine Sensibilitätsstörungen könne er mit dem Hochtongerät HiToP 191 lindern. In der Reha-Klinik B wie auch durch mehrere Orthopäden sei er mit dem Gerät behandelt worden. Im Übrigen habe die DAK einem Mitglied die Kosten erstattet.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2015 ist für den Kläger niemand erschienen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Argumentation des Klägers beruhe auf der Annahme, dass Dr. L ein positives Ergebnis der dreimonatigen Testphase bestätigt habe. Dies sei jedoch unzutreffend. Selbst die korrigierte Beantwortung der Beweisfragen durch Dr. L vom 08.08.2012 enthalte lediglich eine Mutmaßung, jedoch keine definitive Bestätigung eines Testergebnisses. Auch verfügte die Praxis nach eigenen Angaben über keine Erfahrungen mit dem Hochtontherapiegerät.

Ungeachtet des Vortrages des Klägers scheide ein Leistungsanspruch aufgrund der fehlenden positiven Empfehlung des GBA aus. Der vom Kläger übersandte Bericht der Charite vom 13.03.2014 enthalte zudem zusätzlich die Empfehlung intensiver Krankengymnastik, von Procaininfusionen (off-Label-use), Versatispflaster oder auch einer hochdosierten Cortisonstoßtherapie.

Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte unter dem 23.01.2015 mitgeteilt, dass der Kläger seit dem Jahr 2004 Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt habe. Dies gelte auch für die sogenannten "veranlassten Leistungen", zu denen Hilfsmittelversorgungen gehören. Selbst wenn ein Anspruch auf Versorgung mit dem Diabetes-Gerät HiToP 191 gegeben wäre, sei eine Direktabrechnung der Kosten mit der Firma H Medizintechnik AG nicht möglich, da es sich nicht um einen Vertragspartner der Beklagten handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Rechtsweg:

SG Detmold, Urteil vom 06.06.2013 - S 3 KR 21/11

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser auf die entsprechende Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage mit Urteil vom 06.06.2013 abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Sein erstinstanzlich gestellter Antrag, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06.01.2010 und 05.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2011 zu verurteilen, die Kosten für das Elektrostimulationsgerät HiToP 191 als Sachleistung zu übernehmen, hat der Senat im Hinblick darauf, dass der Kläger eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat und nicht in Vorleistung getreten ist, als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ausgelegt, gerichtet auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für die Beschaffung eines HiToP 191 im gesetzlichen Umfang dem Kläger zu erstatten. Nach dem sog. Meistbegünstigungsprinzip (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2013, B 7 AY 6/11 R; BSG, Urteil vom 28.03.2013, B 4 AS 47/12 R; BSG, Urteil vom 29.04.2010, B 9 VS 2/09 R) ist sein Begehren unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen.

Das insoweit zulässige Begehren ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht zur Kostenerstattung für die Anschaffung des Hochton-Therapiegerätes HiToP 191 verpflichtet. Dem Kläger steht im Rahmen des § 13 Abs. 2 SGB V, wonach Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistung Kostenerstattung wählen können, kein anderer Leistungskatalog als im Naturalleistungssystem zur Verfügung. Auch der gewillkürte Kostenerstattungsanspruch setzt vielmehr voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung bzw. das hierfür erforderliche Hilfsmittel zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 1/09 R, juris Rn. 12 m.w.N.). Ein solcher Sachleistungsanspruch ist, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, nicht gegeben.

Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheiten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind.

Das vom Kläger begehrte Hochtontherapiegerät stellt als sächliches Mittel ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar (BSG, Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 28/02 R = juris Rn. 10 m.w.N.; Butzer in Becker/Kingreen, Kommentar zum SGB V, 4. Auflage 2014, § 33 Rn. 4).

Ein Kostenübernahmeanspruch für ein Hilfsmittel zur Sicherung einer vorangegangenen Behandlung, nur diese Möglichkeit kommt im vorliegenden Fall in Betracht, setzt voraus, dass diese Behandlung ihrerseits in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kranken-versicherung fällt. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Erfolg sichern, ist seine Verwendung, anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich, nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den hierfür geltenden Anforderungen nach den §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen. Nach Letzterer Bestimmung dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 S. 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über 1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zulasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, 2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und 3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung. Die Hochtontherapie nach Dr. N, für deren Anwendung das HiToP 191 entwickelt worden ist, ist eine neue Methode im Sinne dieser Vorschrift, für die die erforderliche Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses fehlt.

Neu ist die Behandlungsmethode in diesem Sinne, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt ist (BSG, Urteil vom 17.2.2010, B 1 KR 10/09 R = juris Rn. 21; Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 3/06 = SozR 4-2500 § 27 Nr.10). Weder der EBM-Ä noch die Richtlinie des GBA über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HeilM-RL) führen die Hochtontherapie auf. Allerdings wird diese zu den Elektrotherapien gezählt, die § 21 HeilM-RL in der hier maßgeblichen Fassung vom 20.01.2011/19.05.2011 (BAnz 2011 Nr. 96 S. 2247 und S. 2312) nennt. Danach wenden die Maßnahmen der Elektrotherapie nieder- und mittelfrequente Stromformen an zur Schmerzlinderung, Durchblutungsverbesserung, Tonisierung und Detonisierung der Muskulatur. Umfasst sind folgende Maßnahmen: 1. Elektrotherapie unter Verwendung konstanter galvanischer Ströme oder unter Verwendung von Stromimpulsen (z.B. diadynamische Ströme, mittelfrequente Wechselströme, Interferenzströme), 2. Elektrostimulation unter Verwendung von Reitzströmen mit definierten Einzel-Impulsen nach Bestimmung von Reizparametern (nur zur Behandlung von Lähmungen bei prognostisch reversibler Nervenschädigung), 3. Hydroelektrisches Teilbad oder Vollbad (Stangerbach). Von diesen Maßnahmen unterscheidet sich die Hochtontherapie jedoch wesentlich, weil ihre Wirkmechanismen darin bestehen, einen Schütteleffekt, der für eine schnellere Verteilung von in den Gewebsflüssigkeiten gelösten Substanzen sorgt, womit eine Verbesserung des Stoffaustausches erreicht werden soll, zu erzeugen. Ferner soll eine Stimulation hervorgerufen werden, die einerseits zur Depolarisation von Nervenfasern, wodurch die Weiterleitung von Schmerzempfindungen blockiert wird, und andererseits zur Reizung des Sympathikus und dadurch zur Freisetzung von Noradrenalin führt (vgl. www. dr-med-N.de). Damit basiert diese Therapie auf einem eigenständigen vom in der medizinischen Wissenschaft anerkannten Elektrotherapieverfahren abweichenden Konzept, so dass die Hochtontherapie nicht der im Sinne des § 21 HeilM-RL anerkannten Elektrotherapie zugerechnet werden kann (vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 28.01.2010, S 2 KR 1/09 = juris).

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, ist vorliegend nicht gegeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 03.06.2013 verwiesen, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Daher erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahmen im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" und demgemäß auch den Einsatz des hier begehrten Hilfsmittels (BSG, Urteil vom 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R = juris Rn. 18 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 19.09.2012, B 3 KR 14/12 B).

Soweit der Kläger auf eine Neuregelung der AOK zur Versorgung mit Elektrostimulationsgeräten ab dem 01.10.2011 verweist, rechtfertigt dieser Hinweis keine andere Beurteilung. Zwar ist in dem Schreiben ausgeführt, dass zur Schmerztherapie und Muskelstimulation bestimmte Elektrostimulationsgeräte (sog. TENS- und EMS-Geräte) zur häuslichen Anwendung ärztlicherseits verordnet werden können. Das vom Kläger begehrte HiToP-Gerät (HiToP = High Tone Power Therapy) zählt hierzu jedoch nicht.

Sofern der Kläger das HiToP 191 im Rahmen der Elektrotherapie gemäß § 21 HeilM-RL einsetzen will, ist eine Verpflichtung der Beklagten ebenfalls nicht gegeben. Denn ein Leistungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn das Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Die Leistung darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (Butzer a.a.O., § 33 Rn. 9 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn selbst hochwertige TENS- und EMS-Geräte sind bereits zu einem Preis von ca. 100 Euro erhältlich (https://tens-ems.com).

Soweit der Kläger unter dem 27.01.2015 auf eine Kostenübernahme der DAK bei einer Versicherten hingewiesen hat, ergibt sich ebenfalls keine andere Beurteilung. Unabhängig davon, dass dem Schreiben des Klägers nicht entnommen werden kann, welcher Sachverhalt der Bewilligung durch die DAK zugrunde gelegen hat, kann eine Ungleichbehandlung einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht nicht begründen (BSG, Urteil vom 27.05.2014, B 5 RE 6/14 R; BSG, Urteil vom 22.06.2010, B 1 A 1/09 R, beide unter juris).

Schließlich kann der Kläger auch keine Rechte daraus herleiten, dass er nach seinem Vortrag sowohl in der Reha-Klinik B sowie von mehreren Orthopäden mit dem HiToP 191 behandelt worden ist. Denn aus der Nutzung nicht zugelassener Hilfsmittel durch Kliniken und niedergelassener Ärzte resultiert kein Versorgungsanspruch des Versicherten mit diesem Hilfsmittel.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R8579


Informationsstand: 04.02.2021