Urteil
Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf wegen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarfs - Mehrkosten für die Hilfsmittelversorgung mit Kompressionsstrümpfen

Gericht:

SG Berlin 172. Kammer


Aktenzeichen:

S 172 AS 20857/11


Urteil vom:

14.09.2015


Grundlage:

Leitsätze:

Die den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten für Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übernommen werden, stellen keinen unabweisbaren Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II dar und sind nicht vom Grundsicherungsträger zu übernehmen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unter dem Aktenzeichen L 34 AS 2701/15 NZB beim LSG Berlin-Brandenburg anhängig.

Rechtsweg:

LSG Berlin-Brandenburg - L 34 AS 2701/15 (anhängig)

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der den von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag übersteigenden Mehrkosten für den Erwerb von Kompressionsstrümpfen.

Der 1967 geborene erwerbsfähige und hilfebedürftige Kläger bezieht von dem Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die ihm mit Änderungsbescheid vom 5. April 2011 für den Zeitraum vom 1. bis 31. Mai 2011 in Höhe von monatlich 644,81 EUR (364 EUR "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (inkl. Mehrbedarfe)" und 280,01 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) bewilligt wurden.

Der Kläger leidet an einem postthrombotischen Syndrom und ist deshalb ständig gezwungen, Kompressionsstrümpfe zu tragen, die er sich zweimal jährlich bei einem Sanitätshaus neu beschafft. Die Kosten hierfür belaufen sich jeweils auf 115,20 EUR. Die gesetzliche Krankenkasse des Klägers übernimmt diese jeweils in Höhe des hierfür festgesetzten Festbetrages von 85,20 EUR. Die darüber hinausgehenden Mehrkosten von jeweils 30 EUR trägt der Kläger selbst.

Am 17. Mai 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten unter Vorlage einer Quittung des Sanitätshauses vom 16. Mai 2011 über eine Zuzahlung von 30 EUR sowie eines ärztlichen Attestes die Übernahme der Kosten der Zuzahlung.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies er mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2011 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs. 6 SGB II lägen nicht vor. Der Bedarf sei nicht unabweisbar, da die Kosten nicht derart hoch seien, dass nicht einer Anschaffung aus der Regelleistung zumutbar wäre. Die monatliche Belastung von 5 EUR liege unterhalb von 10 Prozent der maßgeblichen Regelleistung.

Am 8. August 2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt aus, es handele sich um einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen besonderen Bedarf. Dieser sei vorliegend vergleichbar mit einem grundsätzlich anerkannten besonderen Bedarf bei Pflege- und Hygieneartikeln. Strümpfe, die zu dem von der Krankenkasse übernommenen Festbetrag von 85,20 EUR erhältlich seien, seien für eine längere Tragedauer von acht Stunden und mehr nicht geeignet. Sie führten nach wenigen Stunden zu starken Schmerzen im Bein, da das Material an der Thrombosewunde scheuere und diese dadurch geöffnet werde. Dadurch würde sich sein Gesundheitszustand verschlimmern. Er könne die Kosten auch nicht aus der Regelleistung bestreiten, da er noch anderweitige Kosten aufgrund seiner Erkrankung aus seinem Regelbedarf zu bestreiten habe. Er leide unter anderem an Diabetes und Adipositas und habe Aufwendungen für die Praxisgebühr, für Medikamenten Zuzahlungen sowie für Zuckermessstreifen aus der Regelleistung zu bestreiten. Weiter müsse er Kontoführungskosten, Stromkosten aus dem Regelbedarf bestreiten, die höher seien als im Gesetz zur Ermittlung des Regelbedarfes zugrunde gelegt. Hinzu kämen Versicherungskosten. Er könne auch nicht auf einen vorrangigen Anspruch gegen die Krankenkasse verwiesen werden. Die Entscheidungen des BSG vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - und vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 22/11 R - seien vorliegend nicht einschlägig. Hilfsweise ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch aus § 24 SGB II.


Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Änderung des Änderungsbescheides vom 5. April 2011 für den Monat Mai 2011 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Anschaffung von Kompressionsstrümpfen in Höhe von 30 EUR zu gewähren.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. In Anbetracht der Höhe der finanziellen Belastung sei es dem Kläger zumutbar, die Zuzahlungen für die Kompressionsstrümpfe aus der Regelleistung zu finanzieren.

Entscheidungsgründe:

1. Streitgegenstand des Verfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. bis 31. Mai 2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des Klägers in Höhe von 30 EUR für die Anschaffung der Kompressionsstrümpfe. Die Beschränkung der Klage auf den Mehrbedarf hat zur Folge, dass über Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nicht zu entscheiden ist. Im Übrigen kann über den hier streitigen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II nicht isoliert, sondern nur zusammen mit den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 4/14 R -, juris Rn. 10). Dementsprechend ist der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 auch dahingehend auszulegen, dass hierdurch die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (einschließlich Mehrbedarfen) für den in dem Bewilligungszeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2011 insoweit allein betroffenen Monat Mai 2011 abgelehnt wird (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R -, juris Rn. 15 f.).

2. Die von dem Kläger in der mündlichen in dem vorgenannten Sinne beschränkte Klage auf Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Anschaffung von Kompressionsstrümpfen in Höhe von 30 EUR für den Monat Mai 2011 ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier also der Bescheid vom 5. April 2011 über die Bewilligung der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X liegen jedoch nicht vor. Der Kläger, der Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II ist, hat neben einem Anspruch auf die von dem Beklagten in zutreffender Höhe von 364 EUR bewilligten Regelleistung keine weiteren Ansprüche auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen der von ihm geltend gemachten Belastung mit Kosten für Kompressionsstrümpfe. Eine wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten.

a) Als rechtliche Grundlage für den allein als Zuschussleistung geltend gemachten Mehrbedarf für die Anschaffung der Kompressionsstrümpfe kommt in erster Linie § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Soweit die Anschaffung der preislich über dem von der Krankenkasse festgesetzten Festbetrag liegenden Kompressionsstrümpfe aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat der Kläger Anspruch gegen seine Krankenkasse, der gegenüber dem Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II vorrangig ist. Soweit die angeschafften Kompressionsstrümpfe das Maß des medizinisch Notwendigen übersteigen, handelt es sich auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II.

aa) Der Anspruch auf Existenzsicherung wird im Hinblick auf die hier betroffene Krankenbehandlung in erster Linie durch die Mitgliedschaft des Klägers in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) abgedeckt, deren Beiträge der Träger der Grundsicherung zahlt (§ 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und der Bund trägt (§ 251 Abs. 4 SGB II, § 46 Abs. 1 SGB II; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R -, juris Rn. 23). Die Frage, ob die Kosten für eine notwendige Krankenbehandlung übernommen werden, muss der Hilfebedürftige in erster Linie gegenüber seiner Krankenkasse klären (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 24). Allenfalls dann, wenn feststeht, dass Versicherte krankheitsbedingt Aufwendungen haben, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems (hier das SGB II) das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum (vgl. - zu nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln - BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 24/10 R -, juris, Leitsatz 3 und Rn. 36; vgl. demgegenüber aber auch BSG, Urteil vom 26. Mai 2011, a.a.O., juris Rn. 23 ff., wonach auch insofern die Existenzsicherung grundsätzlich dem System der gesetzlichen Krankenversicherung zugewiesen und im Übrigen über die Regelleistung abgedeckt ist).

(1) Danach scheidet ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II vorliegend schon deshalb aus, weil die Versorgung mit medizinisch notwendigen Kompressionsstrümpfen durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt ist.

Der Kläger hat als Versicherter Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V); vom Anspruch auf Krankenbehandlung ist die Versorgung mit Hilfsmitteln erfasst (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Der Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit zur Krankenbehandlung medizinisch notwendigen Hilfsmitteln wird durch die die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen festgesetzten Festbeträge nicht eingeschränkt.

Nach § 36 Abs. 1 SGB V bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Er setzt nach Abs. 2 für die Versorgung mit den nach Absatz 1 bestimmten Hilfsmitteln einheitliche Festbeträge fest. Nach § 36 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 35 Abs. 5 SGB V sind Festbeträge so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag (§ 12 Abs. 2 SGB V). Voraussetzung dieser Erfüllungswirkung ist indes die Rechtmäßigkeit des Festbetrages. Eine Festbetragsfestsetzung ist nicht rechtmäßig, wenn eine objektiv ausreichende Versorgung zum Festbetrag unmöglich ist. Die Möglichkeit der Festsetzung von Festbeträgen stellt nämlich eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar, legitimiert aber nicht zu grundsätzlichen Einschnitten in den GKV-Leistungskatalog durch eine Begrenzung der Leistungsansprüche auf Teilleistungen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rn. 23 ff.). Soweit der Festbetrag für die Krankenbehandlung bzw. den Behinderungsausgleich objektiv nicht ausreicht, bleibt es bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur - von Zuzahlungen abgesehen - kostenfreien Versorgung der Versicherten (BSG, a.a.O., Rn. 29).

Sind Versicherte der Ansicht, eine medizinisch ausreichende Versorgung zum Festbetrag sei nicht möglich, können sie die medizinisch notwendige Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen und in diesem Zusammenhang entweder geltend machen, dass der Festbetrag allgemein für eine medizinisch notwendige Versorgung nicht ausreichend und daher unwirksam ist (zu den insoweit unterschiedlichen Konzeptionen des gerichtlichen Rechtsschutzes vgl. einerseits - in Bezug auf Hilfsmittel - BSG, a.a.O., und andererseits - für Arzneimittel - BSG, Urteil vom 1. März 2011 - B 1 KR 10/10 R -, juris Rn. 14 ff.). Sie können aber auch geltend machen, dass nur in seinem speziellen Fall ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, in dem - trotz Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen - aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich ist, weil dann für ihn die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag nicht eingreift (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 22/11 R -, juris Rn. 16 ff.).

(2) Liegt dagegen keiner der beiden vorgenannten Fälle vor, d.h. ist durch den festgesetzten Festbetrag eine ausreichende medizinische Versorgung "im Allgemeinen" gesichert und handelt es sich auch nicht um einen atypischen Ausnahmefall, in dem aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich ist, dann beruht die Verpflichtung der Versicherten zur Tragung der den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten allein darauf, dass sie ein Hilfsmittel gewählt haben, das über das Maß des Notwendigen hinausgeht (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V. In diesem Fall handelt es sich aber auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II.

bb) Im vorliegenden Fall kann der Kläger mit seinem Vortrag, die zum Festbetrag erhältlichen Kompressionsstrümpfe, seien für eine längere Tragedauer nicht geeignet und führten nach wenigen Stunden zu starken Schmerzen im Bein, gegenüber seiner Krankenkasse geltend machen, der Festbetrag gewährleiste entweder im Allgemeinen oder aber - zumindest - in seinem atypischen Ausnahmefall keine ausreichende medizinische Versorgung. In beiden Fällen hätte er - wenn er mit seinem Vortrag durchdringt - einen Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten der Kompressionsstrümpfe. Ein gegenüber dem Anspruch gegen die Krankenkasse grundsätzlich nachrangiger Anspruch gegen den Beklagten nach § 21 Abs. 6 SGB II scheidet insoweit aus.

b) Mangels Unabweisbarkeit des Bedarfs scheidet auch ein Anspruch auf eine von dem Kläger zuletzt hilfsweise geltend gemachte darlehensweise Übernahme der Mehrkosten der Kompressionsstrümpfe nach § 24 Abs. 1 SGB II aus, die zudem dem tatsächlichen Begehren des Klägers kaum entsprechen dürfte.

3. Von einer (nicht notwendigen) Beiladung der gesetzlichen Krankenkasse des Klägers hat die Kammer abgesehen. Deren - nach § 75 Abs. 5 SGG grundsätzlich mögliche - Verurteilung zur Erstattung der Mehrkosten für die Kompressionsstrümpfe kam vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung bei dieser vor dem Erwerb der Kompressionsstrümpfe keinen entsprechenden Antrag gestellt und damit den für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V erforderlichen Beschaffungsweg (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 9/03 R -, juris Rn. 17 ff.) nicht eingehalten hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftigen Berufung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R9064


Informationsstand: 14.05.2020