Die Kammer durfte gemäß § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt hatten.
I.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54
Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in zulässiger Weise erhoben worden. Die Kammer legt dem Klageantrag, der durch das Wort "Folgeversorgung" auf die Folgeverordnung des behandelnden Arztes des Klägers Bezug nimmt, hierbei dahingehend aus, dass der Kläger, entsprechend der ihm ausgestellten Folgeverordnung eine erneute leihweise Versorgung mit dem ihm bereits zuvor zu Lasten der Beklagten leihweise zur Verfügung gestellten Gerät Innowalk medium der Firma Made for Movement für den verordneten Zeitraum von sechs Monaten als Hilfsmittel begehrt.
II.
1.
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte hat es mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2018 zu Unrecht abgelehnt, den Kläger mit dem Bewegungstrainer Innowalk medium der Firma Made for Movement entsprechend der streitgegenständlichen Verordnung zur Folgeversorgung als Leihgerät für einen Zeitraum von sechs Monaten zu versorgen. Da der Kläger nach wie vor einen Anspruch auf die Versorgung mit dem vorgenannten Hilfsmittel hat und die rechtswidrige Ablehnung der Versorgung ih in seinen Rechten verletzt, war die Beklagte unter Aufhebung der vorgenannten Entscheidung zu der vorgenannten Sachleistungserbringung zu verurteilen.
Der Kläger hat gestützt auf
§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und
§ 33 Abs. 1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf eine leihweise Versorgung mit dem Hilfsmittel Innowalk medium der Firma Made for Movement.
Die vorgenannte Rechtsgrundlage ist einschlägig, da es sich bei dem Bewegungs- und Stehtrainer Innowalk zumindest im ganz Wesentlichen um ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung und Sicherung des Therapieerfolges und nur nachrangig beziehungsweise bei Gelegenheit um ein Hilfsmittel des mittelbaren Behinderungsausgleiches handelt. Wesentlicher Gegenstand des vorgenannten Gerätes ist das fremdkraftunterstützte beziehungsweise fremdkraftbetriebene Durchbewegen der unteren Extremitäten, wobei Gehbewegungen auf der Stelle und damit eine physiologische Belastung nachgeahmt werden. Hierdurch kommt es nach den Feststellungen des Sachverständigen
Prof. Dr. W zum Erhalt und zur Kräftigung der Muskulatur im Bereich der unteren Extremitäten und insbesondere auch des Rumpfes. Im Fall des Klägers hat das vorgenannte Therapiegerät aber auch ganz zentral die Aufgabe, durch das regelmäßige physiologische Durchbewegen der unteren Extremitäten das Ergebnis der in den Jahren 2012 und 2013 durchgeführten Hüftoperationen zu sichern und den Kläger vor Folgeschäden der Spastiken in der Form von Muskelkontraktionen / Muskelverkürzungen im Bereich der unteren Extremitäten zu bewahren. Die Möglichkeit der Ausübung des natürlichen Bewegungsdranges eines jungen heranwachsenden Menschen, das während des Trainings erreichte halbstündige Stehen und die damit verbundene Möglichkeit, sich mit Gleichaltrigen auf Augenhöhe zu begegnen und entsprechend zu kommunizieren als zumindest mittelbarer Behinderungsausgleich, ist zur Überzeugung der Kammer nur ein wichtiger Beieffekt des therapeutischen Einsatzes des Innowalk, zumal das vorgenannte Grundbedürfnis zu Stehen und stehend, also auf Augenhöhe, an der Umgebung teilzuhaben, wohl auch durch einen - ausreichend großen und funktionell vernünftig aufgebauten - Stehtrainer kostengünstiger erreicht werden könnte (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 31. Juli 2019, Aktenzeichen
L 4 KR 635/19 ER-B unter Punkt II 3a Beschluss, der den Beteiligten bekannt ist).
Nach
§ 27 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 in Verbindung mit
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung unter anderem Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Erforderlich im vorgenannten Sinne sind therapeutische Hilfsmittel mit Rücksicht auf das in
§ 12 Abs. 1 SGB V festgehaltene Wirtschaftlichkeitsgebot nur dann, wenn sie für den therapeutisch bedingten Zweck ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind.
Bei Hilfsmitteln im Sinne des § 33
Abs. 1
S. 1 1. Fall
SGB V die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern sollen und die untrennbar im Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode stehen, ist ferner zu beachten, dass diese nach
§ 135 Abs. 1 SGB V zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden dürfen, wenn diese Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuvor vom
G-BA anerkannt worden ist.
Einer positiven Bewertung des Innowalk durch den
G-BA bedarf es indes nicht, da der Innowalk nicht untrennbar mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in Verbindung steht, sondern vielmehr bekannte und bereits anerkannte Behandlungsmethoden in einem Gerät verbindet und die Verbindung dieser Behandlungsmethoden auch nicht zu so wesentlichen Änderungen in der Funktionsweise des Geräts und den Auswirkungen auf den Körper des Patienten führt, als dass eine Kontrolle des GBA im Sinne des § 135
SGB V geboten wäre. In Anschluss an die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
Prof. Dr. W, der auf dem Gebiet der Rehabilitation im neurologischen Bereich spezialisiert ist, liegt dem Innowalk kein eigenständiges wissenschaftliches Konzept zu Grunde, da er nur die bereits anerkannten Behandlungskonzepte eines Stehtrainers und eines fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainers miteinander verbindet. Der Umstand, dass hierdurch Muskelgruppen insbesondere im Bereich des Rumpfes effektiver erreicht und trainiert werden können, als dieses bei einem im Liegen oder Sitzen betriebenen Bewegungstrainer der Fall ist, führt aus Sicht der Kammer noch nicht dazu, dass das ein grundlegend neues Behandlungskonzept im Sinne des § 135 vorliegt, auch wenn dieses gerade das Alleinstellungsmerkmal des Innowalk ausmacht. Diese Einschätzung entspricht der Auffassung der 36. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz, welches in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2020 vor Erlass seines Urteils vom gleichen Tag, den Innowalk in seinen Funktionen persönlich in Augenschein genommen und sich vorführen gelassen hat. Die vorgenannte Kammer kam dabei zur Überzeugung, dass durch die vorgenannte Verbindung von Steh- und fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainer grade kein neues Behandlungskonzept im Sinne des
§ 135 Abs. 1 SGB V begründet wurde (
vgl. SG Chemnitz, Urteil vom 30. Juni 2020, Aktenzeichen
S 36 KR 662/19, zu recherchieren unter wws.juris.de). Die Kammer schließt sich im Übrigen auch in Kenntnis der Rechtsprechung, welche im Rahmen einer summarischen Prüfung (
z.B. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2019, Aktenzeichen
L 9 KR 410/18 B ER; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Mai 2019, Aktenzeichen
L 9 KR 351/18 B ER, Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. August 2018, Aktenzeichen
L 5 KR 127/18 B ER) oder auch im Endurteil (
vgl. z.B. SG Darmstadt, Urteil vom 26. April 2019, Aktenzeichen
S 8 KR 116/18) vom Vorliegen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode ausgeht, der bereits zitierten Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, das dem nicht so ist, an. Das zuletzt genannte Gericht legt unter dem Unterpunkt II 3b ausführlich die Rechtslage und die dazu ergangene Rechtsprechung dar, wenn eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vorliget und subsummiert danach für die Kammer nachvollziehbar und ausführlich, aus welchen Gründen dem Innowalk keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zu Grunde liegt. Die Kammer mach sich diese Ausführungen aus eigener Überzeugung zu eigen und nimmt auf diese vollumfänglich Bezug. Insbesondere führt das Landessozialgericht Baden-Württemberg überzeugend aus, dass der Innowalk auch im Hausgebrauch im Vergliche zu den bisher durch den
G-BA bewerteten Hilfsmitteln keine erhöhten Risiken für den Anwender mit sich bringt. Das Gerät ist als Medizinprodukt CE zertifiziert und genügt damit den Mindestanforderungen, um auf dem Europäischen Markt als sicher vertrieben zu werden. Es verfügt über eine Spasmus-Kontrolle und eine Notabschaltung, so dass das Gerät, genauso wie die herkömmlichen Beintrainer, bei Auftreten einer Spastik automatisch abschaltet. Das Innowalk wird vom Fachpersonal der Herstellerfirma voreingestellt, was Teil des Services im Mietpreis ist. Die Aufgabe der angelernten Hilfspersonen im Haushalt dürfte sich entsprechend den im Internet frei zugänglichen Werbevideos daher im Wesentlichen darauf beschränken, den Versicherten in den Innowalk zu setzen, die Verschlüsse festzuziehen und das Gerät in Gang zu setzen sowie den Versicherten nach Beendigung der Übungseinheit wieder aus dem Innowalk zu lösen und herauszuheben. Der von der Gegenauffassung in der Rechtsprechung zum Teil zitierte Umstand, dass die Gebrauchsanweisung des Innowalk ein eigenes Kapitel für Warnhinweise hat, überzeugt die Kammer nicht, da es auch bei normalen Bewegungstrainern nicht unüblich ist, auf mögliche Gefahren bei Fehlgebrauch des Gerätes hinzuweisen, was das Gerät aber nicht per se gefährlich macht.
Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass selbst wenn der Gegenauffassung gefolgt würde und der Innowalk untrennbar mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des
§ 135 Abs. 1 SGB V in Verbindung stehen würde, ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem vorgenannten Hilfsmittel auf den Grundsätzen des Systemversagens in Frage käme. Seit mehreren Jahren bemüht sich die Herstellerfirma um die Aufnahme des Innowalk in das Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbandes des Bundes der Krankenkassen, erst als Stehtrainer, seit 2018 als therapeutisches Hilfsmittel. Der vom Spitzenverband beauftragte
MDS stufte den Innowalk entsprechend der von der Beklagten übersandten Stellungnahme vom 19. Oktober 2018 als neuartiges Produkt ein, welches weder der Produktart Stehtrainer noch der Produktart fremdkraftbetriebene Beintrainer entspreche. Ferner wurde moniert, dass die maximale Drehzahl des Geräts höher sei als bei den bisher zugelassenen fremdkraftbetriebenen Bewegungstrainern und dass die Gebrauchsanweisung in Teilen nicht hinreichend klar genug formuliert sei. Davon ausgehend, dass der Spitzenverband des Bundes der Krankenkassen dieser Einschätzung bisher folgt, wäre er nach Auffassung der Kammer gehalten gewesen, ein Verfahren nach
§ 139 Abs. 3 S. 3 SGB V durchzuführen und den für die Einschätzung, ob der Innowalk untrennbar mit einer neuen Behandlungsmethode in Verbindung steht, zuständigen
G-BA, in das Verfahren einzubeziehen (
vgl. hierzu Lilian Krohn-Aicher in Rechtsdienst der Lebenshilfe 2019, Seite 60 f., als Auszug zu recherchieren unter www.juris.de). Eine Nichtanrufung des
G-BA in einer solchen Konstellation kann durchaus als Systemversagen gewertet werden, da die Herstellerfirma im Unterschied zum Spitzenverband des Bundes der Krankenkassen hierzu nach § 135
Abs. 1
SGB V nicht berechtigt ist und der Spitzenverband es damit in der Hand hätte, bei außer Acht lassen der Vorgabe des § 139
Abs. 3
S. 3
SGB V, den Zugang eines Hilfsmittels in das Versorgungssystem der gesetzlichen Krankenkassen zumindest faktisch zu vereiteln. Der Innowalk medium konnte dem Kläger daher von dessen Behandler auch ohne positive Bewertung durch den
G-BA verordnet werden. Der Umstand, dass der Innowalk derzeit nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist, schließt eine Verordnungsfähigkeit und eine Bewilligung nicht aus, da dem Hilfsmittelverzeichnis nur die Bedeutung einer Auslegungs- und Orientierungshilfe zukommt (
vgl. Lungstras in Becker/Kingreen,
SGB V, 6. Aufl., § 139, Rn. 3).
Die Versorgung des Klägers mit dem Innowalk medium ist im Sinne des
§ 33 SGB V erforderlich und im Sinne des
§ 12 SGB V wirtschaftlich. Diesbezüglich schließt sich die Kammer wiederum den überzeugenden Ausführungen von
Prof. Dr. W. an, welche mit den umfassenden positiven Ausführungen der behandelnden Ärzte und Ergotherapeuten des Klägers übereinstimmt. Der Innowalk ist ohne jeden Zweifel und soweit auch unwidersprochen, geeignet, den Kläger in eine stehende Position zu bringen und dabei gleichzeitig die Muskelgruppen der unteren Extremitäten und des Rumpfes zu trainieren. Hierbei wird bei dem nicht selbständig geh- und stehfähigen Kläger die ansonsten nicht oder zumindest nicht ausreichend genutzte Muskulatur erhalten und gestärkt. Das Gerät ist durch die regelmäßige Nutzung auch geeignet, Folgeschäden von Spastiken in Form von anhaltenden Muskelkontraktionen und Muskelverkürzungen vorzubeugen. Ferner ermöglicht das Gerät dem Kläger, seinen jugendlichen Bewegungsdrang in einer natürlichen Stellung auszuüben und auf Augenhöhe mit Kontaktpersonen seiner Umgebung zu kommunizieren. Der Innowalk wurde in der Vergangenheit bereits erfolgreich über mehrere Monate zur Therapie des Klägers eingesetzt. Ohne dieses Gerät erleidet der Kläger nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Klägerbevollmächtigten nachhaltige Rückschläge im Therapieerfolg, da er nicht ausreichend beübt werden kann. Insbesondere die suffiziente Beübung der Rumpfmuskulatur ist nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters
Prof. Dr. W. nur durch den Innowalk möglich. Das ist durchaus schlüssig, da es bisher kein anderes Therapiegerät gibt, welches die Beübung des Klägers durch einen Gehtrainer im Stehen ermöglicht und das Üben des Gehens des zunehmend größer und schwerer werdenden Klägers in stehender Körperhaltung ohne Hilfsmittel durch zwei Personen mit erheblicher Kraftanstrengung durchgeführt werden muss und nicht vergleichbar effektiv sein kann, wie die Beübung des Klägers durch den Innowalk. Die Verordnung ist daher bereits aus diesem Grunde im Sinne des
§ 12 SGB V wirtschaftlich.
2.
Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 193
SGG und folgt dem Ausgang des Hauptsacheverfahrens.