Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Versorgung mit dem beantragten Liege-Dreirad "L. F. T." der
Fa. I. C. mit Elektromotor als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV).
Nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Bei dem streitigen Liege-Dreirad "L. F. T." der
Fa. I. C. handelt es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil es nicht speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen konstruiert worden ist und nicht nur von Behinderten eingesetzt wird (
vgl. BSG, Urteil vom 16.09.1999 -
B 3 KR 1/99 R; speziell für das Liege-Dreirad "L. F. T." der
Fa. I. C.:
LSG Baden.Württemberg, Urteil vom 02.02.2021 -
L 11 KR 635/20 - mit ausführlicher Begründung).
Selbst wenn es sich bei diesem Liege-Dreirad nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um ein Hilfsmittel im Sinne der
GKV handeln würde, wären die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 33
Abs. 1
SGB V nicht erfüllt. Denn das Liege-Dreirad "L. F. T." mit Elektromotor ist weder zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung noch zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung noch zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich.
Einem Sachleistungsanspruch auf Versorgung der Klägerin mit dem Liege-Dreirad "L. F. T." mit Elektromotor zum Zweck des Behinderungsausgleichs steht entgegen, dass die Aufgabe der
GKV bei der Hilfsmittelversorgung allein die an Gesundheit, Organfunktion und Behandlungserfolg orientierte medizinische Rehabilitation ist. Bei
GKV-Hilfsmitteln, die - wie hier - nicht unmittelbar eine körperliche Funktion ersetzen, sondern lediglich die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen ("mittelbarer Behinderungsausgleich"), kann von medizinischer Rehabilitation aber nur dann die Rede sein, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient. Dies ist der Fall, wenn das Hilfsmittel die Auswirkungen einer Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist (
BSG, Urteil vom 07.10.2010 -
B 3 KR 5/10 R -
m.w.N.).
Der Kläger will das Liege-Dreirad "L. F. T." mit Elektromotor offensichtlich (auch) für die Bewältigung von Strecken nutzen, die über den Nahbereich der Wohnung hinausgehen. Dies wird auch aus der Stellungnahme der Klinik für Neurologie der V. B. vom 17.05.2021 deutlich, in der empfohlen wird, dass das Dreirad durch einen Elektromotor zusätzlich unterstützt wird, wenn die Kraft nicht mehr ausreicht und "die Geländetopographie" einen zu großen Kraftakt erfordert. In der Stellungnahme der Therapeuten des M. vom 12.05.2021 wird ebenfalls das Radfahren "in einem größerer Aktionsradius" befürwortet. Insoweit ist das Hilfsmittel jedoch nicht "zum Behinderungsausgleich" erforderlich. Denn wegen der allein auf die medizinische Rehabilitation beschränkten Leistungspflicht der
GKV ist diese im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs in Bezug auf Mobilitätshilfen nur verpflichtet, Versicherten die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums zu ermöglichen. Es sind deshalb nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die dem Grundbedürfnis dienen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und diese zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
BSG a.a.O.).
Soweit der Kläger das Dreirad für kürzere, im Nahbereich seiner Wohnung liegende Strecken nutzen will, scheitert der Anspruch ebenfalls an der Erforderlichkeit der Versorgung, denn er ist bereits mit einem hierfür geeigneten Hilfsmittel, einem Rollstuhl, ausreichend versorgt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Dreirad zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung. Denn es ist weder von ihm vorgetragen noch aus den medizinischen Unterlagen und Berichten ersichtlich, dass ohne den Einsatz des Liege-Dreirades mit großer Wahrscheinlichkeit und im erheblichen Ausmaß eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Eine Behinderung "droht" erst dann, wenn sie - in sachlicher Hinsicht - nach fachlicher Kenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Erforderlich ist ferner, dass nicht irgendeine Form der Behinderung vorstellbar, sondern eine ganz konkrete Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten Erkrankung typischerweise als Folge eintreten kann. Zudem muss die Behinderung - in zeitlicher Hinsicht - mit Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft und in Form eines ansonsten nicht mehr behebbaren Dauerzustandes eintreten (
BSG a.a.O.,
m.w.N.). Beim Kläger ist nicht zu erwarten, dass eine über die bestehende Funktionseinschränkung hinausgehende, nicht mehr behebbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit und hoher Wahrscheinlichkeit ohne den Einsatz des Liegedreirades eintreten wird. Der Kläger und seine Ärzte begründen dessen Notwendigkeit in erster Linie mit erwarteten positiven gesundheitsfördernden Wirkungen des Dreirades (Trainingseffekt, Muskelaufbau, Bewegungskoordination, alltägliche Mobilisation, Ausgleich von zunehmendem Bewegungsmangel). Dies allein ist nicht ausreichend, um den notwendigen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu begründen (
BSG, a.a.O., unter Hinweis auf das Urteil vom 22.04.2009 -
B 3 KR 11/07 R).
Zuletzt besteht ein Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Liege-Dreirad "L. F. T." mit Elektromotor auch deshalb nicht, weil dieses Hilfsmittel nicht "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" dient und ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen zur Verfügung stehen. Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung fallen nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Zur Krankenbehandlung gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen. Bloße allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen nach der Rechtsprechung des
BSG nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung durchgeführt werden (
BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R -
m.w.N.). Allein die befürwortenden Stellungnahmen begründen keine Ausnahme, das Liege-Dreirad "L. F. T." - zumal mit Elektromotor - zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation als Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" im Sinne von § 33
Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative
SGB V zu Lasten der
GKV anzuerkennen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne von
§ 27 Abs. 1 SGB V kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27
Abs. 1 Satz
SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeiten des Versicherten als wirtschaftlich darstellt (
BSG, Urteil vom 07.10.2010 - B 3 KR 5/10 R; Urteil vom 15.03.2018 -
B 3 KR 4/16 R). Dies trifft auf das beantragte Liege-Dreirad "L. F. T." nach dem Inhalt der von den Ärzten des Klägers und der
Fa. C. N. abgegebenen Stellungnahmen nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.