Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für ein Therapie-Dreirad.
Der 1960 geborene und bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner gesetzlich versicherte Kläger erkrankte von 1992 bis 2000 an einem Hirntumor (Oligodendrogliom, Grad III). Er wurde mehrfach operiert und unterzog sich zuletzt 2001 einer Chemotherapie. Infolge dieser Erkrankung bestehen eine symptomatische Epilepsie mit fokal-motorischen Anfällen, eine Beeinträchtigung der linken Körperhälfte mit reduzierter Motorik und Gleichgewichtsstörungen, eine organisch bedingte Antriebsstörung, rezidivierende depressive Störungen sowie eine Anpassungsstörung. Daneben besteht ein (tablettenpflichtiger) Diabetes mellitus mit beginnender Polyneuropathie.
Mit Beschluss des Amtsgerichts (
AG) Groß-Gerau vom 29. Januar 2001 wurde die Ehefrau des Klägers vor dem Hintergrund eines "hirnorganischen Psychosyndroms" zur Betreuerin bestellt (Az.: 43 XVII 472/01 B).
Der Kläger bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung der Pflegestufe I seit November 2011 und der Pflegestufe II seit Januar 2012.
Ein vorausgegangenes gleichgelagertes Streitverfahren der Beteiligten über die Versorgung des Klägers mit dem Liegedreirad "Lepus" endete durch Berufungsrücknahme (L 1 KR 10/15 / L 1 KR 3/13 - alt -).
Die Betreuerin des Klägers beantragte am 13. November 2013 die Übernahme der Kosten für das Therapiedreirad "xxxxx" und legte in der Geschäftsstelle der Beklagten in Groß-Gerau die Verordnung des Hausarztes
Dr. D. vom 4. November 2013 sowie dessen Attest gleichen Datums vor.
Die Beklagte bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 13. November 2013 den Antragseingang und teilte (unzutreffend) mit, dass sie weitere medizinische Informationen des behandelnden Arztes angefordert habe (Bl. 66 der Gerichtsakte). Gleichzeitig leitete sie die Unterlagen an das "Hilfsmittel Kompetenzzentrum Gießen" per Mail weiter (Bl. 23 der Verwaltungsakte).
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers reichte mit Schreiben vom 3. Januar 2014 erneut die Verordnung und das Attest des
Dr. D. vom 4. November 2013 bei der Beklagten ein.
Erst daraufhin beauftragte die Beklagte am 6. Januar 2014 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) mit der Begutachtung der Hilfsmittelversorgung. Der MDK gelangte in einem sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 16. Januar 2014 zu der Einschätzung, dass die Versorgung des Klägers mit dem Therapiedreirad "xxxxx" weder erforderlich sei, um die Behinderung auszugleichen, noch um den Erfolg der Krankenversicherung zu sichern. Insbesondere seien Heilmittel in Form von Krankengymnastik, Ergotherapie und weitere physikalische Maßnahmen, wie sie durchgeführt würden, ausreichend. Ausweislich des Attests des Hausarztes sei das Dreirad als Trainingsgerät vorgesehen. Trainingsgeräte unterlägen jedoch nicht der Leistungspflicht der Krankenkasse. Zudem sei das Sesseldreirad ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da es für jedermann erhältlich angeboten werde.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Januar 2014 ab und wies den Widerspruch des Klägers vom 29. Januar 2014 mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2014 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29. April 2014 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Klagebegründung auf sein Vorbringen im vorangegangenen Verfahren zur Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung verwiesen (L 1 KR 10/15 / L 1 KR 3/13).
Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2014 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Therapiedreirad "xxxxx". Das begehrte Therapiedreirad sei nicht zum Behinderungsausgleich erforderlich. Der Kläger sei in der Lage, sich den Nahbereich zu Fuß zu erschließen; eine Einschränkung der Beweglichkeit der unteren Extremitäten sei nicht dokumentiert. Zudem kämen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mehrspurige Fahrräder grundsätzlich nur im Falle der Versorgung von Kindern zum Ausgleich einer Behinderung in Betracht. Die Versorgung des Klägers mit dem begehrten Therapiedreirad als Trainingsgerät komme auch nicht in Betracht, da Maßnahmen der Bewegungsförderung grundsätzlich nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse fielen. Nur ausnahmsweise käme die Versorgung mit einem Trainingsgerät in Betracht, nämlich dann, wenn diese mit Behandlungs- und Therapiecharakter bei eindeutigem Krankheitsbezug einherginge. Um im Falle des Klägers jedoch eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Ausdauer, der Beweglichkeit, Kraft und Erweiterung des Aktionsradius
bzw. die vom Hausarzt beschriebenen Störungen des Gleichgewichts und der Bewegungskoordination erreichen zu können, stünden ausreichende und effektive Heilmittel wie etwa Krankengymnastik, Ergotherapie oder Gehtraining mit vorhandenen Hilfsmitteln zur Verfügung. Die vom Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 7. Oktober 2010 (
B 3 KR 5/10 R) getroffenen Ausnahmen von diesem Grundsatz lägen bei dem Kläger nicht vor. Schließlich scheitere der Einsatz des "Trainingsgerätes xxxxx" an der Möglichkeit eines eigenbestimmten und selbstständigen Einsatzes des Dreirades. Der Kläger verfüge ausweislich des Pflegegutachtens vom 23. September 2013 lediglich über eine "erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz". Zudem hätten die kognitiven Störungen zugenommen, es bestünden Merkfähigkeitsstörungen, Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit; zeitweise verlasse der Kläger unkontrolliert die Wohnung. Außerdem habe die Ehefrau im vorangegangenen Verfahren im Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht bestätigt, dass der Kläger nicht in der Lage sei, mit dem Therapiedreirad allein unterwegs zu sein, sondern von seiner Mutter zu Fuß begleitet werden müsse.
Der Kläger hat gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 10. Dezember 2014 zugestellten Gerichtsbescheid am 17. Dezember 2014 Berufung zu dem Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Berufungsbegründung trägt der Kläger vor: Dem Kläger stehe bereits aus
§ 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Band V - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V) ein Anspruch auf Übernahme der Kosten des begehrten Hilfsmittels zu. Die Beklagte habe weder innerhalb einer Frist von drei Wochen den MDK beauftragt, noch innerhalb einer Frist von fünf Wochen entschieden. Die Genehmigungsfiktion gelte nicht nur, wenn Kostenerstattung verlangt werde, sondern auch im Fall der Kostenübernahme, wenn nicht fristgemäß entschieden werde. Im Übrigen sei das begehrte Hilfsmittel für die Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung notwendig, was die behandelnden Ärzte des Klägers auch bestätigten. Eine engmaschige Kontrolle des Klägers durch
Dr. D. sei gewährleistet.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einem Therapiedreirad "xxxxx" zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor: Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13
Abs. 3a
SGB V seien in mehrerer Hinsicht nicht erfüllt. Das begehrte Therapiedreirad sei bisher nicht selbst beschafft worden, so dass kein Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht werde. § 13
Abs. 3a
SGB V sei nicht auf Sachleistungen zu erweitern. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Genehmigungsfiktion nur die Verfolgung eines Kostenerstattungsanspruchs vorbereiten solle. § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V sei zusammen mit Satz 7 der Norm zu lesen, was bedeute, dass den Versicherten nur einfacher und rascher habe ermöglicht werden sollen, sich eine erforderliche Leistung selbst zu beschaffen. Dass hiermit im Übrigen auch nicht geschuldete Leistungen ermöglicht werden sollten, sei systemfremd, andernfalls bestünden
ggf. Ansprüche auf Urlaubsreisen, Drogen oder Fahrzeuge. Darüber hinaus sei bei einem wie durch den behandelnden Hausarzt dokumentierten einmaligen Erscheinen des Klägers pro Quartal nicht davon auszugehen, dass die Verordnung des strittigen Therapiedreirades in einem engen Zusammenhang zu einer dauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehe und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des
§ 27 SGB V als erforderlich anzusehen sei. Die durch das Bundessozialgericht im Urteil vom 7. Oktober 2010 (B 3 KR 5/10 R) formulierten Voraussetzungen seien daher nicht erfüllt. Es werde auch bezweifelt, dass der Kläger bei ärztlich bestätigter Antriebsstörung regelmäßig trainiere.
Der Senat hat im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen die Pflegegutachten des MDK vom 11. April 2012 und vom 23. September 2013 (Bl. 68 bis 76 der Gerichtsakte) sowie Behandlungsberichte des Universitätsklinikums Frankfurt (Bl. 115 bis 118 der Gerichtsakte) angefordert. Das Gericht hat außerdem den behandelnden Hausarzt
Dr. D. und den behandelnden Neurologen
Dr. E. schriftlich befragt; wegen des Inhalts der ärztlichen Befundberichte wird auf Bl. 92 bis 101 und Bl. 120 bis 146, 151 bis 152 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Daneben hat das Gericht die Betreuungsakte des
AG Groß-Gerau (43 XVII 472/01 B) sowie die Akte des vorangegangenen Streitverfahrens der Beteiligten (L 1 KR 10/15 / L 1 KR 3/13) beigezogen.
Außerdem hat die Berichterstatterin des Senats am 22. Oktober 2015 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt; auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Oktober 2015 (Bl. 163 bis 165 der Gerichtsakte) wird verwiesen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Akten des
AG Groß-Gerau (43 XVII 472/01 B) und die Gerichtsakte des
LSG (L 1 KR 10/15 / L 1 KR 3/13), die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der Bescheid vom 12. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten des Therapie-Dreirads "xxxxx".
Ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Therapie-Dreirad ergibt sich nicht aus § 13
Abs. 3a
SGB V.
Nach § 13
Abs. 3a
SGB V (eingefügt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013, BGBl. I, 277-282) hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13
Abs. 3a
SGB V im Hinblick auf die Überschreitung der Fünfwochenfrist, die die Beklagte zwischen dem Antragseingang am 13. November 2013 und ihrer Entscheidung am 12. Januar 2014 - bei Einholung des MDK-Gutachtens - einzuhalten gehabt hätte, erfüllt sind. Im Übrigen bestätigt auch die im Schreiben der Beklagten vom 6. Januar 2014 an den MDK dokumentierte Fristenkontrolle ("Antragsdatum: 13.11.2013; Fristablauf: 04.12.2013"), dass bereits bei Beauftragung des MDK am 6. Januar 2014 die Fünfwochenfrist abgelaufen war.
Die Erfüllung dieser Voraussetzungen begründet jedoch keinen Anspruch aus einer fingierten Genehmigung gemäß § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V.
Die Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V greift zur Überzeugung des Senats nur ein, wenn sich der Versicherte die begehrte Leistung bereits selbst beschafft hat (
bzw. eine entsprechende schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen ist) und Kostenerstattung (
bzw. Freistellung) geltend macht (jurisPK-SGB V - Helbig, § 13 Rn. 28.12.; Knispel, SGb 2014, 374
ff.; Heining, in: Gesundheitsrecht, Großkommentar
SGB V -
SGB XI, § 13
SGB V Rn. 33). Da sich der Kläger bis zur Entscheidung das begehrte Therapie-Dreirad noch nicht selbst beschafft hat, begehrt er weiterhin die Übernahme der Kosten, mithin die Versorgung im Rahmen der Sachleistung. In diesem Fall ist § 13
Abs. 3a
SGB V nicht anwendbar.
Teile der Rechtsprechung (
LSG Saarland, Urteil vom 17. Juni 2015, L 2 KR 180/14 - Revision derzeit anhängig beim
BSG:
B 1 KR 25/15 R;
LSG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2014,
L 5 KR 222/14 B ER; aus der Rechtsprechung der Sozialgerichte: SG Heilbronn, Urteil vom 10. März 2015, S 11 KR 2425/14, Rn. 31; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. Januar 2015, S 17 KR 479/14, Rn. 14; SG Marburg, Urteil vom 15. Januar 2015, S 6 KR 160/13, Rn. 34; SG Karlsruhe, Urteil vom 15. Dezember 2014, S 5 KR 2284/14, Rn. 20; SG Augsburg, Urteil vom 27. November 2014, S 12 KR 183/14, Rn. 32
ff.; SG Nürnberg, Beschluss vom 25. März 2014, S 7 KR 100/14 ER und Urteil vom 27. März 2014, S 7 KR 520/13; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18. Dezember 2013,
S 21 KR 282/13) und der Literatur (Werner, SGb 2015,
S. 323
ff.; Noftz in Hauck/Haines,
SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13
S. 78g
ff. m.w.N.) vertreten hierzu, dass sich aus dem Wortlaut des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V - in Abgrenzung zu einem Kostenerstattungsanspruch in § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V - ausdrücklich ein Sachleistungsanspruch ergebe. Diese Meinung differenziert anhand des Wortlauts einen Sachleistungsanspruch in Satz 6 und einen Kostenerstattungsanspruch in Satz 7 als unterschiedliche Rechtsfolgen der Genehmigungsfiktion. Beide Sätze stünden ihrem Wortlaut nach gleichberechtigt nebeneinander. Wäre der Geltungsbereich des § 13
Abs. 3a
SGB V lediglich auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, käme Satz 6 kein eigener Regelungsgehalt zu. Zudem schlösse eine solche Auslegung mittellose Versicherte, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebots nach
Art. 3
Abs. 1 Grundgesetz (
GG) praktisch aus dem Schutzbereich des § 13
Abs. 3a
SGB V aus (
LSG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2014, L 5 KR 222/14 B ER, [...] Rn.7). Zur Begründung wird insbesondere die Überarbeitung des Gesetzentwurfs im Gesundheitsausschuss herangezogen: Der Gesetzgeber habe im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten zunächst lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für erforderliche Leistungen (und keine unmittelbar zu beanspruchende Sachleistung) ins Auge gefasst, diesen aber nur nach Fristsetzung durch den Patienten (Bundestagsdrucksache 17/10488,
S. 32). Im Rahmen der Gesundheitsausschussberatung sei schließlich das Vorhaben geändert und die Genehmigungsfiktion in den Gesetzestext übernommen worden (Bundestagsdrucksache 17/11710,
S. 30). Diese Änderung werde in der Begründung hervorgehoben. Dort werde ausdrücklich erwähnt, dass die Leistung nach Ablauf der Frist ohne eigene Fristsetzung des Versicherten als genehmigt gelte (
LSG Saarland, Urteil vom 17. Juni 2015, L 2 KR 180/14).
Nach Auffassung des Senats kann jedoch nicht angenommen werden, dass § 13
Abs. 3a Satz 6 und Satz 7
SGB V einen unterschiedlichen Regelungsgehalt haben, also die Kostenerstattung sich entsprechend dem Wortlaut auf erforderliche Leistungen beschränken soll, während Satz 6 dem Versicherten einen weitergehenden Sachleistungsanspruch einräumen würde.
Der Wille des Gesetzgebers war es, die verzögerte Antragsbearbeitung zu sanktionieren, indem sich Versicherte bei nicht rechtzeitiger Leistungsbewilligung die erforderlichen Leistungen selbst beschaffen können. Diese Ausnahme vom Sachleistungsprinzip stellt aus Sicht des Gesetzgebers eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse dar, die nicht in einem angemessenen Zeitraum entscheidet (BT-Drucks. 17/10488,
S. 32). Der Wortlaut des
Abs. 3a Satz 6 passt zunächst nicht zu dieser gewollten Rechtsfolge. Denn
Abs. 3a Satz 6 begründet eine gesetzliche Genehmigungsfiktion, führt also dem reinen Wortlaut nach zu einer Sachleistungspflicht, die die Kostenerstattung obsolet macht. Folgt man aber den Materialien, wollte der Gesetzgeber neben dem § 13
Abs. 3 Satz 1
SGB V nur einen weiteren Tatbestand der Selbstbeschaffung bei Kostenersatz einführen (BT-Drucks. 17/10488). Nach der Vorstellung des Gesundheitsausschusses sollte die von ihm empfohlene und Gesetz gewordene Fassung den Versicherten lediglich eine Fristsetzung ersparen (BT-Drs. 17/11710,
S. 30), wie sie in
§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IX für Teilhabeleistungen verlangt wird. Der Wortlaut des Satz 6 ist schlicht missglückt (so auch Heining, in: Gesundheitsrecht, Großkommentar
SGB V -
SGB XI, § 13
SGB V Rn. 33). Unverändert ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Genehmigungsfiktion nur die Verfolgung eines Kostenerstattungsanspruchs vorbereiten soll. Satz 6 ist also zusammen mit Satz 7 zu lesen; dem Versicherten soll einfacher (und rascher) ermöglicht werden, sich eine "erforderliche" (ihm zustehende) Leistung selbst zu besorgen (so Knispel, a.a.O.). Entsprechend war im ursprünglichen Gesetzentwurf auch formuliert: "... dass sich die Regelung an der "Erstattungsregelung des § 13
Abs. 3 orientiere" und der Versicherte so zu stellen sei, als "hätte die Krankenkasse die Sachleistung rechtzeitig zur Verfügung gestellt" (BT-Drucks. 17/10488,
S. 32). Auch das Regelungssystem der
§§ 14, 15
SGB IX, welches als Vorlage für den Absatz 3a gedient hat, kennt als leistungsrechtliche Sanktion ebenfalls nur einen Kostenerstattungsanspruch. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber von diesen Zielen nach der Beschlussempfehlung durch den Gesundheitsausschuss Abstand nehmen wollte.
Gegen ein weites Verständnis von Satz 6 ist in systematischer Hinsicht noch anzumerken, dass § 13
SGB V mit "Kostenerstattung" überschrieben ist und in seinen übrigen Absätzen ausschließlich hierauf gerichtete Ansprüche normiert. Zu berücksichtigen ist auch, dass das in
§ 2 Abs. 1 SGB V normierte Sachleistungsprinzip der Regelfall der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Nur in den eng umschriebenen Ausnahmefällen des § 13
SGB V ist Kostenerstattung möglich. Trotz der misslungenen Formulierung in
Abs. 3a Satz 6 kann dem Gesetzgeber nach Auffassung des Senats nicht unterstellt werden, dass er in die "Ausnahmevorschrift" des § 13
SGB V mit der Genehmigungsfiktion einen neuen und sehr weitgehenden Sachleistungsanspruch hat einfügen wollen.
Das Argument der Gegenmeinung, andernfalls hätte es der Genehmigungsfiktion des Satzes 6 dann gar nicht bedurft (so Werner a.a.O.), verkennt die tatsächliche Verbesserung der Versichertenrechte in § 13
Abs. 3a
SGB V. Zu berücksichtigen ist, dass der Versicherte anders als in § 13
Abs. 3
SGB V bei nicht unaufschiebbaren Leistungen die Entscheidung der Krankenkasse gerade nicht mehr abwarten muss und ihm nicht mehr die Nichteinhaltung des Beschaffungsweges entgegengehalten werden kann. Hierin ist letztlich die vom Gesetzgeber gewollte Beschleunigung des Verfahrens zu sehen.
Auch das Argument, der Kostenerstattungsanspruch umfasse jedenfalls auch einen Freistellungsanspruch (so
z.B. LSG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2014, L 5 KR 222/14 B ER), kann zur Begründung einen Sachleistungsanspruch in § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V nicht herangezogen werden. Ein Freistellungsanspruch setzt voraus, dass ein Dritter (
z.B. Hilfsmittellieferant, Sanitätshaus) bereits einen Anspruch gegen den Versicherten hat, d.h. der Versicherte muss sich bereits vertraglich zur Zahlung eines Kaufpreises
bzw. einer Vergütung verpflichtet haben. Der Freistellungsanspruch ist ein Kostenerstattungsanspruch und kein Sachleistungsanspruch.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Therapiedreirad gemäß
§ 33 SGB V.
Versicherte haben nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen nach § 33
SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (
§ 12 Abs. 1 SGB V).
Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad weder zur Vermeidung einer Behinderung noch zum Behinderungsausgleich in Betracht kommt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 21. November 2014 wird verwiesen, § 153
Abs. 2
SGG.
Das Therapiedreirad dient aus Sicht des Senats auch nicht "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" (§ 33
Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
SGB V).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
vgl. BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 5/10 R) fallen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung grundsätzlich nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Jedenfalls zur Krankenbehandlung i.
S. von §§ 27
Abs. 1,
28 Abs. 1 Satz 1 SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen (BSGE 85, 132, 138 = SozR 3-2500 § 27
Nr. 12
S. 65 - medizinische Fußpflege). Bloß allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen nach der Rechtsprechung des
BSG demgegenüber nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung (
§ 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) durchgeführt werden (
BSG SozR 4-2500 § 60
Nr. 4 RdNr. 23 - Krankentransport für Reha-Sport;
BSG, Urteil vom 22. April 2009, B 3 KR 5/08 R - RdNr. 23). Demgemäß fällt Sport - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie -, der in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff. Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen (
vgl. Schmid/Huber/Marschner/Zimmer, Medizinische Aspekte im Behindertensport, DÄBl 2004, A-2177). Dementsprechend dient ärztlich verordneter Behindertensport in Gruppen nach der Rechtsprechung des
BSG nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (so Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drucks.
15/4575 S. 59 unter 3.27).
Ausnahmsweise können bewegliche sächliche Mittel gleichwohl zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation - wie hier das Therapiedreirad - in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" i.
S. von § 33
Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
SGB V sein (
BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O.).
Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des
BSG, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 15, RdNr. 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33
Nr. 7, RdNr. 11). Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt selbst ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein Hilfsmittel nicht schon deshalb nach § 33
Abs. 1
SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt (BSGE 87, 105, 109 [BSG 31.08.2000 -
B 3 KR 21/99 R] = SozR 3-2500 § 139
Nr. 1
S. 5 - Magnetfeldtherapiegerät;
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 39
S. 220 - Therapie-Dreirad). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung" anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben demgemäß diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände u.a. der
§§ 20 ff. SGB V sowie des § 44
Abs. 1
Nr. 3 und 4
SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der
GKV unter den dort jeweils aufgeführten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung als deren Kernaufgabe hinaus (BSGE 81, 240, 243 [BSG 09.12.1997 - 1 RK 23/95] = SozR 3-2500 § 27
Nr. 9 - Diät- oder Krankenkost) auf Aufgaben im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation ausgedehnt worden ist (
BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, a.a.O,
m.w.N.).
Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung i.
S. von § 27
Abs. 1
SGB V kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung i.
S. der Behandlungsziele des § 27
Abs. 1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung - wie hier mit einem Therapiedreirad - dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten (
vgl. § 33
SGB I und
§ 9 Abs. 1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt.
Dies ist vorliegend zu verneinen, denn die Versorgung mit einem Therapiedreirad dient nicht einem spezifischen Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung.
Der Kläger leidet infolge eines Gehirntumors und der sich anschließenden Operationen und Therapien unter einer symptomatischen Epilepsie mit fokal-motorischen Anfällen, der Beeinträchtigung der linken Körperhälfte mit reduzierter Motorik und Gleichgewichtsstörungen, einer organisch bedingten Antriebsstörung, rezidivierenden depressiven Störungen sowie einer Anpassungsstörung.
Der Hausarzt
Dr. D. verordnete am 4. November 2013 aufgrund der Diagnose "Gehirntumor" das begehrte Therapiedreirad. Ausweislich des Attests des Hausarztes vom 4. November 2013 soll der Kläger mit dem Hilfsmittel "in Dreitagesblöcken täglich zwei Mal 30 min" trainieren und regenerative Phasen von zwei Tagen einhalten. Die Ausdauer sowie die koordinativen Fähigkeiten könnten so verbessert werden, so
Dr. D. im Attest. Im Befundbericht vom 24. Mai 2015 teilte
Dr. D. mit, dass der Kläger
ca. einmal im Quartal in der Sprechstunde erscheine und im Übrigen in der Lage sei, das Training selbstständig einzuhalten (Bl. 93 der Gerichtsakte). Der Neurologe
Dr. E. teilt im Befundbericht vom 9. Juli 2015 mit, das Dreirad sei zur Erreichung des primären Behandlungsziels (Tumor-Rezidiv- und Anfallsfreiheit) nicht notwendig. Der Kläger sei jedoch durch seine Erkrankungen im täglichen Leben so eingeschränkt, dass die Nutzung eines Dreirads die Lebensqualität verbessern helfe; er könne damit wieder besser am täglichen Leben teilnehmen und mit der Ehefrau Ausflüge unternehmen, was ihm so nicht möglich sei. Vor allem sei zu bedenken, dass der Kläger durch körperliche Bewegung den Blutzucker, seinen Trainingszustand und das Körpergewicht gut beeinflussen könne. Das Dreirad diene der Teilhabe am Leben und der allgemeinen körperlichen Ertüchtigung.
Die von den Ärzten beschriebenen Ziele, die mit der regelmäßigen Nutzung des Dreirades erreicht werden sollen, sind aus Sicht des Senats ausschließlich gesundheitsförderliche Maßnahmen, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des Klägers, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen.
Zur Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten nimmt der Kläger bereits Physiotherapie und vor allem Ergotherapie in Anspruch, wodurch gezielt und durch geschultes Personal überwacht individuelle Übungen gelernt werden können. Fahrrad-Ausflüge mit der Ehefrau oder ein begleitetes Fahrradfahren mit der betagten Mutter des Klägers (s. Protokoll vom 24. Oktober 2013, Bl. 82-83 der Gerichtsakte L 1 KR 10/15) stellen jedenfalls keine Möglichkeit dar, die Heilmittel zu reduzieren oder die Verbesserung der Koordination wesentlich zu beeinflussen. Dies wird auch von den behandelnden Ärzten nicht beschrieben.
Der von
Dr. D. im Attest vom 4. November 2013 angegebene "Therapieplan" ist weder mit der Physiotherapeutin abgestimmt, noch lässt er erkennen, in welcher Form der Arzt Überlastung, Fortschritt oder Fehlbelastung überwacht oder anpasst, zumal
Dr. D. im Befundbericht mitteilt, der Kläger trainiere selbstständig, was angesichts der im Pflegegutachten vom 23. September 2013 (Bl. 73
ff. der Gerichtsakte) beschriebene "in erhöhtem Maß eingeschränkte(n) Alltagskompetenz" und der diagnostizierten Antriebsstörung zweifelhaft erscheint. Einen engen Zusammenhang zwischen ärztlich verantworteter Therapie und dem Fahrradfahren auf dem Therapiedreirad - wie vom
BSG gefordert - ist hierdurch nicht belegt.
Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 21. November 2014 verwiesen, § 153
Abs. 2
SGG.
Zum gleichen Ergebnis gelangt man im Übrigen auch, wenn man - entgegen der hier vertretenen Auffassung - § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V als Rechtsgrundlage eines Sachleistungsanspruchs ansieht (
vgl. oben). Denn nach Ansicht des Senats wäre ein solcher Sachleistungsanspruch nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V - wie auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V - durch das Qualitätsgebot (§ 2
Abs. 1 Satz 3
SGB V) und das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12
Abs. 1
SGB V) begrenzt. Die Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V reicht nicht weiter als der zugrunde liegende Sachleistungsanspruch nach dem
SGB V, hier gemäß § 33
SGB V. Der Senat schließt sich insoweit vollumfänglich den Ausführungen des
LSG NRW in den Beschlüssen vom 26. Mai 2014 an (
L 16 KR 154/14 B ER,
L 16 KR 155/14 B ER; ebenso: SG Dortmund, Urteile vom 11. November 2015, S 40 KR 759/14 und S 40 KR 518/14; Knispel, a.a.O.; Helbig in Praxiskomm.; Rieker, NZS 2015, 294
ff.; Hahn, SGb 2015, 144
ff.; Heining in Gesundheitsrecht an; a.A.:
LSG Saarland, Urteil vom 17. Juni 2015, L 2 KR 180/14 - derzeit anhängig beim
BSG:
B 1 KR 25/15 R;
LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 -
L 5 KR 222/14 B ER; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 18.12.2013 -
S 21 KR 282/13; SG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2014 - S 7 KR 100/14 ER und Urteil vom 27.03.2014 - S 7 KR 520/13; Noftz in Hauck/Haines,
SGB V, Erg.-Lfg. 1/14, § 13
S. 78g
ff. m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG zugelassen. Zur Auslegung des § 13
Abs. 3a
SGB V, insbesondere zu den Fragen der Anwendung der Genehmigungsfiktion auf Sachleistungsansprüche und der Begrenzung des Anspruchs nach § 13
Abs. 3a Satz 6, 7
SGB V durch das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot, liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.