Der Kläger ist als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er besitzt die allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Substitutionsbehandlungen nach Nr 2.8 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.- Heroinabhängigen (Nr 2 - Methadon-Richtlinien - der Anlage 1 zu den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien)).
Am 18. August 1992 beantragte er bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Erteilung der Zustimmung zur - bereits am 20. Juli 1992 begonnenen - Methadon-Substitution bei der Patientin
S. S. ( Beigeladene zu 3), die bei der zu 1) beigeladenen Krankenkasse versichert ist. Bei der Beigeladenen zu 3) liege eine Indikation nach Nr 2.3 der Methadon-Richtlinien ("vergleichbar schwere Erkrankung") vor, wie sich aus dem psychiatrischen Gutachten einer Hochschulklinik ergebe. In ihm war bei der Beigeladenen zu 3) eine Angststörung mit episodisch und anfallartig auftretenden Angstattacken, die sich bereits in die Zeit vor Beginn der Heroinabhängigkeit zurückverfolgen ließen, diagnostiziert worden. Es handele sich um eine "vergleichbar schwere Erkrankung" iS der Methadon-Richtlinien, deren psychotherapeutische Behandlung erst durch die Drogensubstitution möglich werde. Die bei der Beklagten gebildete Beratungskommission empfahl, den Antrag abzulehnen, weil die nach den Richtlinien geforderten Voraussetzungen nicht vorlägen; die Beklagte lehnte daraufhin die Zustimmung zur Substitutionsbehandlung ab (Bescheid vom 21. Oktober 1992, Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1992). An dem Verwaltungsverfahren waren die Beigeladenen zu 1) und 3) nicht beteiligt. Die zu 2) beigeladene Stadt Essen übernahm nach amtsärztlicher Begutachtung die Kosten der Methadon-Substitution der Beigeladenen zu 3) vorläufig bis zum Abschluß des sozialgerichtlichen Verfahrens.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) hat die Beklagte nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verpflichtet, die Zustimmung zur Substitutionsbehandlung rückwirkend ab Antragstellung zu erteilen. Die Angstneurose der Beigeladenen zu 3) sei von der Gewichtung her mit dem Regelbeispiel in Nr 2.2.5 der Methadon-Richtlinien vergleichbar (Urteil vom 1. Dezember 1993). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (
LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 31. August 1994). Zur Begründung hat das
LSG ausgeführt, die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Methadon-Substitutionsbehandlung als Teil der NUB-Richtlinien seien von der Ermächtigungsgrundlage in § 92 Abs 1 Nr 5, § 135 Abs 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB V) gedeckt. Sie verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Sie konkretisierten in unbedenklicher Weise den Leistungsanspruch der Versicherten gegenüber ihrer Krankenkasse und gestalteten zugleich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsärzten und ihren KÄVen, ohne die Therapiefreiheit unangemessen zu beeinträchtigen. Die Drogensubstitution für sich allein stelle keine Krankenbehandlung iS von § 27 Abs 1 Satz 1
SGB V dar, weil mit der Auswechselung des Suchtstoffes unter Aufrechterhaltung der Sucht in erster Linie kriminalpolitische, psychosoziale oder gesellschaftliche Ziele verfolgt würden, nicht aber die Heilung der Drogenabhängigkeit selbst oder die Verhütung ihrer Verschlimmerung als primäres therapeutisches Ziel angestrebt werde. Die Richtlinien zur Methadon-Substitutionsbehandlung bewirkten demnach eine Erweiterung der Leistungspflichten der Krankenkassen ebenso wie der Therapiemöglichkeiten der Vertragsärzte, so dass die Betroffenen durch ihre Regelungen nicht in rechtswidriger Weise beschwert würden. Die Beklagte habe im Falle der Beigeladenen zu 3) zu Recht auch das Vorliegen einer vergleichbar schweren Erkrankung verneint. Zwar sei nicht zweifelhaft, dass die Patientin an einer dringend behandlungsbedürftigen psychiatrischen Erkrankung leide und dass die Methadon-Substitution für die Durchführung der psychiatrischen Behandlung notwendig sei. Doch stelle die Indikation nach Nr 2.3 der Richtlinien keine allgemeine Öffnungsklausel dar, sondern erfordere, wie die übrigen Tatbestände nach Nrn 2. 2.1 bis 2.2.6 der Richtlinien, eine lebensbedrohliche oder ähnlich schwere Erkrankung, welche die physische oder psychische Existenz des Betroffenen gefährde. Dies sei bei der Angstneurose der Beigeladenen zu 3) nicht der Fall.
Mit der vom
LSG zugelassenen Revision macht die Beigeladene zu 2) geltend, sie sei durch die Bindungswirkung des angefochtenen Urteils bezüglich ihres Erstattungsanspruchs nach § 104 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB X) gegen die beigeladene Krankenkasse beschwert. In der Sache rügt sie, das
LSG habe den nach seiner Rechtsauffassung relevanten tatsächlichen Umstand nicht ausreichend aufgeklärt, ob bei der Patientin im Falle der Unterlassung der Substitutionsbehandlung der Eintritt einer lebensbedrohlichen Situation, nämlich von Suizidgefahr, zu erwarten sei. In rechtlicher Hinsicht finde die restriktive Auslegung des
LSG, dass als vergleichbar schwere Erkrankung nach Nr 2.3 der Methadon-Richtlinien stets nur eine lebensbedrohliche oder ähnlich schwere Erkrankung in Frage komme, in den Indikationen nach Nrn 2.2.1 bis 2.2.6 der Methadon-Richtlinien keine Stütze. Zudem missachte diese Auslegung das Gebot des § 27 Abs 1 Satz 3
SGB V, den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen. Darüber hinaus sei die Bewertung des
LSG, dass die Methadon-Substitution keine Krankenbehandlung der Heroinsucht darstelle, fehlerhaft, weil sie außer acht lasse, daß mit der Substitutionsbehandlung jedenfalls die gleichberechtigten Therapieziele einer Verhütung der Leidensverschlimmerung bzw einer Linderung der Krankheitsbeschwerden angestrebt und dadurch zugleich die Voraussetzungen für eine Heilung des eigenständigen Grundleidens "Drogensucht" geschaffen werde. Dass die Methadon-Substitution eine ärztliche Behandlung der Drogenabhängigkeit darstelle, habe der Gesetzgeber mittlerweile durch Ergänzung des § 13 Abs 1 Satz 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) ausdrücklich anerkannt. Diese Therapieform entspreche auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot, weil sie weitaus kostengünstiger als die mit mehrfachen Krankenhausaufenthalten einhergehende Abstinenztherapie sei. Im übrigen bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel bezüglich der Vereinbarkeit der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen mit Art 12 Abs 1 und Art 80 Grundgesetz (
GG).
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. August 1994 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 1. Dezember 1993 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen,
weiter hilfsweise, sie insoweit zurückzuweisen, als die Aufhebung des landessozialgerichtlichen Urteils auch hinsichtlich der rückwirkenden Erteilung der Genehmigung begehrt wird.
Sie hält die Revision mangels einer Beschwer der Beigeladenen zu 2) für unzulässig. Ohne ihre vorherige Zustimmung zur Substitutionsbehandlung bestehe weder ein iS des § 104
SGB X vorrangiger Leistungsanspruch der Patientin gegen ihre Krankenkasse noch ein nachrangiger Anspruch auf Krankenhilfe iS von § 37 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Vielmehr handele es sich bei der vom Sozialhilfeträger finanzierten Substitutionsbehandlung um eine nicht erstattungsfähige Leistung der Integrationshilfe.
Zudem sei zweifelhaft, ob die Versagung der Zustimmung gegenüber dem Vertragsarzt überhaupt die Rechtssphäre der Patientin berühre. Im übrigen bezieht sie sich auf die als zutreffend erachteten Gründe des angefochtenen Urteils.
Der Kläger und die Beigeladenen zu 1) und zu 3) haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Der Senat hat über die Revision in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Kassen- ( Vertrags)ärzte entschieden (§ 40, § 33, § 12 Abs 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG)). Beim Streit über die von der KÄV zu erteilende Zustimmung zur Methadon-Substitution handelt es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte, auch wenn die Entscheidung der KÄV zugleich Auswirkungen auf den krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch der zu 3) beigeladenen Versicherten hat. Gleichwohl ist bei der Anwendung der Besetzungsvorschriften des § 12 Abs 3
SGG aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Praktikabilität rein formal darauf abzustellen, ob der zuständige Normgeber die angefochtene Verwaltungsentscheidung der vertragsärztlichen Selbstverwaltung oder der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zugewiesen hat (BSGE 70, 285, 287 = SozR 3-2500 § 122 Nr 3). Das gilt ungeachtet der Frage, ob die getroffene Zuweisung mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Die Methadon-Richtlinien haben die abschließende außenwirksame Entscheidung über das Vorliegen einer zur Substitutionsbehandlung berechtigenden sonstigen Indikation ("vergleichbar schwere Erkrankung") der KÄV und damit dem Verantwortungsbereich der vertragsärztlichen Selbstverwaltung zugewiesen. Der Umstand, dass zuvor die paritätisch mit Vertretern der Vertragsärzte und der Krankenkassen besetzte Beratungskommission eine "Empfehlung" abzugeben hat, ändert daran nichts (vgl zu diesem Gesichtspunkt bereits BSGE 70, 285, 287 = SozR 3-2500 § 122 Nr 3).
Die Revision der zu 2) beigeladenen Stadt ist zulässig.
Insbesondere ist diese durch die von ihr angefochtene Entscheidung des
LSG auch materiell beschwert. Eine solche Beschwer folgt zwar weder allein aus der Stellung als Beteiligter eines Verfahrens noch aus der mit ihr verknüpften Bindung an ein rechtskräftiges Urteil (
BSG SozR 3-1500 § 54 Nrn 9, 28 f, mwN; BVerwGE 87, 332, 337). Sie setzt vielmehr voraus, dass die angefochtene Entscheidung eigene Rechtspositionen des Beigeladenen beeinträchtigt. Das ist hier der Fall, denn die - materielle - Beschwer der Beigeladenen zu 2) ergibt sich aus der Vorgreiflichkeit der vom
LSG bestätigten Entscheidung der KÄV für den Leistungsanspruch der Versicherten. Die Entscheidung über die Zustimmung zur Substitutionsbehandlung ist zwar unmittelbar nur an den Vertragsarzt gerichtet; sie hängt jedoch inhaltlich nicht entscheidend von dessen Verhältnissen und persönlichen Umständen ab. Diese sind vielmehr bei der qualifikationsbezogenen, unabhängig vom konkreten Behandlungsfall zu erteilenden Genehmigung nach Nr 2.8 der Methadon-Richtlinien zu würdigen. Demgegenüber ist die Frage, ob die KÄV der Substitution zuzustimmen hat, danach zu beantworten, ob bei dem betroffenen Versicherten eine medizinische Indikation zur Durchführung einer Methadon-Substitution als notwendige und zugleich wirtschaftliche Krankenbehandlung iS von § 27 Abs 1, § 12 Abs 1
SGB V vorliegt. Die Zustimmung zur Substitutionsbehandlung durch die KÄV verschafft dem Vertragsarzt im Einzelfall die durch Nr 2.5 der Methadon-Richtlinien normativ eingeschränkte Rechtsmacht, mit rechtlicher Bindungswirkung für die zuständige Krankenkasse im Leistungsverhältnis zu den Versicherten festzusetzen, daß die mit der Methadon-Substitution einhergehenden ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen sowie Arzneiverordnungen als Krankenbehandlung medizinisch notwendig zu erbringen sind (vgl BSGE 73, 271, 278 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4).
Umgekehrt bedeutet eine Versagung der Zustimmung zur Substitutionsbehandlung bei einem bestimmten Krankheitsbild durch die KÄV, dass der antragstellende Vertragsarzt und damit letztlich auch alle anderen Vertragsärzte diese Leistung an den Versicherten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen dürfen. Dies gilt in gleicher Weise für die ebenfalls an die Methadon-Richtlinien - einschließlich des darin geregelten Verfahrens - gebundenen Krankenkassen, weil die Substitution unter den gegebenen tatsächlichen Umständen keine notwendige Krankenbehandlung darstellt. Somit wird in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten zwar primär über die Rechtsmacht des Klägers, inhaltlich zugleich aber über eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung des Leistungsanspruchs der Versicherten entschieden. Dieser umfasst die Versorgung mit Methadon nur, wenn die beklagte KÄV die streitbefangene Zustimmung erteilt. Damit ist zugleich eine Präjudizialität des vorliegenden Streitgegenstandes für einen evtl Leistungsstreit der Versicherten oder des Sozialhilfeträgers gegeben, der die Feststellung von Sozialleistung zugunsten der Versicherten nach § 91a BSHG betreiben kann (vgl zu dem Gesichtspunkt der Präjudizialität
BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 9; BSGE 72, 252, 258 = SozR 3-2200 § 182 Nr 17).
Die Revision der Beigeladenen zu 2) ist insoweit begründet, als sie die Verurteilung der Beklagten begehrt hat, dem Kläger die Zustimmung zur Methadon-Substitution der Beigeladenen zu 3) zu erteilen. Der Kläger darf die Methadon-Substitutionsbehandlung der Beigeladenen zu 3) als Vertragsarzt innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nur durchführen, wenn die für ihn zuständige KÄV dem zuvor zugestimmt hat. Die Rechtsgrundlage für dieses präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt findet sich in den "Richtlinien zur Methadon-Substitutionsbehandlung bei i.v.-Heroinabhängigen" (Methadon-Richtlinien), die der Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen als Anl 1 Nr 2 zu den "Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien)" erlassen hat und die
idF vom 4. Dezember 1990 im BArbBl Nr 2/91 vom 31. Januar 1991 bekannt gemacht worden sind. Nach diesen Richtlinien stellt die Drogensubstitution für sich alleine keine Krankenbehandlung dar; sie ist kein Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung, kann aber bei bestimmten Indikationen als notwendiger Bestandteil der Krankenbehandlung angesehen werden (Präambel - Nr 2.1 der Methadon-Richtlinien). Die Richtlinien führen bestimmte Krankheitsbilder auf, in denen bei i.v.- heroinabhängigen Patienten die Indikation zur Substitutionsbehandlung mit Methadon vorliegen kann. Das wird angenommen bei Drogenabhängigkeit mit lebensbedrohlichem Zustand im Entzug, bei schweren konsumierenden Erkrankungen, bei opioidpflichtigen Schmerzzuständen, bei Aids-Kranken, bei Patienten, die sich einer unbedingt notwendigen stationären Behandlung wegen einer akuten oder schweren Erkrankung unterziehen müssen und denen gegen ihren Willen nicht gleichzeitig ein Drogenentzug zuzumuten ist (Überbrückungssituation) sowie bei Drogenabhängigkeit in der Schwangerschaft, unter der Geburt und bis zu sechs Wochen nach der Geburt ( Indikationen nach Nrn 2.2.1 bis 2.2.6 der Richtlinien). Bei Vorliegen einer oder mehrerer dieser Indikationen entscheidet der Vertragsarzt, dem die Durchführung der Substitutionsbehandlung allgemein durch die KÄV genehmigt worden ist (Nr 2.8 der Richtlinien), darüber, ob er eine Substitutionsbehandlung bei dem Patienten durchführt. Er kann, muß sich aber nicht hierbei von einer bei der KÄV errichteten Beratungskommission (Nr 2. 7 der Richtlinien) beraten lassen (Nr 2.4 der Richtlinien). Anders stellt sich die Sachlage in den Fällen dar, in denen zwar keine der Indikationen nach den Nrn 2.2.1 bis 2.2.6 der Richtlinien gegeben ist, aber eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. Hierfür enthält die Vorschrift der Nr 2.3 der Richtlinien einen Auffangtatbestand. Danach kann im Einzelfall eine Substitutionsbehandlung bei i.v.- heroinabhängigen Patienten durchgeführt werden "bei vergleichbar schweren Erkrankungen, bei denen die Kommission nach Nr 2.7 im Einzelfall eine Substitution als Teil der Krankenbehandlung für angezeigt hält". In Nr 2.5 der Richtlinien ist weiter bestimmt, daß in den Fällen, in denen der dazu berechtigte Arzt eine Substitutionsbehandlung bei einer Indikation nach Nr 2.3 der Richtlinien durchzuführen beabsichtigt, die Methadon-Substitution erst nach der Zustimmung durch die KÄV erfolgen kann. Diese erteilt die Zustimmung aufgrund einer Empfehlung der Kommission nach Nr 2.7 der Richtlinien. Nach der genannten Vorschrift errichtet die KÄV zur Beratung bei der Erteilung von Genehmigungen für Substitutionsbehandlungen mit Methadon sowie für die Zustimmung zu Substitutionsbehandlungen nach Nr 2.3 der Richtlinien eine Kommission, die der KÄV und den berechtigten Ärzten ferner zur Beratung in Einzelfällen, auch zur Dauer einer Substitutionsbehandlung, zur Verfügung stehen soll. Die Kommission besteht aus sechs, höchstens sieben Mitgliedern, von denen drei von der KÄV benannt werden. Darunter sollen zwei Ärzte mit besonderen Erfahrungen in der Behandlung von Suchtkranken sein. Zwei in Drogenproblemen fachkundige Mitglieder werden von den Landesverbänden der Krankenkassen und ein in Drogenproblemen fachkundiges Mitglied von den Verbänden der Ersatzkassen benannt. Bei einem weiteren Mitglied soll es sich um ein in der Drogenberatung erfahrenen Arzt des öffentlichen Gesundheitswesens handeln.
Die Regelung der Nr 2.5
iVm Nr 2.3 der Methadon-Richtlinien legt für den Vertragsarzt fest, daß er eine Substitutionsbehandlung bei einem i.v.-heroinabhängigen Versicherten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen bei "vergleichbar schweren Erkrankungen" nur nach Zustimmung der KÄV durchführen darf. Damit wird die Entscheidung über die Behandlungsbedürftigkeit und -notwendigkeit von dem einzelnen ärztlichen Leistungserbringer auf die Körperschaft verlagert, in der die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten niedergelassenen Ärzte zusammengeschlossen sind. Rechtsgrundlage für den Erlass der Richtlinien ist § 92 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1
SGB V, wonach die gemäß § 91 Abs 1
SGB V gebildeten Bundesausschüsse der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließen. Satz 2 aaO legt die Regelungsbereiche fest, für die die Bundesausschüsse insbesondere Richtlinien beschließen sollen. Den Richtlinien kommt im Verhältnis zu den Vertragsärzten grundsätzlich - je nach ihrer Ausgestaltung im einzelnen - normative Wirkung zu; dh, sie sind für den einzelnen Vertragsarzt verbindlich. Die Beurteilung der Rechtswirkung der Richtlinien der Bundesausschüsse ist umstritten. Das Bundessozialgericht (
BSG) hat bis in die jüngere Zeit die Auffassung vertreten, den Richtlinien komme als solchen keine normative Wirkung zu. Sie erzeugten, ähnlich wie Verwaltungsvorschriften, eine Selbstbindung der beteiligten Körperschaften. Verbindlichkeit gegenüber Ärzten und Krankenkassen erlangten sie nur aufgrund entsprechender Geltungsanordnungen in den Satzungen der KÄVen und der Landesverbände der Krankenkassen sowie in den Bundesmantelverträgen. Auswirkungen auf das Leistungsrecht, also auf die Ansprüche der Versicherten, hätten sie nicht (vgl zB BSGE 35, 10, 14 = SozR Nr 52 zu § 182 RVO; 38, 35, 37 f = SozR 2200 § 368p Nr 1 - mit Ausführungen zur historischen Entwicklung -; BSGE 52, 70, 72 f = SozR 2200 § 182 Nr 72; 63, 102, 104 f = SozR 2200 § 368e Nr 11; 63, 163, 165 f = SozR 2200 § 368p Nr 2). Darüber hinausgehend ist die Auffassung vertreten worden, daß es sich bei den Richtlinien zwar um Verwaltungsbinnenrecht handele, das aber grundsätzlich als maßgeblich bei der Sachentscheidung zu beachten sei (BSGE 73, 271, 287 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4). Die Einschätzung einer fehlenden normativen Wirkung der Richtlinien wird auch in der Literatur weiterhin vertreten (vgl zB: Hess in Kasseler Komm, § 92
SGB V RdNr 5: Wiedergabe anerkannter Erfahrungssätze ohne Rechtsnormqualität; Hauck/Haines,
SGB V, § 92 RdNr 3: normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften mit gesetzlich geregelter Bindungswirkung für abschließend aufgeführte Adressaten). Die bisherige Sichtweise kann jedoch unter der Geltung des
SGB V nicht aufrechterhalten werden. Das Gesetz inkorporiert die Richtlinien nämlich unmittelbar in den Bundesmantelvertrag und in die Gesamtverträge. So bestimmt zunächst § 92 Abs 7
SGB V, daß die Richtlinien des Bundesausschusses Bestandteil der Bundesmantelverträge sind. Nach § 82 Abs 1 Satz 2
SGB V ist der Inhalt der Bundesmantelverträge - damit auch die Richtlinien - Bestandteil der Gesamtverträge. Diese zwischen den KÄVen und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen zu vereinbarenden Gesamtverträge werden nicht nur mit Wirkung für die beteiligten Krankenkassen geschlossen (§ 83 Abs 1 Satz 1
SGB V). Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung - mithin die Gesamtverträge - sind nach § 95 Abs 3 Satz 2
SGB V auch für den einzelnen Vertragsarzt verbindlich.
Zusätzlich wird die Verbindlichkeit der Richtlinien für die Vertragsärzte durch § 81 Abs 3 Nr 1
SGB V abgesichert. Nach der genannten Vorschrift muß die Satzung der KÄV Bestimmungen enthalten, nach denen die Richtlinien ua nach § 92
SGB V - die Richtlinien des Bundesausschusses also - für die KÄVen und ihre Mitglieder, die Vertragsärzte, verbindlich sind. Durch die Einbeziehung der Richtlinien in den Bundesmantelvertrag und in die Gesamtverträge kommt ihnen die gleiche rechtliche Wirkung wie den normativen Teilen der vertragsärztlichen Kollektivverträge zu, deren Rechtsnormqualität unbestritten ist (hierzu zB BSGE 71, 42, 46, 48 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4). Wie diese begründen sie unmittelbar Rechte und Pflichten der Vertragsunterworfenen, setzen also außenwirksames Recht. Nach geltendem Recht ist daher die Rechtsnormqualität der Richtlinien zu bejahen (ebenso Baader, JZ 1990, 409, 410 ff; Ebsen, VSSR 1990, 57, 67 f; ders in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd I, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 7 RdNr 158; Papier, VSSR 1990, 123, 128; vgl zum Ganzen auch Tempel-Kromminga, Die Problematik der Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen nach dem neuen Recht des
SGB V, 1994, S 48 ff).
Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen stellen sich, was hier einer Darlegung im einzelnen nicht bedarf, auch im Verhältnis zu den Krankenkassen als autonomes, sie bindendes Recht dar. In diesem Rechtskreis entfaltet sich die Geltungswirkung der Richtlinien für die einzelnen Krankenkassen über § 92 Abs 7, § 82 Abs 1 Satz 2, § 83 Abs 1, § 210 Abs 2
SGB V. Die Richtlinien können gleichfalls Regelungen über die Leistungsansprüche der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung treffen. Das steht nicht in Frage für die Fälle, in denen Vorschriften des
SGB V ausdrücklich bestimmen, dass der Anspruch der Versicherten auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im einzelnen durch die Richtlinien der Bundesausschüsse der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen geregelt wird. Den Normen ist gemeinsam, dass die Ausgestaltung des Leistungsrechts im einzelnen der Richtliniengebung übertragen wird. So legt § 22 Abs 2 Satz
SGB V fest, dass der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92
SGB V das Nähere über Art, Umfang und Nachweis der Untersuchungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bestimmt. Nach § 25 Abs 4 Sätze 2 und 3
SGB V bestimmt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92
SGB V das Nähere über Art und Umfang des Anspruchs der Versicherten auf Früherkennungsuntersuchungen und bzgl der Frage, für welche Bereiche Früherkennungsuntersuchungen anzubieten sind. § 26 Abs 2
SGB V ordnet für die Kinderuntersuchung die entsprechende Geltung ua des § 25 Abs 4 Satz 2
SGB V an. Nach § 27a Abs 4
SGB V bestimmt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92
SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. In § 29 Abs 4
SGB V ist geregelt, dass der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs 1
SGB V die Indikationsgruppen für den Anspruch auf Übernahme der Kosten kieferorthopädischer Behandlungen festlegt. Nach § 33 Abs 3 Satz 2
SGB V bestimmt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92
SGB V, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden können. Schließlich legt § 33 Abs 4 Satz 2 letzter Halbs
SGB V fest, dass der Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92
SGB V Ausnahmen von dem zeitlich begrenzten Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen zulassen kann.
Die genannten Vorschriften enthalten über die allgemeine Ermächtigung des § 92 Abs 1
SGB V hinausgehende, spezielle Kompetenzzuweisungen an die Bundesausschüsse. Sie setzen zugleich die Verbindlichkeit der von den Bundesausschüssen erlassenen Regelungen für die Versicherten voraus. Aber auch ohne eine derartige ausdrückliche Zuweisung der Regelungskompetenz an den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen kann den Richtlinien Rechtswirkung gegenüber den Versicherten zukommen. Dies folgt unmittelbar aus § 92 Abs 1 Satz 1
SGB V. In der Norm wird, wie bereits dargelegt, dem Bundesausschuss die Befugnis zur Richtliniengebung über eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten übertragen. Funktion der Richtlinien ist es damit, die Verpflichtung der Vertragsärzte zu einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise mit den Ansprüchen der Versicherten zu koordinieren. § 92 Abs 1 Satz 1
SGB V und die leistungsrechtliche Vorschrift des § 12 Abs 1
SGB V stehen damit in einem unmittelbaren sachlogischen Zusammenhang (Frieß, Die Steuerungsinstrumente der Selbstverwaltung im
SGB V, Diss. 1992, S 80). Folgerichtig wird dem Bundesausschuss aufgegeben, insbesondere auch Richtlinien über die ärztliche Behandlung zu beschließen (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1
SGB V). In ihnen soll die sich aus dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung ergebende Verpflichtung zur ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten (vgl § 2 Abs 1 und 4, § 12 Abs 1, § 27 Abs 1, § 28 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2
SGB V) umgesetzt und damit zugleich der Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen gegenüber den Versicherten präzisiert werden (vgl hierzu Ebsen, VSSR 1990, S 57, 69; Papier, ebd, S 121, 128; Krause, ebd, S 107, 120; Tempel-Kromminga, aa0, S 60). Dabei kann der Umfang der zu gewährenden Krankenversorgung im Verhältnis von Versicherten zu Krankenkassen kein anderer sein als im Verhältnis der ärztlichen Leistungserbringer zu den Kassenärztlichen Vereinigungen und wiederum den Krankenkassen (Ebsen in: Schulin, aa0, § 7, RdNr 162).
Gegenüber den Versicherten bedurfte es entsprechender Regelungen, mit denen gegenüber den Vertragsärzten, den KÄVen und den Krankenkassen die verbindliche Wirkung der Richtlinien abgesichert worden ist, deshalb nicht, weil diese - anders als die ärztlichen Leistungserbringer oder die Krankenkassen - nicht selbst aktiv in die Leistungserbringung einbezogen sind, sondern die Leistungen entgegennehmen. Das führt dazu, dass eine generelle ausdrückliche Erklärung der Verbindlichkeit der Richtlinien über den aufgezeigten Rahmen hinaus im Verhältnis zu den Versicherten rechtstechnisch nicht erforderlich ist (vgl Baader, JZ 1990, 409, 411).
In den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen kann nach allem mit normativer Wirkung für die am Versicherungsverhältnis Beteiligten sowie die Ärzte und ihre Körperschaften der Umfang der Leistungspflicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt werden. Als untergesetzliche Rechtsnormen unterliegen hierbei die Richtlinien der Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Mit dieser Entscheidung über die Rechtsqualität der Methadon-Richtlinien als Bestandteil der NUB- Richtlinien weicht der Senat nicht iS des § 41 Abs 2
SGG von einer Entscheidung des
BSG ab. Soweit in früheren Entscheidungen die Rechtswirkung der Richtlinien anders beurteilt worden ist, ergingen diese Entscheidungen zum Krankenversicherungsrecht vor Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988 zum 1. Januar 1989 (BGBl I 2477) oder sie führen nicht zu einem anderen Ergebnis (vgl BSGE 73, 271, 289 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4).
Die Ermächtigung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur konkretisierenden Normsetzung mit Bindungswirkung gegenüber Versicherten, Vertragsärzten und Krankenkassen in bezug auf Inhalt und Umfang der ärztlichen Behandlung (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1
SGB V) ist mit dem
GG vereinbar. Die Zuweisung der Normsetzungsbefugnis an den Bundesausschuss ist Bestandteil eines generellen Regelungskonzeptes, das die Rechtsetzung durch untergesetzliche Normen den an der kassenärztlichen (nunmehr: vertragsärztlichen) Versorgung beteiligten Körperschaften der Krankenkassen und der Ärzte übertragen hat. Dieses für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung charakteristische Konzept wurde bereits zu Beginn der 30er Jahre entwickelt und war als solches bei Schaffung des
GG vorhanden. Es beruht darauf, dass das zunächst auf privatrechtlicher Grundlage zwischen Ärzten und Krankenkassen geschaffene Vertragssystem (vgl das sog "Berliner Abkommen" vom 23. Dezember 1913; dazu Hess/Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, 1955, S 23; Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, 1994, RdNr 37 ff) durch ein öffentlich-rechtliches System kollektivvertraglicher Beziehungen zwischen den Körperschaften der Krankenkassen und der Ärzte abgelöst wurde.
Mit der durch die Verordnung über die kassenärztliche Versorgung vom 14. Januar 1932 (RGBl I 19) erfolgten Neuregelung des Kassenarztrechts in den §§ 368 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) wurde der Kollektivvertrag endgültig als Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten eingeführt ( zum Ganzen Hess/Venter, aaO, S 32 f; Richter, Das kassenärztliche Recht von 1931/32, 1932, S 23 f; Jantz/ Prange, Das gesamte Kassenarztrecht, 1955, S 11 ff).
Das Gesetz bestimmte, daß die Krankenkassen (Kassenverbände/Kassenvereinigungen) und die KÄVen die ärztliche Versorgung der Kassenmitglieder durch Gesamt- und Mantelverträge zu regeln hatten (§ 368 RVO
idF der Verordnung vom 14. Januar 1932 - dazu Schneider, aaO, RdNr 83 ff). Die Gesetzgebung unter der Geltung des
GG hat nicht nur an das Regelungskonzept der Rechtsetzung durch Normverträge angeknüpft und die "vertragliche Ingeltungsetzung genereller Regelungen" (Ebsen in: Schulin, a.a.O) durch Bundesmantelverträge (§ 82 Abs 1
SGB V), Gesamtverträge (§ 83 Abs 1
SGB V) sowie für weitere Bereiche vorgesehen (vgl zB § 84 Abs 1, § 106 Abs 3
SGB V). Darüber hinaus ist dieses Instrument im
SGB V in vielfältiger Weise ausgebaut und auch im Verhältnis zu weiteren Leistungserbringern wie den Zahntechnikern (§ 88 Abs 1
SGB V), den Heil- und Hilfsmittelerbringern (§ 125, § 127
SGB V) sowie für den Krankenhausbereich (§ 112, § 115
SGB V) vorgeschrieben worden.
Integraler Bestandteil des dargestellten Regelungskonzeptes ist die Zuweisung von Normsetzungsbefugnissen an - im wesentlichen von den an der kassen-/vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Partnern gebildete - Ausschüsse. Das gilt zum einen von dem durch den Bewertungsausschuss (§ 87 Abs 3, 4
SGB V; zur Rechtsnatur des Bewertungsausschusses s
BSG SozR 3-2200 § 368g Nr 2) vereinbarten einheitlichen Bewertungsmaßstab, in dem der Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt wird (§ 87 Abs 2
SGB V). Das gilt zum anderen für die Normsetzung durch Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen (§ 92 Abs 1
SGB V). Insoweit knüpft das geltende Recht an die bereits für den Bereich der Kollektivverträge geschilderte Entwicklung an. Erstmals wurden nämlich dem Vorläufer des heutigen Bundesausschusses, dem Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Normsetzungsbefugnisse durch § 368i RVO
idF der Verordnung vom 14. Januar 1932 übertragen (dazu: Hess/Venter, aaO, S 35; Schneider, aaO, RdNr 66 ff), wobei diese Kompetenz zum ersten Mal durch Erlaß der Arzneimittel- Richtlinien vom 22. Juni 1932 (Amtliche Nachrichten für Reichsversicherung 1932,
IV, 373) ausgeübt wurde.
Dieses gemeinhin als gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen (kritisch hierzu: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, aaO, § 6 RdNr 97) bezeichnete Regelungskonzept ist Ausdruck des das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung beherrschenden Naturalleistungsprinzips (Sachleistungsprinzip) und untrennbar mit diesem verbunden.
Danach erbringen die Krankenkassen die Leistungen gegenüber den Versicherten nicht selbst, sondern bedienen sich dafür selbständig tätiger Leistungserbringer, mit denen sie Verträge zu schließen haben (§ 2 Abs 2
SGB V). Die Vertragsärzte wiederum konkretisieren im Verhältnis zu den Versicherten deren Leistungsansprüche gegen die Krankenkassen (zum Naturalleistungsprinzip Schulin, aaO, § 6 RdNr 106; BSGE 73, 271, 274 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 4). Das Naturalleistungsprinzip setzt damit Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und den Leistungserbringern voraus. Das daraus erwachsene System der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen beruht auf der Erkenntnis, daß im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zwischen Leistungsrecht und Leistungserbringungsrecht eine enge Verzahnung besteht, die es aus Sachgründen zulässig und geboten sein lässt, innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens den Inhalt von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht durch gemeinsame Entscheidungen etwa vertraglicher Art oder durch gemeinsame Gremien der Ärzte und Krankenkassen festzulegen (zur Bedeutung der gemeinsamen Selbstverwaltung allgemein: Schneider, aaO, RdNr 1168). Wird eine gemeinsame Selbstverwaltung als zulässiges Regelungsinstrument akzeptiert, ist die Zuweisung von Normsetzungsbefugnissen an die Vertragsparteien der gemeinsamen Selbstverwaltung notwendige Konsequenz; denn erst die Normsetzungskompetenz und ihre Wahrnehmung führt dazu, daß im Rahmen der gemeinsamen Selbstverwaltung getroffene Entscheidungen mit Wirkung gegenüber den Versicherten sowie den Krankenkassen einerseits und den Vertragsärzten andererseits durchgesetzt werden können. Entfiele die Befugnis zur Normsetzung, wäre die tatsächliche Wahrnehmung einer gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen weitgehend obsolet.
Die Ermächtigung zur Normsetzung an den genannten Bundesausschuss entspricht den aus Art 80
GG sowie dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer Normsetzung durch Institutionen außerhalb des dazu primär berufenen Parlaments. Diese Anforderungen sind unterschiedlich, je nachdem, ob eine Stelle der hierarchisch organisierten staatlichen Exekutive oder aber eine Einrichtung der mittelbaren Staatsverwaltung, welcher für einen begrenzten Bereich das Recht zur Selbst-Gesetzgebung ( Autonomie) verliehen wurde, mit der Rechtsetzung beauftragt wird. In Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips können über die in Art 80 Abs 1 Satz 1
GG genannten staatlichen Exekutivstellen hinaus auch Körperschaften, Anstalten und Verbände mit der eigenverantwortlichen Regelung solcher Angelegenheiten betraut werden, die sie selbst betreffen und die sie am sachkundigsten auch selbst beurteilen können (vgl BVerfGE 33, 125, 156; Merten, Möglichkeiten und Grenzen der Selbstverwaltung, Bd 120 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, 1995, S 11, 15). Dadurch wird das Parlament von Detailregelungen entlastet, deren tatsächliche Grundlagen für Außenstehende schwer erkennbar sind und auf deren Veränderung im Gesetzgebungsverfahren oftmals nicht rasch genug reagiert werden könnte.
Die Verleihung von Satzungsautonomie ist dabei nicht auf mitgliedschaftlich strukturierte Körperschaften, in denen gleichgerichtete Interessen gebündelt werden, beschränkt; vielmehr kommen auch Anstalten des öffentlichen Rechts in Frage, sofern der Gedanke der Betroffenen-Partizipation bei der Ausgestaltung der Entscheidungsgremien wenigstens durch Beteiligung der relevanten Gruppen seinen Niederschlag findet (vgl BVerfGE 37, 1, 25; Clemens, Festschrift für Böckenförde, 1995, S 259, 266, Fn 35; Tempel-Kromminga, aa0, S 119). Im letztgenannten Fall muss allerdings zum Ausgleich dafür, daß die durch Wahl von Repräsentanten vermittelte quasi-demokratische Legitimation der Entscheidungsträger (vgl Merten, aa0, S 19) fehlt, in einer den Anforderungen des Art 80 Abs 1 Satz 2
GG entsprechenden Weise Inhalt, Zweck und Ausmaß der Normsetzungsermächtigung im Parlamentsgesetz selbst festgelegt sein (BVerfGE 37, 1, 25; ebenso Ebsen, VSSR 1990, 57, 61; Umbach/Clemens, VSSR 1992, 265, 292). Zudem ist eine ausreichende Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeit der dem demokratischen Gesetzgeber verantwortlichen staatlichen Exekutive erforderlich (BVerfGE 37, 1, 27).
Die Vorschriften des
SGB V über die Normsetzungsdelegation an den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen stehen jedenfalls hinsichtlich der NUB-Richtlinien im Einklang mit den soeben beschriebenen Anforderungen ( anders für die besonders gelagerte Problematik der Festbetragsfestsetzung nach § 35 Abs 3
SGB V der Vorlagebeschluss des 3. Senats des
BSG vom 14. Juni 1995, NZS 1995, 502, 512). Die Bundesausschüsse wurden vom Gesetzgeber im Gesetz über das Kassenarztrecht vom 19. August 1955 als "oberste beschließende Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung" (vgl BT-Drucks 1/3904 S 17) ausschließlich zu dem Zweck geschaffen, Regelungen zur Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen über die kassenärztliche Versorgung aufzustellen. Diese Organisationsstruktur wurde in § 91
SGB V lediglich durch Einbeziehung der Ersatzkassen modifiziert, sonst aber unverändert übernommen (s Begründung RegEntw zum GRG, BR-Drucks 200/88, S 194, zu § 99 E-SGB V). Die Bundesausschüsse stellen zwar keine Körperschaften mit mitgliedschaftlicher Verfassung dar (Papier, VSSR 1990, 123, 131), können aber als rechtlich und in begrenztem Umfang auch organisatorisch verselbständigte Verwaltungseinheiten zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe - nämlich der konkretisierenden Rechtsetzung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung - und damit als Anstalten des öffentlichen Rechts, denen begrenzte Rechtsfähigkeit zukommt, qualifiziert werden (zu den Voraussetzungen des Anstaltsbegriffs vgl Salzwedel in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl, 1995, § 40 RdNr 1; Rudolf in Erichsen, aa0, § 53 RdNr 15; zum Begriff der nicht nutzbaren Anstalt Tempel-Kromminga, aa0, S 111 ff). Demgemäß hat es auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (
BVerfG) als zulässig angesehen, dass die Zusammenfassung gesellschaftlicher Gruppen zur Erledigung öffentlicher Aufgaben über die Organisationsform der Anstalt erfolgt und dieser Rechtsetzungsautonomie verliehen wird (BVerfGE 37, 1, 24 ff - zum anstaltlich organisierten "Stabilisierungsfonds für Wein").
Der hier tätig gewordene Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erfüllt die Anforderungen an eine Anstalt als einer Verwaltungseinrichtung, die "aktiv gestaltend, insbesondere durch Eingriffe in die Freiheitssphäre der Verwaltungsunterworfenen" (BVerfGE 37, 1, 24) nach außen wirkt. Er besteht gemäß § 91 Abs 2
SGB V aus Repräsentanten der Vertragsärzteschaft, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellt werden, und aus Vertretern der Bundesverbände der Krankenkassen bzw der Verbände der Ersatzkassen, welche ihrerseits die Interessen und den Sachverstand der Versicherten und der Arbeitgeber einbringen (§ 215 Abs 1, § 209 Abs 2
SGB V); außerdem fördern drei unparteiische, aber einvernehmlich zu bestellende Mitglieder die Entscheidungsfähigkeit des Gremiums. Mit dieser Einbindung aller in erster Linie von der Ausgestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung betroffenen Gruppen hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht in sachwidriger Weise überschritten. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, daß zur Artikulation der Belange der Versicherten auf die bereits vorhandenen Strukturen der Krankenkassen-Selbstverwaltung zurückgegriffen wurde, die den Vertretern der Krankenkassen eine hinreichende Anbindung an die Interessen der Versicherten geben (vgl §§ 44 ff des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch
SGB IV). Infolge der Einbeziehung der nur von Versichertenvertretern kontrollierten Ersatzkassen (§ 44 Abs 1 Nr 4
SGB IV) ist nunmehr auch rechtlich sichergestellt, dass die Versicherten neben den Arbeitgebervertretern tatsächlich präsent sind. Die Vertreter der übrigen Krankenkassenverbände, in deren Selbstverwaltungsgremien die Arbeitgeber mitwirken, gewährleisten zudem, dass deren - durch die Beitragspflicht (§§ 249, 257
SGB V) und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EntgeltfortzG) begründetes - Interesse an einer sachgerechten Ausgestaltung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung mit reflektiert wird. Dies ist sachlich gerechtfertigt (aA insoweit Schulin, aa0, § 6 RdNrn 89 ff), weil jede Anhebung des Beitragssatzes infolge von Leistungsausweitungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 85 Abs 3 Satz 1
SGB V) zu einer zwangsläufigen Erhöhung von deren Abgabenlast bzw der Personalzusatzkosten führt, ohne dass dies durch staatliche Gesetzgebung oder Tarifvertrag legitimiert würde. Die von den Richtlinien nicht nur in der Art und Weise ihrer Berufsausübung, sondern in einer Zeit der rechtlichen bzw faktischen Budgetierung der Honorare und der Arzneimittel sowie sonstiger Kosten auch finanziell unmittelbar betroffenen (vgl Weber, Gesundheitswesen 1994, 657) und zugleich in Fragen der medizinischen Versorgung besonders sachkundigen Vertragsärzte sind schließlich über die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertreter an der Normsetzung beteiligt. Dabei besteht kein prinzipieller Interessengegensatz zwischen diesen Gruppen....