Die beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 22.05.2012 in der Gestalt des Bescheides vom 18.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Versorgung mit einem Real-Time-Messgerät zur kontinuierlichen Glukosemessung durch Glukosesensor.
Nach
§ 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung, § 27
Abs. 1 Satz 1 und 2
Nr. 1
SGB V, auch die Versorgung mit Hilfsmitteln gemäß § 27
Abs. 1 Satz 1 und 2
Nr. 3
SGB V. Der Anspruch auf Krankenbehandlung
bzw. Hilfsmittelversorgung unterliegt den für alle Leistungsansprüche geltenden allgemeinen Maßgaben der
§§ 2,
12 SGB V. Gem. § 2
Abs. 1
SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12
SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.2013 - L 5 KR 4459/12 ER-B). Gem. § 12
Abs. 1
SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Ausweislich des
§ 33 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Bei dem vom Kläger begehrten Real-Time-Messgerät zur kontinuierlichen Glukosemessung mittels Glukosesensor handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V. Die Kammer nimmt hierzu auf die Ausführungen des Sozialgericht Stuttgart im Urteil vom 13.11.2013 (Az:
S 23 KR 6965/11) Bezug. Wie auch im dortigen Fall wird das Gerät dem Kläger zur Sicherung einer Krankenbehandlung verordnet worden, § 33
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
SGB V. Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Der spezifische Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27
Abs. 1 Satz 1
SGB V als erforderlich anzusehen ist. Dabei ist es im Rahmen des § 33
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
SGB V ausreichend, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg angestrebt wird (
BSG, Urteil vom 15.03.2012 -
B 3 KR 2/11 R). Ein solcher therapeutischer Erfolg ist bei einer Autoimmunerkrankung wie im konkreten Fall Diabetes mellitus Typ 1 regelmäßig die Gewährleistung einer guten Stoffwechseleinstellung und der damit einhergehenden Prävention von Folgeschäden.
Dem Anspruch des Klägers steht grundsätzlich nicht entgegen, dass der
G-BA für die kontinuierliche Glukosemessung keine Empfehlung abgegeben hat. Bei der Versorgung der Versicherten mit ärztlicher Heilbehandlung ist hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden das in
§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (
BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R) zu beachten. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur erbracht werden und gehören auch dann nur zu den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (
vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 B 1 KR 12/05 R), wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen
u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. An die Entscheidungen des Bundesausschusses sind Krankenkassen und Gerichte gebunden (
BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R). Ohne befürwortende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses kommt eine Leistungspflicht der Krankenkassen nicht in Betracht (
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.2013 - L 5 KR 4459/12 ER-B).
Wird ein Hilfsmittel im Sinne des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V im Rahmen einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im vorstehend beschriebenen Sinn angewendet, unterliegt es ebenfalls dem Erlaubnisvorbehalt des § 135
Abs. 1
SGB V (
BSG, Urteil vom 12.08.2009 -
B 3 KR 10/07 R). Die Sperrwirkung des § 135
Abs. 1 Satz 1
SGB V erfasst neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Der Begriff der "Methoden" erfasst Maßnahmen, die bei einem bestimmten Krankheitsbild "systematisch" angewandt werden und als leistungsübergreifende methodische Konzepte auf ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Ziel ausgerichtet sind (
BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R). Eine Methode betrifft dabei nicht nur die ärztliche Leistung im engeren Sinne, sondern alle für die vertragsärztliche Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen (jurisPK-SGB V, 2. Auflage, § 135
SGB V Rn. 18).
Neu ist eine Methode, wenn sie sich bewusst von den bisher in der vertragsärztlichen Versorgung angewandten Diagnostik- und Therapieverfahren abgrenzt und sich darüber hinaus auf nicht weitgehend einhellig anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse beruft, die gerade deshalb der Prüfung auf Qualitätssicherung unterzogen werden sollen (SG Berlin, Beschluss vom 15.05.2012 -
S 72 KR 500/12 ER). Geht es hingegen um ein Hilfsmittel, das im Rahmen herkömmlicher ärztlicher Behandlungsmethoden eingesetzt werden soll, ist der
G-BA in seinem speziellen Zuständigkeitsbereich der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135
SGB V) und des Erlasses einschlägiger Richtlinien (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5
SGB V) nicht berührt (
BSG, Urteil vom 22.04.2009 -
B 3 KR 11/07 R).
Die kontinuierliche Glukosemessung ist nicht als neue Behandlungsmethode zu qualifizieren (siehe hierzu und zum Folgenden Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 13.11.2013, S 23 KR 6965/11). Die dem streitgegenständlichen Hilfsmittel zugrunde liegende Krankenbehandlung ist die Behandlung der Diabetes mittels Insulintherapie. Insofern muss bei Diabetes mellitus Typ das den Betroffenen fehlende Hormon Insulin künstlich in Form von Insulinpräparaten zugeführt werden. Der wichtigste Unterschied der klassischen Blutzuckermessungen im Blut zur kontinuierlichen Glukosemessung in der Gewebeflüssigkeit ist die Werteerfassung. Die herkömmlichen Blutzuckermessungen ermöglichen grundsätzlich nur eine momentane Werterfassung, selbst wenn eine große Anzahl an Messungen (10-30 pro Tag) durchgeführt wird. Sie ist eine rein statistische Messung und ermöglicht keine oder allenfalls eine vage Auskunft darüber, ob die Stoffwechseleinstellung stabil ist oder ob der Blutzucker die Tendenz hat anzusteigen oder abzufallen. Im Gegensatz dazu bietet das begehrte CGM-System durch die fortlaufende Messung und Darstellung der Glukosewerte die Möglichkeit, zu erkennen, aus welcher "Richtung" der Glukosespiegel kommt und erlaubt eine Abschätzung, wie sich dieser in der näheren Zukunft verändern wird (diabetesDE: Kontinuierliche Glukosemessung (CGM) in der Gewebeflüssigkeit. Wissenschaftliche Bewertung von CGM und medizinische Beurteilung des Nutzens für die Diabetestherapie, 20.01.2010). Mithin erfolgt durch die kontinuierliche Glukosemessung weder eine Änderung der Behandlungsmethode, noch des Therapiekonzepts. Neben der Blutzuckermessung im Blut wird dem Kläger lediglich eine andere
bzw. zusätzliche Messmethode in Form der Messung der Glukosekonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit zur Verfügung gestellt. Ferner wirkt sich die Durchführung der kontinuierlichen Glukosemessung nicht auf das übergeordnete Therapiekonzept des behandelnden Arztes aus. Insoweit trägt insbesondere nicht das Argument, dass es dem Arzt die Möglichkeit eröffne, sich bei seinen Therapieentscheidungen auch an den durch die kontinuierliche Messung erhobenen Blutzuckerdaten zu orientieren (
vgl. SG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2013 - S 23 KR 338/13 ER). Diesbezüglich ist ein Unterschied zur herkömmlichen Blutzuckermessung im Blut nicht erkennbar. Die hiesige Kammer schließt sich den dargestellten Ausführungen der 23. Kammer im Urteil vom 13.11.2013 (Az: S 23 KR 6965/11) in diesem Punkt nach eigener Prüfung und Bewertung vollinhaltlich an.
Der Einsatz des Hilfsmittels scheitert vorliegend jedoch daran, dass er nicht erforderlich im Sinne der §§ 12, 33
SGB V ist. . Erforderlich ist ein Hilfsmittel, wenn es im Einzelfall geeignet, notwendig und wirtschaftlich ist (
BSG, Urteil vom 28.06.2001 -
B 3 KR 3/00 R - BSGE 88, 204 juris
Rdnr. 15). Das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12
Abs. 1
SGB V) schließt eine Leistungspflicht der Krankenversicherung für solche Innovationen aus, die nicht die Funktionalität, sondern in erster Linie Bequemlichkeit und Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen. Der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung findet damit insbesondere dort seine Grenze, wo eine nur geringfügige Verbesserung eines auf breitem Feld anwendbaren Hilfsmittels völlig außer Verhältnis zur Belastung der Versichertengemeinschaft geraten würde. Bei der gebotenen Abwägung der Notwendigkeit
bzw. Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung sind daher in jedem Einzelfall auch die Kosten der Hilfsmittelversorgung im Blickpunkt zu behalten. Dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit würde es widersprechen, wenn Umfang und Notwendigkeit des Ausgleiches und die entsprechenden Kosten in keinem angemessenen Verhältnis stünden (
LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 10.12.2014,
L 1 KR 25/13, juris).
Zur Senkung des HbAlc-Wertes ist das CGM jedenfalls dann subjektiv erforderlich, wenn trotz Nutzung aller zur Verfügung stehender Therapieformen einschließlich Insulinpumpe und guter Compliance eine unbefriedigende Stoffwechselkontrolle vorliegt und der angestrebte HbA1cWert nicht erreicht werden kann oder wenn mehr als zehn Blutzuckermessungen täglich erforderlich wären, um das angestrebte Stoffwechselkontrollziel zu erreichen (
vgl. hierzu: "Gemeinsame Stellungnahme der diabetesDE - Deutschen Diabeteshilfe mit ihren Mitgliedsorganisationen zur Bewertung der kontinuierlichen Glukosemessung mit Real Time Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus",
S. 12, veröffentlicht unter www.diabetesde.org sowie Urteil des SG Dresden vom 18.06.2014,
S 25 KR 783/12, juris). Das Hilfsmittel in Form eines CGM-Gerätes ist danach nicht in allen Fällen des Diabetes Typ 1 (
u. U. mit Insulinpumpenversorgung) mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung erforderlich und geboten im oben ausgeführten Sinne. Zu dieser Erkrankung muss jedenfalls die besondere Risikodiagnose der Gefahren der unvorhersehbaren schweren Hypoglykämien hinzutreten, der auch nicht mit der zumutbaren normalen Blutzuckermessung von maximal zehn am Tag ausreichend entgegen gewirkt werden kann (
LSG Berlin - Brandenburg, Urteil vom 10.12.2014, L 1 KR 25/13, juris).
Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend im Unterschied zu der Fallgestaltung, die dem Urteil der 23. Kammer vom 13.11.2013 zugrunde lag, nicht erfüllt. Die herkömmlichen therapeutischen Maßnahmen sind nicht zur Überzeugung der Kammer ausgeschöpft. Die Kammer nimmt diesbezüglich auf die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Diabetologen
Dr. B. vom 28.05.2014 Bezug. Danach ist der Einsatz eines CGM-Systems im Fall des Klägers zwar sehr sinnvoll, aus medizinischen Gründen jedoch nicht zwingend erforderlich. Häufige schwere Hypoglykämien, schwere nächtliche Hypoglykämien und Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen, welche auch durch eine intensive Schulung nicht behoben werden können oder mindestens zwei schwere Hypoglykämien mit nachgewiesenem Fremdhilfebedarf, gehen aus der Aussage von
Dr. B. und insbesondere dem Befundbericht von
Dr. E. vom 26.03.2014 nicht hervor. Letzterem ist zu entnehmen, der Zustand des Klägers stabil ist. Die Blutzuckerkontrolle ist gut. Eine Änderung der Therapie wurde nicht als notwendig erachtet. Der Kläger leidet auch im Unterschied zur Fallkonstellation, welche dem Urteil der 23. Kammer zugrunde lag, noch nicht an Folgeerkrankungen oder einer im Fall einer Hypoglykämie zusätzlich gefährlichen Vorschädigung. Hinzu kommt, dass unter Ausschöpfung aller therapeutischen Maßnahmen auch der Einsatz einer Insulinpumpe nach der Stellungnahme von
Prof. Dr. D. fällt. Eine solche ist beim Kläger nach dem bisherigen Krankheitsverlauf nicht indiziert und in der Folge diese Therapieoption noch nicht erprobt. Insofern ist die medizinische Situation des Klägers nicht mit der Fallkonstellation der 23. Kammer im Urteil vom 13.11.2013 vergleichbar. Im Ergebnis besteht danach nach dem derzeitigen Gesundheitszustand kein Anspruch auf Versorgung mit dem CGM-System.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Klage war nach alldem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.