Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
I.
Der im Jahre 1961 geborene Antragsteller ist bei der
DAK krankenversichert. Er leidet unter Diabetes mellitus und verfolgt das Ziel, von seiner Krankenkasse mit einem CGM Starterset MiniMed 640g versorgt zu werden, das ihm das Stoffwechselzentrum Rhein-Pfalz am 11. Juni 2015 vertragsärztlich verordnete. Mit dem CGMS ("Continuous Glucosemonitoring System") wird eine kontinuierliche Messung des Blutzuckergehalts im Unterhautfettgewebe vorgenommen. Mit Bescheid vom 23. Juli 2015 lehnte die
DAK die Übernahme der Kosten für das CGM Starterset ab, weil es sich bei CGMS um eine außervertragliche Behandlungsmethode handele, die der Antragsgegner, der Gemeinsame Bundesausschuss, noch nicht anerkannt habe.
Am 25. August 2015 hat der Kläger eine Klage gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss erhoben, mit der er das Ziel verfolgt, diesen zu verpflichten, eine positive Empfehlung für das CGMS abzugeben (L 9 KR 443/15 KL). Am 5. Oktober 2015 hat er daneben einen Eilantrag gestellt, mit dem er sinngemäß begehrt,
im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, das CGMS als anerkannte Behandlungsmethode in die Anlage I der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung aufzunehmen.
II.
1. Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg. Es ist dem Gericht grundsätzlich verwehrt, den Antragsgegner im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zur Normergänzung anzuhalten. Die mit dem Begehren des Antragstellers verfolgte Vorwegnahme der Hauptsache ist in Zusammenhang mit der normsetzerischen Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses schlechthin unstatthaft.
a) Bei der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung, in deren Rahmen das CGMS eingesetzt werden soll, handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des
§ 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), die in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem CGMS steht (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 8. Juli 2015,
B 3 KR 5/14 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 31).
b) Die Methodenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135
Abs. 1 Satz 1
SGB V ist ein normsetzerischer Akt. Hilfsmittel, die - wie im Falle des CGMS - in untrennbarem Zusammenhang mit einer neuen Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung eingesetzt werden, sind sowohl leistungsrechtlich (
§ 33 Abs. 1 SGB V) wie leistungserbringungsrechtlich erst nach einer positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Methode Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen (Bundessozialgericht, a.a.O.
Rdnr. 29). Die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang obliegt nach
§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem Gemeinsamen Bundesausschuss, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen oder therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem
GKV-Spitzenverband gebildet (
§ 91 Abs. 1 SGB V); sein Beschlussgremium besteht neben den von diesen zu benennenden Mitgliedern grundsätzlich aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Damit hat der Gesetzgeber dann, wenn es (auch) um die Bewertung des medizinischen Nutzens und der Wirtschaftlichkeit von Methoden geht, diese Aufgabe grundsätzlich dem Gemeinsamen Bundesausschuss als einem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung übertragen. Seine Zuständigkeit verbürgt nach der Konzeption des Gesetzes die erforderliche Verbindung von Sachkunde und interessenpluraler Zusammensetzung, die es (auch) rechtfertigt, dem Gemeinsamen Bundesausschuss im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsfreiheit zukommen zu lassen. Ist der Einsatz eines Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer Behandlungsmethode, geht deshalb die Methodenanerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss auch der Entscheidung des
GKV-Spitzenverbandes über die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nach
§ 139 Abs. 4 SGB V systematisch vor. Davon geht schließlich auch der Gemeinsame Bundesausschuss selbst aus, der in § 6
Abs. 11 seiner Hilfsmittel-Richtlinie die Verordnung eines Hilfsmittels ausgeschlossen hat, wenn es Bestandteil einer neuen, nicht anerkannten Behandlungsmethode nach § 135
SGB V ist (
vgl. hierzu Bundessozialgericht, a.a.O.,
Rdnr. 30).
c) Zwar kann mit der fachgerichtlichen Feststellungsklage nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm (hier: einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses), sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie - hierauf zielt der Antragsteller - ein Anspruch auf deren Ergänzung geltend gemacht werden (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R [Monapax], zitiert nach juris, dort
Rdnr. 24; Urteil vom 14. Mai 2014, B 6 KA 21/13 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 20 [Buscopan]; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2014, L 7 KA 79/12 KL, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 56 [Lacteol]). Allerdings ist es ausgeschlossen, diese Normergänzung schon im Wege vorläufigen Rechtsschutzes zu verfolgen. Die im Falle einer Stattgabe stets gegebene Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren wäre dem Gegenstand der Normsetzung wesensfremd, denn Normsetzung hat von ihrer Natur her stets dauerhaften Charakter, so dass es ausgeschlossen ist, sie im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu erwirken.
Im Hauptsacheverfahren L 9 KR 443/15 KL wird der Senat zu prüfen haben, ob ein Versicherter zulässig den Weg der Normergänzungsklage beschreiten kann. Für das Eilverfahren ist dieser Weg jedoch zur Überzeugung des Senats verschlossen.
d) Zur Wahrung seiner Rechte wird sich der Antragsteller primär an seine Krankenkasse halten müssen. Diese hat zwar zu berücksichtigen, dass es sich bei der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung, in deren Rahmen das CGMS eingesetzt werden soll, um eine neue Behandlungsmethode handelt, für die es noch an der Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss fehlt; zugleich wird die Krankenkasse aber auch zu prüfen haben, ob beim Kläger ein Ausnahmefall vorliegt, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Versorgung in der
GKV zuzulassen ist. Eine solche Ausnahme regelt inzwischen
§ 2 Abs. 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2
Abs. 1 Satz 3
SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im so genannten Nikolausbeschluss vom 6. Dezember 2005 (BVerfGE 115, 25) aufgegriffen und gesetzlich fixiert. Ferner ist eine Ausnahme u.a. für den Fall anerkannt, dass der GBA dem in § 135
Abs. 1
SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen ("Systemversagen",
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr.18). Im
ggf. vor dem zuständigen Sozialgericht auszutragenden Leistungsstreit mit seiner Krankenkasse wird dem Antragsteller grundsätzlich auch die Möglichkeit offen stehen, um Rechtsschutz im Eilverfahren nach § 86 b
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nachzusuchen. Diese Möglichkeit verwirklicht sein Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz aus
Art. 19
Abs. 4 des Grundgesetzes (
GG). Eine Normergänzungsklage im Eilverfahren ist von
Art. 19
Abs. 4
GG dagegen nicht gewährleistet; der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz wird dadurch nicht verletzt.
2. Angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten des Eilantrages war der Senat nicht gehalten, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 73 a
Abs. 1 Satz 1
SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung). Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193
SGG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177
SGG).