Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Blutgerinnungsmessgerät zu Lasten der
GKV, da ein solches nicht erforderlich ist.
Nach
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Bei dem Blutgerinnungsmessgerät (CoaguChek-Gerät) handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne der
GKV, da es zum Einsatz bei kranken und behinderten Menschen hergestellt wird. Es dient zwar nicht dazu, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, jedoch ist es geeignet, den Erfolg der Krankenbehandlung - hier: die Therapie der Blutgerinnungsstörung und die Vorbeugung einer Thrombose - zu sichern. Es ist jedoch nicht "erforderlich", wie § 33
SGB V dies für den Hilfsmittelversorgungsanspruch verlangt. Der Begriff der Erforderlichkeit in § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Notwendigkeit im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Nach
§ 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen der
GKV ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (Satz 1). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (Satz 2). § 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V greift dieses auf, indem er bestimmt, dass Versicherte die (Mehr-)Kosten für Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, selbst zu tragen haben. Messgeräte für Körperzustände/-funktionen sind in der Produktgruppe 21 des Hilfsmittelverzeichnisses (
vgl. § 139 SGB V) beschrieben. In der Einleitung zu dieser Produktgruppe heißt es, dass eine Leistungspflicht der Krankenkasse nur dann besteht, wenn das jeweilige Produkt zur dauernden selbstständigen Überwachung des Krankheitsverlaufs und/oder zur selbstständigen sofortigen Anpassung der Medikation "aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich" ist. Speziell zu Blutgerinnungsmessgeräten (Koagulationsmessgeräten) wird im Hilfsmittelverzeichnis unter Ziffer 2.5 ausgeführt, dass bei Patienten, bei denen aus medizinischen Gründen eine lebenslange Antikoagulation erforderlich ist (
z.B. länger als drei Monate zurückliegender Zustand nach Implantation einer künstlichen Herzklappe, Zustand nach künstlichem Blutgefäßersatz, Thrombophilie
z.B. nach rezidivierenden Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien, schwere Herzrhytmusstörungen wie chronisches Vorhofflimmern, Zustand nach ausgedehnten Herzinfarkten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion inklusive einer fortgeschrittenen dilatativen Kardiomyopathie, Koagulopathien:
z.B. AT-III-Mangel, Protein-C-Mangel, Faktor-II-und-V-Mutationen), ein therapeutischer Nutzen (Reduzierung der antikoagulationsbedingten Komplikationsrate) bisher wissenschaftlich nicht eindeutig belegt werden konnte.
Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Notwendigkeitsmaßstabs und Einbeziehung der im Hilfsmittelverzeichnis dargelegten Versorgungskriterien besteht "im Einzelfall" (
vgl. § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V) des Klägers kein Anspruch auf Versorgung mit einem Blutgerinnungsmessgerät. Sowohl die Hausärztin
Dr. I. als auch der Internist
Dr. M. haben übereinstimmend sowohl in den vom Gericht eingeholten Befundberichten als auch den vom Kläger vorgelegten Attesten erklärt, dass sie die Versorgung des Klägers mit einem Blutgerinnungsmessgerät zur Sicherung des Krankenbehandlungserfolges aus medizinischen Gründen nicht für zwingend erforderlich halten. Die Hausärztin
Dr. I. hat den Einsatz eines CoaguChek-Gerätes zwecks Eigenmessungen lediglich für sinnvoll und indiziert gehalten, da sehr häufige Kontrollen notwendig seien. Wenn sie sodann im Befundbericht zur Frage 7. mitteilt, dass Kontrolluntersuchungen beim Arzt ohne Eigenmessungen des Klägers jede Woche notwendig seien, bei Versorgung des Klägers mit einem CoaguChek-Gerät jedoch nur noch alle 12-24 Wochen, so erscheint dies allerdings nicht nachvollziehbar, im Gegenteil eher bedenklich im Hinblick auf die Aussage des Internisten
Dr. M., dass sich keine wesentlichen Unterschiede in der Frequenz der Kontrolluntersuchungen beim Arzt ergibt, egal ob der Kläger mit einem Blutgerinnungsmessgerät versorgt wäre oder nicht. Frau
Dr. I. selbst hat in ihrem Schreiben vom 06.07.2010, mit dem sie für den Kläger Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten eingelegt hat, dargelegt, dass der Kläger in der Markumareinstellung schwierig sei. Gerade dies spricht aber eher dafür, dass regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt im Fall des Klägers weiter notwendig sind und die Frequenz der Untersuchungen durch ein Blutgerinnungsmessgerät nicht herabgesetzt werden kann. Auch von der Hausärztin
Dr. I. wird für die Versorgung des Klägers mit einem Blutgerinnungsmessgerät keine absolute, sondern nur eine relative Indikation gestellt (
vgl. zur Abgrenzung: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage,
S. 905 zu "Indikation"). Sie hat für die Versorgung des Klägers mit dem Gerät keinen zwingenden Grund angeführt, sondern dargelegt, dass die Versorgung sinnvoll sei, weil der Kläger mehr Flexibilität im Alltag (Urlaub
etc.) brauche, da er noch mobil sei. Diese Kriterien begründen jedoch keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel zur Sicherung des Krankenbehandlungserfolges zu Lasten der
GKV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Kammer geht davon aus, dass die Kosten für die Versorgung mit einem CoaguChek-Gerät und die dazu erforderliche Schulung mehr als 750,00
EUR betragen, und hält deshalb die Berufung ohne besondere Zulassung allein im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes (
vgl. § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG) für statthaft. Läge der Wert allerdings unter 750,00
EUR, ließe die Kammer die Berufung ausdrücklich zu, denn sie misst der Streitsache grundsätzliche Bedeutung bei.