Urteil
Übernahme der Kosten für ein Guardian REAL-Time System zur kontinuierlichen Messung des Gewebezuckers (Continuous Glucosemonitoring - CGM) durch die gesetzliche Krankenversicherung

Gericht:

SG Dresden 25. Kammer


Aktenzeichen:

S 25 KR 783/12


Urteil vom:

18.06.2014


Tenor:

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2012 verurteilt,

1. die Klägerin zukünftig gegen Vorlage einer ärztlichen Verordnung mit Glukosesensoren zuzüglich der erforderlichen zugehörigen Hilfsmittel des Herstellers Medtronic zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung zu versorgen;

2. der Klägerin die für die Beschaffung von Glukosesensoren einschließlich der zugehörigen Hilfsmittel entstandenen Kosten in Höhe von 2.605,68 EUR zu erstatten.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Kosten für das Guardian REAL-Time System zur kontinuierlichen Messung des Gewebezuckers (Continuous Glucosemonitoring - CGM) zu übernehmen bzw. zu erstatten hat.

Auf der Internetseite des Herstellers ( ) wird das Guardian REAL-Time System wie folgt beschrieben:

"Das Guardian® REAL-Time System zum kontinuierlichen Glukosemonitoring besteht aus einem Glukosesensor, der unter der Haut - üblicherweise am Bauch - getragen wird und einem Monitor, den der Anwender z.B. am Gürtel trägt. Der Sensor misst die Glukose nicht direkt im Blut sondern in der Zwischenzellflüssigkeit des Unterhautfettgewebes und überträgt die Glukosedaten an den Monitor. Mit dem Guardian® REAL-Time System stehen dem Anwender seine aktuellen Glukosewerte alle 5 Minuten rund um die Uhr zur Verfügung. Anhand dieser Informationen kann der Patient hohe und niedrige Glukosewerte zeitnah verhindern.

Die Vorteile des Guardian REAL-Time Systems

Das Guardian REAL-Time System gibt Ihnen zur herkömmlichen Blutzuckerselbstmessung zusätzliche Sicherheit und Schutzmöglichkeiten.

Das kontinuierliche Glukosemonitoring mit dem Guardian REAL-Time System

- misst alle 10 Sekunden die Glukose in der Zwischenzellflüssigkeit; es bildet über 5 Minuten einen Durchschnittswert und zeigt diesen im Monitordisplay an
- gibt Ihnen Trendinformationen, in welche Richtung sich Ihre Glukosewerte bewegen
- alarmiert Sie, sobald Ihre Glukosewerte zu niedrig oder zu hoch werden.

Sie erhalten somit die Möglichkeit, rechtzeitig zu erkennen, wie sich Ihre Glukosewerte entwickeln, und können dadurch deren Verlauf nach Ihrem individuellen Zielbereich beeinflussen. Punktuell gemessene Blutzuckerwerte sind nach wie vor für Therapieentscheidungen, vor der Nahrungsaufnahme oder zur Bestätigung einer Warnmeldung notwendig."

Mit Beschluss vom 24.11.2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) entschieden, dass auf Antrag des GKV-Spitzenverbandes vom 14.07.2011 auf Bewertung der kontinuierlichen interstitiellen Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus gem. § 135 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch angenommen und das diesbezügliche Beratungsverfahren gem. 1. Kapitel § 5 der Verfahrensordnung des GBA eingeleitet wird.

Die 1963 geborene Klägerin leidet seit 37 Jahren an Diabetes mellitus Typ I. Sie ist seit 1994 mit einer Insulinpumpe versorgt. Sie leidet trotz Schulung und nach Einschätzung ihrer Ärzte optimaler Compliance unter stark schwankenden Blutzuckerwerten. Auch unter stationären Bedingungen gelang es in der Vergangenheit nicht vollständig, häufige Hypoglykämien und die Labilität des Stoffwechsels zu beherrschen. Nach Angabe der behandelnden Ärzte liegen die Gründe einerseits in einer erloschenen Insulineigenproduktion, der Neigung zur Ketonämie mit Veränderung der Insulinwirksamkeit selbst in üblichen Phasen ohne Nahrungszufuhr in der Nacht, einem deutlich veränderlichen Insulinbedarf innerhalb des Menstruationszyklus und einer hohen Veränderlichkeit der Insulinwirkung bei bereits leichter körperlicher Aktivität.

Im Jahr 2009 beantragte die Klägerin durch den behandelnden Arzt Dr. med. R. die Kostenübernahme von Ausrüstung und Verbrauchsmaterial zum CGM für das System "Guardian Real Time". In dem Antrag führte Dr. med. R. aus, dass der HbA1c-Wert 7,4 % betrage und dies unter den realen Bedingungen der Berufstätigkeit und den damit verbundenen Störgrößen im Regelkreis der Glukosehomöostase das derzeit erreichbare Stoffwechselniveau sei. Limitierend sei unter anderem die Frequenz der durchführbaren Blutglukoseselbstkontrollen im Arbeitsalltag, die bei vier- bis fünfmal am Tag liege. Damit entstünden objektiv verspätete Reaktionen auf Blutglukosewerte außerhalb des Zählbereichs. Zunehmend habe sich trotz des entsprechenden Trainings die Hypoglykämiewahrnehmung verschlechtert. Kritische Situationen hätten gerade noch vermieden werden können. Die Beklagte übernahm daraufhin bis Ende 2011 die Kosten für die Ausrüstung sowie die notwendigen Glukosesensoren für das System "Guardian Real Time".

Auf eine Verordnung von Sensoren vom 06.12.2011 des behandelnden Arztes Dr. med. R. lehnte die Beklagte nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) die weitere Kostenübernahme für Glukosesensoren ab. Bei dem CGM handle es sich nach wie vor um eine neue Methode, deren indikationsbezogener Nutzen und Wirtschaftlichkeit wissenschaftlich nicht sicher belegt seien und die keine Anerkennung als vertragsärztliche Leistung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) besitze. Eine Kostenübernahme sei daher gemäß § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgeschlossen. Die Klägerin habe seit 2009 ausreichend Möglichkeit gehabt, mit Hilfe des CGM ihre Zuckerstoffwechselsituation zu beobachten, eine Optimierung zu praktizieren, offene Fragen mit dem behandelnden Diabetologen zu klären und könne nun selbst verantwortlich entscheiden, ob und wann sie die Sensoren auf eigene Kosten käuflich erwerbe.

Mit ihrem unter dem 29.01.2012 eingelegten Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass sie mit Hilfe des CGM in den letzten beiden Jahren die Möglichkeit gehabt habe, rechtzeitig auf sich androhende Stoffwechselentgleisungen, die aufgrund von variablen Störgrößen im Alltag immer wieder aufträten und nicht zu verhindern seien, zu reagieren und somit Hyperglykämien und Hypoglykämien zu minimieren bzw. abzuwenden. Die erfolgreiche Krankenbehandlung zeige sich auch in der Verbesserung ihres HbA1c-Wertes von 7,9 % bis auf 6,3 %. Darüber hinaus hätten sich bei ihr bereits bestehende Augenhintergrundsveränderungen vollständig zurückgebildet. Trotz bester Mitarbeit bei der Diabetesbehandlung könne sie allein mit Blutzuckermessungen aufgrund der verschiedenartigen Störgrößen im alltäglichen Leben keine optimale Diabeteseinstellung erreichen. Nach inzwischen 35 Jahren Erfahrung könne sie für ihren Fall sagen, dass sich allein mit Hilfe des CGM eine befriedigende Situation erzielen ließ. Auf Anforderung legte die Klägerin Auszüge aus ihren Blutzuckertagebüchern vor. Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren zwei sozialmedizinische Stellungnahmen sowie ein Gutachten des MDK ein. In ihrem Gutachten vom 04.05.2012 verweist die Gutachterin Dr. med. O. auf den am 14.07.2011 durch den GKV-Spitzenverband gestellten Antrag bei dem GBA auf Bewertung des CGM hin. In dem daraufhin erstellten Rechtsgutachten sei der GBA zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei dem CGM um eine neue Methode mit eigenständigem theoretisch-wissenschaftlichem Konzept handele, die vor ihrer Einführung in die vertragsärztliche Versorgung in jedem Fall eine vorherige positive Methodenbewertung durch den GBA benötige. Eine nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht anerkannte Methode sperre auch die Anwendung des Hilfsmittels. Darüber hinaus habe das CGM keine Aufnahme in die Therapieleitlinien bei Diabetes mellitus gefunden. Nach der entsprechenden S 3-Leitlinie vom September 2011 sei nicht ausreichend belegt, dass die Anwendung des CGM zu einer Senkung des HbA1c-Wertes führe. Auf die Ausführungen in dem Gutachten vom 04.05.2012 im Übrigen wird Bezug genommen (vgl. Bl. 36ff. der Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Bei dem CGM handle es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die vom GBA bislang nicht beurteilt worden sei und demzufolge nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig sei. Im Übrigen nahm die Beklagte Bezug auf das Gutachten des MDK vom 04.05.2012.

Mit der am 16.10.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Bei ihr sei es in der Vergangenheit immer wieder zu erheblichen Stoffwechselschwankungen gekommen. Der HbA1c-Wert sei mit Werten bis zu 7,9 % deutlich erhöht gewesen. Bei einem gesunden Menschen liege dieser Wert zwischen 4,5 % und 6 %. Für Diabetiker werde ein HbA1c-Wert unter 7 % angestrebt. Ein hoher HbA1c-Wert begünstige deutlich das Risiko für diabetesbedingte Folgekomplikationen. Nach Einschätzung ihres behandelnden Diabetologen sei es für sie nicht möglich, ohne weitere Interventionen bessere Werte zu erzielen. Trotz eines Hypoglykämietrainings habe sich auch ihre Hypoglykämiewahrnehmung verschlechtert. Sie habe sich zwar bisher immer noch selber helfen können, jedoch gingen die Hypoglykämien mit Müdigkeit, Sehstörungen und erheblichen Konzentrationsstörungen einher. Sie arbeite als Medizintechnische Assistentin für Funktionsdiagnostik und erteile an vier Tagen in der Woche Unterricht an einer Berufsfachschule. Um den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden, habe sie in der Vergangenheit häufig erhöhte Blutzuckerwerte in Kauf genommen, damit sie den Unterricht nicht jedes Mal wegen einer Hypoglykämie und möglichem anschließenden Erschöpfungszustand habe abbrechen müssen. Erhöhte Blutzuckerwerte, wie auch Blutzuckerschwankungen begünstigten jedoch die Folgekomplikationen des Diabetes mellitus Typ I, von denen sie bereits betroffen sei. Ihr Augenarzt habe ihr wiederholt eine gute Stoffwechseleinstellung dringend empfohlen. In der Zeit, in der die Beklagte die Kosten für das CGM in der Vergangenheit übernommen habe, hätten sich beträchtliche Erfolge bereits nach kurzer Zeit abgezeichnet. Der HbA1c-Wert habe signifikant gesenkt werden können. Eine bereits bestehende diabetische Veränderung am Augenhintergrund habe sich sogar vollständig zurückgebildet. Auch ihre körperliche und berufliche Leistungsfähigkeit habe sich erheblich gebessert, da sie die Blutzuckerschwankungen erstmalig rechtzeitig habe erkennen und verhindern bzw. eindämmen können. Vor dem Unterricht habe sie ihren Blutzucker nicht mehr sicherheitshalber erhöhen müssen, sondern mit Hilfe der Trendinformation erkennen können, in welche Richtung sich der Blutzucker entwickeln werden würde. Nach der Ablehnung der weiteren Kostenübernahme habe sich ihre gesundheitliche Situation wieder verschlechtert. Dies werde auch durch die nach dem Ende des CGM erneut angestiegenen HbA1c-Werte dokumentiert. Auch der augenärztliche Befund bestätige eine erneute Verschlechterung des linken Auges, was durch den der Klageschrift beigefügten augenärztlichen Befund der behandelnden Augenärztin Dipl.-Med. D. vom 13.11.2012 belegt werde. Die Beklagte verkenne, dass die Informationen, die sie durch punktuelle Blutzuckerwerte erlange, nicht ausreichend seien, um die Therapie optimiert durchzuführen. Das CGM kompensiere diese Informationslücken und helfe mit der Trendangabe, eine Fehlinterpretation der punktuellen Werte zu vermeiden. Die punktuelle Blutzuckermessung allein sei nicht geeignet, die Streubreite der Werte einzudämmen oder Hypo- und Hyperglykämien rechtzeitig zu erkennen, da sie die Dynamik des Glukosegehalts nicht abbilde. Die Blutzuckermessung biete nur eine momentane Werterfassung, selbst wenn eine große Anzahl von Messungen am Tage durchgeführt werde. Jede Blutzuckermessung sei ihrer Natur nach nur eine Stichprobe und könne keine Auskunft geben, ob die Stoffwechsellage stabil sei, oder ob der Blutzucker die Tendenz habe, anzusteigen oder abzufallen. Nach Ansicht der Deutschen Diabetesgesellschaft könnten selbst 30 Blutzuckermessungen pro Tag allein eine vage Auskunft über den tatsächlichen Stoffwechselverlauf geben.

Ein Bewertungsverfahren des GBA sei nicht erforderlich, da die streitgegenständlichen Hilfsmittel im Rahmen des Behinderungsausgleichs zur Anwendung kämen. Eine funktionsfähige Bauchspeicheldrüse schütte nicht nur Insulin aus, sondern messe auch, wieviel Insulin ausgeschüttet werden solle. Diese Messfunktion müssten Patienten mit Diabetes mellitus Typ I durch Messungen des Glukosegehalts nachstellen. Deswegen dienten Glukosemessgeräte dem elementaren Behinderungsausgleich, bei dem ein Bewertungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht erforderlich sei.

Darüber hinaus sei das CGM keine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Es handle sich vielmehr um ein Hilfsmittel, das im Rahmen einer eingeführten, anerkannten Behandlungsmethode zum Einsatz komme, und bei dem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein Bewertungsverfahren gemäß § 135 Abs. 1 SGB V erforderlich sei. Ziel der Diabetestherapie mit Insulingabe unter herkömmlichen Blutzuckermessungen sowie des CGM sei es, eine möglichst normoglykämische Stoffwechsellage bei dem Diabetiker zu erreichen. Beide Messmethoden dienten dazu, die Insulindosis richtig anzupassen oder rechtzeitig Kohlenhydrate zu konsumieren. Durch das CGM erhalte der Diabetiker eine deutlich größere Anzahl an Informationen über seinen körperlichen Zustand, könne seine Therapie optimieren und Hypoglykämien vermeiden. Die Therapie des Diabetes mellitus werde dadurch jedoch lediglich präzisiert und erhalte gerade kein eigenes neuartiges theoretisch-wissenschaftliches Konzept. Der Diabetiker sei durch die Informationen des CGM in der Lage, spontaner und präziser auf seine komplexen Stoffwechselabläufe zu reagieren und könne eine normoglykämische Stoffwechsellage besser erreichen. Eine regelmäßige Besprechung der Werte mit dem behandelnden Arzt oder Diabetesteam entspreche der Besprechung von Blutzuckerwerten, wie sie heute schon üblich sei. Bei den in Deutschland verfügbaren Geräten zum CGM und den zugehörigen Sensoren handle es sich um Medizinprodukte gemäß § 3 Medizinproduktegesetz (MPG) mit einer CE-Kennzeichnung. Gemäß § 1 MPG könne deswegen davon ausgegangen werden, dass das Hilfsmittel grundsätzlich geeignet sei, den medizinischen Zweck zu erfüllen, den es nach den Angaben des Herstellers besitzen solle und, dass es die erforderliche Qualität besitze, die notwendig sei, um die Sicherheit seines Benutzers zu gewährleisten.

Der Beschluss des GBA vom 24.11.2011, mit dem er das Beratungsverfahren zum CGM eingeleitet habe, sei rechtswidrig. Er sei formell rechtswidrig, da er nicht begründet worden sei. Materiell sei er rechtswidrig, da es sich bei dem CGM nicht um eine neuartige Behandlungs- und/oder Untersuchungsmethode handele.

Wegen der weiteren Klagebegründung wird gemäß § 136 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Schriftsätze der Klägerseite verwiesen.

Die Klägerin hat sich ab Februar 2013 die zum CGM erforderlichen Glukosesensoren einschließlich der erforderlichen zugehörigen Hilfsmittel selber beschafft. Ihr sind hierdurch bis zur mündlichen Verhandlung Kosten in Höhe von 2.605,68 EUR entstanden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2012 zu verurteilen,

1. sie zukünftig gegen Vorlage einer ärztlichen Verordnung mit Glukosesensoren zuzüglich der erforderlichen zugehörigen Hilfsmittel des Herstellers Medtronic zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung zu versorgen,

2. ihr die für die Beschaffung von Glukosesensoren einschließlich der zugehörigen Hilfsmittel entstandenen Kosten in Höhe von 2.605,68 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Feststellungen in dem Gutachten des MDK vom 04.05.2012.

Das Gericht hat einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Arztes Dr. med. R. eingeholt. Auf den Inhalt des Befundberichts nebst Anlagen wird Bezug genommen (vgl. Bl. 81ff. der Gerichtsakte).

Ferner hat das Gericht eine Stellungnahme des GBA zu dem Beschluss vom 24.11.2011 angefordert. Auf die Stellungnahme des GBA vom 14.05.2013 wird verwiesen (vgl. Bl. 74ff. der Gerichtsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen. Die vorgenannten Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenübernahme für die erforderlichen Hilfsmittel im Rahmen des CGM sowie auf Kostenerstattung im tenorierten Umfang.

Der Anspruch auf Versorgung mit dem Messsystem "Guardian Real Time" einschließlich der hierfür erforderlichen Glukosesensoren folgt aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.

Vorliegend sollen die streitgegenständlichen Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung zum Einsatz kommen. Zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung kommen alle sächlichen Mittel in Betracht, die der Krankheitsbekämpfung dienen und spezifisch im Rahmen der Krankenhandlung eingesetzt werden. Die Klägerin steht aufgrund eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus in andauernder ärztlicher Behandlung. Sie wird seit längerer Zeit mittels einer Insulinpumpe therapeutisch versorgt. Mit Hilfe des CGM wird die Klägerin laufend über die Glukosewerte informiert. Bei überhöhten oder zu niedrigen Werten, die ggf. durch eine manuelle Blutzuckermessung zu überprüfen sind, kann sie entsprechend reagieren. Zwar wird durch die kontinuierliche Messung der Glukosewerte mit Hilfe der Sensoren nicht direkt auf die Grunderkrankung eingewirkt. Es geht aber dennoch um die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, weil der Krankheitsverlauf durch das kontinuierliche Glukosemonitoring positiv beeinflusst werden soll. Insbesondere kann dadurch zu niedrigen oder zu hohen Blutzuckerwerten vorgebeugt oder begegnet werden. In diesem Sinne wird auch ein therapeutischer Erfolg gefördert, der bei Diabetikern in der Einstellung möglichst normnaher Blutzuckerwerte besteht (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013, Az. L 4 KR 89/12 B ER, juris, Rdnr. 39).

Die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie im Rahmen einer neuartigen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zum Einsatz kommen sollen. Der Anspruch auf Krankenbehandlung ist gemäß den allgemeinen Bestimmungen der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V auf solche Leistungen beschränkt, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten, und zwar jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (BSG, Urteil vom 27.09.2005, Az. B 1 KR 6/04 R, juris). Dazu müssen grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne vorliegen, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (BSG, Urteil vom 18.05.2004, Az. B 1 KR 21/02 R, juris). Im Bereich ärztlicher Behandlungen obliegt diese Feststellung grundsätzlich dem GBA im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit. Diese Anforderungen gelten auch, sofern ein Hilfsmittel im Rahmen einer Krankenbehandlung angewendet wird, um deren Erfolg zu sichern (§ 33 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 SGB V).

Der Ansicht der Klägerseite, dass es sich bei den streitgegenständlichen Hilfsmitteln um Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich handele und schon aus diesem Grunde nicht zu prüfen sei, ob es sich um eine neuartige Behandlungsmethode handelt, ist nicht zu folgen. Nur bei Hilfsmitteln "zum bloßen Behinderungsausgleich" kann von dem Nachweis eines therapeutischen Nutzens abgesehen werden. Bei Hilfsmitteln, die diagnostischen oder therapeutischen Zwecken im engeren Sinne dienen, ist jedoch weiter der Nachweis eines therapeutischen Nutzens geboten (vgl. BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az. B 3 KR 20/04 R, juris, Rdnr. 18). Nur bei Hilfsmitteln, die allein dem Behinderungsausgleich dienen und bei denen keine therapeutische Wirkung im engeren Sinne erwartet wird, ist von einer Bewertung nach § 135 SGB V abzusehen (vgl. BSG a. a. O.). Vorliegend dienen die streitgegenständlichen Hilfsmittel jedenfalls auch therapeutischen Zwecken, so dass weiter zu prüfen ist, ob ihr Einsatz im Rahmen einer neuartigen Behandlungsmethode erfolgt. Ihre Verwendung ist dann nicht von dem zu Grunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach den §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 i. V. m § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen. Insoweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" (so zur Aufnahme eines Hilfsmittels in das GKV-Hilfsmittelverzeichnis BSG, Urteil vom 12.08.2009, Az. B 3 KR 10/07 R, juris). Solange diese Methode nicht zur Versorgung in der GKV zugelassen ist, stellen auch die dabei eingesetzten Hilfsmittel keine von der Leistungspflicht der GKV umfassten Hilfsmittel dar.

Die streitgegenständlichen Hilfsmittel kommen jedoch nicht im Rahmen einer neuartigen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zum Einsatz. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat ein medizinisches Vorgehen regelmäßig nur dann die Qualität einer Behandlungsmethode, wenn ihm ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R, juris, Rdnr. 18; Urteil vom 03.04.2001, Az. B 1 KR 22/00 R, juris, Rdnr. 23).

Zunächst ist festzuhalten, dass das CGM - wie es für die Anwendung des § 135 Abs. 1 SGB V Voraussetzung ist -, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zur Anwendung kommt. Zwar werden die Glukosesensoren durch die Patienten selber genutzt, allerdings erfolgen die Messungen, gleich ob sie im Rahmen herkömmlicher Blutzuckermessungen oder durch das CGM erfolgen, im Rahmen einer ärztlich verantworteten Behandlung. Die Messungen erfolgen letztendlich auch zur Berechnung der Menge des ärztlich verordneten Insulins. Art und Menge des verordneten Insulin hängen wiederum von den durch die Patienten ermittelten Werten ab. Darüber hinaus werden die durch die Patienten ermittelten Werte Gegenstand der Besprechungen zwischen Arzt und Patienten und somit auch zur Grundlage für weitere Therapieentscheidungen gemacht. Der Vorgang der Messung kann nicht künstlich von dem einheitlichen Behandlungsvorgang abgespaltet werden (insoweit zutreffend SG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2013, Az. S 23 KR 338/13 ER, juris, Rdnr. 14).

Allerdings kann sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass es sich um eine neue Untersuchungs- und/oder Behandlungsmethode im Sinne von § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V handelt. Neu im Sinne der genannten Vorschrift ist ein medizinisches Vorgehen nur dann, wenn ihm ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, dass es von anerkannten Therapieverfahren unterscheidet. Eine Verwandtschaft zu einer bereits anerkannten Methode kann eine Qualitätsprüfung dagegen erübrigen (vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2001, Az. B 1 KR 22/00 R, juris, Rdnr. 22f). Dies bedeutet, dass die Behandlung des Diabetes mellitus Typ I sich durch die Verwendung des CGM von der herkömmlichen Behandlung so unterscheiden müsste, dass nicht nur von einem verwandten sondern von einem wesentlich anderen Therapieverfahren mit einem neuen theoretisch-wissenschaftlichen Konzept gesprochen werden kann. Dies wird von der Kammer verneint.

Das Therapiekonzept des Typ-I-Diabetes besteht aus den Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Schulung und psychosoziale Betreuung (S 3-Leitlinie Therapie des Typ-I-Diabetes-Version 1.0; September/2011 der Deutschen Diabetesgesellschaft veröffentlicht unter www.awmf.org, im Folgenden: Leitlinie, S. 21). Die CGM soll im Rahmen der Insulintherapie zur Anwendung kommen. Grundsätzlich richtet sich der individuelle Insulinbedarf bei Patienten mit Typ-I-Diabetes aufgrund des absoluten Insulinmangels nach der physiologischen Insulinsekretion. Diese erfolgt sowohl ohne Nahrungszufuhr (= basaler Insulinbedarf) als auch nach Nahrungszufuhr (= prandialer Insulinbedarf) diskontinuierlich. Bei der Insulindosierung ist zu berücksichtigen, dass der absolute Insulinbedarf auch von der individuellen Insulinempfindlichkeit des jeweiligen Patienten abhängt (S. 21 der Leitlinie). Sowohl bei der für Typ-I-Diabetes-Patienten empfohlenen intensivierten Therapie (ICT) als auch bei der Insulinpumpentherapie wird unterschieden zwischen dem basalen und dem prandialen Insulinbedarf. Zur Ermittlung des Insulinbedarfs sind regelmäßige Messungen des Blutzuckers erforderlich, wobei die Häufigkeit der erforderlichen Blutzuckermessungen von den individuellen Schwankungen des Patienten abhängig ist. Die Stoffwechselkontrolle ist für das tägliche selbstverantwortliche Management des Diabetes unerlässlich zur präprandialen Ermittlung der erforderlichen Insulindosis, der Insulindosisanpassung, zur Vermeidung von Hypo- und Hyperglykämien sowie zur Bewältigung von speziellen Situationen wie Sport und Reisen, Krankheit oder Krankenhausaufenthalten. Dabei richtet sich die Häufigkeit der Messungen nach der gewählten Therapieform und der aktuellen Stoffwechselsituation. Höhere tägliche Messfrequenzen können zu einer Verbesserung der glykämischen Kontrolle führen, wenn sie mit den entsprechenden Konsequenzen bezüglich der Insulindosis und der Glukosezufuhr verbunden sind. Nach der Leitlinie sollen Patienten mit Typ-I-Diabetes mindestens viermal täglich eine Blutglukoseselbstmessung durchführen (vgl. zur Kontrolle der Stoffwechseleinstellung insgesamt S. 69f der Leitlinie). Das Ziel einer Insulintherapie mittels ICT oder Insulinpumpe ist das Erreichen einer nahe-normoglykämischen Blutglukoseeinstellung (S. 25 der Leitlinie). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine regelmäßige Messung der Blutzuckerwerte erfolgen muss, um den basalen und prandialen Insulinbedarf zu ermitteln. Eine Korrektur der Blutzuckerwerte ist dabei nicht nur bei Nahrungszufuhr erforderlich, sondern ggf. auch bei anderen individuellen Faktoren wie zum Beispiel bei körperlicher Belastung, bei Erkrankungen und unter Berücksichtigung des Hormonzyklus der Frau. Im Rahmen der Insulintherapie wird empfohlen, dass der Patient regelmäßig, mindestens einmal im Quartal die Ergebnisse des jeweilig eingesetzten Behandlungsplans unter Auswertung der ermittelten Blutzuckerwerte mit seinem behandelnden Diabetologen bespricht. Die Kammer kann nicht erkennen, dass der Einsatz des CGM wesentlich etwas an dem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept der beschriebenen herkömmlichen Insulintherapie ändert. Im Einzelnen:

Zunächst ist festzuhalten, dass das CGM allein in der hier zu beurteilenden Anwendung für sich genommen keine therapeutische Wirkung hat, sondern dem Patienten und dem behandelnden Arzt lediglich Informationen zur Verfügung stellt. Die Therapieentscheidungen werden nicht durch das CGM in Verbindung mit der Insulinpumpe ersetzt, sondern durch den behandelnden Arzt und den Patienten auf der Grundlage der Informationen getroffen. Insoweit unterscheidet sich das CGM nicht von der herkömmlichen Blutzuckermessung. Die zu erwartende Fortentwicklung der CGM zu einem "künstlichen Pankreas", bei dem die CGM auch die Insulinzufuhr steuert, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen.

Die Tatsache, dass der Blutzucker nicht durch eine Messung im Blut, sondern durch eine Messung des Zuckergehalts des Unterhautfettgewebes ermittelt wird, bedeutet keine wesentliche Änderung des zugrundeliegenden Therapiekonzepts. Zwar weicht der Zuckergehalt im Gewebe von demjenigen in Blutzucker ab. Die verwendeten Geräte rechnen den im Gewebe ermittelten Zuckerwert jedoch in den Blutzuckerwert um. Damit die Umrechnung möglichst exakt erfolgen kann, wird das Gerät anhand einer Blutzuckermessung täglich durch den Benutzer kalibriert. Die Korrelation zur (kapillaren) Glukose wird als gut bezeichnet (vgl. Leitlinie S. 71). Allein der Umstand, dass der Gewebezuckerwert der Errechnung des Blutzuckerwertes vorgeschaltet wird, rechtfertigt nicht die Annahme einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Diagnostische Einzelschritte selber stellen keine neue Untersuchungsverfahren dar (BSG, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R, juris, Rdnr. 19). Aufgrund der Vergabe des CE-Kennzeichens (hierzu weiter unten) ist auch ohne weiteres davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Messsystem geeignet ist, den Blutzucker durch Umrechnung des Glukosegehalts des Unterhautfettgewebes zu ermitteln und es zu keinen für die Therapieentscheidung wesentlichen Abweichungen kommt. Schließlich wird zusätzlich empfohlen, dass das Ergebnis der CGM-Messung vor einer Therapieentscheidung durch eine kapillare Blutzuckerselbstmessung bestätigt wird. Im Ergebnis ändert sich an dem Konzept, dass der Insulinbedarf letztlich aus dem Blutzuckergehalt errechnet wird, nichts Grundlegendes.

Ferner wird gegen die CGM-Messung eingewandt, dass bei einer Änderung des Blutzuckers eine Veränderung im interstitiellen Gewebe erst mit einer Verzögerung von fünf bis dreißig Minuten stattfindet (vgl. z. B. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.03.2014, Az. L 5 KR 253/13, juris). Nach Einschätzung der Kammer stellt dies ebenfalls keine grundsätzliche Änderung des theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts der Insulintherapie dar. Zum einem weiß der geschulte Patient, für den allein das CGM in Betracht kommt, um das geschilderte Phänomen und kann dies bei seiner Therapieentscheidung berücksichtigen, zum anderen soll vor einer Therapieentscheidung zusätzlich der kapillare Blutzucker gemessen werden.

Auch die Tatsache, dass die CGM - im Gegensatz zu der konventionellen Blutzuckermessung, die lediglich Momentaufnahmen ergibt - den Patienten in die Lage versetzt, den Glukoseverlauf in Form von Trendinformationen über einen längeren Zeitraum darzustellen, stellt nach Ansicht der Kammer keine wesentliche Änderung des theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts der Insulintherapie dar. Die CGM liefert dem Patienten mehr Informationen, um seine individuellen Therapieentscheidungen vorausschauender treffen zu können. Er wird hierdurch in die Lage versetzt, auch den Trend in seine Therapieentscheidung mit einzubeziehen. An dem Konzept der Insulintherapie, bei der der Insulinbedarf aus dem Blutzuckerwert ermittelt wird, ändert sich durch das Mehr an Informationen grundsätzlich nichts.

Auch die Tatsache, dass das streitgegenständliche Hilfsmittel mit einer Warnfunktion ausgestattet ist, die den Patienten auf kritische Werte, insbesondere auf sich anbahnende Hypoglykämien aufmerksam macht, stellt im Hinblick auf das herkömmliche Therapiekonzept der Insulintherapie keine wesentliche Änderung dar. Der GBA vertritt in seiner Stellungnahme gegenüber dem Gericht die Auffassung, dass das bisherige Therapiekonzept durch die Einführung des "Warngliedes" bzgl. hypoglykämischer Trends erweitert wird. Erst die ununterbrochene Untersuchung des Blutzuckerkonzentrationsverlaufs mache es jedenfalls theoretisch möglich, in Fällen eines Risikos unbemerkter Blutzuckerentgleisungen das Therapieziel "Vermeidung von Hypoglykämien" hinreichend zu sichern. Dem GBA ist insoweit zuzustimmen, dass es gerade ein Vorteil des CGM ist, dass Trends angezeigt werden und ggf. ein Warnsignal abgegeben wird, das den Patienten auffordert, den Blutzucker zu messen und eine Therapieentscheidung zu treffen. Hierdurch ist eine Verbesserung bei der Kontrolle der Stoffwechsellage zu verzeichnen. Die Verbesserung der Kontrolle der Stoffwechsellage oder die Erweiterung der Kontrolle um ein zusätzliches Warnglied ändert aber das theoretisch-wissenschaftliche Konzept der Insulintherapie nicht grundlegend. Die Verhinderung hypo- oder hyperglykämischer Zustände durch rechtzeitige Information des Patienten über seinen Blutzuckerspiegel ist selbstverständlich auch Ziel der kapillaren Blutzuckerbestimmung. Deren Kontroll- und Warnfunktion wird nicht verändert, sondern verdichtet und durch die Abgabe des Warnsignals verbessert. Wie der behandelnde Diabetologe, Oberarzt Dr. med. R., in seinem Befundbericht hervorhebt, könnten Blutzuckerveränderungen außerhalb des therapeutischen Zielbereichs auch durch eine Blutzuckermessfrequenz von zirka 20 bis 24 Messwerten am Tag angezeigt werden. Dies ist allerdings in der Praxis nicht umsetzbar, da die Anzahl der Blutzuckermessungen aus medizinischen und praktischen Gründen begrenzt ist.

Auch die Tatsache, dass das streitgegenständliche System der CGM mit einer Funktion ausgestattet ist, die die Insulinpumpe bei einer lebensbedrohlichen Hypoglykämie für zwei Stunden abstellt, macht das System nicht zu einer neuen Behandlungsmethode. Es entspricht den Grundsätzen der herkömmlichen Insulintherapie, dass die Zufuhr von Insulin bei drohender Hypoglykämie gestoppt werden muss. Die CGM unterstützt diese herkömmliche Therapie durch die geschilderte Funktion, ändert sie aber nicht ab.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Versorgung mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln die Vorschrift des § 135 SGB V nicht entgegensteht. Auch die Tatsache, dass der GBA durch Beschluss vom 24.11.2011 ein entsprechendes Bewertungsverfahren eingeleitet hat, ändert hieran nichts, da der Beschluss des GBA keine feststellende Wirkung dahin hat, dass es sich tatsächlich um eine neuartige Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt.

Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Gewährung der streitgegenständlichen Hilfsmittel liegen vor. Die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln ist objektiv und subjektiv erforderlich im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.

Maßgebend für die Beurteilung der objektiven Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 S 1 SGB V genannten Versorgungsziele ist der aktuelle, allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG, Urteil vom 15.03.2012, Az. B 3 KR 2/11 R, juris, Rdnr. 21). Zu prüfen ist die Funktionstauglichkeit und bei Hilfsmitteln zur Behandlungssicherung zusätzlich der medizinische Nutzen (BSG, a.a.O.). Dabei meint die Funktionstauglichkeit die (technische) Eignung eines Hilfsmittels für die vorgesehene Verwendung (BSG, a.a.O.). Der medizinische Nutzen muss unter Berücksichtigung des jeweiligen Behandlungskonzepts beurteilt werden (BSG, a.a.O). Für die objektive Erforderlichkeit eines Hilfsmittels i. S. des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V ist ebenso wie für die Beurteilung der Funktionstauglichkeit und des medizinischen Nutzens der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse ausschlaggebend. Hiervon ausgehend ist ein Hilfsmittel i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V objektiv erforderlich, wenn die Mehrheit der einschlägigen Fachleute die objektive Eignung des Hilfsmittels zur Erreichung des jeweiligen Versorgungsziels befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, insoweit Konsens besteht. Die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen und in einer ausreichenden Zahl von Fällen durchgeführten Studien und Analysen muss sich für den medizinischen Nutzen und die Funktionstauglichkeit des betreffenden Hilfsmittels im Rahmen der ärztlichen Behandlung ausgesprochen haben (BSG, a.a.O., m.w.N.).

Vorliegend soll nach Angabe des behandelnden Arztes das CGM zur Anwendung kommen, um insgesamt eine bessere Stoffwechseleinstellung und eine Senkung der HbA1c-Werte zu erreichen. Die streitgegenständlichen Hilfsmittel sind zur Erreichung dieses konkreten Ziels im geschilderten Sinne objektiv erforderlich. Die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen durchgeführten Studien hat sich für den medizinischen Nutzen der CGM jedenfalls zur Senkung des HbA1c-Wertes ausgesprochen. Der MDK hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Leitlinie in ihrer Version aus September 2011 unter Nr. 9-3 noch keine klare Empfehlung der Nutzung des CGM zur Senkung des HbA1c-Wertes ausspricht, da "Hinweise auf einen entsprechenden Nutzen bei Erwachsenen mit guter Adhärenz in weiteren Studien bestätigt werden müssen" (vgl. Leitlinie S. 69). Allerdings haben die Autoren der Leitlinie bereits im Dezember 2012 nach dem Erscheinen von zwei weiteren Metaanalysen ein Addendum zur Leitlinie verfasst. So heißt es nunmehr in der aktualisierten Fassung der Leitlinie unter Nr. 9-3 "Im Rahmen einer Insulinpumpentherapie kann das kontinuierliche Glukosemanagement zu einer HbA1c-Senkung beitragen". Diese Empfehlung wurde mit der Evidenzklasse I b versehen. Hierbei handelt es sich um die zweithöchste Evidenzklasse. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht nach den Leitlinien der Fachgesellschaften richtet, so muss doch berücksichtigt werden, dass vorliegend die Empfehlung im Rahmen einer S 3-Leitlinie ausgesprochen wurde. Hierbei handelt es sich um Leitlinien der höchsten Entwicklungsstufe, die die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihre Empfehlungen einbeziehen muss (vgl. "Erarbeitung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie - methodische Empfehlungen - " Leitlinie für Leitlinien", Stand Dezember 2004, veröffentlicht bei AWMF online unter www.awmf.org ). Darüber hinaus zeigt die von den Autoren der Leitlinie ausgewertete Studienlage, dass sich die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen und in einer ausreichenden Zahl von Fällen durchgeführten Studien und Analysen für den medizinischen Nutzen und die Funktionstauglichkeit der streitgegenständlichen Hilfsmittel jedenfalls in Bezug auf die Senkung des HbA1c-Werts ausgesprochen hat. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auch auf die Auswertung der Studienlage in der "Gemeinsamen Stellungnahme der diabetesDE - Deutschen Diabeteshilfe mit ihren Mitgliedsorganisationen zur Bewertung der kontinuierlichen Glukosemessung mit Real Time Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus", S. 13ff, (veröffentlicht unter www.diabetesde.org) hin, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass unter CGM eine Verbesserung in der Stoffwechselkontrolle zu verzeichnen ist.

Die Funktionstauglichkeit des streitgegenständlichen Hilfsmittels ist durch die CE-Kennzeichnung nachgewiesen. Voraussetzung für dieses Kennzeichen ist nämlich, dass die grundlegenden Anforderungen nach § 7 Medizinproduktegesetz (MPG) erfüllt sind. Mit der CE-Kennzeichnung ist ein Hilfsmittel im Sinne der Produktsicherheit und Zwecktauglichkeit auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne funktionstauglich, ohne dass dies von den Krankenkassen oder Gerichten noch eigenständig zu prüfen wäre; der CE-Kennzeichnung kommt insoweit eine Tatbestandswirkung zu (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2006, Az. B 3 KR 28/05 R, juris, Rdnr. 36 ff.).

Das streitgegenständliche Hilfsmittel ist im konkreten Einzelfall auch subjektiv erforderlich. Zur Senkung des HbA1c-Wertes ist das CGM jedenfalls dann subjektiv erforderlich, wenn trotz Nutzung aller zur Verfügung stehender Therapieformen einschließlich Insulinpumpe, guter Compliance eine unbefriedigende Stoffwechselkontrolle vorliegt und der angestrebte HbA1c-Wert nicht erreicht werden kann oder wenn mehr als zehn Blutzuckermessungen täglich erforderlich wären, um das angestrebte Stoffwechselkontrollziel zu erreichen (vgl. hierzu: "Gemeinsame Stellungnahme der diabetesDE - Deutschen Diabeteshilfe mit ihren Mitgliedsorganisationen zur Bewertung der kontinuierlichen Glukosemessung mit Real Time Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus", S. 12, veröffentlicht unter www.diabetesde.org). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Nach Angabe des behandelnden Diabetologen, Oberarzt Dr. med. R., leidet die Klägerin unter stark schwankenden Blutzuckerwerten. Dabei kommt es zu einer Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit durch Müdigkeit und Konzentrationsschwäche, wenn sich der Blutzuckerspiegel innerhalb kurzer Zeit rapide verändert. Darüber hinaus leidet die Klägerin unter Hypoglykämien. Auch unter stationären Bedingungen ist es nicht vollständig gelungen, die häufigen Hypoglykämien und die Labilität des Stoffwechsels zu beherrschen. Die Gründe dafür liegen in den spezifischen Eigenschaften der Klägerin. Diese sind einerseits eine erloschene Insulinproduktion, weiterhin die Neigung zur Ketonämie mit Veränderungen der Insulinwirksamkeit selbst in üblichen Phasen ohne Nahrungszufuhr in der Nacht, ein deutlich veränderlicher Insulinbedarf innerhalb des Menstruationszyklus und eine hohe Veränderlichkeit der Insulinwirkung bei bereits leichter körperlicher Aktivität. Unter Berücksichtigung der Frequenz und Geschwindigkeit von Blutzuckeränderungen außerhalb des therapeutischen Zielbereichs wäre bei der Klägerin eine Blutzuckermessfrequenz von ca. 20-24 Messungen am Tag angezeigt. Die Klägerin kann nach Angabe des Arztes ohne CGM nur HbA1c-Werte von 7,2 bis 7,5 %, unter Verwendung des CGM jedoch Werte deutlich unter 7 % erreichen. Die Krankengeschichte der Patientin belegt zum einen, dass es sich um eine Patientin handelt, die trotz hoher Compliance ohne CGM nicht die angestrebten HbA1c-Werte im Zielbereich von 6,5 bis 7 % erreichen kann. Dies wird eindrucksvoll durch die Aufstellung der von der Klägerin mit und ohne CGM erzielten HbA1c-Werte dokumentiert. Bis zur erstmaligen Durchführung der CGM im Januar 2010 konnte die Klägerin nur HbA1c-Werte von 7,1 bis 7,9 % erreichen. Nach Aufnahme der CGM im Januar 2010 sank der HbA1c-Wert auf 6,5 % und stieg bis Dezember 2011 nie über 6,9 % an. Umgekehrt war nach der Einstellung des CGM wegen des ablehnenden Bescheides der Krankenkasse ab März 2012 unmittelbar wieder ein erhöhter HbA1c-Wert zu verzeichnen, der sich bis zum Januar 2013 zwischen 7,2 und 7,5 % bewegte. Nachdem die Klägerin ab Februar 2013 das CGM auf eigene Kosten wieder aufnahm, konnte der HbA1c-Wert wieder auf 6,6 % gesenkt werden. Dieser Verlauf dokumentiert, dass die Klägerin nur unter Einsatz der CGM den in den Leitlinien genannten Zielbereich eines HbA1c-Wertes unter 7 % erreichen kann. Auch die weiteren für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen für eine erfolgreiche CGM sind in der Person der Klägerin erfüllt. Zum einen erfolgt die Insulintherapie bei ihr mittels einer Insulinpumpe, zum anderen handelt es sich um eine mehrfach geschulte Patientin mit hoher Compliance die über Jahre alle Therapiemaßnahmen ausgeschöpft und zudem bereits gezeigt hat, dass sie die CGM erfolgreich einsetzen kann.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen für die Kostenübernahme für die streitgegenständlichen Hilfsmittel vor.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die Beschaffung der streitgegenständlichen Hilfsmittel in dem Zeitraum seit dem 08.02.2013 bis zur mündlichen Verhandlung entstanden sind. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Nach dem Vorherstehenden hat die Beklagte zumindest seit Aktualisierung der Leitlinie im Dezember 2012 die streitgegenständlichen Hilfsmittel zu Unrecht abgelehnt und somit die ab Februar 2013 entstandenen Kosten zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Referenznummer:

R/R6915


Informationsstand: 24.03.2016