Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenübernahme für die erforderlichen Hilfsmittel im Rahmen des CGM sowie auf Kostenerstattung im tenorierten Umfang.
Der Anspruch auf Versorgung mit dem Messsystem "Guardian Real Time" einschließlich der hierfür erforderlichen Glukosesensoren folgt aus
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.
Vorliegend sollen die streitgegenständlichen Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung zum Einsatz kommen. Zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung kommen alle sächlichen Mittel in Betracht, die der Krankheitsbekämpfung dienen und spezifisch im Rahmen der Krankenhandlung eingesetzt werden. Die Klägerin steht aufgrund eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus in andauernder ärztlicher Behandlung. Sie wird seit längerer Zeit mittels einer Insulinpumpe therapeutisch versorgt. Mit Hilfe des CGM wird die Klägerin laufend über die Glukosewerte informiert. Bei überhöhten oder zu niedrigen Werten, die
ggf. durch eine manuelle Blutzuckermessung zu überprüfen sind, kann sie entsprechend reagieren. Zwar wird durch die kontinuierliche Messung der Glukosewerte mit Hilfe der Sensoren nicht direkt auf die Grunderkrankung eingewirkt. Es geht aber dennoch um die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, weil der Krankheitsverlauf durch das kontinuierliche Glukosemonitoring positiv beeinflusst werden soll. Insbesondere kann dadurch zu niedrigen oder zu hohen Blutzuckerwerten vorgebeugt oder begegnet werden. In diesem Sinne wird auch ein therapeutischer Erfolg gefördert, der bei Diabetikern in der Einstellung möglichst normnaher Blutzuckerwerte besteht (
vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013, Az.
L 4 KR 89/12 B ER, juris,
Rdnr. 39).
Die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie im Rahmen einer neuartigen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zum Einsatz kommen sollen. Der Anspruch auf Krankenbehandlung ist gemäß den allgemeinen Bestimmungen der
§§ 2 Abs. 1 Satz 3,
12 Abs. 1 SGB V auf solche Leistungen beschränkt, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten, und zwar jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (
BSG, Urteil vom 27.09.2005, Az. B 1 KR 6/04 R, juris). Dazu müssen grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne vorliegen, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (
BSG, Urteil vom 18.05.2004, Az. B 1 KR 21/02 R, juris). Im Bereich ärztlicher Behandlungen obliegt diese Feststellung grundsätzlich dem GBA im Verfahren nach
§ 135 Abs. 1 SGB V. Danach dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit. Diese Anforderungen gelten auch, sofern ein Hilfsmittel im Rahmen einer Krankenbehandlung angewendet wird, um deren Erfolg zu sichern (§ 33
Abs. 1 Satz 1, Alt. 1
SGB V).
Der Ansicht der Klägerseite, dass es sich bei den streitgegenständlichen Hilfsmitteln um Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich handele und schon aus diesem Grunde nicht zu prüfen sei, ob es sich um eine neuartige Behandlungsmethode handelt, ist nicht zu folgen. Nur bei Hilfsmitteln "zum bloßen Behinderungsausgleich" kann von dem Nachweis eines therapeutischen Nutzens abgesehen werden. Bei Hilfsmitteln, die diagnostischen oder therapeutischen Zwecken im engeren Sinne dienen, ist jedoch weiter der Nachweis eines therapeutischen Nutzens geboten (
vgl. BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az.
B 3 KR 20/04 R, juris,
Rdnr. 18). Nur bei Hilfsmitteln, die allein dem Behinderungsausgleich dienen und bei denen keine therapeutische Wirkung im engeren Sinne erwartet wird, ist von einer Bewertung nach § 135
SGB V abzusehen (
vgl. BSG a. a. O.). Vorliegend dienen die streitgegenständlichen Hilfsmittel jedenfalls auch therapeutischen Zwecken, so dass weiter zu prüfen ist, ob ihr Einsatz im Rahmen einer neuartigen Behandlungsmethode erfolgt. Ihre Verwendung ist dann nicht von dem zu Grunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach den §§ 2
Abs. 1 Satz 3, 12
Abs. 1
i. V. m § 135
Abs. 1
SGB V zu trennen. Insoweit erfasst die Sperrwirkung des in § 135
Abs. 1 Satz 1
SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" (so zur Aufnahme eines Hilfsmittels in das
GKV-Hilfsmittelverzeichnis
BSG, Urteil vom 12.08.2009, Az.
B 3 KR 10/07 R, juris). Solange diese Methode nicht zur Versorgung in der
GKV zugelassen ist, stellen auch die dabei eingesetzten Hilfsmittel keine von der Leistungspflicht der
GKV umfassten Hilfsmittel dar.
Die streitgegenständlichen Hilfsmittel kommen jedoch nicht im Rahmen einer neuartigen Untersuchungs- und Behandlungsmethode zum Einsatz. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat ein medizinisches Vorgehen regelmäßig nur dann die Qualität einer Behandlungsmethode, wenn ihm ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (
vgl. z. B. BSG, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R, juris,
Rdnr. 18; Urteil vom 03.04.2001, Az. B 1 KR 22/00 R, juris,
Rdnr. 23).
Zunächst ist festzuhalten, dass das CGM - wie es für die Anwendung des § 135
Abs. 1
SGB V Voraussetzung ist -, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zur Anwendung kommt. Zwar werden die Glukosesensoren durch die Patienten selber genutzt, allerdings erfolgen die Messungen, gleich ob sie im Rahmen herkömmlicher Blutzuckermessungen oder durch das CGM erfolgen, im Rahmen einer ärztlich verantworteten Behandlung. Die Messungen erfolgen letztendlich auch zur Berechnung der Menge des ärztlich verordneten Insulins. Art und Menge des verordneten Insulin hängen wiederum von den durch die Patienten ermittelten Werten ab. Darüber hinaus werden die durch die Patienten ermittelten Werte Gegenstand der Besprechungen zwischen Arzt und Patienten und somit auch zur Grundlage für weitere Therapieentscheidungen gemacht. Der Vorgang der Messung kann nicht künstlich von dem einheitlichen Behandlungsvorgang abgespaltet werden (insoweit zutreffend SG Hamburg, Beschluss vom 12.04.2013, Az.
S 23 KR 338/13 ER, juris,
Rdnr. 14).
Allerdings kann sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass es sich um eine neue Untersuchungs- und/oder Behandlungsmethode im Sinne von § 135
Abs. 1 Satz 1
SGB V handelt. Neu im Sinne der genannten Vorschrift ist ein medizinisches Vorgehen nur dann, wenn ihm ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, dass es von anerkannten Therapieverfahren unterscheidet. Eine Verwandtschaft zu einer bereits anerkannten Methode kann eine Qualitätsprüfung dagegen erübrigen (
vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2001, Az. B 1 KR 22/00 R, juris,
Rdnr. 22f). Dies bedeutet, dass die Behandlung des Diabetes mellitus Typ I sich durch die Verwendung des CGM von der herkömmlichen Behandlung so unterscheiden müsste, dass nicht nur von einem verwandten sondern von einem wesentlich anderen Therapieverfahren mit einem neuen theoretisch-wissenschaftlichen Konzept gesprochen werden kann. Dies wird von der Kammer verneint.
Das Therapiekonzept des Typ-I-Diabetes besteht aus den Komponenten Insulintherapie, Ernährung, Schulung und psychosoziale Betreuung (S 3-Leitlinie Therapie des Typ-I-Diabetes-Version 1.0; September/2011 der Deutschen Diabetesgesellschaft veröffentlicht unter www.awmf.org, im Folgenden: Leitlinie,
S. 21). Die CGM soll im Rahmen der Insulintherapie zur Anwendung kommen. Grundsätzlich richtet sich der individuelle Insulinbedarf bei Patienten mit Typ-I-Diabetes aufgrund des absoluten Insulinmangels nach der physiologischen Insulinsekretion. Diese erfolgt sowohl ohne Nahrungszufuhr (= basaler Insulinbedarf) als auch nach Nahrungszufuhr (= prandialer Insulinbedarf) diskontinuierlich. Bei der Insulindosierung ist zu berücksichtigen, dass der absolute Insulinbedarf auch von der individuellen Insulinempfindlichkeit des jeweiligen Patienten abhängt (
S. 21 der Leitlinie). Sowohl bei der für Typ-I-Diabetes-Patienten empfohlenen intensivierten Therapie (
ICT) als auch bei der Insulinpumpentherapie wird unterschieden zwischen dem basalen und dem prandialen Insulinbedarf. Zur Ermittlung des Insulinbedarfs sind regelmäßige Messungen des Blutzuckers erforderlich, wobei die Häufigkeit der erforderlichen Blutzuckermessungen von den individuellen Schwankungen des Patienten abhängig ist. Die Stoffwechselkontrolle ist für das tägliche selbstverantwortliche Management des Diabetes unerlässlich zur präprandialen Ermittlung der erforderlichen Insulindosis, der Insulindosisanpassung, zur Vermeidung von Hypo- und Hyperglykämien sowie zur Bewältigung von speziellen Situationen wie Sport und Reisen, Krankheit oder Krankenhausaufenthalten. Dabei richtet sich die Häufigkeit der Messungen nach der gewählten Therapieform und der aktuellen Stoffwechselsituation. Höhere tägliche Messfrequenzen können zu einer Verbesserung der glykämischen Kontrolle führen, wenn sie mit den entsprechenden Konsequenzen bezüglich der Insulindosis und der Glukosezufuhr verbunden sind. Nach der Leitlinie sollen Patienten mit Typ-I-Diabetes mindestens viermal täglich eine Blutglukoseselbstmessung durchführen (
vgl. zur Kontrolle der Stoffwechseleinstellung insgesamt
S. 69f der Leitlinie). Das Ziel einer Insulintherapie mittels
ICT oder Insulinpumpe ist das Erreichen einer nahe-normoglykämischen Blutglukoseeinstellung (
S. 25 der Leitlinie). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine regelmäßige Messung der Blutzuckerwerte erfolgen muss, um den basalen und prandialen Insulinbedarf zu ermitteln. Eine Korrektur der Blutzuckerwerte ist dabei nicht nur bei Nahrungszufuhr erforderlich, sondern
ggf. auch bei anderen individuellen Faktoren wie zum Beispiel bei körperlicher Belastung, bei Erkrankungen und unter Berücksichtigung des Hormonzyklus der Frau. Im Rahmen der Insulintherapie wird empfohlen, dass der Patient regelmäßig, mindestens einmal im Quartal die Ergebnisse des jeweilig eingesetzten Behandlungsplans unter Auswertung der ermittelten Blutzuckerwerte mit seinem behandelnden Diabetologen bespricht. Die Kammer kann nicht erkennen, dass der Einsatz des CGM wesentlich etwas an dem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept der beschriebenen herkömmlichen Insulintherapie ändert. Im Einzelnen:
Zunächst ist festzuhalten, dass das CGM allein in der hier zu beurteilenden Anwendung für sich genommen keine therapeutische Wirkung hat, sondern dem Patienten und dem behandelnden Arzt lediglich Informationen zur Verfügung stellt. Die Therapieentscheidungen werden nicht durch das CGM in Verbindung mit der Insulinpumpe ersetzt, sondern durch den behandelnden Arzt und den Patienten auf der Grundlage der Informationen getroffen. Insoweit unterscheidet sich das CGM nicht von der herkömmlichen Blutzuckermessung. Die zu erwartende Fortentwicklung der CGM zu einem "künstlichen Pankreas", bei dem die CGM auch die Insulinzufuhr steuert, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen.
Die Tatsache, dass der Blutzucker nicht durch eine Messung im Blut, sondern durch eine Messung des Zuckergehalts des Unterhautfettgewebes ermittelt wird, bedeutet keine wesentliche Änderung des zugrundeliegenden Therapiekonzepts. Zwar weicht der Zuckergehalt im Gewebe von demjenigen in Blutzucker ab. Die verwendeten Geräte rechnen den im Gewebe ermittelten Zuckerwert jedoch in den Blutzuckerwert um. Damit die Umrechnung möglichst exakt erfolgen kann, wird das Gerät anhand einer Blutzuckermessung täglich durch den Benutzer kalibriert. Die Korrelation zur (kapillaren) Glukose wird als gut bezeichnet (
vgl. Leitlinie
S. 71). Allein der Umstand, dass der Gewebezuckerwert der Errechnung des Blutzuckerwertes vorgeschaltet wird, rechtfertigt nicht die Annahme einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Diagnostische Einzelschritte selber stellen keine neue Untersuchungsverfahren dar (
BSG, Urteil vom 25.08.1999, Az. B 6 KA 39/98 R, juris,
Rdnr. 19). Aufgrund der Vergabe des CE-Kennzeichens (hierzu weiter unten) ist auch ohne weiteres davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Messsystem geeignet ist, den Blutzucker durch Umrechnung des Glukosegehalts des Unterhautfettgewebes zu ermitteln und es zu keinen für die Therapieentscheidung wesentlichen Abweichungen kommt. Schließlich wird zusätzlich empfohlen, dass das Ergebnis der CGM-Messung vor einer Therapieentscheidung durch eine kapillare Blutzuckerselbstmessung bestätigt wird. Im Ergebnis ändert sich an dem Konzept, dass der Insulinbedarf letztlich aus dem Blutzuckergehalt errechnet wird, nichts Grundlegendes.
Ferner wird gegen die CGM-Messung eingewandt, dass bei einer Änderung des Blutzuckers eine Veränderung im interstitiellen Gewebe erst mit einer Verzögerung von fünf bis dreißig Minuten stattfindet (
vgl. z. B. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.03.2014, Az. L 5 KR 253/13, juris). Nach Einschätzung der Kammer stellt dies ebenfalls keine grundsätzliche Änderung des theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts der Insulintherapie dar. Zum einem weiß der geschulte Patient, für den allein das CGM in Betracht kommt, um das geschilderte Phänomen und kann dies bei seiner Therapieentscheidung berücksichtigen, zum anderen soll vor einer Therapieentscheidung zusätzlich der kapillare Blutzucker gemessen werden.
Auch die Tatsache, dass die CGM - im Gegensatz zu der konventionellen Blutzuckermessung, die lediglich Momentaufnahmen ergibt - den Patienten in die Lage versetzt, den Glukoseverlauf in Form von Trendinformationen über einen längeren Zeitraum darzustellen, stellt nach Ansicht der Kammer keine wesentliche Änderung des theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts der Insulintherapie dar. Die CGM liefert dem Patienten mehr Informationen, um seine individuellen Therapieentscheidungen vorausschauender treffen zu können. Er wird hierdurch in die Lage versetzt, auch den Trend in seine Therapieentscheidung mit einzubeziehen. An dem Konzept der Insulintherapie, bei der der Insulinbedarf aus dem Blutzuckerwert ermittelt wird, ändert sich durch das Mehr an Informationen grundsätzlich nichts.
Auch die Tatsache, dass das streitgegenständliche Hilfsmittel mit einer Warnfunktion ausgestattet ist, die den Patienten auf kritische Werte, insbesondere auf sich anbahnende Hypoglykämien aufmerksam macht, stellt im Hinblick auf das herkömmliche Therapiekonzept der Insulintherapie keine wesentliche Änderung dar. Der GBA vertritt in seiner Stellungnahme gegenüber dem Gericht die Auffassung, dass das bisherige Therapiekonzept durch die Einführung des "Warngliedes" bzgl. hypoglykämischer Trends erweitert wird. Erst die ununterbrochene Untersuchung des Blutzuckerkonzentrationsverlaufs mache es jedenfalls theoretisch möglich, in Fällen eines Risikos unbemerkter Blutzuckerentgleisungen das Therapieziel "Vermeidung von Hypoglykämien" hinreichend zu sichern. Dem GBA ist insoweit zuzustimmen, dass es gerade ein Vorteil des CGM ist, dass Trends angezeigt werden und
ggf. ein Warnsignal abgegeben wird, das den Patienten auffordert, den Blutzucker zu messen und eine Therapieentscheidung zu treffen. Hierdurch ist eine Verbesserung bei der Kontrolle der Stoffwechsellage zu verzeichnen. Die Verbesserung der Kontrolle der Stoffwechsellage oder die Erweiterung der Kontrolle um ein zusätzliches Warnglied ändert aber das theoretisch-wissenschaftliche Konzept der Insulintherapie nicht grundlegend. Die Verhinderung hypo- oder hyperglykämischer Zustände durch rechtzeitige Information des Patienten über seinen Blutzuckerspiegel ist selbstverständlich auch Ziel der kapillaren Blutzuckerbestimmung. Deren Kontroll- und Warnfunktion wird nicht verändert, sondern verdichtet und durch die Abgabe des Warnsignals verbessert. Wie der behandelnde Diabetologe, Oberarzt
Dr. med. R., in seinem Befundbericht hervorhebt, könnten Blutzuckerveränderungen außerhalb des therapeutischen Zielbereichs auch durch eine Blutzuckermessfrequenz von zirka 20 bis 24 Messwerten am Tag angezeigt werden. Dies ist allerdings in der Praxis nicht umsetzbar, da die Anzahl der Blutzuckermessungen aus medizinischen und praktischen Gründen begrenzt ist.
Auch die Tatsache, dass das streitgegenständliche System der CGM mit einer Funktion ausgestattet ist, die die Insulinpumpe bei einer lebensbedrohlichen Hypoglykämie für zwei Stunden abstellt, macht das System nicht zu einer neuen Behandlungsmethode. Es entspricht den Grundsätzen der herkömmlichen Insulintherapie, dass die Zufuhr von Insulin bei drohender Hypoglykämie gestoppt werden muss. Die CGM unterstützt diese herkömmliche Therapie durch die geschilderte Funktion, ändert sie aber nicht ab.
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Versorgung mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln die Vorschrift des § 135
SGB V nicht entgegensteht. Auch die Tatsache, dass der GBA durch Beschluss vom 24.11.2011 ein entsprechendes Bewertungsverfahren eingeleitet hat, ändert hieran nichts, da der Beschluss des GBA keine feststellende Wirkung dahin hat, dass es sich tatsächlich um eine neuartige Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt.
Auch die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Gewährung der streitgegenständlichen Hilfsmittel liegen vor. Die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln ist objektiv und subjektiv erforderlich im Sinne des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V.
Maßgebend für die Beurteilung der objektiven Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zur Erreichung der in § 33
Abs. 1 S 1
SGB V genannten Versorgungsziele ist der aktuelle, allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (
BSG, Urteil vom 15.03.2012, Az.
B 3 KR 2/11 R, juris,
Rdnr. 21). Zu prüfen ist die Funktionstauglichkeit und bei Hilfsmitteln zur Behandlungssicherung zusätzlich der medizinische Nutzen (
BSG, a.a.O.). Dabei meint die Funktionstauglichkeit die (technische) Eignung eines Hilfsmittels für die vorgesehene Verwendung (
BSG, a.a.O.). Der medizinische Nutzen muss unter Berücksichtigung des jeweiligen Behandlungskonzepts beurteilt werden (
BSG, a.a.O). Für die objektive Erforderlichkeit eines Hilfsmittels i.
S. des § 33
Abs. 1
S. 1
SGB V ist ebenso wie für die Beurteilung der Funktionstauglichkeit und des medizinischen Nutzens der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse ausschlaggebend. Hiervon ausgehend ist ein Hilfsmittel i.
S. d. § 33
Abs. 1
S. 1
SGB V objektiv erforderlich, wenn die Mehrheit der einschlägigen Fachleute die objektive Eignung des Hilfsmittels zur Erreichung des jeweiligen Versorgungsziels befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, insoweit Konsens besteht. Die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen und in einer ausreichenden Zahl von Fällen durchgeführten Studien und Analysen muss sich für den medizinischen Nutzen und die Funktionstauglichkeit des betreffenden Hilfsmittels im Rahmen der ärztlichen Behandlung ausgesprochen haben (
BSG, a.a.O.,
m.w.N.).
Vorliegend soll nach Angabe des behandelnden Arztes das CGM zur Anwendung kommen, um insgesamt eine bessere Stoffwechseleinstellung und eine Senkung der HbA1c-Werte zu erreichen. Die streitgegenständlichen Hilfsmittel sind zur Erreichung dieses konkreten Ziels im geschilderten Sinne objektiv erforderlich. Die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen durchgeführten Studien hat sich für den medizinischen Nutzen der CGM jedenfalls zur Senkung des HbA1c-Wertes ausgesprochen. Der MDK hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Leitlinie in ihrer Version aus September 2011 unter
Nr. 9-3 noch keine klare Empfehlung der Nutzung des CGM zur Senkung des HbA1c-Wertes ausspricht, da "Hinweise auf einen entsprechenden Nutzen bei Erwachsenen mit guter Adhärenz in weiteren Studien bestätigt werden müssen" (
vgl. Leitlinie
S. 69). Allerdings haben die Autoren der Leitlinie bereits im Dezember 2012 nach dem Erscheinen von zwei weiteren Metaanalysen ein Addendum zur Leitlinie verfasst. So heißt es nunmehr in der aktualisierten Fassung der Leitlinie unter
Nr. 9-3 "Im Rahmen einer Insulinpumpentherapie kann das kontinuierliche Glukosemanagement zu einer HbA1c-Senkung beitragen". Diese Empfehlung wurde mit der Evidenzklasse I b versehen. Hierbei handelt es sich um die zweithöchste Evidenzklasse. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht nach den Leitlinien der Fachgesellschaften richtet, so muss doch berücksichtigt werden, dass vorliegend die Empfehlung im Rahmen einer S 3-Leitlinie ausgesprochen wurde. Hierbei handelt es sich um Leitlinien der höchsten Entwicklungsstufe, die die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in ihre Empfehlungen einbeziehen muss (
vgl. "Erarbeitung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie - methodische Empfehlungen - " Leitlinie für Leitlinien", Stand Dezember 2004, veröffentlicht bei AWMF online unter www.awmf.org ). Darüber hinaus zeigt die von den Autoren der Leitlinie ausgewertete Studienlage, dass sich die Mehrheit der einschlägigen wissenschaftlichen und in einer ausreichenden Zahl von Fällen durchgeführten Studien und Analysen für den medizinischen Nutzen und die Funktionstauglichkeit der streitgegenständlichen Hilfsmittel jedenfalls in Bezug auf die Senkung des HbA1c-Werts ausgesprochen hat. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auch auf die Auswertung der Studienlage in der "Gemeinsamen Stellungnahme der diabetesDE - Deutschen Diabeteshilfe mit ihren Mitgliedsorganisationen zur Bewertung der kontinuierlichen Glukosemessung mit Real Time Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus",
S. 13ff, (veröffentlicht unter www.diabetesde.org) hin, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass unter CGM eine Verbesserung in der Stoffwechselkontrolle zu verzeichnen ist.
Die Funktionstauglichkeit des streitgegenständlichen Hilfsmittels ist durch die CE-Kennzeichnung nachgewiesen. Voraussetzung für dieses Kennzeichen ist nämlich, dass die grundlegenden Anforderungen nach § 7 Medizinproduktegesetz (MPG) erfüllt sind. Mit der CE-Kennzeichnung ist ein Hilfsmittel im Sinne der Produktsicherheit und Zwecktauglichkeit auch im krankenversicherungsrechtlichen Sinne funktionstauglich, ohne dass dies von den Krankenkassen oder Gerichten noch eigenständig zu prüfen wäre; der CE-Kennzeichnung kommt insoweit eine Tatbestandswirkung zu (
vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2006, Az. B 3 KR 28/05 R, juris,
Rdnr. 36
ff.).
Das streitgegenständliche Hilfsmittel ist im konkreten Einzelfall auch subjektiv erforderlich. Zur Senkung des HbA1c-Wertes ist das CGM jedenfalls dann subjektiv erforderlich, wenn trotz Nutzung aller zur Verfügung stehender Therapieformen einschließlich Insulinpumpe, guter Compliance eine unbefriedigende Stoffwechselkontrolle vorliegt und der angestrebte HbA1c-Wert nicht erreicht werden kann oder wenn mehr als zehn Blutzuckermessungen täglich erforderlich wären, um das angestrebte Stoffwechselkontrollziel zu erreichen (
vgl. hierzu: "Gemeinsame Stellungnahme der diabetesDE - Deutschen Diabeteshilfe mit ihren Mitgliedsorganisationen zur Bewertung der kontinuierlichen Glukosemessung mit Real Time Messgeräten zur Therapiesteuerung bei Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus",
S. 12, veröffentlicht unter www.diabetesde.org). Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Nach Angabe des behandelnden Diabetologen, Oberarzt
Dr. med. R., leidet die Klägerin unter stark schwankenden Blutzuckerwerten. Dabei kommt es zu einer Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit durch Müdigkeit und Konzentrationsschwäche, wenn sich der Blutzuckerspiegel innerhalb kurzer Zeit rapide verändert. Darüber hinaus leidet die Klägerin unter Hypoglykämien. Auch unter stationären Bedingungen ist es nicht vollständig gelungen, die häufigen Hypoglykämien und die Labilität des Stoffwechsels zu beherrschen. Die Gründe dafür liegen in den spezifischen Eigenschaften der Klägerin. Diese sind einerseits eine erloschene Insulinproduktion, weiterhin die Neigung zur Ketonämie mit Veränderungen der Insulinwirksamkeit selbst in üblichen Phasen ohne Nahrungszufuhr in der Nacht, ein deutlich veränderlicher Insulinbedarf innerhalb des Menstruationszyklus und eine hohe Veränderlichkeit der Insulinwirkung bei bereits leichter körperlicher Aktivität. Unter Berücksichtigung der Frequenz und Geschwindigkeit von Blutzuckeränderungen außerhalb des therapeutischen Zielbereichs wäre bei der Klägerin eine Blutzuckermessfrequenz von
ca. 20-24 Messungen am Tag angezeigt. Die Klägerin kann nach Angabe des Arztes ohne CGM nur HbA1c-Werte von 7,2 bis 7,5 %, unter Verwendung des CGM jedoch Werte deutlich unter 7 % erreichen. Die Krankengeschichte der Patientin belegt zum einen, dass es sich um eine Patientin handelt, die trotz hoher Compliance ohne CGM nicht die angestrebten HbA1c-Werte im Zielbereich von 6,5 bis 7 % erreichen kann. Dies wird eindrucksvoll durch die Aufstellung der von der Klägerin mit und ohne CGM erzielten HbA1c-Werte dokumentiert. Bis zur erstmaligen Durchführung der CGM im Januar 2010 konnte die Klägerin nur HbA1c-Werte von 7,1 bis 7,9 % erreichen. Nach Aufnahme der CGM im Januar 2010 sank der HbA1c-Wert auf 6,5 % und stieg bis Dezember 2011 nie über 6,9 % an. Umgekehrt war nach der Einstellung des CGM wegen des ablehnenden Bescheides der Krankenkasse ab März 2012 unmittelbar wieder ein erhöhter HbA1c-Wert zu verzeichnen, der sich bis zum Januar 2013 zwischen 7,2 und 7,5 % bewegte. Nachdem die Klägerin ab Februar 2013 das CGM auf eigene Kosten wieder aufnahm, konnte der HbA1c-Wert wieder auf 6,6 % gesenkt werden. Dieser Verlauf dokumentiert, dass die Klägerin nur unter Einsatz der CGM den in den Leitlinien genannten Zielbereich eines HbA1c-Wertes unter 7 % erreichen kann. Auch die weiteren für erforderlich gehaltenen Voraussetzungen für eine erfolgreiche CGM sind in der Person der Klägerin erfüllt. Zum einen erfolgt die Insulintherapie bei ihr mittels einer Insulinpumpe, zum anderen handelt es sich um eine mehrfach geschulte Patientin mit hoher Compliance die über Jahre alle Therapiemaßnahmen ausgeschöpft und zudem bereits gezeigt hat, dass sie die CGM erfolgreich einsetzen kann.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen für die Kostenübernahme für die streitgegenständlichen Hilfsmittel vor.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die Beschaffung der streitgegenständlichen Hilfsmittel in dem Zeitraum seit dem 08.02.2013 bis zur mündlichen Verhandlung entstanden sind. Gemäß § 13
Abs. 3 Satz 1
SGB V sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Nach dem Vorherstehenden hat die Beklagte zumindest seit Aktualisierung der Leitlinie im Dezember 2012 die streitgegenständlichen Hilfsmittel zu Unrecht abgelehnt und somit die ab Februar 2013 entstandenen Kosten zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.