Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht (§§ 87, 90, 92
SGG) beim zuständigen Sozialgericht München erhoben und ist zulässig.
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Versorgung mit einem Akustikschalter "AS1 pro" gemäß dem Kostenvoranschlag vom 08.01.2013 über einen Betrag von 589,69 Euro. Grundlage des Anspruchs der Klägerin ist
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausgeschlossen sind.
a) Ein Akustikschalter ist kein ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil er von Gesunden nicht benutzt wird. Er ist auch nicht durch die Regelung des § 34
Abs. 4
SGB V im Wege einer
Rechtsverordnung ausgeschlossen. Der Akustikschalter wird hier nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der die Klägerin behandelnden Ärztin in dem gegenüber der Beklagten beantworteten Fragebogen vom 25.02.2013 (Bl. 10 der Beklagtenakte) zum einen zur Vermeidung eines krankhaften Zustandes infolge einer bei der Klägerin wegen der Epilepsie konkret vermehrt bestehenden Sturzgefahr benötig. Er dient also der Vorbeugung einer drohenden Behinderung (ähnlich wie bei der Dekubitusmatratze: Die Leistungspflicht der Krankenkasse entsteht in solchen Fällen nicht erst dann, wenn es um die Behandlung eines akuten Druckgeschwürs geht, sondern stets, wenn nach ärztlicher Einschätzung die Entstehung eines Dekubitusses ohne den Einsatz einer speziellen Dekubitus-Matratze unmittelbar droht,
vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 01/13, § 33
SGB V, Rn. 74). Der Akustikschalter dient zudem als Hilfsmittel dem Behinderungsausgleich. Gegenstand dieser Kompensation ist der Ausgleich der Behinderung selbst; hierzu zählen zunächst die ausgefallenen natürlichen Funktionen, aber auch weitergehende Folgen, soweit diese lebensnotwendige Grundbedürfnisse betreffen (Kassler Kommentar-Höfler, § 33
SGB V, Rdnrn. 11, 12, 15 m.w.H. auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG)) ... Im vorliegenden Fall ersetzt der Akustikschalter die ein Ergreifen und manuelles Betätigen des Tast-Rufschalters ermöglichenden, im Falle eines epileptischen Anfalls bei der Klägerin ausfallenden Körperfunktionen und versetzt diese so in die Lage, mittels Stimmauslösung das Pflegepersonal möglichst schnell zu Hilfe zu rufen. Dies wiederum mindert die anfallsbedingte Sturzgefahr und beugt so einer weiteren Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin vor. Damit dient der Akustikschalter dem Ausgleich elementarer Grundbedürfnisse der Klägerin.
b) Die Anwendung des § 33
SGB V ist hier auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin zum Kreis der pflegebedürftigen Personen gehört (Thüringer
LSG, Urteil vom 28.01.2015,
L 6 KR 955/09, Juris-Rn. 22)
c) Der Versorgungsanspruch der Klägerin ruht auch nicht wegen ihres Heimaufenthaltes. Die Krankenkassen sind für die Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob diese in einer eigenen Wohnung oder in einem Heim leben. Dieser Grundsatz erfährt jedoch beim "Versicherungsfall" der vollstationären Pflegebedürftigkeit, also bei der vollstationären Pflege in einem Pflegeheim (§ 71
Abs. 2
SGB XI) oder in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe (§ 43a
SGB XI), eine Einschränkung. Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der gesetzlichen Konzeption des
SGB V und des
SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen (§ 43
Abs. 1, 2 und § 43a
SGB XI). Nach § 11
Abs. 1
SGB XI hat die Pflege in einem Pflegeheim
i.S.d. § 71
Abs. 2
SGB XI nach dem allgemein anerkannten Stand medizinischpflegerischer Erkenntnisse zu erfolgen (Satz 1). Inhalt und Organisation der Leistungen haben eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten (Satz 2). Die Pflegeheime haben auch für die soziale Betreuung der Bewohner zu sorgen (§§ 43
Abs. 2 und 82
Abs. 1 Satz 3
SGB XI). Die die Zulassung bewirkenden Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die den Anforderungen des § 71
SGB XI genügen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten (§ 72
Abs. 3 Satz 1
SGB XI). Die Heime müssen daher das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten (
BSG, Urteil vom 10.02.2000,
B 3 KR 17/99 R, Juris). Die gesetzliche Krankenversicherung hat darüber hinaus nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der "Sphäre" der vollstationären Pflege zuzurechnen sind. Das sind in jedem Fall: (1.) individuell angepasste Hilfsmittel, die ihrer Natur nach nur für den einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar sind (
z.B. Brillen, Hörgeräte, sonstige Prothesen) und (2.) Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses (
z.B. Kommunikation oder Mobilität) außerhalb des Pflegeheims dienen. Hilfsmittel, die der Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen dienen, fallen jedoch auch bei Benutzung innerhalb des Pflegeheims in die Leistungspflicht der Krankenkasse, wenn - wie vorliegend der Akustikschalter - der Behinderungsausgleich im Vordergrund steht und gegenüber pflegerelevanten Zielen, etwa der Erleichterung oder Ermöglichung von Pflegemaßnahmen, überwiegt (
BSG, Urteil vom 28.05.2003,
B 3 KR 30/02 R, Juris-Rn. 17). Die Kammer verkennt nicht, dass der Akustikschalter auch für die Pflege der Klägerin in der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) von Bedeutung ist. Ungeachtet dessen ist aber festzustellen, dass der Schalter für die im Falle eines epileptischen Anfalles so weitgehend in ihrer freien Bewegung und Kommunikation eingeschränkte Klägerin überwiegend ein Hilfsmittel darstellt, das es ihr ermöglicht, ihre durch die gravierende Behinderung reduzierte Körperkontrolle und Mobilität auszugleichen und damit Grundbedürfnisse wie den Erhalt der körperlichen Unversehrtheit zu erfüllen. Damit trägt es vorrangig dazu bei, der Klägerin trotz ihrer schweren Behinderung während des Aufenthalts in der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Der überwiegende
bzw. ausschließliche Zweck des Akustikschalters besteht mithin nicht darin, die Pflege zu erleichtern oder zu ermöglichen, so dass er nicht generell der "Sphäre" des Einrichtungsträgers zuzurechnen ist.
Dass die Klägerin nicht in einem vollstationären Pflegeheim im Sinne der §§ 71
Abs. 2, 72
Abs. 1
SGB XI, sondern in einer Einrichtung im Sinne der §§ 43 a, 71
Abs. 4
SGB XI untergebracht ist, erfordert hier keine andere Beurteilung. Nach § 71
Abs. 4
SGB XI sind stationäre Einrichtungen, in denen Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71
Abs. 2
SGB XI. Nach
§ 61 Abs. 2 SGB XII umfasst die (nach § 28
Abs. 1
Nr. 9
SGB XI von der Pflegeversicherung in Einrichtungen nach § 43a
SGB XI gewährte) Hilfe zur Pflege häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege. Der Inhalt der Leistungen bestimmt sich nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28
Abs. 1
Nr. 1, 5 bis 8
SGB XI aufgeführten Leistungen; § 28
Abs. 4
SGB XI gilt entsprechend. Danach müssen die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem
SGB XII dem Standard des
SGB XI entsprechen. Dies rechtfertigt eine modifizierte Übertragung der oben dargestellten, für Pflegeheime im Sinne der §§ 71
Abs. 2, 72
Abs. 1
SGB XI entwickelten Grundsätze dann, wenn eine Verpflichtung zur Bereitstellung des begehrten Hilfsmittels von der getroffenen Leistungsvereinbarung erfasst wird (
BSG, Urteil vom 10. Februar 2000 - B 3 KR 17/99 R -; in Juris) oder sich aus dem jeweiligen Versorgungsauftrag der Einrichtung ergibt (
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.08.2014,
L 4 P 4137/13, Rn. 31).
Wenn nach diesen Kriterien das Vorhalten bestimmter Hilfsmittel zum notwendigen Inventar einer Einrichtung zählt, kommt daneben eine Leistungsverpflichtung der Krankenkasse nicht mehr in Betracht. Dies folgt bereits aus dem Gesichtspunkt, dass öffentliche Finanzmittel (hier: Versichertenbeiträge) nicht noch einmal für Zwecke ausgegeben werden dürfen, die bereits anderweitig staatlich finanziert werden (dort: steuerfinanzierte Leistungen des Sozialhilfeträgers). Dem steht der Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht entgegen, weil der Sozialhilfeträger zu einer andersartigen und weitergehenden Leistung, nämlich der vollstationären Pflege, verpflichtet ist. Soweit die Einrichtungen allerdings Schwerpflegebedürftige grundsätzlich nicht aufnehmen, kann weder vom Sozialhilfeträger noch vom Einrichtungsträger die Finanzierung des Vorhaltens Hilfsmitteln nach den oben entwickelten Kriterien erwartet werden. Bei derartigen Einrichtungen ist es vielmehr wieder vorrangig Aufgabe der Krankenkassen, den ausnahmsweise dort untergebrachten Schwerpflegebedürftigen individuell mit dem Hilfsmittel auszustatten, auch wenn dieses nur zu seinem Schutz innerhalb der Sphäre des Heimes dienen soll (
BSG, Urteil vom 10.02.2000, B 3 KR 17/99 R, Juris-Rn. 24).
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben besteht im Hinblick auf den Versorgungsauftrag der Beigeladenen zu 2) und die diesbezügliche zwischen den Beigeladenen zu 1) und 2) bestehenden Vereinbarung nach §§ 75 ff
SGB XII eine vorrangige Verpflichtung der Beklagten, die Versorgung der Klägerin mit dem erforderlichen Akustikschalter sicherzustellen. Nach der zwischen den Beigeladenen getroffenen Vereinbarung gemäß § 75
Abs. 3
SGB XII umfasst die Zielgruppe der Einrichtung der Beigeladenen zu 2) erwachsene Männer und Frauen mit primär geistiger Behinderung oder einer Mehrfachbehinderung. Im Vordergrund steht dabei - auch nach den Ausführungen der Beigeladenen zu 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung - die pädagogische Hilfestellung durch die Einrichtung. Nicht aufgenommen werden in dem von der Klägerin bewohnten Haus der Einrichtung Personen mit einem vorrangigen Pflegebedarf nach
SGB XI (
vgl. a. Ziffer 2.1. der individuellen Leistungsvereinbarung, Blatt 24 der Beklagtenakte). Die nach der Vereinbarung (Bl. 34 der Beklagtenakte) vorzuhaltende Möblierung der Zimmer umfasst lediglich eine allgemeine Grundausstattung. Die Bereitstellung notwendiger Hilfsmittel erfasst nach der Leistungsvereinbarung nur den Bedarf im Rahmen der sanitären Ausstattung. Bei dem begehrten Akustikschalter handelt es sich schließlich auch nicht um eine notwendige technische Einrichtung im Sinne der Ziffer. 5.1.1. der Leistungsvereinbarung, weil dieser aus-schließlich von der Klägerin zum Ausgleich ihrer Behinderung, nicht aber generell von dem als allgemeine Zielgruppe der Einrichtung definierten Personenkreis, benötigt wird.
Die Kammer schließt sich insoweit vollumfänglich den folgenden Ausführungen des Sozialgerichts Dresden im Urteil vom 24.06.2015, Az. S 18 KR 470/14, Juris-Rn. 44
ff. an: "Obwohl der Versorgungsauftrag von Einrichtungen der Behindertenhilfe insbesondere durch die für den Einrichtungsträger geltenden Vereinbarungen konkretisiert wird, können sich im Einzelfall Diskrepanzen zwischen dem individuellen pflegerischen Bedarf des Hilfebedürftigen und den vertraglich konkretisierten Vorhaltepflichten des Einrichtungsträgers ergeben. Kommt in solchen Fällen ein Anspruch auf Versorgung mit den benötigten pflegerischen Leistungen durch die Krankenkasse in Betracht, kann diese sich nicht darauf berufen, dass der pflegerische Bedarf generell im Rahmen der Eingliederungshilfeleistungen abzudecken sei, unabhängig davon, ob der konkrete Einrichtungsträger die Mittel hierfür vorhält oder nicht. Der Träger der Sozialhilfe gewährt die stationären Leistungen der Eingliederungshilfe nach Prüfung der Eignung der beantragten Einrichtung durch Verwaltungsakt, der sich auf eine bestimmte Einrichtung bezieht, in der die Leistungen erbracht werden. Die dem Versicherten im Rahmen der Eingliederungshilfe zur Verfügung stehenden Leistungen werden hierdurch konkretisiert. Die Krankenkasse kann hiergegen nicht abstrakt einwenden, dass es andere Einrichtungen geben müsste, die das benötigte Hilfsmittel als pflegerische Ausstattung vorhalten. Ebenso wenig haben die Krankenkasse oder im Streitfall die Gerichte zu prüfen, ob die vom Sozialhilfeträger bewilligte Einrichtung geeignet ist und ob der Hilfebedürftige überhaupt ein ausreichendes Rehabilitationspotential für die Aufnahme in einer solchen Einrichtung aufweist oder nicht besser in ein Pflegeheim aufgenommen werden sollte. Diskrepanzen zwischen dem individuellen pflegerischen Bedarf des Versicherten und dem Leistungsumfang, der durch die konkret bewilligte Eingliederungshilfe gewährt wird, gehen nicht zu Lasten des Hilfebedürftigen, der auf die Ausgestaltung der Vereinbarung nach § 75
Abs. 3
SGB XII keinen Einfluss hat und auch an die Bewilligung der Eingliederungshilfeleistungen in einer konkreten Einrichtung gebunden ist."
d) Eine den Hilfsmittelanspruch der Klägerin nach § 33
Abs. 1
SGB V verdrängende Vorhaltepflicht der Beigeladenen zu 2) als Einrichtungsträger ergibt sich schließlich auch nicht aus
§ 55 Satz 1 SGB XII. Für die Einrichtungen der Eingliederungshilfe bestehen vielmehr keine weitergehende Pflichten, als die Einrichtung aufgrund ihrer Ausrichtung, ihres Eingliederungszwecks und nach den Vereinbarungen nach § 75 ff
SGB XII schuldet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2015, Az. L 11 KR 3901/14, Juris-Rn. 34).
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.