Urteil
Gewährung eines Nachteilsausgleiches - Schwerhörigkeit - Hilfsmittel zur Kommunikation

Gericht:

VG Berlin 12. Kammer


Aktenzeichen:

12 K 157.19


Urteil vom:

26.01.2022


Grundlage:

  • Rahmenordnung für Studium und Prüfung der Charité § 37 |
  • Prüfungsordnung des Modellstudiengangs Medizin der Charité § 10 |
  • Landesgleichberechtigungsgesetz § 13 Abs. 2 |
  • BGG § 9 Abs. S. 1 |
  • UNBehRÜbk Art. 24 Abs. 3 S. 2c |
  • GG Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 |
  • GG Art. 12 Abs. 1 |
  • GlBerG BE § 13 Abs. 2

Leitsätze:

1. Der gestattete Einsatz eines Hilfsmittels in einer mündlichen Prüfung, dessen Installation und Erklärung gegenüber den Prüfern als Teil der Prüfungszeit zählt, ist zum Nachteilsausgleich unzureichend.

2. Die Inanspruchnahme eines Kommunikationsassistenten, der in mündlichen Prüfungen für eine hochgradig schwerhörige Studentin alle Aussagen mündlich-simultan wiederholt, ist eine geeignete Form des Nachteilsausgleichs.

3. Der Einsatz eines Schiftdolmetschers in den mündlich anzulegenden Prüfungen des Medizinstudiums beeinträchtigt die Abprüfung für den Arztberuf maßgeblicher Fähigkeiten und begründet darüber hinaus eine Überkompensation.

Hinweis:

Einen Fachbeitrag zum Urteil finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
https://www.reha-recht.de/fachbeitraege/beitrag/artikel/beit...

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Tenor:

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheids vom 29. März 2019 verpflichtet, es der Klägerin zu gestatten, bei allen zukünftigen mündlichen und mündlich-praktischen Prüfungen einschließlich der Objective Structured Clinical Examination (OSCE) im Modellstudiengang Medizin einen nicht-medizinisch ausgebildeten Kommunikationsassistenten einzusetzen, der das gesprochene Wort in den Prüfungen für die Klägerin mündlich simultan in Lautsprache oder Gebärdensprache wiederholt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Nachteilsausgleich.

Die am 29. November 1999 geborene Klägerin ist seit Geburt an Taubheit grenzend hochgradig schwerhörig. Ausweislich ihres Schwerbehindertenausweises, der seit dem 1. Juli 2001 unbefristet gültig ist, hat sie einen Grad der Behinderung von 100, u.a. mit dem Merkzeichen "Gl" für Gehörlosigkeit. Im rechten Ohr trägt sie ein Hörgerät und im linken Ohr ein sogenanntes Cochlea-Implantat.

Seit dem Wintersemester 2018/2019 ist die Klägerin bei der Beklagten im Modellstudiengang Medizin immatrikuliert. Sie befindet sich derzeit im siebten Fachsemester und bestand bislang alle Prüfungen im Erstversuch.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten "Nachteilsausgleich für die Prüfungen des Modellstudiengangs Medizin". Sie begehrte erstens den Einsatz einer drahtlosen Signalübertragungsanlage. Jene, von der Klägerin genutzte Anlage funktioniert dergestalt, dass sich die sprechende Person einen Sender, der ein Mikrofon enthält und an einer Schlaufe befestigt ist, um den Hals hängt. Von diesem werden die aufgenommenen Tonsignale zu einem Empfänger im Ohr der Klägerin übertragen. Nach einer von der Klägerin mit dem Antrag eingereichten ärztlichen Bescheinigung des Hals-Nasen-Ohren-Ärztin E vom 24. Januar 2019 sei der Einsatz einer solchen Anlage erforderlich, "um Störgeräusche zu unterdrücken und die Sprache des Sprechers, der den Sender trägt, zu verdeutlichen."

Zweitens beantragte die Klägerin eine Zeitverlängerung, ohne dies auf eine bestimmte Prüfungsform einzugrenzen. Nach der benannten ärztlichen Bescheinigung sei eine Zeitverlängerung "[w]egen der längeren Dauer für das Hören, Verstehen, Weiterleitung und Verarbeitung der Sprache [...] erforderlich."

Schließlich drittens beantragte die Klägerin den "Einsatz eines Schriftdolmetschers bzw. eines Kommunikationsassistenten (je nach Situation)". Die ärztliche Bescheinigung führt diesbezüglich aus, dass dies erforderlich sei, weil die Signalübertragungsanlage, die nur über ein Mikrofon verfügt, nur geeignet sei, wenn neben der Klägerin lediglich eine weitere Person an der Kommunikation beteiligt sei. Für die Abiturprüfungen wurde der Klägerin aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG 3 S 19/18) gestattet, für einzelne mündlich abzulegende Prüfungen einen solchen Schriftdolmetscher in Anspruch zu nehmen.

Mit Bescheid vom 29. März 2019 gab die Beklagte dem Antrag insoweit statt, als sie den Einsatz einer drahtlosen Signalübertragungsanlage für sämtliche Prüfungsleistungen des Medizinstudiums gestattete. Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die von der Klägerin beigefügten Unterlagen keine schlüssige Aussage dazu träfen, ob und inwieweit sie nicht in der Lage sei, Prüfungsleistungen in der vorgesehenen Zeit abzulegen. Ohne einen solchen Nachweis würde eine Schreibzeitverlängerung zu einer Überkompensation führen. Der Einsatz eines Schriftdolmetschers oder Kommunikationsassistenten sei "aufgrund unzureichender Unterlagen und Nachweise" abzulehnen. Der Antrag auf Gewährung von Nachteilsausgleich müsse sich auf eine konkrete Prüfung beziehen und für diese konkret begründet werden. Nur so könne entschieden werden, ob ein Nachteilsausgleich erforderlich sei und welche Maßnahmen in Betracht kommen.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Verweigerung des begehrten Nachteilsausgleichs sei rechtswidrig. Der ablehnende Bescheid sei schon nicht hinreichend bestimmt, da die Beklagte den Antrag wegen unzureichender Unterlagen und Nachweise abgelehnt habe, ohne darzulegen, welche Unterlagen und Nachweise unzureichend seien und was genau noch vorzulegen gewesen wäre. Zudem sei der Bescheid in sich widersprüchlich, da die Beklagte einerseits den Einsatz einer drahtlosen Signalübertragungsanlage für sämtliche Prüfungen gestatte, die Ablehnung des Einsatzes des Schriftdolmetschers andererseits damit begründe, dass der Antrag sich auf eine konkrete Prüfung beziehen müsse. Ein derartiger Bezug auf eine bestimmte Prüfung lasse sich den maßgeblichen Rechtsgrundlagen nicht entnehmen. Weiter weise der Bescheid keine ausreichende Begründung dafür auf, weshalb eine Zeitverlängerung nicht gewährt werde und statt dem Einsatz eines Schriftdolmetschers nur der einer Signalübertragungsanlage gestattet werde. Darüber hinaus verstoße der Bescheid gegen das Behindertengleichstellungsgesetz und die Kommunikationshilfenverordnung. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die nachgewiesenen Sprachstörungen, der erhöhte Aufwand bei der Verarbeitung und Weiterleitung mündlicher und schriftlicher Sprache, ebenso wie die begehrte Translation durch einen Schriftdolmetscher bzw. Kommunikationsassistenten eine Zeitverlängerung bei den Prüfungen erforderlich mache. Bei mündlichen Prüfungen, an denen neben der Klägerin mehrere Personen beteiligt sind, sei der Einsatz der Signalübertragungsanlage unzureichend, da diese nur über ein Mikrofon verfüge. Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass andere Berliner Universitäten hörbehinderten Studierenden den Einsatz von Kommunikationsassistenten und Schriftdolmetschern gestatten.


Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2019 insoweit aufzuheben, als der Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Nachteilsausgleichs abgelehnt wurde und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für alle zukünftig von ihr abzulegenden Prüfungen im Modellstudiengang Medizin der Beklagten eine Verlängerung der Prüfungszeit zu gewähren, sowie der Klägerin zu gestatten, mündliche Prüfungen und mündlich-praktische Prüfungen unter Zuhilfenahme eines Schriftdolmetschers oder eines Kommunikationsassistenten abzulegen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Es sei fraglich, ob es sich bei der Schwerhörigkeit der Klägerin überhaupt um eine nennenswerte Beeinträchtigung handle, schließlich habe sie bislang alle Prüfungen im Erstversuch bestanden. Jedenfalls stellten etwaige Beeinträchtigungen ein Dauerleiden dar, für welches kein Nachteilsausgleich gewährt werden könne. Der Grundsatz der Chancengleichheit gebiete es, dass das Fehlen solcher Fähigkeiten nicht ausgeglichen werde, die Grundvoraussetzung der durch die Prüfung zu ermittelnden Eignung für einen bestimmten Beruf sei. Der Beruf des Arztes erfordere nach der Approbationsordnung zwingend die Fähigkeit zu hören. Eine Anamnese, ein Arzt-Patienten-Gespräch, sowie eine Aufklärung des Patienten könne bei Gehörlosigkeit nicht erfolgen. Jene kommunikativen Fähigkeiten werden bereits in den Prüfungen des Medizinstudiums abgeprüft. Durch den Einsatz eines Schriftdolmetschers würde dieser Prüfungszweck vereitelt. Zudem sei es in der späteren beruflichen Praxis ebenso wenig möglich, dass Gespräche zunächst von einer dritten Person aufgeschrieben werden.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14. Februar 2019 neben dem hiesigen Verfahren im Wege des Eilrechtsschutzes beantragt, ihr für die Prüfungen im Medizinstudium eine Zeitverlängerung von 30 % zu gewähren. Jener Antrag wurde mit Beschluss vom 19. Februar 2019 zurückgewiesen (VG 12 K 47/19). Die dagegen gerichtete Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg blieb erfolglos (OVG 5 S 6/19), ebenso der im Anschluss beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (VerfGH 109 A/19). Die Klägerin hat ferner ebenfalls im Wege des Eilrechtsschutzes beantragt, ihr den Einsatz eines Schriftdolmetschers bzw. Kommunikationsassistenten bei den Prüfungen zu gestattet. Jener Antrag wurde durch rechtskräftigen Beschluss vom 11. Juli 2019 zurückgewiesen (VG 12 L 159/19).

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. November 2021 dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Streitakte, den Verwaltungsvorgang, sowie auf die beigezogenen Akten zu den Verfahren VG 12 L 47/19 und VG 12 L 159/19 und die dazugehörigen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

A. Über den Rechtsstreit entscheidet nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - der Berichterstatter als Einzelrichter, da ihm die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat.

B. Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie den begehrten Einsatz eines Kommunikationsassistenten betrifft (dazu I). Im Übrigen ist sie unbegründet (dazu II).

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Einsatz eines Kommunikationsassistenten bei allen mündlich abzulegenden Prüfungen im Modellstudiengang Medizin. Die Ablehnung des darauf gerichteten Antrags durch die Beklagte ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlagen für den von der Klägerin begehrten Nachteilsausgleich sind § 37 Satz 1 der Rahmenordnung für Studium und Prüfung der Beklagten in der Fassung vom 28. April 2016 (Amtliches Mitteilungsblatt der Beklagten Nr. 183 vom 11. Januar 2017) - RASP - i.V.m. § 10 der Prüfungsordnung des Modellstudiengangs Medizin vom 13. April 2015 (Amtliches Mitteilungsblatt der Beklagten Nr. 144 vom 17. April 2015) - PrüfO -. Weist eine zu prüfende Person durch ein ärztliches Zeugnis nach, dass sie wegen Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs nicht in der Lage ist, eine Leistung ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form oder innerhalb der vorgesehenen Zeit abzulegen, so hat die Vorsitzende Person des Prüfungsausschusses es dieser Person nach § 37 S. 1 RASP zu gestatten, gleichwertige Leistungen in einer anderen Form, zu einem anderen Prüfungszeitpunkt oder in einer verlängerten Bearbeitungszeit zu erbringen. Dem entspricht im Wesentlichen die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 PrüfO. Nach § 10 Abs. 2 PrüfO ist der Nachteilsausgleich schriftlich beim Prüfungsausschuss zu beantragen und dem Antrag ein ärztliches Gutachten beizufügen, aus welchem die Art und der Umfang der Beeinträchtigung und nach Möglichkeit eine geeignete Ausgleichsmaßnahme hervorgehen sollen.

Für den begehrten Einsatz eines Kommunikationsassistenten liegen die Voraussetzungen jener Anspruchsgrundlagen vor.

1. Der sich für Prüflinge aus den benannten Rechtsgrundlagen ergebende Anspruch, bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen Nachteilsausgleich zu erhalten, ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz - GG -. Umfang und Grenzen des zu gewährenden Nachteilsausgleichs werden wesentlich durch dieses Gebot determiniert (VG Berlin, Beschluss vom 4. März 2021 - VG 12 L 19/21 - S. 7 Urteilsabschrift).

Im Ausgangspunkt wird der Inhalt der zu gewährleistenden Chancengleichheit nach dem Zweck einer Prüfung bestimmt, der darin besteht, die Fähigkeiten und Kenntnisse der Prüflinge darauf zu überprüfen, ob sie einem vorab definierten objektiven Standard genügen. Die Bewertung der Prüfung dient zum einen der Feststellung, ob der individuelle Prüfling den vorgegebenen Leistungsstandard erfüllt. Zum anderen soll es die Prüfung ermöglichen, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Prüflinge anhand einer objektiven Kennziffer - der Note - vergleichbar zu machen. Jene Zwecke verlangen es im Grundsatz, dass die Bedingungen, unter denen die Prüfungen abgelegt werden, möglichst gleich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2015 - 6 C 35/14 - juris Rn. 15; Urteil vom 24. Februar 2021 - 6 C 1/20 - juris Rn. 17, jeweils m.w.N.). Ohne jene Gleichheit wäre es nicht möglich, vom Bestehen und der Note einer Prüfung auf einen typischerweise bestehenden Kenntnisstand des Prüflings zu schließen und diesen mit anderen Prüflingen zu vergleichen.

Einheitliche Prüfungsbedingungen sind allerdings geeignet, die Chancengleichheit der Prüflinge zu verletzen, deren Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, auf Grund von Umständen beeinträchtigt ist, die außerhalb der in der Prüfung zu ermittelnden Leistungsfähigkeit liegen. Jene, insbesondere körperlichen Beeinträchtigungen lassen das Leistungsvermögen des Prüflings unangetastet und verhindern lediglich, dass der Prüfling seine prüfungsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten in der Prüfung vollumfänglich zum Ausdruck bringen kann. Dementsprechend haben jene Prüflinge unmittelbar aus dem Grundsatz der Chancengleichheit folgend Anspruch auf Änderung der einheitlichen Prüfungsbedingungen durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen, die es ihnen ermöglichen, ihr Leistungsvermögen genauso gut wie die nicht-beeinträchtigten Prüflinge darzustellen. Die ergriffenen Maßnahmen müssen so beschaffen sein, dass sie die bestehenden Nachteile ausgleichen, dürfen hierüber aber nicht hinausgehen, da andernfalls eine Überkompensation droht, welche dem begünstigten Prüfling im Wettbewerb mit seinen Mitstreitern ungerechtfertigte Vorteile verschafft (BVerwG aaO. Rn. 16; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. März 2015 - 9 S 412/15 - juris Rn. 4).

Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit, welche jene Fähigkeiten betreffen, deren Vorhandensein die konkrete Prüfung gerade feststellen soll, begründen hingegen keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Sie prägen das abzuprüfende Leistungsbild des Prüflings und sind im Rahmen der Prüfung zwingend zu berücksichtigen (BVerwG aaO. Rn. 19; Sächsisches OVG, Beschluss vom 12. Februar 2018 - 5 B 352/17 - juris Rn. 7; VG Bremen, Urteil vom 20. Juli 2015 - 1 K 257/14 - juris Rn. 29, jeweils m.w.N.). Die Kompensation solcher Beeinträchtigungen würde die dargelegten Zwecke einer Prüfung verfehlen und die Prüfungsbedingungen in unzulässiger Weise an die Leistungsfähigkeit des Prüflings anpassen (VG München, Beschluss vom 21. März 2014 - M 21 E 14.1168 -, juris Rn. 33; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 258). Ob eine bestimmte Beeinträchtigung Fähigkeiten betrifft, welche die Prüfung gerade abprüfen soll und folglich nicht dem Nachteilsausgleich zugänglich ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf Gegenstand und Ziele der konkreten Prüfung beantworten (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 28. Juni 2012 - 7 CE 12.1324 - juris Rn. 18; VG Ansbach, Urteil vom 17. Juli 2019 - AN 2 K 18.02269 - juris Rn. 36). Da der Zweck einer Hochschulprüfung auch darin liegt, relevante Fähigkeiten für ein bestimmtes, dem Studiengang zugeordnetes Berufsfeld festzustellen, bemisst sich die Abgrenzung insbesondere danach, ob die beeinträchtige Fähigkeit für das einschlägige Berufsbild wesentlich ist und ob der Prüfling damit rechnen kann, dass er jene Beeinträchtigung auch im späteren Berufsleben durch das begehrte Hilfsmittel ausgleichen kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2021 - 6 B 986/21 - juris Rn. 12, 23; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. März 2015 - 9 S 412/15 - juris Rn. 5; VG Bremen, Urteil vom 20. Juli 2015 - 1 K 257/14 - juris Rn. 30).

2. Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Klägerin Anspruch auf Nachteilsausgleich in Form des begehrten Einsatzes eines Kommunikationsassistenten.

a) Die Klägerin hat den Nachteilsausgleich, wie nach § 10 Abs. 2 Satz 1 PrüfO erforderlich, mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 schriftlich beantragt. Jener Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Dem steht - anders als die Beklagte meint - nicht entgegen, dass er sich auf keine konkrete Prüfung bezieht, sondern auf alle Prüfungen der Klägerin im Modellstudiengang Medizin. Der PrüfO lässt sich nicht entnehmen, dass der Antrag auf Nachteilsausgleich, um zulässig zu sein, auf eine konkrete Prüfung bezogen sein müsste. Ein Antrag ist vielmehr bereits dann hinreichend bestimmt, wenn er so klar ist, dass auf ihn ein verständlicher und inhaltlich abgegrenzter Verwaltungsakt ergehen kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. September 1991 - 11 A 1604/89 - BeckRS 1991, 5079, Rn. 48). Ein Verwaltungsakt der Beklagten, mit dem auf den Antrag der Klägerin hin der begehrte Nachteilsausgleich in Form des Einsatzes eines Kommunikationsassistenten für alle Prüfungen des Modellstudiengangs gewährt würde, wäre verständlich und inhaltlich abgrenzbar. Ob die Beklagte auch verpflichtet ist, einen solchen Verwaltungsakt zu erlassen - worüber damit noch keine Aussage getroffen wird -, ist für das Vorliegen eines zulässigen Antrags irrelevant.

b) Bei der an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit der Klägerin handelt es sich um eine ständige körperliche Beeinträchtigung i.S.v. §§ 37 S. 1 RASP, 10 Abs. 1 Satz 1 PrüfO, aufgrund derer die Klägerin teilweise nicht in der Lage ist, mündlich abzulegende Prüfungen in der vorgesehenen Form zu erbringen. Die Schwerhörigkeit beeinträchtigt die Klägerin darin, die Fragen der Prüfer und die Aussagen etwaiger Simulationspatienten bei mündlich-praktischen Prüfungen akustisch wahrzunehmen.

Dass es sich somit im Grundsatz um eine Beeinträchtigung handelt, die nach den benannten Normen einem Nachteilsausgleich zugänglich ist, steht - anders die Beklagte meint - nicht entgegen, dass es sich um ein Dauerleiden handelt. Von dieser Einstufung ist die Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs nicht abhängig. Maßgeblich ist nach den vorstehenden Grundsätzen vielmehr, ob das Dauerleiden die Fähigkeit beeinträchtigt, vorhandene Kenntnisse darzustellen, dann ist ein Nachteilsausgleich möglich, oder ob es jene Fähigkeiten beeinträchtigt, welche die Prüfung gerade kontrollieren soll (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. März 2015 - 9 S 412/15 - juris Rn. 6 f.; Jeremias, NVwZ 2019, 839, 840 f.).

Entgegen des Vorbringens der Beklagten steht der Annahme einer Beeinträchtigung durch die Schwerhörigkeit auch nicht entgegen, dass die Klägerin bislang alle Prüfungen im Medizinstudium im Erstversuch bestanden hat. Von dem Umstand, dass die Klägerin bislang ihre Prüfungen bestanden hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass ihre Schwerhörigkeit für sie keine Beeinträchtigung darstellt. Die Ansicht der Beklagten liefe darauf hinaus, nur solchen Personen Nachteilsausgleich zu gewähren, die ohne ihn ihre Prüfungen nicht bestehen. Ein solches Erfordernis lässt sich den maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht entnehmen (in diese Richtung auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. März 2019 - OVG 3 S 19/18 - S. 4 Urteilsabschrift in Bezug auf die Abiturprüfungen der Klägerin).

c) Die Schwerhörigkeit der Klägerin betrifft - anders als die Beklagte meint - keine Fähigkeit, welche die Beklagte mit den mündlich abzulegenden Prüfungen abprüfen will. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die Fähigkeit zu hören für die Ausübung des Arztberufs wesentlich erscheint. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob die Beklagte mit ihren Prüfungen diese Fähigkeit gerade abprüfen will. Das ist zu verneinen. Die mündlich abzulegenden Prüfungen der Beklagten dienen nicht dazu, die Hörfähigkeit der Prüflinge festzustellen, sondern dienen der Kontrolle medizinischer Fähigkeiten. Ganz in diesem Sinne hat die Beklagte bislang auch nicht beanstandet, dass die Klägerin bei ihren Prüfungen ein Hörgerät und Cochlea-Implantat trägt, obgleich die Beklagte bei deren Einsatz ebenso wenig prüfen kann, ob die Klägerin die Prüfer auch ohne jene Hilfsmittel versteht.

d) Die durch die Schwerhörigkeit eintretende Beeinträchtigung ist nicht in vollem Umfang kompensiert.

aa) Die Klägerin selbst hat eine solche Kompensation nicht herbeigeführt, indem sie ein Hörgerät und ein Cochlea-Implantat trägt. Jene Hilfsmittel ermöglichen es der Klägerin zwar zu hören und Aussagen akustisch unmittelbar und vollständig wahrzunehmen, so wie es die Klägerin selbst vorgetragen und es der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung und Befragung der Klägerin auch festgestellt hat. Jene akustische Wahrnehmung erfolgt nach dem Vortrag der Klägerin jedoch unter Einschränkungen, deren Intensität u.a. von der Dauer eines Gesprächs, den Umgebungsgeräuschen und der Zahl der Gesprächsteilnehmer abhängen. Jenen plausiblen und glaubhaften Ausführungen, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist, folgt das Gericht, zumal auch die von der Klägerin vorgelegte ärztliche Bescheinigung bestätigt, dass eine Signalübertragungsanlage trotz der Hilfsmittel erforderlich sei, um Störgeräusche zu unterdrücken und die Sprache des Sprechenden zu verdeutlichen.

bb) Eine vollständige Kompensation der Beeinträchtigungen der Klägerin ist auch nicht dadurch eingetreten, dass die Beklagte ihr den Einsatz einer Signalübertragungsanlage gestattet hat. So hat die Klägerin zwar zugestanden, dass sie einen Prüfer oder Simulationspatienten, mit dem sie sich über die Signalübertragungsanlage verständigt, weitgehend ohne Einschränkungen verstehen kann. Sie hat jedoch weiter vorgetragen - was die Beklagte bestätigt hat -, dass sie zu Beginn einer jeden Prüfung den Prüfern zunächst erklären muss, dass sie die Prüfung mit diesem Hilfsmittel ablegt, dass sie den Prüfern sodann weiter die Funktionsweise der Signalübertragungsanlage erklären und der Prüfer zunächst das Mikrofon der Signalübertragungsanlage bei sich anbringen und anschalten muss. Der dadurch eintretende Zeitverlust ist nach dem weiteren Vortrag der Klägerin, den die Beklagte ebenfalls bestätigt hat, Teil der Prüfungszeit und wird nicht herausgerechnet. Eine Gestaltung der Prüfung, bei der jene Zeit nicht zur Prüfungszeit zählt, hat die Beklagte nicht in Aussicht gestellt. Bei dem in der mündlichen Verhandlung beschriebenen Ablauf der Prüfungen, nach welchem parallel mehrere Prüflinge zwischen mehreren Prüfern rotieren und bei denen Anfang und Ende der jeweiligen Prüfung zentral für alle Prüflinge durch ein akustisches Signal mitgeteilt wird, erscheint eine solche Gestaltung auch kaum umsetzbar. Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet es jedoch, dass der Klägerin genauso viel Zeit wie andere Prüflinge zur Verfügung steht, um ihr Wissen gegenüber den Prüfern zu präsentieren.

Der durch den beschriebenen Ablauf eintretende Zeitverlust wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach dem Vortrag der Beklagten auch andere Studierende Signalübertragungsanlagen nutzen, sie den Prüfern dementsprechend schon bekannt seien und dass die Erklärung der Funktion einer solchen Anlage insgesamt nicht sonderlich komplex sei. Selbst wenn dies zutreffen sollte, wofür die Beklagte keine Belege liefert, tritt auch durch eine nicht sehr komplexe Erklärung und das anschließende Anbringen und Anschalten des Mikrofons durch den Prüfer ein Zeitverlust ein, den die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit nicht hinzunehmen braucht. Dies gilt zumal deswegen, weil einzelne mündlich abzulegenden Prüfungen und Prüfungsteile nur wenige Minuten dauern, sodass bereits ein geringer Zeitverlust ins Gewicht fällt. So besteht bspw. die Objective Structured Clinical Examination nach § 3 IV. Abs. 1 Satz 2 PrüfO aus verschiedenen Prüfungsstationen mit einer Dauer von lediglich zwischen sechs und zehn Minuten.

Darüber hinaus werden durch den Einsatz der Signalübertragungsanlage Nachteile nicht kompensiert, die für die Klägerin eintreten, wenn mehrere Personen in einer Prüfung mit ihr kommunizieren. Die Beklagte hat diesbezüglich vorgetragen, dass ihre Prüfungen an sich nur mit jeweils einem Prüfer stattfinden. Sie ist jedoch dem glaubhaften Vortrag der Klägerin, dem der Einzelrichter folgt, nicht entgegengetreten, wonach es bei mündlich-praktischen Prüfungen zu einer Kommunikation mit mehreren Personen kommen kann und in der Vergangenheit auch gekommen ist. Dieses Prüfungsformat ist zwar so konzipiert, dass der Prüfling allein mit dem Simulationspatienten interagiert und der Prüfer lediglich eine beobachtende Rolle einnimmt. Nach dem Vortrag der Klägerin könne es jedoch vorkommen, dass sich der Prüfer dennoch mit Anmerkungen in die Prüfung einschaltet. In einer solchen Situation ist die eingesetzte Signalübertragungsanlage unzureichend, weil sie nur über ein Mikrofon verfügt, welches der Simulationspatient und nicht der Prüfer trägt.

Die Annahme, dass die bestehenden Nachteile für die Klägerin durch den Einsatz der Signalübertragungsanlage nicht vollständig kompensiert werden, steht auch nicht im Widerspruch zum zurückweisenden Beschluss der Kammer vom 11. Juli 2019 (VG 12 L 159/19), mit dem sie den dort im Eilrechtsschutz begehrten Einsatz eines Kommunikationsassistenten oder Schriftdolmetschers zurückgewiesen hat. Die Kammer hat die Zurückweisung damit begründet, dass der Einsatz der Signalübertragungsanlage bereits alle Nacheile für die Klägerin kompensiere, da die Installation der Signalübertragungsanlage und die erforderlichen Tests nicht in die Prüfungszeit fielen und da es in den Prüfungen zu keiner Kommunikation mit mehr als einer Person komme (S. 4 f. Beschlussabschrift). Beide Annahmen, die im Rahmen der im Eilverfahren lediglich summarischen Prüfung zugrunde gelegt wurden, haben sich im hiesigen Verfahren - wenngleich erst in der mündlichen Verhandlung - wie dargelegt als unzutreffend erwiesen.

e) Der begehrte Einsatz eines Kommunikationsassistenten führt zur vollen Kompensation der Beeinträchtigungen der Klägerin. Jener Assistent begäbe sich mit der Klägerin in die Prüfungen und wiederholt in unmittelbarer Nähe zu dieser simultan alle Aussagen des Prüfers und etwaiger Simulationspatienten. Auf diese Weise wäre die Wahrnehmung aller Aussagen durch die Klägerin sichergestellt, selbst wenn neben der Klägerin mehr als eine Person an einem Gespräch teilnimmt. Der bei Einsatz der Signalübertragungsanlage eintretende Zeitverlust wäre nicht zu befürchten, da die Klägerin den Kommunikationsassistenten und seine Funktion lediglich kurz mitteilen müsste, ohne dass der Prüfer in die Nutzung des Hilfsmittels eingebunden wäre, so wie dies bei der Signalübertragungsanlage der Fall ist. Selbst wenn die Erläuterung gegenüber den Prüfern, dass die Klägerin einen Kommunikationsassistenten einsetzen darf, zu einem nennenswerten Zeitverlust führen sollte, so wäre dieser aus den genannten Gründen jedenfalls geringfügiger als bei Nutzung einer Signalübertragungsanlage und daher besser geeignet, die von der Schwerhörigkeit der Klägerin ausgehenden Beeinträchtigungen zu kompensieren (zur Frage, ob wegen des möglichen Zeitverlusts eine Zeitverlängerung zu gewähren ist siehe unten unter II. 3. b) aa) (2)).

f) Bei dem Kommunikationsassistenten handelt es sich nicht deswegen um eine unzulässige Form des Nachteilsausgleichs, weil die Klägerin nicht damit rechnen könne, dass ihr ein solcher Assistent auch im späteren Berufsleben zur Seite steht. Es erscheint vielmehr nicht ausgeschlossen und auch praktisch umsetzbar, dass ein Kommunikationsassistent einen Arzt bei seiner Tätigkeit begleitet und das gesprochene Wort für ihn wiederholt.

g) Der Einsatz des Kommunikationsassistenten führt schließlich zu keiner Überkompensation der Beeinträchtigungen der Klägerin, welche diese gegenüber anderen Prüflingen unter Verstoß gegen die Chancengleichheit bevorzugen könnte. Der Einsatz des Assistenten mag dazu führen, dass die Klägerin einzelne Aussagen von Prüfern unter Ausblendung von Umgebungsgeräuschen besser versteht als andere Prüflinge. Zweck der Prüfungen der Beklagten ist es jedoch nicht festzustellen, ob die Prüflinge Aussagen auch bei lauten Umgebungsgeräuschen verstehen. Trotz der von der Klägerin beschriebenen, teilweise hohen Geräuschkulisse in mündlich abzulegenden Prüfungen ist zudem nicht ersichtlich, dass normal-hörende Studierenden nennenswerte Schwierigkeiten damit hätten, Aussagen von Prüfern akustisch wahrzunehmen.

Eine Überkompensation tritt auch nicht dadurch ein, dass die Klägerin wegen des Kommunikationsassistenten mehr Zeit als andere Prüflinge hätte, über die Beantwortung einer Frage nachzudenken. Die Klägerin kann zwar in der Tat abwarten, bis der Kommunikationsaussage die jeweilige Frage wiederholt hat. Da jene Wiederholung mündlich-simultan und zudem in der gleichen Sprache erfolgt, erscheint eine dadurch eintretende Zeitverzögerung allerdings derart geringfügig, dass sie nicht ins Gewicht fällt.

3. Da die Gewährung von Nachteilsausgleich eine gebundene Entscheidung darstellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2021 - 9 S 556/21 - juris Rn. 3), ist die Sache spruchreif und die Beklagte dazu zu verpflichten, der Klägerin den begehrten Einsatz eines Kommunikationsassistenten zu gestatten. Im Tenor wurde unter weiterer Präzisierung des klägerischen Antrags ausgeführt, welche konkrete Aufgabe der begehrte Kommunikationsassistent nach dem Begehren der Klägerin wahrnehmen soll. Zudem wurde der Kreis möglicher Assistenten auf Personen ohne medizinische Ausbildung beschränkt, um unzulässige Hilfestellungen zu vermeiden. Schließlich wurde zur Klarstellung aufgenommen, dass unter mündlich-praktischen Prüfungen auch die Objective Structured Clinical Examination (OSCE) fällt. Dies ist von der Begehr der Klägerin umfasst, welches sich auf die Inanspruchnahme eines Kommunikationsassistenten bei allen mündlich abzulegenden Prüfungen bezieht, unabhängig vom konkreten Prüfungsformat im Übrigen.

II. Soweit die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Einsatz eines Schriftdolmetschers und auf Gewährung einer Zeitverlängerung abgelehnt hat, ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen derartigen Nachteilsausgleich.

1. Das Gericht legt den Antrag der Klägerin dahingehend aus, dass diese eine Entscheidung über den Einsatz eines Schriftdolmetschers auch dann begehrt, wenn das Gericht ihr wie vorliegend bereits den Einsatz eines Kommunikationsassistenten gestattet. Die Klägerin hat ihren Antrag zwar so gefasst, dass alternativ entweder ein Schriftdolmetscher oder ein Kommunikationsassistenten begehrt wird. Dies ist aber nicht so zu verstehen, dass es nach dem Willen der Klägerin in das Belieben des Gerichts gestellt werden soll, welche Form des Nachteilsausgleichs gewährt wird; was im Übrigen nicht zulässig wäre (NK-VwGO/Helge Sodan, 5. Aufl. 2018, VwGO § 44 Rn. 5). Die Klägerin möchte vielmehr selbst entscheiden, ob ein Kommunikationsassistent oder ein Schriftdolmetscher zum Einsatz kommt, was sich aus der Fassung ihres behördlichen Antrags ergibt. Nach diesem begehrt sie "je nach Situation" den Einsatz Schriftdolmetschers bzw. eines Kommunikationsassistenten.

2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.

Der Bescheid ist ausreichend begründet. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Bund - VwVfG - i.V.m. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung - VwVfG Bln - ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. Dies verlangt nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, die sie zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begrünung muss bezogen auf den konkreten Einzelfall aus sich heraus verständlich für den Adressaten darlegen, welche Gründe aus Sicht der Behörde für ihre Entscheidung tragend sind (Schoch/Schneider VwVfG/Schuler-Harms, Stand: Juli 2020, VwVfG § 39 Rn. 52, 54, 56).

Diesen Anforderungen wird der Bescheid gerecht. Er legt aus sich heraus verständlich dar, dass die Beklagte die beantragte Zeitverlängerung abgelehnt hat, weil die Klägerin nach Ansicht der Beklagten keine schlüssige Aussage dazu getätigt habe, inwieweit sie wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sei, Prüfungen in der vorgegebenen Zeit abzulegen. Was hieran nach dem Vortrag der Klägerin nicht verständlich ist, erschließt sich nicht. Der Bescheid begründet ebenfalls nachvollziehbar, weshalb die Beklagte den Antrag auf Einsatz eines Schriftdolmetschers oder Kommunikationsassistenten abgelehnt hat. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass der einleitende Hinweis auf unzureichende Unterlagen oder Nachweise aus sich heraus nicht verständlich ist. Hinreichend nachvollziehbar wird jener Hinweis jedoch mit den anschließenden Ausführungen. Danach hat die Beklagte den Antrag auf Einsatz eines Schriftdolmetschers oder eines Kommunikationsassistenten abgelehnt, da sich der Antrag auf Nachteilsausgleich aus ihrer Sicht auf eine konkrete Prüfung beziehen und begründet werden müsse, dass die Klägerin mit anderen Worten in Bezug auf eine konkrete Prüfung die erforderlichen Unterlagen und Nachweise vorlegen müsse, welche den Einsatz eines Schriftdolmetschers oder Kommunikationsassistenten rechtfertigen. Ob diese Begründung objektiv zutreffend ist, also die Rechtslage richtig wiedergibt, ist für das Begründungserfordernis unerheblich (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 - NVwZ-RR 2006, 86, 87; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 5. August 2009 - 7 ME 80/09 - BeckRS 2009, 38746). Dieses soll den Adressaten in die Lage versetzen zu verstehen, aus welchen Gründen eine Behörde die beanstandete Entscheidung getroffen hat. Diese Funktion erfüllt auch eine unzutreffende Begründung, soweit sie die Beweggründe der Behörde richtig wiedergibt.

Die Begründung ist auch nicht deswegen unzureichend, weil sie nach Auffassung der Klägerin in sich widersprüchlich ist. Es mag zwar in der Tat zunächst in sich widersprüchlich anmuten, dass der Bescheid in Bezug auf den Einsatz eines Schriftdolmetschers oder Kommunikationsassistenten fordert, dass der Antrag sich auf eine konkrete Prüfung bezieht, wenn er zugleich dem Antrag auf Einsatz einer Signalübertragungsanlage vollumfänglich stattgibt, obgleich sich der diesbezügliche Antrag ebenso wenig auf eine konkrete Prüfung bezieht. Eine solche u.U. in sich widersprüchliche Begründung ist aber nach der darlegten Auslegung dennoch eine Begründung, welche die Beweggründe der Beklagten zutreffend wiedergibt und somit den Anforderungen des § 39 VwVfG genügt.

3. Der Bescheid ist in dem unter II. dargelegten Umfang auch materiell rechtmäßig.

a) Der Bescheid ist nach § 37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt (zur Bestimmtheit als Teil der materiellen Rechtmäßigkeit Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 37 Rn. 40). Dem steht, anders als die Klägerin meint, nicht entgegen, dass die Begründung des Bescheids nicht nachvollziehbar sei. Das Gebot hinreichender Bestimmtheit des § 37 Abs. 1 VwVfG gilt allein für den verfügenden Teil des Verwaltungsakts, also jenen, in dem die Behörde den Inhalt ihrer Entscheidung eröffnet, nicht aber für deren Begründung (Thüringer OVG, Beschluss vom 12. Juli 2002 - 4 ZEO 243/00 - NVwZ-RR 2003, 229, 231). Der verfügende Teil des Verwaltungsakts, die teilweise Ablehnung des begehrten Nachteilsausgleichs, ist hinreichend bestimmt.

b) Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Zeitverlängerung und den Einsatz eines Schriftdolmetschers zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 37 RASP i.V.m. § 10 PrüfO keinen Anspruch auf einen solchen Nachteilsausgleich.

aa) Die begehrte Zeitverlängerung stellt keine geeignete Maßnahme dar, um die von der Schwerhörigkeit der Klägerin ausgehenden Beeinträchtigungen auszugleichen.

(1) In Bezug auf schriftliche Prüfungen ist schon nicht erkennbar, dass die Schwerhörigkeit der Klägerin sie darin beeinträchtigt, ihr vorhandenes Leistungsvermögen in der Prüfung umzusetzen. Für schriftliche Prüfungen muss die Klägerin nicht gut hören können.

Soweit die Klägerin weiter vorträgt, ihre Schwerhörigkeit führe zu einem eingeschränkten Wortschatz und Textverständnis, ist dem nicht nachzugehen. Die Klägerin hat keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für derartige Einschränkungen vorgetragen. Allein ihre pauschale Aussage in der mündlichen Verhandlung, dass Gehörlose, die vor ihrem sechsten Lebensjahr ertauben, stets an den behaupteten Einschränkungen leiden, liefert keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dies auch auf die Klägerin zutrifft.

Hinreichende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin E. Diese ist zumindest mehrdeutig, da sie nicht darlegt, ob die diagnostizierte längere Dauer für das Verstehen, Weiterleiten und Verarbeiten von Sprache sich allein auf das gesprochene Wort bezieht oder auch - wie die Klägerin vorträgt - Schriftsprache umfasst (zum Verständnis im erstgenannten Sinne Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 22. Juli 2019 - VerfGH 109 A/19 - S. 5 Beschlussabschrift). Zudem mangelt es der Bescheinigung an Angaben, auf welcher Grundlage die Ärztin zu dem Schluss gelangt ist, dass die Klägerin unter den beschriebenen Schwierigkeiten leidet (vgl. zu diesem Erfordernis bei einem wie hier unscharfen Krankheitsbild BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8/07 - NVwZ 2008, 330, 330 Rn. 15). Auch die Klägerin konnte sich in der mündlichen Verhandlung nicht daran erinnern, ob und welche Untersuchungen die Ärztin vorgenommen hat, um zu ihrer Diagnose zu gelangen.

Der vorgelegte Schwerbehindertenausweis ist ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftig. Zwar enthält der Ausweis u.a. das Merkzeichen "Gl" für Gehörlosigkeit, was in Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 4 Schwerbehindertenausweisverordnung verlangt, dass neben einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5074, S. 130). Die Zuerkennung jenes Merkzeichens erfolgte jedoch, als die Klägerin noch nicht einmal zwei Jahre alt war, ein Zeitpunkt, in dem die Entwicklung ihrer sprachlichen Fertigkeiten gerade erst begonnen hatte. Aus ihr ergeben sich keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die damals festgestellte Störung auch jetzt - mehr als zwanzig Jahre später - noch vorliegt (Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 22. Juli 2019 - VerfGH 109 A/19 - S. 5 Beschlussabschrift). Einen aktuellen ärztlichen Befund, aus dem sich die behaupteten Einschränkungen ergeben, so wie dies auch § 10 Abs. 2 PrüfO verlangt, hat die Klägerin hingegen nicht vorgelegt. Einen solchen aktuellen Befund liefert auch nicht die im Verfahren VG 12 L 47/19 vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Universitätsklinikums Würzburgs, da sich diese nicht auf die Klägerin, sondern auf einen anderen Patienten bezieht.

(2) In Bezug auf mündliche Prüfungen ist davon auszugehen, dass der gewährte Einsatz eines Kommunikationsassistenten ausreichend ist, um die von der Schwerhörigkeit ausgehenden Beeinträchtigungen für die Klägerin zu kompensieren.

Eine Zeitverlängerung ist auch nicht deswegen erforderlich, weil die Klägerin den Prüfern zunächst eröffnen muss, dass sie mit einem Kommunikationsassistenten erscheint, deren Hilfe sie sich bedienen muss und weil wie oben (I. 2. d) bb)) ausgeführt nicht sichergestellt ist, dass diese Zeit aus der Prüfungszeit herausgerechnet wird. Ohne Bezug zu einer konkreten Prüfung kann weder die Beklagte noch das Gericht entscheiden, eine Zeitverlängerung welchen Umfangs in dieser Situation angemessen ist. Denn der zu befürchtende Zeitverlust, der durch den dargelegten Ablauf entstünde, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Prüfung ab, insbesondere davon, ob den Prüfern bereits vor der Prüfung bekannt ist, dass die Klägerin durch einen Kommunikationsassistenten begleitet wird - dann bedarf es keiner weiteren Erklärung in der Prüfung - und ob die Prüfungszeit zentral und für alle Prüflinge einheitlich gestoppt wird oder ob die Prüfungszeit individuell bestimmt wird und erst mit der ersten Prüfungsfrage beginnt - im letzteren Fall droht ebenfalls kein Zeitverlust.

Die Beklagte und das Gericht können auch nicht selbst ermitteln, an welchen Prüfungen die Klägerin in ihrem Studium noch teilnehmen muss, um dann je nach Prüfungsformat eine jeweils angemessene Zeitverlängerung festzusetzen. Im Entscheidungszeitpunkt standen schon nicht alle Prüfungsformate fest, die im Studium der Klägerin noch anstehen. Nach § 3 VI. PrüfO werden die Prüfungsformate für die Wissenschafts- und Wahlpflichtmodule, von denen die Klägerin noch mehrere ableisten muss, erst vor dem jeweiligen Semester durch den Prüfungsausschuss festgelegt. Vor einer solchen Festlegung kann eine möglicherweise notwendige Zeitverlängerung nicht bestimmt werden.

Ebenso wenig war die Beklagte und ist nunmehr das Gericht gehalten, mit ihren Entscheidungen über den Antrag der Klägerin solange zuzuwarten, bis die jeweiligen Prüfungsformate festgelegt sind. Das Begehren der Klägerin bezieht sich darauf, bereits vorab eine pauschale Zeitverlängerung für alle noch anstehenden Prüfungen zu erhalten. Dem entspricht es nicht, über ihren Antrag gestaffelt zu entscheiden, sobald die einzelnen Prüfungsformate feststehen. Wünscht die Klägerin dies, ist sie gehalten, für die jeweils konkrete Prüfung einen Antrag auf Nachteilsausgleich zu stellen.

bb) Der begehrte Einsatz eines Schriftdolmetschers stellt ebenfalls keine zulässige Form des Nachteilsausgleichs dar.

(1) So ist schon nicht erkennbar, zur Kompensation welcher Nachteile ein solcher Schriftdolmetscher erforderlich sein soll, wenn das Gericht der Klägerin wie hier bereits gestattet, einen Kommunikationsassistenten zu nutzen. Selbst wenn es solche Nachteile geben sollte, ist der Schriftdolmetscher keine geeignete Form des Nachteilsausgleichs, da sein Einsatz es beeinträchtigen würde, in den mündlich abzulegenden Prüfungen im Medizinstudium für den Arztberuf maßgebliche Fähigkeiten abzuprüfen.

Ziel der ärztlichen Ausbildung ist es nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Approbationsordnung für Ärzte in der Fassung vom 22. September 2021 (BGBl. S. 4335) - ÄApprO -, einen Arzt auszubilden, der zur eigenverantwortlichen und selbstständigen ärztlichen Berufsausübung befähigt ist. Die Ausbildung wird nach § 1 Abs. 1 Satz 3 ÄApprO praxis- und patientenbezogen durchgeführt und soll nach § 5 Abs. 1 Satz 3 der Studienordnung des Modellstudiengangs Medizin der Beklagten in der Fassung vom 16. April 2018 (Amtliches Mitteilungsblatt der Beklagten Nr. 210 vom 8. März 2018) entscheidungsfähige Ärzte ausbilden. Mündlich abzulegende Prüfungen dienen diesem Ziel, da sie geeignet sind festzustellen, ob der Prüfling in der Lage ist, auf eine Frage oder eine sich ihm stellende Situation unmittelbar zu reagieren. Eine mündliche Prüfung soll insbesondere die praktische Entscheidungsfähigkeit und Auffassungsgabe des Prüflings und zukünftigen Arztes im Gespräch feststellen. Anders als in einer schriftlichen Prüfung hat der Prüfling keine Möglichkeit, einzelne Fragen zunächst zurückzustellen und die Aufgaben nach einer selbst gewählten Reihenfolge zu bearbeiten. Ebenso wenig hat er die Option, sich eine Frage erneut durchzulesen, sollte er ihren Inhalt vergessen haben. Dem entspricht die berufliche Praxis des Arztes, in welcher er diese Möglichkeiten in diversen Situationen - insbesondere bei Notfällen - ebenfalls nicht hat.

Jene Funktionen einer mündlichen Prüfung im Medizinstudium würden durch den Einsatz eines Schriftdolmetschers beeinträchtigt. Die Klägerin müsste nicht mehr unmittelbar auf eine Frage antworten, nachdem der Prüfer sie gestellt hat, sondern könnte abwarten, bis der Schriftdolmetscher sie schriftlich fixiert hat. Dies beeinträchtigt den Zweck der Prüfung, die für den Arztberuf wesentliche Auffassungsgabe der Klägerin festzustellen, der verlangt, dass der Prüfling sofort auf eine ihm gestellte Frage reagiert. Der Zeitraum, bis der Schriftdolmetscher eine Aussage schriftlich fixiert hat, ist auch - anders als bei Einsatz eines Kommunikationsassistenten (siehe oben S. 12) - nicht lediglich unerheblich, wie der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung durch Inaugenscheinnahme der Arbeit des dort eingesetzten Schriftdolmetschers festgestellt und wie dies im Grundsatz auch die Klägerin bestätigt hat. Die schriftliche Fixierung gibt der Klägerin zudem die Möglichkeit, sich eine gestellte Frage erneut zu vergegenwärtigen, sollte sie diese vergessen haben; eine Möglichkeit, die in der mündlichen Prüfung an sich nicht besteht.

Aus jenen Erwägungen ergibt sich zugleich, dass der Einsatz eines Schriftdolmetschers zu einer unzulässigen Überkompensation der Beeinträchtigungen der Klägerin führen würde, welche ihr einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen Prüflingen verschaffte. Von anderen Prüflingen wird in mündlichen Prüfungen erwartet, dass sie unmittelbar auf eine ihnen gestellte Frage reagieren, ohne auf die schriftliche Fixierung jener Frage zu warten. Ebenso wenig haben sie die Möglichkeit, sich eine mündlich gestellte Frage erneut schriftlich zu vergegenwärtigen. Der Klägerin diese Möglichkeiten zuzugestehen, würde ihr einen unzulässigen Vorteil verschaffen, zumal sie mit Hörgerät und Cochlea-Implantat, die sie in der Prüfung trägt, durchaus in der Lage ist, Aussagen akustisch unmittelbar wahrzunehmen, wenn auch nicht in der gleichen Qualität wie Normalhörende. Der Einsatz eines Schriftdolmetschers würde es der Klägerin in dieser Situation ermöglichen, eine Frage zunächst akustisch wahrzunehmen und sodann bereits über ihre Beantwortung nachzudenken, während sie deren schriftliche Fixierung abwartet. Einen solchen Vorteil kann die Beklagte der Klägerin nicht gewähren, ohne gegen den Grundsatz der Chancengleichheit zu verstoßen.

(2) Ein Anspruch auf Bereitstellung eines Schriftdolmetschers ergibt sich auch nicht aus der Anwendung der Grundsätze des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. März 2018 (OVG 3 S 19/18). Jener Beschluss ist auf die Situation der Abiturprüfung zugeschnitten, für welche das Gericht der Klägerin in einzelnen Abschnitten die Inanspruchnahme eines Schriftdolmetschers gestattet hat. Dies ist auf den hiesigen Sachverhalt nicht übertragbar, weil der Umfang des Nachteilsausgleichs - wie ausgeführt - stets von der konkreten Prüfung und den Fähigkeiten abhängig ist, welche diese Prüfung feststellen soll. Ziel der Arbeit in der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung ist die Vermittlung einer "vertiefte[n] Allgemeinbildung, allgemeine[r] Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropädeutische[r] Bildung" (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 i.d.F. vom 18. Februar 2021, Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und Abiturprüfung, S. 5, abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1972/1972_07_07-VB-gymnasiale-Oberstufe-Abiturpruefung.pdf [zuletzt abgerufen am 21. Januar 2022]). Die Schule soll die allgemeine Hochschulreife der Schüler feststellen, ohne zu diesem Zeitpunkt bereits Fähigkeiten zu verlangen, welche allein für einen bestimmten Studiengang erforderlich sind. Jene allgemeine Ausrichtung kann es rechtfertigen, das Ziel einer mündlichen Prüfung weniger in der Feststellung der Auffassungsgabe und Entscheidungsfähigkeit des Schülers zu sehen, als vielmehr in der allgemeinen Kontrolle, ob der Schüler in der Lage ist, sein Wissen auch mündlich zu präsentieren. Zweck der mündlichen Prüfungen im Medizinstudium der Beklagten ist es hingegen wie dargelegt, die für den Arztberuf wesentliche Auffassungsgabe und praktische Entscheidungsfindung der Prüflinge - gerade auch unter Zeitdruck - festzustellen. Jener, von mündlichen Abiturprüfungen abweichende Zweck rechtfertigt es, der Klägerin bei den Prüfungen im Medizinstudium den Einsatz eines Schriftdolmetschers zu verwehren.

Hinzu tritt, dass dem im Eilverfahren erlassenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts allein eine summarische Prüfung des Sachverhalts zugrunde lag. Wegen dieser allein summarischen Prüfung konnte sich das Oberverwaltungsgericht insbesondere nicht mit dem Umstand auseinandersetzen, dass die Klägerin mit Hörgerät und Cochlea-Implantat durchaus in der Lage ist, mündlich gestellte Fragen mit Einschränkungen akustisch wahrzunehmen, sodass wie dargelegt eine Überkompensation droht, wenn diese Fragen für die Klägerin darüber hinaus schriftlich fixiert werden.

(3) Ein Anspruch der Klägerin auf die Bereitstellung eines Schriftdolmetschers folgt auch nicht aus § 13 Abs. 2 des Berliner Gesetzes über die Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderungen vom 27. September 2021 (Landesgleichberechtigungsgesetz, GVBl. S. 1167) - LGBG -. Nach jener Norm haben hörbehinderte Menschen zur Wahrnehmung eigener Rechte das Recht, mit öffentlichen Stellen über geeignete Kommunikationshilfe zu kommunizieren. Zu einer solchen geeigneten Kommunikationshilfe zählt nach § 13 Abs. 2 Satz 3 LGBG i.V.m. 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Kommunikationshilfenverordnung des Bundes in der Fassung vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3229) u.a. ein Schriftdolmetscher.

Jene Vorschriften sind auf den hiesigen Sachverhalt nicht anwendbar. Bei § 37 Satz 1 RASP und § 10 PrüfO handelt es sich um Spezialvorschriften, welche für die Prüfungen der Beklagten abschließend festlegen, unter welchen Voraussetzungen körperliche Einschränkungen wie jene der Klägerin einem Nachteilsausgleichs zugänglich sind (vgl. im Ergebnis ebenso für die Abiturprüfungen der Klägerin in Bezug auf die dort anwendbaren Regelungen zum Nachteilsausgleich VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2018 - 3 L 120/18 - juris Rn. 21). Die Normen begründen einen Ausgleich zwischen dem Recht der Klägerin, ihr gesamtes Leistungsvermögen in einer Prüfung darzustellen und dem sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit ergebenden Grundsatz, nach welchem Prüfungsbedingungen im Wege des Nachteilsausgleichs nicht so abgeändert werden dürfen, dass die für die Prüfung maßgeblichen Fähigkeiten nicht mehr abgeprüft werden können. Jener, von diesen Normen intendierte Interessenausgleich würde unterlaufen, könnte ein Prüfling sich einen Nachteilsausgleich, der ihm nach den Prüfungsvorschriften nicht zusteht, unter Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des LGBG verschaffen. Da die Normen des LGBGB nicht auf Prüfungssituationen zugeschnitten sind, berücksichtigen sie insbesondere nicht, dass es der Grundsatz der Chancengleichheit in Einzelfällen gebieten kann, körperliche oder geistige Einschränkungen in Prüfungen gerade nicht durch Kompensationsmaßnahmen auszugleichen.

(4) Ein Anspruch der Klägerin auf die Bereitstellung eines Schriftdolmetschers folgt auch nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes in der Fassung vom 1. Juni 2021 (BGBl. I S. 1387) i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Kommunikationshilfenverordnung. Jene Vorschriften sind auf den vorliegenden Fall, in welchem eine Landesbehörde Landesrecht ausführt, nach §§ 1 Abs. 1a, Abs. 2 Satz 1 Behindertengleichstellungsgesetz, 1 Abs. 2 Kommunikationshilfenverordnung nicht anwendbar (so schon VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2018 - 3 L 120.18 - juris Rn. 19 in Bezug auf die Abiturprüfungen der Klägerin).

(5) In der verweigerten Gewährung eines Schriftdolmetschers liegt auch kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, Personen wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen. So ist schon keine Benachteiligung ersichtlich, wenn das Gericht wie vorliegend bestehende Nachteile bereits dadurch kompensiert, dass es der Klägerin den Einsatz eines Schriftdolmetschers gestattet. Etwaige Nachteile wären zudem durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt. Der Grundsatz der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG verbietet es, Beeinträchtigungen durch Hilfsmittel zu kompensieren, welche die Kontrolle jener Fähigkeiten beeinträchtigen, welche die Prüfung gerade abprüfen will. Ebenso wenig ist es mit ihm zu vereinbaren, der Klägerin mit dem Schriftdolmetscher ein Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, welches ihre bestehenden Nachteile überkompensiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 1985 - 7 B 210/85 - juris Rn. 6; Urteil vom 29. Juli 2015 - 6 C 35/14 - juris Rn. 30 ff.; Urteil vom 24. Februar 2021 - 6 C 1/20 - juris Rn. 24). Eine derartige Gestaltung medizinischer Prüfungen ist darüber hinaus auch nicht mit dem Grundrecht zukünftiger Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG zu vereinbaren. Jene Patienten vertrauen darauf, dass ein behandelnder Arzt tatsächlich über die für den Arztberuf maßgeblichen Fähigkeiten verfügt, welche im Rahmen des Medizinstudiums erlernt und abgeprüft werden (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 - 7 ZB 19.583 - juris Rn. 8).

(6) Die Klägerin kann unter Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG weiter nichts aus ihrem Vortrag herleiten, dass andere Berliner Universitäten es Studierenden gestatten, einen Schriftdolmetscher einzusetzen. Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet Hoheitsträger zwar dazu, vergleichbare Sachverhalte gleich zu behandeln. Dies gilt jedoch nur innerhalb der Zuständigkeit des jeweiligen Trägers staatlicher Gewalt (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 18/12 - juris Rn. 16). Ein Träger staatlicher Gewalt ist wegen des Gleichheitssatzes mit anderen Worten nicht verpflichtet, einen Sachverhalt auf eine bestimmte Weise zu behandeln, weil ein anderer Hoheitsträger einen vermeintlich vergleichbaren Sachverhalt auf diese Weise behandelt hat.

(7) Ein Anspruch auf den begehrten Schriftdolmetscher folgt schließlich auch nicht aus Art. 24 Abs. 3 Satz 2 c) des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 (BGBl. 2008 II S. 1419) - UN-Behindertenrechtskonvention -. Nach jener Vorschrift ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, um u.a. sicherzustellen, dass gehörlosen Menschen Bildung mit den Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, vermittelt wird. Jene Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar, da ihr hierfür die erforderliche Bestimmtheit fehlt. Aus den von der Norm verwendeten Begriffen ("geeignete Maßnahmen", "stellen sicher") lässt sich schließen, dass sie die Vertragsstaaten lediglich auf ein gemeinsames Ziel ausrichten will, ohne eine bestimmte Art und Weise der Zielerreichung festzulegen. Hierfür bedarf es weiterer normativer Ausfüllung, ohne welche keine unmittelbare Anwendbarkeit anzunehmen ist (VG Berlin, Beschluss vom 04. März 2021 - 12 L 19/21 - juris Rn. 25; ausführlich Hessischer VGH, Beschluss vom 12. November 2009 - 2 B 2763/09 - juris Rn. 27 ff.).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Klägerin von den drei begehrten Formen des Nachteilsausgleichs nur eine erhält, ist eine Kostenteilung zwischen ihr und der Beklagten im Verhältnis 2 zu 1 angemessen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

Referenznummer:

R/R9622


Informationsstand: 10.08.2023