Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger Anspruch auf Übernahme der über dem Festbetrag liegenden Mehrkosten für eine beidseitige Hörgeräteversorgung hat.
Der 1962 geborene und bei der beklagten Krankenkasse (KK) gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet an einer Hörminderung und beidseitigem Tinnitus. Er übt eine Tätigkeit als Sportlehrer an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt "geistige Entwicklung" aus. Der Kläger unterrichtet in der Regel etwa 8 bis 16 Schüler, im kooperativen Sportunterricht bis zu 30 Schüler. Der Unterricht findet auf dem Sportplatz, in der Turnhalle und im Schwimmbad statt. Die Schüler sind aufgrund geistiger und körperlicher Beeinträchtigungen vielfach auf Hilfestellungen angewiesen.
Der Kläger beantragte im Mai 2014 unter Vorlage einer Verordnung des Facharztes für HNO-Erkrankungen
Dr. F. vom 12. Februar 2014, aus der die Diagnose eines chronischen, zeitweise dekompensierten Tinnitus bei Innenohrhochtonschaden beidseits hervorgeht, die Übernahme der Kosten für eine beidseitige Hörgeräteversorgung mit dem Gerät Phonak Bolero Q 90-M312. Aus dem beigefügten Kostenvoranschlag der Firma G. vom 9. Mai 2014 gehen Gesamtkosten für die Hörgeräteversorgung in Höhe von insgesamt 5.515,- Euro hervor. Aus dem Anpassungsbericht über die Hörgeräteversorgung geht hervor, dass mit dem Hörgerät Phonak Bolero Q90-M312 mittels Freiburger Sprachtest ein Sprachverstehen im Nutzschall 65
dB von 100 % und im Nutzschall 65
dB/Störschall 60
dB von 100 % erreicht wurde. Mit dem auszahlungsfreien Gerät 3 Series 20 Mini wurde im Nutzschall 65
dB ein Sprachverstehen von 100 % und im Nutzschall 65
dB/Störschall 60
dB von 95 % erreicht.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 genehmigte die Beklagte dem Kläger ein Hörgeräteversorgung mit einem Abgabepreis von 1.614,- Euro. Dieser Betrag abzüglich der vom Kläger zu tragenden gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20,- Euro werde direkt an die Lieferfirma gezahlt. Die Zuzahlung bezahle er direkt an die Lieferfirma. Ebenfalls unter dem 14. Mai 2014 leitete die Beklagte den Antrag gemäß
§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an die beigeladene H.) weiter. Die Beigeladene sei als zuständiger Sozialleistungsträger für die beantragte Leistung zuständig, weil die Versorgung über dem Leistungsumfang der gesetzlichen KKen hinausgehe: die von der gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV) geschuldete Versorgung mit Hörsystemen zum Ausgleich des individuellen Hörverlustes im Alltagsleben sei im Rahmen des gewährten Festbetrages zu gewährleisten. Die darüberhinausgehenden berufsbedingten Mehrkosten würden nicht in die Zuständigkeit der
GKV fallen.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2014 lehnte die Beigeladene den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine höherwertige Hörgeräteversorgung ab, da die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien. Die Höranforderungen im Beruf des Klägers als Sportlehrer würden keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit für eine höherwertige Hörgeräteversorgung beinhalten. Persönliche oder telefonische Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch - auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen
bzw. störenden Umgebungsgeräuschen am Arbeitsplatz - stellten eine Anforderung an das Hörvermögen dar, die bei nahezu jeder Berufsausübung bestehe und daher keine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage begründen könnte. Die beantragten Hörhilfen sollten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich mit dem Ziel der Angleichung an das Hörvermögen gesunder Menschen dienen. Möglicherweise benötige der Kläger zur Grundversorgung im Alltag
bzw. in jeglicher beruflicher Tätigkeit höhere als die von der KK gezahlten Beträge. Es werde empfohlen, sich zur Feststellung des individuellen Leistungsanspruchs noch einmal mit der KK in Verbindung zu setzen.
Dagegen richtete sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 10. Juli 2014 (Eingang bei der Beigeladenen). Gewöhnlich unterrichte er in großen Schülergruppen, nicht selten im kooperativen Sportunterricht von Schülern mit und ohne Behinderung. Während des Sportunterrichts könne ein sehr hoher Lärmpegel zwischen 90 bis 100
dB (A) erreicht werden. Zum anderen bestehe sehr wohl eine spezifische berufsbedingte Bedarfslage, da seine Schüler geistig behindert seien und häufig deutliche Beeinträchtigungen der Sprache hätten. Dadurch sei die Kommunikation gerade unter Berücksichtigung der ungünstigen akustischen Bedingungen schwierig. Nicht wenige seiner Schüler seien Epileptiker und würden am Autismussyndrom leiden und starke Verhaltensstörungen aufweisen. Als verantwortliche Lehrkraft sei er für die Einhaltung seiner Aufsichtspflicht auf ein gutes Hörvermögen angewiesen. Turnhallen, Schwimmbäder und Sportplätze seien Arbeitsplätze mit sehr ungünstigen akustischen Bedingungen, die hohe Anforderungen an Hörgeräte stellen würden. Er habe mehrere Hörgeräte getestet, aber erst das Phonak Bolero Q 90-M312 biete Funktionen, die es ihm ermöglichen würden, seinen Beruf unter den geschilderten Bedingungen auszuüben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2014 wies die Beigeladene den Widerspruch zurück. Die Leistungen würden nach
§ 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX Kosten für Hilfsmittel umfassen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich seien, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe oder solche Leistung als medizinische Leistung erbracht werden könnte. Eine Hilfsmittelgewährung könne nur in Betracht kommen, wenn eine auf besonders gute Hörfähigkeit angewiesene berufliche Tätigkeit ausgeübt werde oder das Hilfsmittel wegen der besonderen berufsspezifischen Verhältnisse am Arbeitsplatz notwendig sei. Die beruflichen Anforderungen in der Tätigkeit als Sportlehrer, auch an einer Förderschule, würden sich nicht von den im Berufsleben üblicherweise bestehenden Bedingungen unterscheiden. Kommunikation mit anderen Menschen sowie die Verständigung bei Gruppenveranstaltungen, auch unter dem Vorhandensein einer Geräuschkulisse und unter besonderen raumakustischen Höranforderungen, wie
z.B. großen Räumen, gehöre zu fast jedem Berufsbereich und könne daher die für eine Leistung des Versicherungsträgers geforderte spezifische Notwendigkeit nicht begründen.
Der Kläger hatte gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 24. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 am 4. Dezember 2014 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben (S 31 R 506/14). Anlässlich des am 30. Oktober 2015 durchgeführten Erörterungstermins hat die Beigeladene des hiesigen Rechtsstreits den Ablehnungsbescheid vom 24. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Im Protokoll findet sich der Hinweis des zuständigen Richters, wonach aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts (
BSG) vom 24. Januar 2013,
B 3 KR 5/12 R, die Krankenversicherung trotz Weiterleitung allein zuständiger Träger für sämtliche Ansprüche nach dem
SGB V und nach dem
SGB VI sei, da eine Zusage bezüglich des Festbetrages vorliege. Nach der Rechtsprechung des
BSG sei nach dem
SGB V bereits eine optimale Versorgung des Versicherten sicherzustellen. Soweit die KK der Auffassung sein sollte, dass hier ein Bedarf nach dem
SGB IV nicht bestehe, habe sie dem Kläger Leistungen nach dem
SGB VI zu gewähren und dann
ggf. Rückgriff beim Rentenversicherungsträger zu nehmen. Die KK könne nach der zitierten Entscheidung des
BSG gerade nicht einen Festbetrag übernehmen und die Sache im Übrigen weiterleiten.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2016 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine rechtsmittelfähige Entscheidung über die Hörgeräteversorgung gemäß
SGB VI zu treffen. Diese Aufforderung wiederholt der Kläger mit Schreiben vom 4. März 2016. Mit Schreiben vom 15. März 2016 teilte die Beklagte mit, dass sie am 14. Mai 2014 fristgerecht die Weiterleitung des Antrages bezüglich der berufsbedingten Hörgeräte-Mehrkosten an die hierfür zuständige Beigeladene veranlasst habe. Eine Entscheidung gemäß
SGB VI sei durch sie deshalb nicht zu treffen. Die Weiterleitung stelle auch keinen Verwaltungsakt dar, gegen den Widerspruch erhoben werden könnte.
Der Kläger hat am 22. April 2016 erneut Klage vor dem SG erhoben. Er begehrt nunmehr die Verurteilung der Beklagten, die Mehrkosten für eine beidseitige Hörgeräteversorgung oberhalb der Festbetragsregelung zu übernehmen
bzw. hilfsweise, über den klägerischen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine beidseitige Versorgung mit Hörgeräten oberhalb der Festbetragsregelung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) zu entscheiden.
Das SG hat ein Gutachten eingeholt von der Hörgeräteakustikerin I., J ... In diesem Gutachten vom 5. Juni 2017 wird zu den Beweisfragen mitgeteilt, dass der Kläger unter einem leichten- bis mittelgradigen Hochtonhörschaden mit relativ steilem Hochtonabfall leide. Die Unbehaglichkeitsschwelle liege im Normbereich, dadurch ergebe sich im Hochtonbereich um 4000
Hz eine Dynamikeinengung auf
ca. 45 bis 50
dB. Normal seien etwa 100 bis 110
dB. Das Sprachaudiogramm zeige ein Hörverstehen von 80 % links und 70 % rechts bei 65
dB und 100 %
bzw. 95 % bei 80
dB. Die Messung habe gezeigt, dass der Kläger zum annähernd 100 % igen Verstehen von Einsilbern in ruhiger Umgebung eine Sprachlautstärke von 80
dB benötige. Umgangssprache liege bei
ca. 65
dB. Ohne technische Unterstützung könne der Kläger also nur etwa 70 % der Einsilber richtig verstehen. Dies reiche im Allgemeinen aus, um in ruhiger Umgebung einer Unterhaltung folgen zu können. Im Störgeräusch oder bei anderen Störungen/Ablenkungen sei das Verstehen deutlich schwieriger. Der Kläger sei leicht- bis mittelgradig hörgeschädigt. Bei optimaler Hörgeräteversorgung sollte der Kläger bei der Vergleichsmessung in ruhiger Umgebung ein Einsilberverstehen von 100 % erreichen. Im Störgeräusch sollten mindestens 60 % bis 65 % erreicht werden, wobei das aber nicht allein von der Hörgerätetechnik abhängig sei, sondern auch von seiner Fähigkeit, Sprache und Geräusche zu trennen und die Sprache aus den Geräuschen heraus zu verstehen. Diese Fähigkeit sei auch bei normal Hörenden sehr unterschiedlich ausgeprägt, sodass dies nicht allein anhand der technischen Möglichkeiten der Hörgeräte vorherzusehen sei. Bei einer optimalen Versorgung müssten die Geräte auch im Alltag ein gutes Sprachverstehen ermöglichen, und zwar in den Situationen, in denen der Hörgeräteträger sonst Schwierigkeiten habe. Eine Überprüfung des Hörvermögens mit dem gewünschten Phonak Bolero habe nicht durchgeführt werden können, da der Kläger dieses Gerät von seinem Akustiker nicht wieder zum Testen bekommen konnte. Stattdessen habe ein Paar Resound Linux 9 getestet werden können. Das Bolero Q 90 sei zwar am Markt noch zu erhalten, werde inzwischen aber kaum noch angepasst, da es auch bereits von zwei weiteren Generationen von Hörgeräten ersetzt worden sei. Mit dem Linux hätte der Kläger bei der Vergleichsmessung mit Einsilbern in Ruhe bei 65
dB 80 % verstehen können, bei Geräuschen seien es 40 % gewesen. Dieses Ergebnis sei nicht zufriedenstellend. Mit dem ebenfalls im Vergleich erprobten Resound Vea 270 (Festbetragsgerät) hätte er in Ruhe ebenfalls 80 %, im Störgeräusch 75 % verstehen können. In dieser Messsituation sei das Verstehen mit dem Festbetragsgerät zumindest im Störgeräusch besser. Auch wenn das Festbetragsgerät messtechnisch sogar besser gewesen sei, sei eine zufriedenstellende Versorgung für den Alltag des Klägers mit Festbetragsgerät kaum möglich. Für das Verstehen im Alltag würden wegen der akustischen Besonderheiten im Sportunterricht und Umgang mit mehrfachbehinderten Kindern zusätzliche technische Eigenschaften benötigt, die marktübliche Festbetragsgeräte nicht bieten könnten. Es könnte daher kein Alternativmodell benannt werden, das für den Kläger geeignet wäre und marktüblich zum Festbetrag angeboten werden könnte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 5. Juli 2017 Bezug genommen.
Das SG hat den Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 15. März 2016 in Gestalt des mit der Klageerwiderung vom 17. August 2016 erteilten Widerspruchsbescheides aufgehoben. Es hat den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2014 insoweit aufgehoben, als mit ihm sinngemäß über den Festbetrag hinausgehende Leistungen abgelehnt worden sind. Die Beklagte wurde verurteilt, den Kläger unter Anrechnung des bereits bewilligten Festbetrages und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Eigenleistungen beidseitig mit Hörgeräten mit folgenden, dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden, besonderen Ausstattungsmerkmalen zu versorgen: Unterdrückung variierender Hintergrundgeräusche, Impulsschallunterdrückung, nach Schallunterdrückung, Windgeräuschunterdrückung, Schallrichtungserkennung. Die form- und fristgerecht erhobene Klage sei statthaft und zulässig. Zwar fehle es im zeitlichen Anschluss an das gegen die Beigeladene betriebene Gerichtsverfahren S 31 R 5 106/14 an einer ausdrücklichen Bescheidung durch die Beklagte und erst recht an der Durchführung des nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) als Klagevoraussetzung geforderten Widerspruchsverfahrens. Die Kammer vermöge allerdings unter Berücksichtigung des Hintergrundes, nämlich des Ausgangs des gegen die Beigeladene geführten Rechtsstreits, die Entscheidung vom 15. März 2016 als genügend bestimmte Ablehnung aufzufassen. Die Beklagte habe mit ihrer ablehnenden Überprüfungsentscheidung, verbunden mit dem unter demselben Datum ergangenen Hinweis, eine Entscheidung unter Heranziehung des
SGB VI sei nicht zutreffend, hinreichend sicher zum Ausdruck gebracht, für die vom Kläger begehrten berufsbedingten Mehrkosten der Hörgeräteversorgung nicht aufkommen zu können. Die Kammer halte es für nicht tunlich, zunächst eine sich auf eine Pflicht der Beklagten zum Erlass eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes beschränkte Entscheidung zu treffen. Da sich die Beklagte durch die Klageerwiderung und die weiteren Schriftsätze im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens auch inhaltlich zur Sache eingelassen habe, könnte ausnahmsweise in der Klageerwiderungsschrift vom 17. August 2016 ein hinreichend bestimmter Widerspruchsbescheid gesehen werden. Ebenso wenig käme eine Klageabweisung im Hinblick darauf in Betracht, zunächst das Widerspruchsverfahren gegen den Überprüfungsbescheid vom 15. März 2016 durchzuführen. Die Klage sei in der Sache auch begründet. Die Beklagte sei unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, den Kläger mit einem Hörgerät mit bestimmten Ausstattungsmerkmalen zu versorgen. Da der Kläger auf dem zwischenzeitlich neuen Stand der Hörgerätetechnik die erforderlichen Testungen noch nicht abgeschlossen habe, wäre eine weitergehende Konkretisierung im Sinne der Verurteilung untunlich, bereits ein ganz bestimmtes Hörgerätesystem vorzusehen. Im Falle des Klägers sei die von der Beklagten bisher sichergestellte Festbetragsversorgung nicht ausreichend geeignet, die geforderte bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen gesondert zu bewirken. Bestmögliche Angleichung könne bei alledem auch berufliche Belange betreffen. In diesem Sinne sehe § 33
Abs. 8
Nr. 4
SGB IX Kostenübernahme auch für solche Hilfsmittel vor, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg zum oder vom Arbeitsplatz sowie am Arbeitsplatz erforderlich seien. Beim Kläger gehe es um die besonderen Anforderungen in seiner Tätigkeit als Sportlehrer an einer Förderschule. Diese besonderen Anforderungen würden es bedingen, Hörgeräte zur Verfügung zu stellen, die bestimmte Ausstattungsmerkmale aufweisen würden. Das SG folgte bei dieser Einschätzung den Ausführungen der Hörgeräteakustikerin I. in ihrem Gutachten vom 5. Juli 2017. Die Beklagte sei leistungspflichtig auch für die den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten, weil sie sich durch die mit Bescheid vom 14. Mai 2014 erfolgte Bewilligung des Festbetrages in Höhe von 1.614,- Euro abzüglich der vom Kläger zu leistenden Zuzahlung in Höhe von 20,- Euro auf ihre Zuständigkeit als Rehabilitationsträger festgelegt habe. Zwar sehe es das
BSG als denkbar an, im Falle der Hörgeräteversorgung den die Grundversorgung sicherstellenden Festbetrag zu bewilligen und durch unverzügliche Weiterleitung im Sinne des § 14
Abs. 1
SGB IX den für die vom Festbetrag inhaltlich zu trennenden Mehrkosten zuständigen Rehabilitationsträger als leistungspflichtig zu bestimmen. Zwar könne die Beklagte die vom
BSG für den Fall der rechtzeitigen Weiterleitung gesehene Freistellung von einer eventuellen Zuständigkeit für die Mehrkosten grundsätzlich für sich reklamieren, nicht jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hier eingetretenen Fortgangs. Die Kammer sehe in Anbetracht dieser Besonderheiten einen Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, sich fortwirkend auf den Umstand der rechtzeitigen Weiterleitung zu berufen. Erst Recht müsste die Berufung der Beklagten auf die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers in Anbetracht der Rücknahme der Bescheide der Beigeladenen in dem Erörterungstermin zum Az. S 31 R 5 106/14 am 30. Oktober 2015 problematisch erscheinen, sei dies auch verknüpft mit der von der Beklagten selbst nicht geteilten Auffassung, die KK als erstangegangenen Träger selbst dann anzusehen, wenn der Antrag in Bezug auf die Mehrkosten innerhalb der Prüfungsfrist weitergeleitet worden sei. Mit der gerade im Hinblick auf die angenommene Zuständigkeit der Beklagten geschehene Aufhebung stelle sich die Weiterleitung im Verhältnis zum Versicherten als im Ergebnis gescheitert dar. Es bestehe kein Hindernis für eine Kostenübernahmepflicht der Beklagten dadurch, dass der Kläger gegenüber dem Hörgeräteakustiker K. am 9. Mai 2014 eine Erklärung unterschrieben hätte, Mehrkosten selbst zu tragen. Die Mehrkosten seien beruflich bedingt und beträfen in Gestalt der Echo-Unterdrückung, der Mehrkanaligkeit, des stärkeren Windmanagements, der Funkschnittstelle sowie der Impulsunterdrückung Merkmale des Bedienungskomforts. Die Erklärung vom 9. Mai 2014 stelle keinen sozialversicherungsrechtlichen bedeutsamen Verzicht dar.
Gegen das am 18. Oktober 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. November 2017 beim Landessozialgericht (
LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt. Insbesondere die Auffassung des SG, es sei nicht tunlich, zunächst eine sich auf eine Pflicht der Beklagten zum Erlass eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes beschränkte Entscheidung zu treffen, könne nicht gefolgt werden. Dies sei gerade zwischen den Beteiligten streitig. Bei der Umdeutung des Schreibens der Beklagten vom 15. März 2016 in eine genügend bestimmte Ablehnung vor dem Hintergrund des Ausgangs des gegen die Beigeladene geführten Rechtsstreits verkenne das Gericht, dass es sich bei der im Rahmen der nicht-öffentlichen Sitzung des SG Stade vom 30. Oktober 2015 getätigten Äußerung lediglich um eine Rechtsmeinung des zuständigen Richters gehandelt habe, es an einer Entscheidung, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine Entscheidung über sämtliche Ansprüche nach dem
SGB V und dem
SGB VI habe, aber mangele. Fraglich erscheine zudem, aus welchem Grund die Beklagte zum damaligen Verfahren nicht beigeladen worden sei. Das Dargestellte könne nicht dazu führen, dass in der Folge die Klageerwiderungsschrift vom 17. August 2016 als hinreichend bestimmter Widerspruchsbescheid gesehen werden könnte. Eine Klagabweisung käme im Hinblick darauf, dass zunächst das Widerspruchsverfahren gegen den Überprüfungsbescheid vom 15. März 2016 durchzuführen sei, nicht in Betracht. Das Gericht verkenne hierbei in seiner Entscheidung, dass das Widerspruchsverfahren betreffend den Überprüfungsbescheid einvernehmlich bis zum Abschluss der Bescheidungsklage ruhend gestellt worden sei. Eine sinngemäße Umdeutung der Klageerwiderungsschrift vom 17. August 2016 gehe aus diesem Grund fehl. Die Klage sei bereits aus dem Grund unzulässig, da das Widerspruchsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Weiterhin werde darauf hingewiesen, dass dem SG in seinem Urteil vom 16. Oktober 2017 allenfalls eine Verpflichtung zur Neubescheidung im Rahmen des Überprüfungsantrages gemäß § 44
SGB X möglich gewesen wäre. Eine darüber hinausgehende Entscheidung stelle eine Kompetenzüberschreitung dar. Zudem werde mitgeteilt, dass der Kläger die am 14. Mai 2014 bewilligte Versorgung bislang nicht in Anspruch genommen habe. Die Beklagte teilte zudem mit, dass der Kläger über seinen Hörgeräteakustiker einen erneuten Kostenvoranschlag, der auf den 4. Januar 2018 datiere und die beidseitige Versorgung mit dem Hörgerät Opn 3 Ex Hörer Mini 60 (Gesamtkosten 3.718,- Euro) vorsehe, eingereicht habe. Dieser Kostenvoranschlag sei als erneuter Antrag zu bewerten. Die Beklagte hat zudem mitgeteilt, dass der Kläger im Januar 2018 nunmehr das Widerspruchsverfahren aufgenommen habe und eine Entscheidung über den Überprüfungsantrag begehre. Mit Schreiben vom 12. Januar 2018 hat die Beklagte daraufhin mitgeteilt, dass für die beruflichen Mehrkosten ein anderer Sozialleistungsträger zuständig sei. Deshalb sei der Antrag an die beigeladene DRV weitergeleitet worden. Dieser Sozialleistungsträger habe über den Antrag abschließend zu entscheiden. Dagegen hat sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 26. Januar 2018 gerichtet, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 zurückwies. Mit Schreiben vom 4. März 2016 habe der Kläger einen Antrag auf Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 14. Mai 2014 gemäß § 44
SGB X gestellt. Mit Bescheid vom 5. März 2016 habe die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass nicht ersichtlich sei, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Die Entscheidung der Beklagten, den Überprüfungsantrag vom 4. März 2016 gemäß § 44
Abs. 1
SGB X zum bindend gewordenen Bescheid vom 14. Mai 2014 abzulehnen, sei nicht zu beanstanden. Der Widerspruch könne somit keinen Erfolg haben und werde zurückgewiesen.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 16. Oktober 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und diese zu verurteilen, dem Kläger die über den Eigenanteil hinausgehenden Kosten für zwei Hörgeräte vom Typ Opn 3 Ex-Hörer Mini 60 nebst zugehöriger Passstücke und Ex-Hörer von 3.718,- Euro zu erstatten.
Er habe sich zwischenzeitlich für ein anderes Hörgerät entschieden. Dieses gehöre weder zu den teuersten Geräten noch zur zweiten Kategorie; es handele sich um ein Gerät der drittteuersten Kategorie. Der Kläger habe damit das erstinstanzliche Urteil umgesetzt, es handele sich bei dem Kostenvoranschlag aus dem Januar 2018 nicht um einen neuen Antrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Vorliegend konnte eine Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155
Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124
Abs. 2
SGG getroffen werden.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 9. Oktober 2017 ist aufzuheben. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch, unter Anrechnung des bereits bewilligten Festbetrages und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Eigenleistungen, mit einem dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden, besondere Ausstattungsmerkmale aufweisenden Hörgerät beidseits versorgt zu werden. Er hat in diesem Verfahren auch keinen Anspruch auf Erstattung der über den Eigenanteil hinausgehenden Kosten für ein Hörgerät beidseits vom Typ Opn3 Ex-Hörer Mini 60 in Höhe von insgesamt 3.718,- Euro.
Streitgegenstand dieses Rechtsstreits ist die Kostenübernahme der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten für eine Versorgung mit dem Hörgerät Typ von Phonak Bolero Q90-312 durch die Beklagte. Bei dem am
LSG anhängigen Streitstoff geht es ausschließlich um die Übernahme der Kosten durch die Beklagte und nicht mehr durch die Beigeladene. Der gegen die Beigeladene geführte Rechtsstreit ist bereits rechtsverbindlich einvernehmlich zwischen den Beteiligten des am SG anhängigen Rechtsstreits S 31 R5 106/14 für erledigt erklärt worden, so dass eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen zur Übernahme der Kosten in diesem Rechtsstreit von vornherein nicht in Betracht kommt.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist im Verhältnis zu der vom Kläger in Anspruch genommenen Beklagten der Bescheid vom 14. Mai 2014, mit dem die Beklagte dem Kläger für die begehrte Hörgeräteversorgung einen Festbetrag in Höhe von 1.614,- Euro genehmigte, sowie der Bescheid vom 15. März 2016, mit dem die Beklagte eine Entscheidung über die berufsbedingten Hörgeräte-Mehrkosten mit dem Hinweis auf die Weiterleitung an die Beigeladene ablehnte, dieser in Gestalt des später im Berufungsverfahren erlassenen Überprüfungsbescheides vom 12. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2018. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nicht die für das Verhältnis des Klägers zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 24. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014. Eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75
Abs. 5
SGG kommt nicht in Betracht und würde voraussetzen, dass der Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt (
vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl., § 75 Rn. 18b); dies ist vorliegend jedoch der Fall.
Eine Entscheidung über die berufsbedingt verbesserte Hörgeräteversorgung ist zunächst von der Beigeladenen als rentenversicherungsrechtlicher Leistungsträger getroffen worden, und zwar in Kenntnis der Leistungsbeschränkung der Beklagten auf den Festbetrag (
§§ 36,
12 Abs. 2 SGB V,
vgl. Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2014). Allerdings war der Leistungsantrag des Klägers aus dem Mai 2014 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des
§ 14 SGB IX nicht als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten. Eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beigeladenen war bereits im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zum Kläger ausgeschlossen. Vielmehr ist die erstangegangene Beklagte im Verhältnis zum Kläger allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden und auch nach Bewilligung des Festbetrages geblieben.
Das Bundessozialgericht (
BSG) hat in seiner Entscheidung vom 24. Januar 2013,
B 3 KR 5/12 R (zitiert nach juris) mit Blick auf die Zweckrichtung des § 14
SGB IX ausgeführt: der Antrag richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des
BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen im Sinne von § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX. Dabei geht es nach der Auslegungsregelung des § 2
Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einen Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages (Normalversorgung, § 12
Abs. 2
SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung (Premiumversorgung), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen im Mai 2014 gestellten Antrag an die Beklagte auszugehen. Insofern kann bereits an dieser Stelle gesagt werden, dass die Beklagte nicht berechtigt war, den Antrag nach Genehmigung des Festbetrages an die Beigeladene weiterzuleiten und sich darauf zu berufen, dass angesichts der Weiterleitung des Antrages eine Entscheidung durch sie nicht mehr zu treffen sei.
In der Genehmigung des Festbetrages mit Bescheid vom 14. Mai 2014 ist konkludent die Verweigerung der Übernahme der (berufsbedingten) Mehrkosten der begehrten Hörgeräteversorgung zu sehen, der prinzipiell mit Einlegung eines Widerspruchs begegnet werden kann.
Nach Ablehnung seines Begehrens mit Bescheid der Beigeladenen vom 24. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2014 richtete sich der Kläger erneut mit Schreiben vom 7. Januar 2016 an die Beklagte mit der Aufforderung, eine rechtsmittelfähige Entscheidung über die Hörgeräteversorgung zu treffen. Bereits dieses Schreiben hätte die Beklagte zumindest zu einer Überprüfung des Leistungsbegehrens des Klägers veranlassen müssen. Da der Kläger dem Bescheid vom 14. Mai 2014 nicht mit einem Widerspruch begegnete, dieser demnach bestandskräftig geworden ist, wäre die Auslegung des Schreibens vom 7. Januar 2016 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB naheliegend gewesen. Eine Entscheidung über den Überprüfungsantrag ist jedenfalls vor Klageerhebung nicht erfolgt. Demnach war die vor dem SG erhobene Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung am 22. April 2016 unter Berücksichtigung der konkreten Antragstellung unzulässig.
Das Urteil des SG vom 9. Oktober 2017 ist nicht zuletzt auch deshalb aufzuheben, weil das SG mit seinem Urteilstenor über das beantragte Ziel (Übernahme der Kosten für das beantragte Hörgerät Phonak Bolero Q 90-M312
bzw. Entscheidung über den § 44 SGB X-Antrag) hinausgegangen ist.
Der Umstand, dass der Kläger von der ursprünglichen im Mai 2014 beantragten Versorgung abgesehen hatte und nunmehr unter Vorlage eines erneuten Kostenvoranschlages vom 4. Januar 2018 die beidseitige Versorgung mit dem Hörgerät Opn 3 Ex-Hörer Mini 60
bzw. Kostenerstattung für dieses Hörgerät begehrt, führt dazu, dass der Rechtsstreit letztendlich seine Erledigung gefunden hat. Insofern musste das Berufungsgericht auch über den noch erstinstanzlich gestellten Antrag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung nicht mehr entscheiden.
Sofern der Kläger nunmehr die Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten für die Hörgeräte vom Typ Opn 3 Ex-Hörer Mini 60 begehrt, ist er auf die Durchführung eines neuen Verwaltung-
bzw. Widerspruchsverfahrens zu verweisen. Die Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit dieser Versorgung lässt sich nicht in dem hier anhängigen Rechtsstreit klären. Die Beklagte wird jedoch in diesem neuen Verwaltungsverfahren die bereits oben aufgestellten Maßstäbe, die in der Rechtsprechung des
BSG entwickelt worden sind, zu berücksichtigen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG. Angesichts der Veranlassung dieses Verfahrens wird eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte als gerechtfertigt angesehen.
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 160
Abs. 2
SGG), sind nicht ersichtlich.