Urteil
Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten einer Hörgeräteversorgung

Gericht:

LSG Niedersachsen-Bremen


Aktenzeichen:

L 4 KR 577/17


Urteil vom:

12.06.2020


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 23. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsweg:

SG Osnabrück, Urteil vom 23. Oktober 2017 - S 46 KR 703/15

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Mehrkosten einer Hörgeräteversorgung hat.

Der 1959 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse (KK) gesetzlich krankenversichert. Er übt eine Tätigkeit als Jugendreferent in der kirchlichen Jugendarbeit aus. Seit dem Jahr 2004 ist er auf eine beidseitige Hörgeräteversorgung angewiesen. Er leidet unter einer angeborenen Innenohrschwerhörigkeit beidseits (ICD-10 H90.5). Am 27. Januar 2014 erfolgte zum Zwecke der Folgeversorgung auf der Grundlage der ohrenärztlichen Verordnung des Facharztes für HNO Dr. G. vom 6. Dezember 2013 eine Hörgeräteanpassung bei dem Hörgeräteakustiker H., I ... Ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts des Hörgeräteakustikers vom 17. Juli 2014 wurden Hörgeräte des Typs Oticon/Meditrend SoniTon Personal 1, Bernafon Inizia CP (eigenanteilsfrei), Audio Service Duo 4 (eigenanteilsfrei), GN Resound Verso 9 und Unitron Quantum Flex getestet. Bei dem Hörgerätesystem Oticon ergab sich im Nutzschall 65 dB ein Sprachverstehen von 85 % und im Störschall 60 dB von 70 %. Bei dem Hörsystem Bernafon ergab sich im Nutzschall 65 dB ein Sprachverstehen von 80 % und im Störschall 60 dB von 70 %. Ausweislich des Kostenvoranschlages des Hörgeräteakustikers vom 25. Juli 2014 belaufen sich die Kosten für die Versorgung mit dem Oticon auf insgesamt 5.052,- Euro.

Unter dem 8. August 2014 erklärte die Beklagte für das Hörgerätesystem Oticon die Übernahme des Festbetrages in Höhe von insgesamt 1.594,- Euro (720,50 Euro und 873,50 Euro). Beide Bescheide vom 8. August 2014 enthielten den Hinweis, dass der Antrag auf eine höherwertige Hörgeräteversorgung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gemäß § 14 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an die KK weitergeleitet worden sei. Die Weiterleitung sei jedoch nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 14-Tagefrist erfolgt und somit nicht zulässig. Im Anschluss an die Prüfung und Festsetzung der Kostenübernahme sei der Antrag erneut an die DRV zurückgeschickt worden. Die DRV entscheide abschließend über eine Kostenübernahme der noch verbleibenden beruflich bedingten Mehrkosten.

Im August 2014 erwarb der Kläger das in Rede stehende Hörgerät und beglich die Rechnung gegenüber der Hörgeräteakustikerin, abzüglich des von der Beklagten geleisteten Festbetrages.

Mit Bescheid vom 27. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2014 verneinte die DRV einen Anspruch auf einen beruflich bedingten Mehrbedarf. Eine Hilfsmittelgewährung könne nur in Betracht kommen, wenn eine auf besonders gute Hörfähigkeit angewiesene berufliche Tätigkeit ausgeübt werde oder wegen der besonderen spezifischen Verhältnisse am Arbeitsplatz notwendig sei. Die beruflichen Anforderungen in der Tätigkeit als Jugendreferent würden sich nicht von den im Berufsleben üblicherweise gegebenen Bedingungen unterscheiden. Die persönlich und telefonisch geführte Kommunikation mit anderen Menschen sowie die Verständigung bei Gruppenveranstaltungen, auch unter dem Vorhandensein einer Geräuschkulisse und unter besonderen raumakustischen Höranforderungen, wie z.B. in großen Räumen, gehöre zu fast jedem Berufsbereich und könne daher die für eine Leistung des Versicherungsträgers geforderte spezifische Notwendigkeit nicht begründen. Es werde nicht bestritten, dass das Hörvermögen durch spezielle Hörgeräte, die den Festbetrag der KK übersteigen würden, optimiert werden könnte. Eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers ergebe sich nur, wenn am Arbeitsplatz spezielle zusätzliche Anforderungen bestünden, die über die Anforderungen für jeden Arbeitsplatz hinausgehen würden. Die dagegen erhobene Klage vom 31. Dezember 2014, Az. S 15 R 686/14, in dem die beklagte KK beigeladen war, wurde nach gerichtlicher Verfügung vom 30. April 2015, in der auf die Reichweite des § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) hingewiesen wurde, am 23. Juni 2015 zurückgenommen.

Im gerichtlichen Verfahren mit dem Az. S 15 R 686/14 hat die Hörgeräteakustikerin H. eine Stellungnahme abgegeben. Ausweislich dieser Stellungnahme vom 23. Februar 2015 könne der Kläger mit den Geräten, welche komplett von der KK übernommen würden, erst einmal ein ähnliches Ergebnis erreichen. Allerdings sei das Hören mit einem 4-Kanal-Gerät deutlich anstrengender als mit einem 16-Kanal-Gerät. Je mehr Kanäle das Gerät besitze, desto ruhiger und präziser sei die Signalverarbeitung. Dies mache sich vor allem in unruhiger, mit mittleren und starken Nebengeräuschen behafteter Umgebung bemerkbar. Da der Kläger fast täglich in einer solchen unruhigen Umgebung arbeite und das über mehrere Stunden, seien die Ermüdungserscheinungen mit einem 4-Kanal-Gerät deutlich früher zu spüren als mit dem Gerät mit der höheren Verarbeitungskanalzahl. Kommunikation sei ein sehr wichtiges Instrument in dem Beruf des Klägers, sodass hier auf eine optimale Versorgung Wert gelegt werden müsste. Die gewählten Hörgeräte seien ausgestattet mit Speeds Guard 2.0, einem adaptiven mehrkanaligen Kompressionsverfahren, das Sprache immer so linear wie möglich verstärke. Durch den größeren Dynamikbereich sei es einfacher, sich im Stimmengewirr auf einen Sprecher zu fokussieren. Bei auftretendem Impulsschall werde der Schall kurzfristig stärker komprimiert. Durch den Einsatz von YouMatic könnten die Klangvorlieben und die Signalverarbeitung an die Hörleistung und Informationsverarbeitung des Nutzers angepasst werden. YouMatic steuere die Direktionalität, das Lärm-Management und die Kompression. Der Kläger befinde sich täglich in mehrfach wechselnder Hörsituation, daher habe er es als wichtig erachtet, Geräte mit einer binauralen Signalverarbeitung und Synchronisation zu haben, um schnell und unauffällig seine Geräte den jeweiligen Umgebungsbedingungen anpassen zu können.

Der Kläger wandte sich nach Abschluss des gegen den Rentenversicherungsträger geführten gerichtlichen Verfahrens erneut an die beklagte KK und stellte am 23. Juni 2015 einen Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 8. August 2014.

Die Beklagte legte den Antrag des Klägers als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus. Sie beauftragte die Hörgeräteakustikerin Schmidt mit einer Stellungnahme zur beantragten höherwertigen Hörgeräteversorgung. Unter dem 12. August 2015 teilte die Hörgeräteakustikerin mit, dass eine Kostenübernahme in Höhe des Vertragspreises von 1.614,- Euro empfohlen werden könnte. Orientiert an den vorliegenden Messungen und Dokumentationen bestehe bei dem Kläger eine Schwerhörigkeit beidseits. Das getestete Wunschgerät Oticon entspreche den technischen Anforderungen. Hörgeräte, die für die Versorgung von schwerhörige Patienten entwickelt würden, müssten über folgende Features verfügen: Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung, mindestens 3 Hörprogramme, Verstärkungsleistung ( 75 dB, Mehrmikrofontechnik. Mit dem Wunschgerät könnte in Ruhe ein Sprachverstehen von 85 % erreicht worden, im Störlärm von 70 %. Mit dem zuzahlungsfreien Gerät Inizia 1 könnte in Ruhe ein Sprachverstehen von 80 % und im Störlärm von 70 % erzielt werden. Ein Unterschied in Ruhe von 5 % werde als Meßtoleranz gewertet und könnte akzeptiert werden. Das zuzahlungsfreie Gerät sei mit 9 Kanälen besser ausgestattet als nach vertraglichen Grundlagen notwendig. Die Beschreibung des Versicherten sei ein Standardschreiben und entspräche nicht den vorliegenden Messergebnissen. Der Versicherte beschreibe, dass er nur mit dem Wunschgerät im Störgeräusch und in größeren Gruppen ein ausreichendes Sprachverstehen erreiche. Wie oben beschrieben werde aber mit dem Wunschgerät und dem zuzahlungsfreien Gerät ein gleiches Ergebnis von 70 % im Störgeräusch erreicht. Eine Begründung zur höherwertigen Versorgung werde nicht erkannt. Aufgrund der vorliegenden Schwerhörigkeit sei der Versicherte optimal eigenanteilsfrei versorgbar.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 25. August 2015 den Überprüfungsantrag abgelehnt. Die Entscheidung vom 8. August 2014 sei weiterhin richtig. Die beantragten Mehrkosten für eine höherwertige Hörgeräteversorgung könnten nicht übernommen werden. Da das SG der Auffassung gewesen sei, dass die KK als erstangegangener Träger zuständig sei, sei auch nach rentenrechtlichen Vorschriften zu prüfen. Der Antrag sei daher auch nach den Vorschriften der DRV abzulehnen.

Dagegen richtete sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 26. August 2015, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2015 zurückwies. Bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 8. August 2014 sei das Recht weder unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweise. Anlässlich der Versorgung mit den Hörgeräten Typ Oticon zum Gesamtpreis von 5.052,- Euro habe die Beklagte den nach § 36 SGB V festgesetzten Festbetrag in Höhe von 1.614,- Euro übernommen. Ein darüber hinausgehender Leistungsanspruch bestehe nicht. Die mit 5.052,- Euro deutlich über den Festbetrag von 1.614,- Euro hinausgehenden Kosten würden auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Dezember 2009, Az. B 3 KR 20/08 R das Maß des Notwendigen überschreiten. Ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 8. August 2015 habe daher nicht bestanden. Eine Hilfsmittelgewährung käme nur in Betracht, wenn eine auf besonders gute Hörfähigkeit angewiesene berufliche Tätigkeit ausgeübt werde oder wegen der besonderen berufsspezifischen Verhältnisse am Arbeitsplatz notwendig sei. Die beruflichen Anforderungen des Klägers in der Tätigkeit als Jugendreferent würden sich nicht von denen im Berufsleben üblicherweise gegebenen Bedingungen unterscheiden. Die persönlich und telefonisch geführte Kommunikation mit anderen Menschen sowie die Verständigung bei Gruppenveranstaltungen, auch unter dem Vorhandensein einer Geräuschkulisse und unter besonderen raumakustischen Höranforderungen, wie z.B. in großen Räumen, gehöre zu fast jedem Berufsbereich und könne daher die für die Leistung des Versicherungsträgers geforderte spezifische Notwendigkeit nicht begründen. Es werde zwar nicht bestritten, dass das Hörvermögen durch spezielle Hörgeräte, die den Festbetrag der KK übersteigen würden, optimiert werden könnte. Eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers ergebe sich nur, wenn am Arbeitsplatz spezielle zusätzliche Anforderungen bestehen würden, die über die Anforderungen für jeden Arbeitsplatz hinausgehen würden. Der von der KK geschuldete Behinderungsausgleich bemesse sich danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht werde. Das BSG habe zum Umfang des gesetzlichen Anspruchs aufs Hilfsmittelversorgung mit Hörgeräten in der grundlegenden Entscheidung vom 17. Dezember 2009 u.a. folgendes festgestellt: Die Versorgung mit Hörgeräten diene dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Für diesen gelte das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen Fortschritts. Ziel der Versorgung sei die Angleichung an das Hörvermögen gesunder Menschen. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werde jedoch durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Die KKen seien nicht dazu verpflichtet, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen seien danach z.B. Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet sei, wenn die funktionellen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen und nicht im gesamten täglichen Leben zum Tragen kämen oder wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenüberstehe. Keine Leistungspflicht bestehe auch für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen. Dasselbe gelte für lediglich ästhetische Vorteile. Vorliegend seien dem Kläger mit dem Gerät Bernafon Inizia 1 Hörgeräte zum Vertragspreis angeboten worden. Mit diesem Hörsystem habe in Ruhe ein Sprachverstehen von 80 % und im Störschall von 70 % bestanden. Im Vergleich dazu habe der Kläger mit dem Wunschgerät in Ruhe 85 % und im Störschall 70 % verstanden. Eine signifikante Verbesserung sei nicht gegeben. Auch die technische Beraterin der Beklagten sei zu der Beurteilung gelangt, dass eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung zum Vertragspreis sichergestellt werden könnte. Das aufzahlungsfreie Gerät sei mit neun Kanälen besser ausgestattet als vertraglich nötig.

Der Kläger hat am 27. November 2015 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Er hat weiterhin begehrt die Erstattung der Mehrkosten für das Hörgerätesystem SoniTon Personal 1 in Höhe von insgesamt 3.718,- Euro. Wie sich aus der Stellungnahme der Hörgeräteakustikerin H. vom 23. Februar 2015 ergebe, könnte durch das beantragte Hörgerät beim Kläger eine optimale Verbesserung der Hörsituation erreicht werden. Besonders hervorzuheben sei, dass er durch die Versorgung mit dem Gerät eine wesentlich artikuliertere Aussprache habe. Dies erleichtere wesentlich die Kommunikation mit seinen Mitmenschen sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht. Besonders bei der Ausübung der Tätigkeit käme es aufgrund der neuen Geräte zu einer geringeren Belastung des Klägers. Störende Geräusche würden von ihm nicht mehr als unangenehm empfunden. Ursächlich dafür sei das effektive Akustiksystem der Hörgeräte sowie die schnell einsetzende Impulsschallunterdrückung, die weit über die einfache Störschallunterdrückung der Basisgeräte hinausgehe. Deshalb stehe fest, dass kein anderes als das streitgegenständliche Gerät die Hörschädigung des Klägers optimal ausgleichen könnte.

Das SG hat mit Urteil vom 23. Oktober 2017 die Klage abgewiesen. Die als kombinierte Anfechtung-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 25. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2015 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die bestandskräftigen Bescheide vom 8. August 2014 zurückgenommen würden, da er keinen Anspruch auf Übernahme weitergehender Kosten für die selbstbeschafften Hörgeräte habe. Dabei könne es dahinstehen, ob der Antrag vom 23. Juni 2015 als Widerspruch ausgelegt werden müsste. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei nach dem Wortlaut sowohl auf unanfechtbare als auch auf anfechtbare Verwaltungsakte anwendbar. Die Bescheide vom 8. August 2014 seien rechtmäßig, der Kläger habe keinen über den Festbetrag hinausgehenden Anspruch auf Erstattung der Kosten für die selbstbeschafften Hörgeräte aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V. Danach seien dem Versicherten die für eine selbstbeschaffte Leistung entstandenen Kosten zu erstatten, wenn die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe, die Leistung notwendig gewesen sei und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien. Grundvoraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs sei somit ein Sach- bzw. Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasse nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Hilfsmitteln. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien. Dieser Anspruch sei von der KK grundsätzlich in Form einer Sachleistung zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfülle, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt sei. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen würden die KKen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern abschließen. Beim Behinderungsausgleich unterscheide man zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich. Beim mittelbaren Behinderungsausgleich seien die Leistungspflichten der KKen dahingehend zu beschränken, dass sie nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen ausgleichspflichtig seien. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich hingegen sei die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich auf das Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs gerichtet. Im Vordergrund stehe dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen. Davon sei auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermögliche, ersetze oder erleichtere. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gelte das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Deshalb könnten KKen ihren Versicherten Hörgeräte z.B. nicht ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache zur Verfügung stellen. Teil des möglichst vollständigen Behinderungsausgleich sei es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Begrenzt sei der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Ausgeschlossen seien Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet sei. Mehrkosten seien anderenfalls selbst zu tragen. Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV sei eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt sei, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative biete. Keine Leistungspflicht bestehe dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen würden, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gelte für lediglich ästhetische Vorteile. Außerdem könne eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen könnten. Weitere Grenzen der Leistungspflicht könnten schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenüberstehe.

Im vorliegenden Fall fehle es an dem Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit dem vom Kläger gewählten, den Festbetrag überschreitenden Hörgerät, da durch das vom Kläger gewählte, nicht aufzahlungsfreie Hörgerät lediglich ein geringfügiger, nicht objektivierbarer Gebrauchsvorteil gegenüber dem aufzahlungsfreien Gerät, das zu einem Festbetrag erhältlich sei, erreicht werde. Dies ergebe sich zunächst aus dem Bericht des Hörgeräteakustikers vom 27. Januar 2014, nach dem bei dem aufzahlungsfreien Hörgerät ein Sprachverstehen im Freifeld bei einem Nutzschall von 65 dB von 80 % und bei einem Störschall von 60 dB von 70 % ermittelt werde. Das vom Kläger gewählte Gerät könnte demgegenüber lediglich ein leicht erhöhtes Sprachverstehen bei einem Nutzschall von 65 dB von 85 % - und damit nur fünf Prozentpunkte höher - aufweisen. Das Sprachverstehen betrage bei einem Störschall von 60 dB wie bei dem aufzahlungsfreien Gerät 70 %. Nach der Stellungnahme der Hörgerätemeisterin Schmidt vom 12. August 2015 sei das vom Kläger gewählte Hörgerät mit zehn Kanälen ausgestattet und somit mit einem Kanal mehr als das aufzahlungsfreie Gerät, jedoch habe das zuzahlungsfreie Gerät eine höhere Verstärkungsleistung von 63 dB bei 1,6 kHz, wohingegen das vom Kläger gewählte Gerät nur eine Verstärkungsleistung von 50 dB bei 1,6 kHz aufweise. Die Stellungnahme der Firma Hörgeräte H. vom 23. Februar 2015 sei hingegen nicht überzeugend, da diese lediglich beschreibe, dass das Hören mit einem 4-Kanal-Gerät deutlich anstrengender sei als das Hören mit einem 16-Kanal-Gerät und somit keine Aussage über eventuelle Gebrauchsvorteile des vom Kläger gewählten Gerätes gegenüber dem ebenfalls ausprobierten zuzahlungsfreien Gerät träfe. Zudem bestätige die Stellungnahme, dass mit den zuzahlungsfreien Geräten ein ähnliches Ergebnis erreicht werden könnte. Generell käme eine Kostenteilung zwischen KK (Festbetrag) und Rentenversicherungsträger (Mehrkosten) in Betracht, wenn ein technisch aufwändiges Hörgerät nur wegen der besonderen Anforderungen der ausgeübten Erwerbstätigkeit an die Hörfähigkeit des Versicherten benötigt, aber auch im Alltagsleben benutzt werde. Unabhängig davon, dass der Anspruch auf eine über den Festbetrag hinausgehende Hörgeräteversorgung nach § 10 SGB VI in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX bereits mit Bescheid der DRV vom 27. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2014 abgelehnt worden sei und dieser Bescheid durch die Klagerücknahme vom 23. Juni 2015 in dem Verfahren S 15 R 686/14 bestandskräftig geworden sei, bestehe auch kein diesbezüglicher Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Dies gelte ebenfalls unabhängig davon, dass die Weiterleitung des Antrags von der DRV an die Beklagte nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist geschehen sei. Der Kläger habe bezüglich des den Festbetrag übersteigenden Anteils seiner Hörgeräteversorgung keinen Anspruch auf Teilhabeleistung. Nach § 33 Abs. 1 SGB IX würden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen würden nach § 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX insbesondere sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben umfassen, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Davon umfasst seien nach § 33 Abs. 8 Nr. 8 SGB IX auch Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherung auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich seien, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe oder solche Leistungen als medizinische Leistungen erbracht werden könnten. Im vorliegenden Falle sei ein Anspruch ausgeschlossen, da unabhängig davon, ob aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Klägers ein Bedarf an einem qualitativ höherwertigen Hörsystem prinzipiell erforderlich sein könnte, die vom Kläger gewählten Hörgeräte gegenüber dem ebenfalls erprobten aufzahlungsfreien Hörgerät Inizia 1 keine objektivierbaren Gebrauchsvorteile bezüglich der beruflichen Tätigkeit aufweisen würden. Nach dem Bericht des Hörgeräteakustikers vom 27. Januar 2014 sei bei dem aufzahlungsfreien Hörgerät ein Sprachverstehen im Freifeld bei einem Nutzschall von 65 dB von 80 %, beim Störschall von 60 dB von 70 % ermittelt worden. Das vom Kläger gewählte Gerät weise demgegenüber lediglich ein leicht erhöhtes Sprachverstehen auf. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Jugendreferent allenfalls auf ein optimales Sprachverstehen im Störschall ankommen könnte und dieses bei beiden Geräten gleichwertig sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass nach der Stellungnahme der Hörgerätemeisterin Schmidt vom 12. August 2015 zwar das vom Kläger gewählte Hörgerät mit zehn Kanälen ausgestattet sei und somit ein Kanal mehr als das aufzahlungsfreie Gerät habe. Die Stellungnahme der Firma Hörgeräte H. führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Es werde ausgeführt, dass mit dem zuzahlungsfreien Gerät ein ähnliches Ergebnis erreicht werden könnte.

Gegen das am 30. Oktober 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. November 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet worden; eine Antragstellung erfolgte nicht.


Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine nähere Begründung ist nicht erfolgt.

Der Senat hat die Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Eine Stellungnahme des Klägers erfolgte nicht. Die Beklagte hat mit dieser Vorgehensweise ihr Einverständnis erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Vorliegend konnte eine Entscheidung durch den Senat gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) getroffen werden, da dieser die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet. Die Beteiligten sind zu dem beabsichtigten Vorgehen angehört worden.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend mit Urteil vom 23. Oktober 2017 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend mit ihren Bescheiden vom 8. August 2014 die Leistung auf die Gewährung des Festbetrages beschränkt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für Hörgeräte über den Festbetragspreis hinaus.

Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V. Da eine unaufschiebbare Leistung nicht vorgelegen hat, kommt eine Kostenerstattung nur in Betracht, wenn die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Diese sind von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die KK in allgemeiner Natur, als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist umgekehrt gegeben, wenn die KK die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hat und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn und soweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, zitiert nach juris).

Vorliegend hat die Beklagte ihre Leistungspflicht zu Recht auf den Festbetrag begrenzt und die Leistungserbringung für die vom Kläger begehrten Hörgeräte zu Recht abgelehnt. Wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat, besteht auch kein Anspruch gegenüber der DRV. Unstreitig steht fest, dass der Kläger unter einer angeborenen Innenohrschwerhörigkeit beidseits leidet.

Leistungen der gKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V, und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der KK grundsätzlich in Form einer Sachleistung zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die KKen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern. Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der BIHA und dem damaligen VdK/AEV im Jahr 2013 geltende Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages). Vorliegend ist der Beklagten die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers H. zugegangen, die ärztliche Verordnung des HNO-Arztes Dr. G. lag vor (6. Dezember 2013).

Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gKV ausgeschlossen sind. Hörgeräte sind keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der GKV ausgeschlossen. Sie dienen weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung. Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die KK nicht bewilligen. Sie sind zu leisten, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der KK geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

Beim Hörgerät geht es um einen sog. unmittelbaren Behinderungsausgleich: das Gerät soll die ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst ausgleichen. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Es gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Es kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weit entwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Beim Hören ist vielmehr geschuldet, dass für behinderte Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen eröffnet wird und ihnen dazu die erforderlichen Geräte zur Verfügung gestellt werden. Versicherte haben nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Ist eine bestimmte Hilfe notwendig im Sinne des Rechts der GKV, so hat der Versicherungsträger die Hörhilfe von Zuzahlung abgesehen in vollem Umfang zu gewähren.

Diese Maßstäbe gelten aber nur, wenn eine gegenüber dem Festbetragsgerät höherwertige Hörmittelversorgung medizinisch notwendig ist. Grundsätzlich erfüllt die KK mit der Zahlung des Festbetrages ihre Leistungspflicht (§ 12 Abs. 2 SGB V). Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag, der eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots darstellt, begrenzt die Leistungspflicht der GKV lediglich dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen. Es muss demnach eine vernünftige Relation zwischen dem Gebrauchsvorteil und den Mehrkosten gegeben sein. Wirtschaftlich im engeren Sinne ist nicht die billigere zweier notwendiger Leistungen, sondern diejenige mit der besten Kosten-Nutzen-Relation. Die Mehrkosten dürfen im Verhältnis zum medizinischen Vorteil nicht unangemessen hoch sein.

Ein entsprechender Behinderungsausgleich durch ein Hörgerät zum festgelegten Festbetrag war beim Kläger ausreichend. Eine Verbesserung, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer der kostengünstigeren Festbetragsalternativen bietet, bietet eine Versorgung mit der Kostenübernahme für das begehrte Hörgerät Typ Oticon nicht. Dies ergibt sich bereits aus den im Abschlussbericht der Hörgeräteanpassung mitgeteilten Messergebnissen für die angepassten Hörgeräte sowie aus der schlüssigen und widerspruchsfreien Stellungnahme der Hörgeräteakustikerin Schmidt vom 12. August 2015. Den Feststellungen der von der Beklagten beauftragten Sachverständigen schließt sich der Senat - ebenso wie bereits das erstinstanzliche Gericht - an. Insbesondere kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat unter dem Blickwinkel sämtlicher in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen den Sachverhalt und das Begehren des Klägers umfassend gewürdigt.

Zusammenfassend steht fest, dass insbesondere auch das getestete Gerät Typ Berafon Inizia 1, das aufzahlungsfrei zur Verfügung gestellt werden könnte, die technischen Mindestparameter erfüllt, teils sogar über diese hinausgeht. Das höherwertige Gerät Typ Oticon/Meditrend SoniTon Personal 1 hat demgegenüber einige Parameter, welche subjektiv ein komfortableres Hören erlauben könnten. Die Messergebnisse haben allerdings gezeigt, dass im wesentlichen identische Messergebnisse auch bei dem Festbetragsgerät im Zielkorridor für die erzielte objektive Sprachverständlichkeit erreicht werden konnten. Dieses Ergebnis hat letztendlich auch der Hörgeräteakustiker Steenweg in der Stellungnahme vom 23. Februar 2015 bestätigt. Ein wesentlicher Gebrauchsvorteil insbesondere auch in Bezug auf die konkret ausgeübte berufliche Tätigkeit lässt sich nicht erkennen.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch ein Anspruch aus §§ 13 Abs. 3a SGB V, 15 SGB IX (ab 01.01.2018: § 18 SGB IX; jeweils Fristversäumnis der KK) nicht in Betracht kommt. Denn die Normen sind nicht sachlich anwendbar, weil der Antrag an die Beklagte im Jahr 2014 von der DRV kam (nicht vom Kläger) und im Jahr 2015 ausdrücklich ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt wurde.

Der Berufung, die nicht begründet wurde, musste deshalb der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

Referenznummer:

R/R8908


Informationsstand: 22.08.2023