A.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 8
Abs. 2, 64
ArbGG statthafte Rechtsmittel. Der Beklagte hat die Frist zur Einlegung der Berufung sowie zur Begründung (§ 66
Abs. 1 Satz 1
i.V.m. Satz 5
ArbGG) eingehalten. Die Berufungsbegründung entspricht den Anforderungen des § 520
Abs. 3
ZPO.
B.
Die Berufung des Beklagten ist auch teilweise begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch die streitgegenständliche Kündigung vom 29.01.2015 aufgelöst, jedoch nicht zum 31.03., sondern erst zum 31.05.2015. Der Kündigung kommt "an sich" Rechtswirksamkeit zu. Die von der Klägerin geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe (
§ 6 KSchG) greifen allesamt nicht durch. Da die Kündigung jedoch erst am 01.02.2015 der Klägerin zugegangen ist, läuft die ihr zustehende Kündigungsfrist erst zum 31.05.2015 ab.
I.
Die Kündigung des Beklagten vom 29.01.2015 ist nicht wegen Verstoßes gegen § 242
BGB (Treu und Glauben) rechtsunwirksam. Die Darlegungslast hierfür liegt nach den allgemeinen Grundsätzen bei dem sich hierauf berufenden Arbeitnehmer. Aus dem Sachvortrag der Klägerin lässt sich eine Treuwidrigkeit der Kündigung nicht ableiten.
1. Die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist nicht per se treuwidrig. Der Grundsatz, auf den die Klägerin im Zusammenhang mit der ausgelaufenen Förderung ihres Arbeitsverhältnisses verweist: "Geld hat man zu haben" bedeutet nur, dass Ansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis bis zu dessen Beendigung durch die fehlende finanzielle Leistungskraft des Schuldners nicht berührt werden.
2. Auch die Neubesetzung des Arbeitsplatzes mit einem anderen Arbeitnehmer, vorliegend Frau S, begründet für sich keine Treuwidrigkeit. Relevanz erlangt diese Vorgehensweise des Arbeitgebers nur im Anwendungsbereich des
§ 1 KSchG (sogenannte Austauschkündigung).
II.
Die Kündigung erweist sich nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a
BGB als rechtsunwirksam. Auch insoweit trifft die Klägerin die Darlegungslast dahingehend, dass die Ausübung von Rechten ihrerseits den tragenden Grund für die Kündigung bildet (
BAG 23.04.2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 13). Hierzu hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Ihr Verweis auf die Ablehnung einer nachträglichen Befristung des Arbeitsvertrages reicht nicht aus. Bei diesem Angebot des Beklagten handelt es sich vielmehr um ein im Vergleich zu einer Beendigungskündigung "milderes Mittel" im Hinblick auf die für ihn bestehende Bindung an Förderrichtlinien des Landes Sachsen-Anhalt, die wiederum nur den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen zulassen. Außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1
KSchG war der Beklagte jedoch nicht verpflichtet, gegenüber der Klägerin eine diesbezügliche Änderungskündigung auszusprechen.
III.
Weiter scheitert die Kündigung nicht an dem Kündigungsverbot des
§ 85 SGB IX a.F., wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf.
1. Die Zustimmung des Integrationsamtes lag unstreitig bei Ausspruch der Kündigung vor.
2. Nicht erforderlich ist, dass der Bescheid des Integrationsamtes bei Ausspruch der Kündigung bereits Bestandskraft erlangt hat, wie sich aus
§ 88 Abs. 4 SGB IX a.F. ergibt. Die durch das Integrationsamt erteilte Zustimmung zur Kündigung entfaltet - es sei denn, sie wäre nichtig - für den Kündigungsschutzprozess solange Wirksamkeit, wie sie nicht bestands- oder rechtskräftig aufgehoben worden ist (
BAG 23.05.2013 -
2 AZR 991/11). Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid des Integrationsamtes nichtig sein könnte, sind nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war der Bescheid auch nicht rechtskräftig aufgehoben.
IV.
Der Beklagte hat die Kündigung auch nicht unter Verstoß gegen § 88
Abs. 3
SGB IX a.F., wonach die ordentliche Kündigung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides des Integrationsamtes auszusprechen ist, erklärt. Bedarf die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen außer der Zustimmung des Integrationsamtes einer Zulässigkeitserklärung nach § 18
Abs. 1 Satz 2 BErzGG und hat der Arbeitgeber diese vor dem Ablauf der Monatsfrist des § 88
Abs. 3
SGB IX beantragt, kann die Kündigung noch nach Fristablauf wirksam ausgesprochen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich erklärt, nachdem die Zulässigkeitserklärung nach § 18 BErzGG vorliegt (
BAG 24.11.2011 -
2 AZR 429/10).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte hat den Antrag nach § 18 BEEG innerhalb der Monatsfrist gestellt. Der Bescheid vom 29.01.2015 (Donnerstag) ist ihm zu Händen seines jetzigen Prozessbevollmächtigten am selben Tage um 17.21 Uhr per Fax zugestellt worden. Nach Vorlage des Fax-Protokolls (Bl. 284 d.A.) und der Stellungnahme der Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 02.02.2018 ist der Zugang bereits am 29.01.2015 als unstreitig anzusehen. Die Kündigung ist der Klägerin (spätestens) am Sonntag, 01.02.2015 durch Entnahme aus dem Briefkasten zugegangen. Der sich mithin maximal ergebende Zeitraum von 3 Tagen zwischen Eingang des Bescheides und Zugang der Kündigung lässt ein schuldhaftes Zögern (§ 121
Abs. 1 Satz 1
BGB) des Beklagten nicht erkennen.
V.
Der Beklagte hat die Voraussetzungen des § 18
Abs. 1 BEEG, wonach die Kündigung eines Arbeitnehmers in der Elternzeit der vorherigen Zulässigkeitserklärung der zuständigen Behörde bedarf, eingehalten.
1. Eine solche Erklärung lag in Form des Bescheides des Landesamtes für Verbraucherschutz vom 29.01.2015 vor. Der Zugang dieses Bescheides am selben Tage per Fax ist nach Vorlage des Fax-Protokolls seitens des Beklagten als unstreitig anzusehen.
2. Eine Bestandskraft des Bescheides vor Ausspruch der Kündigung ist nicht erforderlich. Wird der Bescheid von dem Arbeitnehmer durch Widerspruch
bzw. Klage angegriffen, so ist er bis zu einer gegenteiligen Entscheidung als "schwebend wirksam" anzusehen (
BAG 17.06.2003 - 2 AZR 245/02 zu § 9 MuSchG). Eine gegenteilige Entscheidung der Gerichte für Verwaltungssachen lag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vor.
VI.
Weiter steht der Kündigung nicht § 1
Abs. 2 und
Abs. 3
KSchG - Sozialwidrigkeit der Kündigung - entgegen. Diese Bestimmung findet gemäß
§ 23 Abs. 1 KSchG auf die Rechtsbeziehung der Parteien keine Anwendung. Voraussetzung für das Eingreifen des im Ersten Abschnitt des
KSchG geregelten allgemeinen Kündigungsschutzes ist nach der vorgenannten Bestimmung, dass im Betrieb des Arbeitgebers regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dieser Schwellenwert ist vorliegend - auch nach dem Sachvortrag der Klägerin - nicht überschritten. Die Darlegungs- und Beweislast insoweit liegt bei dem Arbeitnehmer. Der größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen (
BAG 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 - Rn. 12).
Auch nach dem Sachvortrag der Klägerin beläuft sich die Zahl der bei dem Beklagten regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer "nur" auf 10. Zwar benennt die Klägerin insgesamt (einschließlich ihrer selbst) 12 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Schriftsatz vom 01.09.2015. Aus ihrem Vorbringen ist jedoch nicht hinreichend substantiiert abzuleiten, dass mindestens 11 dieser Personen in einem Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten gestanden haben. Dies gilt zunächst für die von der Klägerin benannte Frau J. Nach dem Sachvortrag des Beklagten habe Frau J sich zum Zeitpunkt der Kündigung bereits seit 5 Jahren im Rentenstand befunden. Ergänzender Sachvortrag der Klägerin, der diesem Vorbringen entgegenstehen würde, ist von ihr nicht geleistet worden. Weiter benennt die Klägerin Frau S, die nach ihrem eigenen Vorbringen - die Klägerin verweist im Schriftsatz vom 30.06.2015, Seite 5 auf den Stellenplan des Beklagten - zum Zeitpunkt der Kündigung als ihre Elternzeitvertreterin befristet bis zum 28.02.2015 eingestellt worden ist. Insoweit gilt § 21
Abs. 7 BEEG. Danach ist eine "Doppelzählung" des in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers und des hierfür eingestellten Vertreters ausgeschlossen. Dass für Frau S bereits bei Ausspruch der Kündigung eine "eigene" Stelle existierte, trägt auch die Klägerin nicht vor. Sie verweist vielmehr selbst auf den Stellenplan des Beklagten, der die Beschäftigung der Frau S als Vertretung aufführt. Mithin verbleiben auch nach dem Vorbringen der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung lediglich 10 bei dem Beklagten regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer. Über die 12 benannten Beschäftigten hinaus hat die Klägerin keine weiteren Personen, die für den Beklagten als Arbeitnehmer tätig gewesen sein sollen, in individualisierbarer Form benannt,
VII.
Schlussendlich scheitert die Rechtswirksamkeit der Kündigung "an sich" nicht an
§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, wonach die ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Dabei steht eine nicht ordnungsgemäße Anhörung der unterbliebenen Anhörung gleich. Ordnungsgemäß ist die Anhörung des Betriebsrats, die keiner Form bedarf (
BAG 23.06.2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 37), dann, wenn dieser über die Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers und über die aus der Sicht des Arbeitgebers (subjektive Determination) tragenden Gründe für die Kündigung derart umfassend informiert worden ist, dass er ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen, sich ein eigenes Bild machen kann (
BAG - ständige Rechtsprechung - 16.07.2015 -
2 AZR 15/15 - Rn. 12 ff). Dabei bedarf es keiner Angaben über die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, wenn der Betriebsrat anhand der ihm bekannten Sozialdaten die Frist und den Endtermin selbst berechnen kann (
BAG 20.06.2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 38). Auch ist es nicht erforderlich, den Betriebsrat detailliert über solche Kündigungsgründe zu informieren, die ihm bereits bekannt sind (
BAG 28.08.2003 - 2 AZR 377/02). Das Anhörungsverfahren ist abgeschlossen, wenn der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt hat, eine abschließende Stellungnahme zu der Kündigung abgegeben hat oder aber er sich innerhalb der ihm zustehenden einwöchigen Frist nicht äußert (§ 102
Abs. 2 Satz 1 und Satz 2
BetrVG).
Nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme, steht zur Überzeugung der Kammer fest (§ 286
ZPO), dass der Beklagte den in seinem Betrieb bestehenden Betriebsrat ordnungsgemäß angehört hat.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren neben der Betriebsobfrau Frau H keine weiteren "Betriebsratsmitglieder" in das Verfahren mit einzubeziehen. Gemäß
§ 9 Abs. 1 BetrVG besteht in Betrieben bis zu 20 Arbeitnehmern der Betriebsrat nur aus einer Person. Dass bei dem Beklagten mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, behauptet auch die Klägerin nicht.
2. Der Beklagte hat den Betriebsrat in Person der Betriebsobfrau H ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung beteiligt.
a. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme, ist die Beteiligung in ordnungsgemäßer Form bereits im Oktober 2014 erfolgt. Dabei hat die Geschäftsführerin des Beklagten der Betriebsobfrau H die Kopie des an das Integrationsamt gerichteten Antrages auf Zustimmung zur Kündigung der Klägerin einschließlich der dort beigefügten Anlagen (Bl. 190 ff, 285 ff d.A.) zukommen lassen, woraus sich sowohl die Sozialdaten der Klägerin (Alter, Schwerbehinderung, Betriebszugehörigkeit) als auch die tragenden Gründe für die Kündigung, nämlich das Auslaufen eines Projektes sowie die Nichtförderbarkeit des Arbeitsverhältnisses der Klägerin aufgrund des unbefristeten Bestandes, ergeben. Die Übergabe dieser Unterlagen haben sowohl die Zeugin H als auch die Zeugin
Dr. S-R in ihrer Vernehmung glaubhaft bestätigt. Nach der Zeugenvernehmung steht weiter zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Betriebsobfrau H die besagten Unterlagen nicht nur in ihrer Eigenschaft als Assistentin der Geschäftsführerin zur Kenntnis gelangt sind, sondern dass seitens der Geschäftsführerin diese Unterlagen auch zum Bestandteil ihrer Bitte um Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin gemacht worden sind. Beide Zeuginnen haben bestätigt, seitens des Beklagten sei um Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gebeten worden und in diesem Zusammenhang sei eine Kopie des Antrages an das Integrationsamt übergeben worden. Im Übrigen hat die Zeugin H auch glaubhaft bekundet, ihr sei der Inhalt dieses Antrages bereits aufgrund der Befassung mit dem Personalvorgang als Assistentin der Geschäftsführerin bekannt gewesen. Zwar ergibt sich aus dem vorgenannten Antrag nicht unmittelbar, dass die Klägerin nunmehr für 2 Kinder unterhaltspflichtig war. Nach der auch insoweit glaubhaften Aussage der Zeugin H, war ihr dieser Umstand jedoch bei Durchführung des Anhörungsverfahrens bekannt.
Das mithin ordnungsgemäß eingeleitete Verfahren ist durch die unstreitig von der Zeugin H am 17.10.2014 erteilten Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung abgeschlossen worden.
b. Darüber hinaus ergibt sich jedenfalls eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung aus den Geschehnissen am 30.01.2015. Auch insoweit haben beide Zeuginnen glaubhaft bekundet, die Geschäftsführerin habe nach Erhalt den Bescheides des Landesamtes für Verbraucherschutz Frau H überreicht und erneut um Zustimmung zur Kündigung der Klägerin gebeten. Frau H habe sodann die Zustimmung erteilt. Jedenfalls diese Zustimmung beruht auf einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates. Die Zeugin H hatte zwischenzeitlich aufgrund ihrer unstreitigen Teilnahme an der Einigungsverhandlung des Integrationsamtes "vertiefte" Kenntnisse betreffend die Sozialdaten der Klägerin und insbesondere über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung erlangt.
Nach dem Gesamtinhalt der Aussagen sowohl der Zeugin H als auch der Zeugin
Dr. S-R kann auch ausgeschlossen werden, dass die Geschäftsführerin des Beklagten die Zeugin H an dem Kündigungsverfahren lediglich in ihrer Eigenschaft als Assistentin der Geschäftsführung beteiligt hat. Beide Zeuginnen haben wiederholt bekundet, die Geschäftsführerin habe die Betriebsobfrau um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Hieraus wird deutlich, dass der Beklagte, vertreten durch seine Geschäftsführerin, "förmlich" das Verfahren nach § 102
BetrVG durchführen wollte.
Auch dieses "zweite" Verfahren ist vor Ausspruch der Kündigung abgeschlossen worden durch die von der Zeugin H erteilte Zustimmung am 30.01.2015. Zwar ist das Kündigungsschreiben durch den damit beauftragten jetzigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf den 29.01.2015 datiert worden. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt hat dieses Schreiben jedoch den Machtbereich des Beklagten in Person des jetzigen Prozessbevollmächtigten frühestens am Samstag, 31.01.2015 durch Einwurf in den Briefkasten der Klägerin verlassen.
c. Nach alledem haben die Zeuginnen glaubhaft bekundet, dass sowohl im Oktober 2014 als auch Ende Januar 2015 eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates stattgefunden hat. An der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen bestehen für die Kammer ebenfalls keine Zweifel. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass beide Zeuginnen für den Beklagten (nach wie vor) tätig sind. Hieraus allein ergeben sich jedoch keine durchgreifenden Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Nach dem Gesamteindruck, den die Zeuginnen auf die Kammer gemacht haben, ist die Kammer vielmehr davon überzeugt, dass diese wahrheitsgemäße Angaben getätigt haben. Insbesondere haben die Zeuginnen Erinnerungslücken eingeräumt. Ein "gesteigertes" Eigeninteresse an einem für den Beklagten günstigen Prozessausgang ist demgegenüber nicht zu erkennen.
VIII.
Die streitbefangene Kündigung konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien jedoch erst zum 31.05.2015 auflösen. Angesichts der Betriebszugehörigkeit der Klägerin steht dieser gemäß § 622
Abs. 2 Satz 1
Nr. 3
BGB eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende zu. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist unstreitig bereits am 15.01.2007 begründet worden und bestand daher bei Ausspruch der Kündigung mehr als 8 Jahre. Nach dem sich bietenden Sachverhalt ist die Kündigung der Klägerin erst am 01.02.2015 zugegangen. Dabei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, das Schreiben sei bereits am 31.01.2015 gegen 13.10 Uhr in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen worden.
Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen,
z.B. ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den "gewöhnlichen Verhältnissen" und den "Gepflogenheiten des Verkehrs" zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren. Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können (
BAG 22.03.2012 - 2 AZR 224/11 - Rn. 21).
Danach ist ein Zugang der Kündigung erst mit der Entnahme des Schreibens aus dem Hausbriefkasten am 01.02.2015 erfolgt und nicht bereits am Tag des Einwurfs. Dieser erfolgte erst geraume Zeit nach Ablauf der üblichen Zustellzeiten. Die Klägerin hat diese für einen Samstag mit maximal 11.30 Uhr angegeben. Der für den Zugangszeitpunkt darlegungspflichtige Beklagte hat nicht vorgetragen, dass am Wohnort der Klägerin an Samstagen noch nach 13.10 Uhr üblicherweise Postsendungen zugestellt werden.
Die von dem Beklagten verwendete unzutreffende Kündigungsfrist führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung "an sich". Diese ist angesichts der verwendeten Formulierung "fristgemäß" vielmehr dahin auszulegen, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis jedenfalls zu dem sich bei Anwendung der der Klägerin zustehenden Kündigungsfrist ergebenden Endtermin beenden wollte (
BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12).
IX.
Nach alledem kommt nach dem sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bietenden Sachstand der streitgegenständlichen Kündigung Rechtswirksamkeit mit einem Endtermin zum 31.05.2015 zu. Allerdings sind bei dem Verwaltungsgericht Halle Verfahren betreffend die Zustimmung des Integrationsamtes zur streitgegenständlichen Kündigung und die Zulässigkeitserklärung des Landesamtes für Verbraucherschutz nach wie vor anhängig. Das Berufungsgericht hat dennoch von der Möglichkeit, den Rechtsstreit gemäß § 148
ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser Verfahren auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht. Nach § 148
ZPO kann das Gericht den Rechtsstreit aussetzen, wenn die Entscheidung von dem Ausgang eines anderen Rechtsstreits abhängt.
1. Vorliegend sind die beiden Rechtsstreite vor dem Verwaltungsgericht vorgreiflich im Sinne der vorgenannten Bestimmung.
2. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gerichte für Arbeitssachen, ob sie den Kündigungsschutzrechtsstreit aussetzen oder nicht, wenn noch ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit anhängig ist. Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung - einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern - sind der Nachteil einer langen Verfahrensdauer und die daraus für die Parteien entstehenden Folgen abzuwägen. Dabei kommt bei Bestandsschutzstreitigkeiten dem gesetzlich geregelten Beschleunigungsgrundsatz von § 9
Abs. 1, § 64
Abs. 8 und § 61a
ArbGG eine besondere Bedeutung zu. Auf Grund dessen hat das Interesse der Parteien an der Verhinderung einander widersprechender Entscheidungen grundsätzlich zurückzutreten. Dem Kläger steht
ggf. der Restitutionsgrund des § 580
Nr. 7b
ZPO analog zur Seite, falls er später vor dem Verwaltungsgericht obsiegen sollte (
BAG 02.03.2006 -
2 AZR 53/05 - Rn. 56).
Bei Anwendung dieser Rechtssätze bewertet die Kammer auch im vorliegenden Fall das Interesse an einem beschleunigten Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits höher als das gegenläufige Interesse an der Vermeidung sich widersprechender Gerichtsentscheidungen. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung der Sachlage insoweit zu erfolgen hat, sind nicht gegeben.
X.
Das Berufungsgericht konnte auch in der Sache selbst entscheiden. Insbesondere kam eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht nicht in Betracht. Dem steht § 68
ArbGG entgegen. Im Übrigen hat die Klägerin einen solchen Antrag (§ 538
Abs. 2 Satz 1
ZPO) entgegen ihrer Ankündigung im Schriftsatz vom 29.04.2016 weder im Termin am 26.10.2017 noch im Termin am 15.02.2018 gestellt.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92
Abs. 1
ZPO. Im Hinblick auf die Streitwertregelung des § 42
Abs. 2 Satz 1 GKG erachtet das Berufungsgericht die Anteile des jeweiligen Unterliegens
bzw. Obsiegens als gleichwertig.
D.
Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72
Abs. 2
ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.
Auf § 72a
ArbGG wird hingewiesen.