Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung in Höhe von 2.323,20 Euro.
1. Zu Recht hat das Sozialgericht allerdings entschieden, dass die Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sich nicht aus krankenversicherungsrechtlichem Zusammenhang ergibt.
Nach
§ 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ist die Erstattung von Kosten (Aufwendungen) für eine selbst beschaffte Leistung in einem Fall wie dem vorliegenden davon abhängig, dass der zur Leistung verpflichtete Träger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. An Letzterem mangelt es.
Die Klägerin hat nämlich keinen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Kostenübernahme für die drahtlose Übertragungsanlage. Nach dem insoweit als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V aus Versorgung der
GKV ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und nicht nach § 34
Abs. 4
SGB V aus der
GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (
§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind. Unzweifelhaft stellt etwa das von der Klägerin getragene Cochlea-Implantat ein Körperersatzstück in diesem Sinne dar. Zum unmittelbaren Behinderungsausgleich bestand insoweit - unstreitig - ein Leistungsanspruch gegenüber der
GKV.
Allerdings stand der Klägerin nach Erfüllung der Schulpflicht - also mit Eintritt in die gymnasiale Oberstufe - kein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit einer drahtlosen Übertragungsanlage mit dem Ziel des Behinderungsausgleichs aus § 33
Abs. 1 Satz 1, 3. Alt
SGB V zu. Denn Aufgabe der
GKV bei der Hilfsmittelversorgung ist allein die an Gesundheit, Organfunktion und Behandlungserfolg orientierte medizinische Rehabilitation (
vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Oktober 2010,
B 3 KR 5/10 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 13; Urteil vom 3. November 1999,
B 3 KR 3/99 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 12). Darüber hinausgehende soziale oder berufliche Rehabilitationsleistungen könnten allenfalls von anderen Sozialleistungsträgern erbracht werden. Bei
GKV-Hilfsmitteln, die - wie hier - nicht unmittelbar eine körperliche Funktion ersetzen, sondern lediglich die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen ("mittelbarer Behinderungsausgleich"), kann von medizinischer Rehabilitation aber nur dann die Rede sein, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient. Dies ist der Fall, wenn das Hilfsmittel die Auswirkungen einer Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert: Dann ist ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen. Der Gesetzgeber hat diese ständige Rechtsprechung des
BSG zur Hilfsmittelversorgung durch die Regelung in
§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX ausdrücklich gesetzlich bestätigt.
Die drahtlose Übertragungsanlage kann hierunter nicht fallen, denn sie beseitigt für die Klägerin nicht die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben, sondern ganz vorwiegend in der spezifischen Situation des schulischen Oberstufenunterrichts und - heute - des universitären Unterrichts. Zur Begründung einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung reicht dies nicht aus. Wird eine Organfunktion wie das Hören durch ein Hilfsmittel nicht für alle Lebensbereiche gleichermaßen, sondern nur für bestimmte Lebensbereiche ausgeglichen, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung nur dann zu einer weiteren Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung, wenn es sich um Lebensbereiche handelt, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen. Eine Verbesserung des Behinderungsausgleichs auf beruflicher oder gesellschaftlicher Ebene sowie im Freizeitbereich reicht dazu nicht aus (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. November 1999, B 3 KR 3/99 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 13).
2. Allerdings - und im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts - ergibt sich der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin in ihrem speziellen Einzelfall aus den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (
SGB IX) in Verbindung mit denen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (Sozialhilfe,
SGB XII). Die Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung liegt insoweit in
§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Danach besteht Erstattungspflicht in Bezug auf selbst beschaffte Leistungen, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
a) Den hier ebenso wie im Rahmen von § 13
Abs. 3
SGB V notwendigen Beschaffungsweg hat die Klägerin nach Auffassung des Senats eingehalten. Indem das Gesetz die Erstattung von Kosten (Aufwendungen) für eine selbst beschaffte Leistung in einem Fall wie dem vorliegenden davon abhängig macht, dass der zur Leistung verpflichtete Träger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, setzt es insbesondere voraus, dass die Beschaffung der Leistung kausal zurück geht auf eine Ablehnung der Leistungserbringung durch den Leistungsträger. "Selbst beschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung dabei grundsätzlich nicht schon mit deren Auswahl (
vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009,
B 3 KR 20/08 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 12). Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer. Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die - wie hier - den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Überlassung der angepassten Geräte. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung der Krankenkasse eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann.
Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts sprechen hier die überwiegenden Anzeichen dafür, dass die Klägerin die drahtlose Übertragungsanlage noch nicht verbindlich und abschließend beschafft hatte, als sie bei der Beklagten den Antrag auf Kostenübernahme stellte. Die Bekundungen der Klägerin und ihres Vaters im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat lassen das Vorbringen plausibel erscheinen, wonach eine Rückgabe der Anlage an den Hörgeräteakustiker auch noch im Mai 2005 möglich gewesen wäre.
b) Die Leistungsablehnung durch die angefochtenen Bescheide erfolgte auch zu Unrecht. Die Klägerin konnte nämlich eine Versorgung mit der störungsfrei funktionierenden drahtlosen Übertragungsanlage nach den Vorschriften des
SGB XII als Maßnahme der Eingliederungshilfe beanspruchen.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gemäß § 2
Abs. 1 Satz 1
SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die auf § 60
SGB XII beruhende Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) grenzt u.a. in ihrem
§ 1 ("körperlich wesentlich behinderte Menschen") den insoweit leistungsberechtigten Personenkreis näher ein. Diesen Eingangsvoraussetzungen wird die Klägerin gerecht. Denn durch ihre erhebliche Hörminderung, die ihr eine sprachliche Verständigung über das Gehör nur mit Hörhilfen ermöglicht (§ 1
Nr. 5 EinglHV), ist ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft offenkundig beeinträchtigt.
Eine Leistung der Eingliederungshilfe besteht nach § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII auch in der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung.
§ 12 Nr. 3 der Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV) stellt insoweit klar, dass sich dies auf den Besuch eines Gymnasiums erstreckt. Es liegt auf der Hand, dass diese Vorschrift dem Begehren der Klägerin, die die drahtlose Übertragungsanlage gerade in schulischem und universitärem Zusammenhang nutzt, weitaus eher Rechnung trägt als § 33
SGB V mit seiner oben dargestellten Begrenzung auf Hilfsmittel, die für alle Lebensbereiche gleichermaßen einsetzbar sind. Die streitgegenständliche drahtlose Übertragungsanlage zählt als Hörgerät
i.S.v.
§ 9 Abs. 2 Nr. 8 EinglHV auch zu den sog. anderen Hilfsmitteln nach § 9
Abs. 1 und 3 EinglHV
i.V.m. § 54
Abs. 1 Satz 1
SGB XII, da es dazu bestimmt und geeignet ist, die gravierend eingeschränkten Möglichkeiten der Klägerin, über das Gehör an der sprachlichen Verständigung teilzunehmen, auszugleichen. Diese Anlage, die die Klägerin offensichtlich bedienen kann, ist ferner erforderlich, da Anhaltspunkte für einen kostengünstigeren Behinderungsausgleich weder vorgebracht noch anderweitig ersichtlich sind.
Unerheblich ist ferner, dass es mit der Beschaffung der drahtlosen Übertragungsanlage aufgrund der im Tatbestand geschilderten Problematik der Frequenzstörungen zu einer Doppelausstattung kam; diese erklärt
§ 10 Abs. 2 EinglHV für hinnehmbar, soweit sie im Einzelfall erforderlich ist. An der Erforderlichkeit in diesem Sinne hat der Senat keinen Zweifel, denn die Klägerin war mit der ursprünglichen Übertragungsanlage nicht mehr in der Lage, dem Unterricht sachgerecht zu folgen.
Leistungsberechtigung besteht insoweit nach
§ 19 Abs. 3 SGB XII, soweit die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften der §§ 82 bis 96
SGB XII nicht zumutbar ist. Für die von der Klägerin begehrte Leistung, die unzweifelhaft dem Erwerb einer angemessenen Schulbildung diente, sieht speziell § 92
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 und Satz 2
SGB XII die Nichtanrechenbarkeit von Vermögen vor; dies hat das Sozialgericht übersehen, indem es die Klägerin auf die Einsetzbarkeit der Mittel aus ihrem Bausparvertrag verwies.
c) Schließlich ist die Beklagte für den dargestellten Anspruch auf Eingliederungshilfe auch gesetzlich zuständiger "Rehabilitationsträger" im Sinne von § 15
Abs. 1 Satz 4
SGB IX. Dies ergibt sich aus
§ 14 SGB IX. Dort heißt es:
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach
§ 40 Abs. 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt. (...)
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6
Abs. 1 sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2 und 4 entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
Hiernach war die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin im Verhältnis zur Klägerin zur Prüfung auch der weiter in Betracht zu ziehenden, über das
SGB V hinaus gehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen verpflichtet. Der materiell-rechtlich eigentlich zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beklagte Krankenkasse) eine i.
S. von § 14
Abs. 1
SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Diese Zuständigkeit nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Juni 2009,
B 3 KR 4/08 R, zitiert nach juris, dort
Rdnr. 22). Zuständig ist also derjenige Träger, der von dem Versicherten
bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier die beklagte Krankenkasse. Ohne Belang ist hierbei, dass die drahtlose Übertragungsanlage im Bereich der
GKV der medizinischen Rehabilitation, im Bereich der Sozialhilfe hingegen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuzuordnen ist (
vgl. BSG a.a.O. Rd. 23). Denn die Leistungszwecke - allein auf diese und nicht auf die Leistungsgegenstände ist abzustellen - des
SGB V bzw. der medizinischen und der sozialen Rehabilitation können sich überschneiden (
BSG, Urteil vom 29. September 2009,
B 8 SO 19/08 R, zitiert nach juris, dort Rd. 21).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160
Abs. 2
SGG nicht vorliegen.