Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.11.2014 wird zurückgewiesen.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Versorgung mit einem Liegedreirad.
Der 1973 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet unter einer schubförmig verlaufenden Enzephalitis, die zu einer Störung der Augenbewegung geführt hat. Der Grad der Behinderung (
GdB) beträgt 100. Des Weiteren sind die Merkzeichen "G" und "B" anerkannt.
Unter dem 11.11.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit einem (Therapie)Dreirad mit Faltverdeck und Regenponcho unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der behandelnden Neurologin und Psychiaterin I vom 05.11.2012 und eines Kostenvoranschlages der Firma W, C, vom 07.11.2012 über 4.966,00
EUR. Zur Begründung trug er vor, seine Mutter habe vor kurzem eine Oberschenkelamputation und einen schweren Schlaganfall erlitten. Damit er wenigstens kleine Besorgungen machen könne, brauche er dringend das Dreirad, um einen kleinen Teil seiner Mobilität wieder zu bekommen. Auf Anfrage der Beklagten gab die behandelnde Neurologin und Psychiaterin I an, das Fahrrad sei zur Mobilität verordnet worden, um größere Strecken alleine bewältigen zu können. Das Verständnis für Gefahren im Straßenverkehr und für die Nutzung des Fahrrades sei ausreichend. Der Kläger habe Probe gesessen und fühle sich sicher. Die Bewegung der Beine sei aus medizinischer Sicht unbedingt zu fördern. Ein Rollstuhl würde das Gegenteil bewirken. Das Dreirad solle überall genutzt werden, wo es möglich sei.
Dr. X vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) vertrat unter dem 22.01.2013 die Auffassung, dass die Förderung der Bewegung der Beine auch mit einem im Handel zu erwerbenden Zweirad erfolgen könne. Eine Indikation für ein Dreirad werde nicht gesehen. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 06.02.2013 ab.
Im Rahmen des hiergegen eingelegten Widerspruchs verwies der Kläger auf ein in einem früheren Streitverfahren eingeholtes Gutachten des Neurologen und Psychiaters
Dr. S vom 27.06.2011. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Versorgung mit einem Dreirad weder zur Krankenbehandlung noch zum Behinderungsausgleich notwendig sei. Die Krankenkasse sei nicht dafür zuständig, den Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln (wie mit einem Dreirad) in die Lage zu versetzen, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die ein Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen könne. Zu den maßgeblichen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehöre die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung für einen kurzen Spaziergang oder um Alltagsgeschäfte im Nahbereich zu erledigen, verlassen zu können. Damit er den Nahbereich erschließen könne, um kleinere Besorgungen zu machen, sei die Versorgung mit einem Rollstuhl oder einem Elektrorollstuhl/-mobil ausreichend. Allerdings nur, wenn hier gewährleistet sei, dass der Versicherte den Elektrorollstuhl/-mobil mit der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Sicherheit führen könne. Mit dem Angebot der Beklagten, sich anteilig an den Kosten in Höhe eines Elektrorollstuhls von 3.317,00
EUR zu beteiligen, erklärte sich der Kläger nicht einverstanden. Ein Elektrorollstuhl sei nicht akzeptabel, weil er ihm nicht helfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Dagegen hat der Kläger am 06.05.2013 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Er hat auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und auf eine Versorgung mit einer neuen Kontaktlinse hingewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 zu verurteilen, ihm ein Liegedreirad "Lepsus" (richtig: Lepus) mit Faltverdeck und Regenponcho zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Das SG hat einen Befundbericht von der Neurologin und Psychiaterin I vom 05.12.2013 eingeholt. Diese hat ausgeführt, dass ein Elektrorollstuhl wahrscheinlich seinen entsprechenden Dienst erfüllen könnte, aber aus medizinischen Gründen nicht empfehlenswert sei, weil der Patient hierbei völlig passiv bleibe und dies eher ein Nachlassen der Motorik auch bei Alltagsverrichtungen zur Folge haben würde. Das verordnete Dreirad böte die Möglichkeit eines gewissen Trainings der Beinmuskulatur, würde die Aktivität des Patienten erhalten und sicher genug sein, um die Ataxie (Gleichgewichtsstörung) auszugleichen. Des Weiteren hat das SG ein ärztliches Sachverständigengutachten von
Dr. S, Neurologe und Psychiater, L, eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 05.05.2014 zu dem Ergebnis, dass er beweisende Gründe, die den Einsatz eines Elektrorollstuhls oder eines Dreirads notwendig machen würden, anhand der Untersuchung nicht feststellen könne. Er halte es grundsätzlich für möglich, dass der Kläger mit einem Aktivrollstuhl in der Lage sei, seine Wohnung zu verlassen, und einen kürzeren Spaziergang zurücklegen könne.
Mit Urteil vom 12.11.2014 hat das SG die Klage abgewiesen, weil das begehrte Hilfsmittel nicht erforderlich sei, um eine Behinderung auszugleichen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihm am 09.01.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.01.2015 Berufung eingelegt. Es bestehe die Pflicht der Beklagten, seine Behinderung auszugleichen. Durch den einstellbaren Schwerpunkt des Lepus fühle er sich auf dem Rad sehr sicher. Andere Liegeräder seien ihm zu tief und er habe Angst, nicht gesehen zu werden. Das Lepus habe einen höhenverstellbaren Sitz, den er seiner Tagesverfassung und der Umgebung anpassen könne. Mit dem Lepus würde ihm ein extrem großer Teil der Sicherheit zurückgegeben, den er mit der Behinderung verloren habe. Die Beklagte schreibe von einem "Therapiedreirad". Seinen Wissens werde nirgendwo von einem Therapiedreirad gesprochen. Das Lepus sei ein Liegedreirad, das ihm Sicherheit gebe, weil er angelehnt sitze und es nicht umfallen könne. Er möchte sich sicher bewegen und Einkäufe transportieren können. Das begehrte Dreirad werde auch von Personen ohne Behinderung gefahren. Eine behinderungsgerechte Ausstattung sei nicht gegeben. Auch wenn es sich bei dem beantragten Dreirad um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele, helfe ihm dieser, seine Behinderung auszugleichen. Nach der Rechtsprechung des
BSG solle der Betroffene entscheiden, welcher Behinderungsausgleich für ihn am passendsten sei. Den Aktivrollstuhl seines Vaters habe er ausprobiert, der ihm durch die recht hohe Sitzposition und die sehr eng an der Sitzfläche angebrachten Räder nicht sicher genug gewesen sei. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft habe er nirgendwo anders beantragt und habe dies auch nicht vor. Die Beklagte sei leistungs- und wortpflichtig. Die begehrte Leistung sei notwendig, um ein angstfreies Leben zu führen.
Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger einen aktuellen Kostenvoranschlag der Firma Veleoladen vom 30.03.2016 über ein Hase Lepus Therapiedreirad (Gesamtkosten in Höhe von 5.517,00
EUR) zu den Akten gereicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.11.2014 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 zu verurteilen, ihm ein Liegedreirad "Lepus" mit Faltverdeck und Regenponcho gemäß Kostenvoranschlag vom 30.03.2016 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine Indikation für die Versorgung mit einem Therapiedreirad sei nicht gegeben. Das Fahrradfahren stelle für Erwachsene nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kein Grundbedürfnis dar, für dessen Sicherstellung die gesetzlichen Krankenkassen zuständig wären. Ein therapeutisches Gesamtkonzept zur "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" im Sinne von
§ 33 Abs. 1 SGB V vermöge sie ebenfalls nicht zu erkennen.
Der Kläger hat auf Präsentationen verwiesen, die er für die ZNS Hannelore Kohl Stiftung
bzw. für die Akademie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung angefertigt habe, und SD-Karten mit entsprechenden Dateien zu den Akten gereicht.
Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung haben sich die Beteiligten einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen.