Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten sich hiermit auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich einverstanden erklärt haben (
vgl. § 87a
Abs. 2 und 3
VwGO sowie § 102
Abs. 2
VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 17.02.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 08.04.2014 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen zu den ärztlich verordneten sensomotorischen Einlagen seiner Tochter.
Maßgebend für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (
BVerwG, U. v. 27.05.2010 - 2 C 78/08 -, juris m. w. N.), hier mithin Anfang Juli 2013. Nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Sach- und Rechtslage sind die Aufwendungen des Klägers für zwei Paar sensomotorische Einlagen seiner Tochter nicht beihilfefähig.
Die Tochter des Klägers ist berücksichtigungsfähige Angehörige gemäß § 3
Abs. 1
Nr. 2 HBeihVO.
Nach § 5
Abs. 1 Satz 1 HBeihVO sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Medizinisch notwendig ist eine Behandlungsmaßnahme, wenn sie nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs und der bislang ergriffenen therapeutischen Maßnahmen erforderlich erscheint (
vgl. Nitze, Hessische Beihilfeverordnung, Stand: September 2011, § 5
Abs. 1
Anm. 3). Nach § 6
Abs. 2 HBeihVO sind Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode und für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Arzneimittel nicht beihilfefähig.
Hiervon ausgehend erweist sich die Behandlung mit sensomotorischen Einlagen im vorliegenden Fall nicht als beihilfefähig. Denn es fehlt die wissenschaftliche Anerkennung dieser Behandlungsmethode. Eine Behandlungsmethode ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird (U. v. 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, ZBR 1999, 25
m.w.N.). Diese Voraussetzung ist - worauf der Beklagte insoweit zutreffend hinweist - hinsichtlich der Behandlung einer Fehlstatik der Füße mit sensomotorischen Einlagen nicht erfüllt. Im Gegensatz zu konventionellen Einlagen, die passiv das Fußgewölbe abstützen, sollen sensomotorische Einlagen nicht am Skelett, sondern an der Muskulatur ansetzen - durch gezielte Nervenreize sollen bestimmte Muskeln beziehungsweise Muskelgruppen stimuliert und dadurch die Haltung des Fußes beziehungsweise des Haltungs- und Bewegungsapparates verändert werden (
vgl. Hertweck-Stücken (Bayerischer Rundfunk): Sensomotorische Einlagen - Bei welchen Beschwerden können sie helfen?, Stand: 27.01.2014, Bl. 57
ff. d. Gerichtsakte).
Der zuvor zitierte Beitrag des Bayerischen Rundfunks beschäftigt sich ausführlich mit der Wirkung sensomotorischer Einlagen. Dort wird dargelegt, dass die klinische Prüfstelle für orthopädische Hilfsmittel am Universitätsklinikum Münster bereits mehrere Studien zu sensomotorischen Einlagen in Auftrag gegeben habe, das Ergebnis jedoch enttäuschend gewesen sei. Der Leiter der Prüfstelle, Inhaber des deutschlandweit einzigen Lehrstuhls für Technische Orthopädie, berichtet, dass keine signifikanten Veränderungen festgestellt worden seien (
vgl. Hertweck-Stücken, a.a.O.). Auch die von dem Beklagten im Verfahren vorgelegte Stellungnahme des ärztlichen Dienstes in Gießen vom 23.04.2013 aus einem anderen Verfahren zur Überprüfung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für sensomotorische Einlagen (des Herstellers Medreflexx) kommt zu dem Ergebnis, dass Nachweise einer Wirksamkeit fehlen, ebenso wie die wissenschaftliche Anerkennung (
vgl. Bl. 56 d. Gerichtsakte).
Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Studie des Sportwissenschaftlichen Instituts der Universität des Saarlandes zu sensomotorischen Einlagen (Ludwig, Quadflieg, Koch: Einfluss einer sensomotorischen Einlage auf die Aktivität des M. peroneus longus in der Standphase, Dtsch Z Sportmed 64 (2013) 77-82; Bl. 10
ff. der Behördenakte). Denn einleitend wird in dieser Studie ausdrücklich festgestellt, dass "bislang keine Wirkungsnachweise dazu vorliegen, ob sensomotorische Einlagenkonzepte über integrierte Druckpunkte auf die Sehnen der Fuß- und Wadenmuskulatur Änderungen der Muskelaktivitäten bewirken können". Die Autoren kommen zwar zu dem Ergebnis, dass "die Studie erstmals habe zeigen können, dass eine schrittphasenanhängige Erhöhung der Aktivität des M. peroneus longus durch ein lateral druckerzeugendes Einlagenelement möglich sei". Hieraus lässt sich aber hinsichtlich der Wirksamkeit von sensomotorischen Einlagen im Allgemeinen keine in der Wissenschaft herrschende Überzeugung ableiten, zumal es sich bei den getesteten Einlagen um ein spezielles Modell der sensomotorischen Einlage handelt, so dass bereits fraglich ist, ob sich die Studienergebnisse auf andere sensomotorische Einlagen übertragen lassen.
Daher geht das Gericht derzeit nicht davon aus, dass die der Tochter des Klägers verordneten sensomotorischen Einlagen eine für die hier streitgegenständliche Diagnose eines Knickfußes allgemein wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode darstellen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Behandlung mit sensomotorischen Einlagen bei Fehlstellungen des Fußes von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler positiv eingeschätzt wird.
Mangels medizinischer Notwendigkeit können die sensomotorischen Einlagen demzufolge nicht dem Anwendungsbereich der Anlage 3 zu § 6
Abs. 1
Nr. 4 HBeihVO unterliegen, auch wenn die Einlagen ihrem Wortlaut nach unter den dort genannten Begriff der "Fußeinlagen" fallen mögen.
Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Trier (Urteil v. 17.03.2009 - S 3 KR 53/08 -, juris) und nachfolgend des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (B. v. 13.07.2009 -
L 5 KR 100/09 NZB-, juris) verweist, lassen sich die dort angestellten rechtlichen Erwägungen für den hier zu beurteilenden Fall nicht heranziehen. Denn die dortige Fallgestaltung und die im Sozialrecht maßgeblichen Rechtsvorschriften weichen von dem hier zu beurteilenden Fall und den beihilferechtlichen Vorschriften ab (
vgl. hierzu
VG Düsseldorf, U. v. 16.11.2012 - 26 K 6693/11-, juris). Zudem hat das SG Trier in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt habe, die auf der Grundlage des speziellen medizinischen Sachverhaltes, wie er beim dortigen Kläger bestanden habe, zu treffen gewesen sei. Eine grundsätzliche Bedeutung könnte der Angelegenheit daher nach Auffassung der Kammer nicht beigemessen werden (
vgl. SG Trier, a.a.O., juris Rn. 22). Das
LSG Rheinland-Pfalz hat diese Einschätzung nachfolgend bestätigt (
vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., juris Rn. 15). Entsprechendes gilt für ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg zur Beihilfefähigkeit sensomotorischer Einlagen zur Behandlung eines Fersensporns. Das Gericht hatte sich dort mit der Frage der medizinischen Wirksamkeit der Einlagen nicht weiter beschäftigt, da es seiner Überzeugung nach im konkreten Einzelfall nicht darauf ankam (
vgl. U. v. 14.02.2013 -
6 K 2169/12-, juris Rn. 27).
Der Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung steht nicht entgegen, dass die Einlagen der Tochter des Klägers ärztlich verordnet wurden. Für den Fall, dass ein Arzt eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode verordnet, kann diese Behandlung nur notwendig sein, wenn ausnahmsweise die angewendete Heilmethode trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung notwendig ist (
OVG Hamburg, U. v. 24.09.2004 - 1 Bf 47/01-, juris). Die Fürsorgepflicht kann dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann (
vgl. etwa
BVerwG, U. v. 29.06.1995 - 2 C 15.94-; U. v. 18.06.1998 - 2 C 24/97-, juris). Hierfür genügt es jedoch nicht, dass die Methode wissenschaftlich nicht endgültig verworfen worden ist und eine Anerkennung in Zukunft noch in Betracht kommen könnte. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung, auf wissenschaftliche Anerkennung besteht (
BVerwG, U. v. 18.06.1998 - 2 C 24/97-, juris). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Der Kläger hat diesbezüglich nichts vorgetragen. Darüber hinaus kann - vor dem zuvor dargestellten Hintergrund - nach dem Stand der Wissenschaft zurzeit auch nicht von einer begründeten Erwartung auf eine zukünftige wissenschaftliche Anerkennung der Behandlungsmethode ausgegangen werden.
Ein Anspruch auf Gewährung der streitbefangenen Beihilfe folgt auch nicht aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich die Festsetzungsstelle nicht durch die zuvor in den Jahren 2011 und 2012 erfolgte zweimalige Erstattung der Aufwendungen zu sensomotorischen Einlagen der Tochter des Klägers selbst gebunden. Denn aus der einfachen kommentarlosen Gewährung von Beihilfe kann nicht schutzwürdig auf eine Fortsetzung dieser Anerkennungspraxis geschlossen werden. Die Bewilligung der Beihilfe gilt nur für die gewährte Beihilfe und nicht für künftige Aufwendungen (
vgl. u.a.
OVG des Saarlandes, U. v. 09.03.2009 - 1 A 148/08-;
OVG Hamburg, U. v. 24.09.2004 - 1 Bf 47/01-, jeweils juris).
Soweit der Kläger außerdem rügt, dass sich dem Bescheid nichts darüber entnehmen lasse, inwieweit der Beklagte hier ordnungsgemäß Ermessen ausgeübt habe, führt dies nicht zur Aufhebung des Bescheides. Denn entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der Entscheidung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen zu wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden um eine gebundene Entscheidung (
vgl. § 6
Abs. 2 HBeihVO). Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode und für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Arzneimittel nicht beihilfefähig. Die Vorschrift eröffnet dem Beklagten demzufolge kein Ermessen. Sie enthält lediglich unbestimmte Rechtsbegriffe, welche vollumfänglich der gerichtlichen Überprüfung unterliegen.
Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154
Abs. 1
VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124a
Abs. 1 Satz 1
VwGO liegen nicht vor.