Urteil
Beamtenrechtliche Beihilfe für sog. Nebenkosten - hier: Fahrkosten zu einem orthopädisch-technischen Betrieb

Gericht:

BVerwG 2. Senat


Aktenzeichen:

2 C 29/98 | 2 C 29.98


Urteil vom:

10.06.1999


Grundlage:

  • BBG § 79 |
  • BhV § 6 Abs 1 Nr 4 Fassung 1992-04-02 |
  • BhV § 6 Abs 1 Nr 9 Fassung 1992-04-02

Leitsatz:

"Nebenkosten" wie Fahr-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten, die anläßlich der Beschaffung von beihilfefähigen Leistungen anfallen, sind nur insoweit beihilfefähig, als dies in den Beihilfevorschriften ausdrücklich vorgesehen ist.

Orientierungssatz:

Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 9 BhV ist die Beihilfefähigkeit auf die Aufwendungen für die Beförderung bei Inanspruchnahme ärztlicher, zahnärztlicher Leistungen und Krankenhausleistungen sowie bei Heilbehandlungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV beschränkt. Ausgeschlossen sind die Beschaffungskosten für Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV; - hier: Beihilfefähigkeit von Kosten mehrmaliger Fahrten mit dem eigenen Auto zu einem orthopädisch-technischen Betrieb zwecks Betriebs, Unterhaltung sowie Reparatur prothetischer Hilfsmittel verneint.

Rechtsweg:

OVG Lüneburg, Urteil vom 26.05.1998 - L 1988/96
VG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 07.02.1996 - 11 A 5907/94

Quelle:

JURIS-GmbH

Tatbestand:

Der Kläger ist Beamter im Dienst der Beklagten. Im März und Juni 1994 beantragte er die Gewährung von Beihilfe u.a. für Kosten in Höhe von insgesamt 595,40 DM, die ihm anläßlich von fünf Fahrten mit dem Pkw von seinem Wohnort zu einem orthopädisch-technischen Betrieb in B. im Jahre 1994 entstanden waren. Durch die Inanspruchnahme der Firma in B. sollte eine optimale prothetische Versorgung des Beines, das im Jahre 1979 ab dem Oberschenkel amputiert wurde, erreicht werden. Mit Bescheiden vom 10. Mai, 15. Juni und 4. August 1994 lehnte die Beklagte die begehrte Beihilfe für die Fahrkosten ab. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch könne nicht auf § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV gestützt werden. Dem Wortlaut der Vorschrift sei zu entnehmen, daß Beförderungskosten, die aus Anlaß der Beschaffung eines vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittels, Gerätes oder Körperersatzstückes entstanden sind, nicht beihilfefähig seien. Die Beihilfefähigkeit folge auch nicht aus § 6 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Anlage 3 Nrn. 5, 6 und 7 BhV. Die Fahrkosten nach B. ermöglichten zwar die für den Betrieb, die Unterhaltung und die Reparatur der für den Kläger erforderlichen prothetischen Hilfsmittel von dem orthopädisch-technischen Betrieb durchzuführenden Maßnahmen. Sie stellten aber nicht die mit diesen Maßnahmen verbundenen Aufwendungen dar und seien nur mittelbar mit dem Entstehen dieser Aufwendungen verbunden. Der geltend gemachte Beihilfeanspruch könne schließlich nicht aus der der Beklagten dem Kläger gegenüber obliegenden allgemeinen Fürsorgepflicht hergeleitet werden. Die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlaß von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang. Angesichts der regelmäßigen Besoldung und der Höhe der beanspruchten Fahrkosten, die im Laufe eines Jahres höchstens 1 000 DM betrügen, sei es nicht gerechtfertigt, eine Gefährdung der amtsangemessenen Lebensführung bei Versagung einer Beihilfe für diese Fahrkosten anzunehmen. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 15. Juni 1998 zugestellt worden. Mit an das Berufungsgericht adressiertem und dort am 12. August 1998 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene und von ihm bereits eingelegte Revision begründet. Revisions- und Revisionsbegründungsschrift sind am 19. August 1998 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen. Der Kläger beantragt, ihm wegen Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung fte der Kläger nämlich darauf vertrauen, daß sein Schriftsatz zur Begründung der Revision noch fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht eingehen werde. Ein Verschulden wegen der unrichtigen Adressierung dieses Schriftsatzes wirkte sich danach nicht mehr aus. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers brauchten nach der Mitteilung des Berufungsgerichts, daß "heute", also am 12. August 1998, die Rechtsmittelschrift an das Bundesverwaltungsgericht "übersandt worden (ist)", aus ihrer Sicht nichts mehr zu veranlassen, um - entsprechend der ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil - für den rechtzeitigen Eingang der Revisionsbegründungsschrift beim Bundesverwaltungsgericht zu sorgen. Vielmehr konnten sie ohne weiteres erwarten, daß entsprechend der Absendenachricht vom 12. August 1998 auch der Begründungsschriftsatz in den Beförderungsgang gelangt war und innerhalb der am Montag, dem 17. August 1998, endenden Frist (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO) das Bundesverwaltungsgericht erreichen werde. Daß der Schriftsatz erst nach diesem Zeitpunkt beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen ist, hat der Kläger nicht zu verantworten. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe zu den aus Anlaß von Fahrten für die Beschaffung, Reparatur oder Wartung von Körperersatzstücken entstandenen Kosten hat. Nach der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen des Klägers im Jahre 1994 maßgeblichen Fassung der Beihilfevorschriften vom 2. April 1992 (GMBl S. 210) mit Änderungen vom 9. Juni 1993 (GMBl S. 317) sind die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nicht beihilfefähig. Die Beihilfevorschriften, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz ihres Charakters als Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf ihre besondere rechtliche Form und ihre ungewöhnliche rechtliche Bedeutung wie Rechtsvorschriften auszulegen sind (u.a. Urteile vom 21. November 1994 - BVerwG 2 C 5.93 - (Buchholz 270 § 6 Nr. 8) und vom 30. März 1995 - BVerwG 2 C 9.94 - (Buchholz 270 § 8 Nr. 2)), bestimmen im einzelnen, zu welchen Aufwendungen der Art und dem Entstehungsgrund nach eine Beihilfe zu gewähren ist. "Nebenkosten", die anläßlich der Beschaffung von beihilfefähigen Leistungen anfallen, sind selbst nur insoweit beihilfefähig, als dies ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dies gilt insbesondere für Fahr-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten, die in den Beihilfevorschriften besonders behandelt werden (vgl. u.a. § 6 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe a, Abs. 1 Nr. 9, § 7 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 BhV). Danach ist es ausgeschlossen, derartige Aufwendungen gleichsam als "Annexkosten" der Inanspruchnahme von Leistungen, für die eine Beihilfe vorgesehen ist, generell als beihilfefähig anzuerkennen. Soweit dem Kläger Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Körperersatzstücke entstanden sind, kann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV nur das Entgelt, das unmittelbar für diese Leistungen zu entrichten ist, berücksichtigt werden. Weitere Aufwendungen wie die Fahrkosten zu einem orthopädisch-technischen Betrieb, die anläßlich der Beschaffung entstehen, werden von dieser Regelung nicht erfaßt. Der geltend gemachte Anspruch findet auch in § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV keine Grundlage. Diese Vorschrift, die speziell und im Rahmen des § 6 BhV abschließend die Voraussetzungen für den Umfang der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Beförderung regelt, sieht nicht vor, daß Fahrkosten für die Beschaffung von Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV zu berücksichtigen sind. Vielmehr ist die Beihilfefähigkeit auf die Aufwendungen für die Beförderung bei Inanspruchnahme ärztlicher, zahnärztlicher Leistungen und Krankenhausleistungen sowie bei Heilbehandlungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BhV beschränkt. Ausgeschlossen sind die Beschaffungskosten für Leistungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV. Über die Beihilfevorschriften hinausgehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Die Beihilfevorschriften konkretisieren den Umfang der Aufwendungen nicht unzumutbar erscheint, den Kläger mit den Fahrkosten abschließend zu belasten.

Referenznummer:

WBRE410005844


Informationsstand: 06.03.2000