Die Berufung des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG hat er einen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer wasserfesten Oberschenkelprothese, denn diese Versorgung ist hier im Einzelfall erforderlich, um die Behinderung des Klägers auszugleichen (
§ 33 Abs 1 S. 1 3. Mögl. des Sozialgesetzbuchs (SGB) V) und dieser Versorgung stehen weder das Wirtschaftlichkeitsgebot des
§ 12 Abs 1 SGB V noch andere Gesichtspunkte entgegen.
I. 1. Das hier streitige Hilfsmittel, die Oberschenkelprothese, setzt - wie zB auch eine Brille - bei ihrem Einsatz unmittelbar an der Behinderung an. Es wird die beeinträchtigte oder ausgefallene Körperfunktion - das Gehen- und Stehen- Können - wieder ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Diesen unmittelbaren Ausgleich verkennt der 5. Senat des
LSG NW in seinem Urteil vom 22.1.2003 (L 5 KR 159/02
LSG NW), mit dem er einem Versicherten die Versorgung mit einer Schwimmprothese, weil nur mittelbar ersetzend, verweigert hat.
2. Für den also vorliegenden Fall eines unmittelbar an der gestörten Körperfunktion erfolgenden Ansatzes des Hilfsmittels war/ist nach herkömmlicher Rechtsprechung davon auszugehen, daß die Versorgung mit einem solchen Hilfsmittel - ungeachtet von Gesichtspunkten etwa eines nur unwesentlichen Ausgleichs oder eines Einsatzes nur im begrenzten funktionalen Raum - ohne weiteres den Anforderungen des
§ 33 Abs 1 S. 1 3. Mögl. SGB V entspricht, während der Versicherte nur mittelbar an der gestörten Körperfunktion ansetzende Hilfsmittel - wie zB, aber neuerlich auch umstritten, einen Blindenhund - nur dann beanspruchen kann, wenn das Hilfsmittel benötigt wird, um sog "elementare Grundbedürfnisse" zu befriedigen, zu denen - jederzeit erweiterbar - u.a. gezählt werden: das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen und Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege und andere allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens sowie gesunde Lebensführung, geistige Betätigung, selbstständiges Wohnen und die Erweiterung des durch die Behinderung eingeschränkten Freiraums einschließlich der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, nicht aber etwa Fahrradfahren, Autofahren oder Schwimmen.
3. Seit etwa 1999 liest indes mancher aus der Rechtsprechung des 3. Senats des
BSG, daß die Gewährung eines jeden behinderungsausgleichende Hilfsmittels ausnahmslos davon abhängt, daß dieses zur Befriedigung eines "elementare Grundbedürfnisses" erforderlich ist. Für eine solche, den Gesetzeswortlaut weit hinter sich lassende Sicht spricht in der Tat die vom SG im angefochtenen Urteil insoweit mit Recht angeführte Entscheidung vom 6. Juni 2002 (
B 3 KR 68/01 R = SozR 3- 2500 § 33 Nr 4), mit dem der 3. Senat des
BSG - im Ergebnis sicherlich zu Recht - dem Versicherten, der den technischen Vorteil nutzen kann, die Versorgung mit einer damals
ca. 40.000 DM kostenden Prothese mit elektronisch gesteuertem Hydrauliksystem (C-Leg) zugesprochen hat (erneut mit Urteilen vom 16.9.2004, B 3 KR 1, 2 und
B 3 KR 6/04 R).
Ob eine solche Abkehr von der herkömmlichen Rechtsprechung und damit eine weitere Einschränkung der Rechte der Versicherten vom 3. Senat des
BSG tatsächlich beabsichtigt war/ist, erscheint jedoch im Hinblick auf andere Urteile eben dieses Senats durchaus zweifelhaft (
vgl. etwa das Urteil vom 3.11.1999,
B 3 KR 16/99 R = SozR 3-1200 § 33 Nummer 1 zum "Shoprider", in dem justament das Urteil des Bundessozialgericht vom 10.10.1979 -
3 RK 30/79 = SozR 2200 § 182 Nr 55 zur "Badeprothese" noch billigend in Bezug genommen wird;
vgl. auch Urt. v. 16. September 1999,
B 3 KR 13/98 = USK 99 41 u. 2/ 99 = USK 99 67 u. 8/98 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 31 "Rollstuhl-Bike"; Urteil vom 3. November 1999,
B 3 KR 3/99 R = SozR 3-2500 § 33
Nr. 34 "Mikroportanlage"; Urt. v. 16.9.2004,
B 3 KR 19/03 R = BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 "schwenkbarer Autositz" - zur gegenüber der Rechtsprechung des 8. Senats des
BSG eingeschränkten Sicht der Rechte der Versicherten in der Hilfsmittelrechtsprechung des 3. Senats des
BSG vgl. im übrigen das Urteil des erkennenden Senats vom 27.1.2002,
L 16 KR 137/03 LSG NW "Speedy-Bike").
II. Es bestand hier aber keine Notwendigkeit, diesen Dingen weiter nachzugehen. Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht es nämlich fest, daß der Kläger die wasserfeste Prothese durchaus und unabdingbar benötigt, um einem "elementaren Grundbedürfnis" gerecht zu werden.
1. Dazu zählt freilich die vom Kläger zunächst angeführte und in der Vordergrund gerückte ehrenamtliche Tätigkeit für die DRLG nicht. Mit dem Versuch, Vorteile aus diesem Einsatz herzuleiten, entfernt sich der Kläger von der zuvor in Anspruch genommenen Ehrenamtlichkeit der Tätigkeit. Jedenfalls ist es nicht Aufgabe der Solidargemeinschaft der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV), die Wahrnehmung eines solches Ehrenamtes zu ermöglichen (
vgl. auch das o.a. Urt. v. 3.11.1999 zur "Mikroportanlage").
2. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger hier auch auf die von ihm 2003 aufgenommene selbständige Erwerbstätigkeit als Schwimmlehrer. Ein berufsbezogenes Grundbedürfnis ist nur dann beachtlich, wenn durch das Hilfsmittel ein Beruf überhaupt erst ausgeübt oder irgendein Beruf erlernt werden kann; darüber hinaus wird ein berufsbezogenes Grundbedürfnis für sich besehen als "elementares Grundbedürfnis" nicht anerkannt; es ist insbesondere darüber hinaus - soweit nicht auch ein "elementares Grundbedürfnis" betroffen ist - die
GKV für den Ausgleich von Behinderungsfolgen nicht zuständig, die sich in erster Linie auf beruflichem Gebiet auswirken (
vgl. zu alledem:
BSG in SozR 2200 § 182 Nr 116; USK 90 56; SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 40).
3. Es konnte hier auch nicht von hervorragender Bedeutung sein, daß die wasserfeste Prothese dem Kläger beim Duschen/ Baden im häuslichen Bereich von Nutzen ist. Es handelt sich dabei um elementare Körperpflege und damit, wie erörtert, um ein "elementares Grundbedürfnis". Der Kläger selbst hat aber insoweit vor dem Senat jedenfalls auch von mehr Bequemlichkeit gesprochen, so daß davon auszugehen ist, daß der Einsatz des Hilfsmittels hier durchaus entbehrlich ist, daß es zumindest auch wirtschaftlichere Möglichkeiten für den Kläger gibt, ohne die Gefahr des Ausgleitens beim Baden oder Duschen.
4. Grundsätzlich kann auch das Schwimmen als solches ebenso wenig den "elementaren Grundbedürfnissen" zugeordnet werden wie die Möglichkeit, einen Urlaub in bestimmter Weise, etwa in Form eines Badeurlaubs, zu gestalten. Die Dinge sind jedoch aus der Sicht eines Beinamputierten grundlegend anders zu betrachten. Das
BSG hat schon in seinem Urteil vom 10.10. 1979 (
3 RK 30/79 = SozR § 182 Nr 55) auf die Bedeutung des Versehrtenschwimmsportes hingewiesen. Es hat die Schwimmprothese aaO jedenfalls u.a. auch deshalb der Krankenhilfe iS der Reichsversicherungsordnung (RVO) zugeordnet, was wiederum dem erkennenden Senat u.a. Anlaß war, einem anderen Mitglied der hier wie dort beklagten Kasse mit Urteil vom 5.2. 2004 (
L 16 KR 102/03 LSG NW) eine Badeprothese als behinderungsausgleichendes Hilfsmittel iS von
§ 33 Abs 1 S. 1 3. Mögl. SGB V zuzusprechen, obwohl ein weitergehenderer Bedarf auch dieses Versicherten nicht zu erkennen war. Die damalige und heutige Beklagte hat sich alsdann im nachfolgenden, vom erkennenden Senat damals zugelassenen Revisionsverfahren (B 3 KR 16/04 R) vor dem
BSG mit dem dortigen Versicherten auf die Übernahme von zwei Dritteln der streitigen Kosten geeinigt.
5. Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von seiner Rechtsprechung im o.a. Urteil vom 5.2.2004 abzuweichen. Im Gegenteil: es waren sicherlich nicht nur die ihrer Zahl nach damals noch mehr ins Gewicht fallenden Kriegsversehrten dem
BSG im Jahre 1979 Anlaß, die Bedeutung des Versehrtensportes hervorzuheben und die Versorgung mit einer Badeprothese zu Lasten der
GKV zu billigen. Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, daß darüber hinaus der Aufenthalt im Wasser mit seinen spezifischen Eigenschaften hervorragend und möglicherweise sogar allein geeignet ist, den Verlust des Beines für den Amputierten wenigstens zeitweise in den Hintergrund treten zu lassen, aus welcher Ursache die Behinderung auch eingetreten sein mag. Es werden so besehen Krankheitsbeschwerden gelindert; es wird vielleicht auch einer Verschlimmerung und der Entstehung psychischen Folgeschäden vorgebeugt (
vgl. § 27 Abs 1 S. 1 SGB V).
Der erkennende Senat ordnet daher das Schwimmen einem erweiterten "elementaren Grundbedürfnis" des Beinamputierten zu, so wie das an sich nicht einbezogene Fahrradfahren im Hinblick auf den Kontakt mit Gleichaltrigen Teil eines erweiterten Grundbedürfnisses von Kindern sein kann (
vgl. BSG Urt.v. 29.9.1997,
8 RKn 27/96 = SozR 3-2500 § 33 Nr 25; Urt. v. 13.5.1998,
B 8 KN 13/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 28 "Tandem- Therapiefahrrad";
vgl. auch zum erweiterten Grundbedürfnis von schwerhörigen oder blinden Schülern SozR 2200 § 182 b Nr 28 und SozR 5420 § 16 Nr 1). Es erkennt schließlich auch die jüngere Rechtsprechung des 3. Senat des
BSG (
vgl. Urt.v. 16. 9. 2004,
B 3 KR 15/04 R = Die Leistungen Beilage 2005, 16-21 "schwenkbarer Autositz") durchaus an, daß die Zuordnung bestimmter Betätigungen zu den Grundbedürfnissen von individuell unterschiedlichen Faktoren abhängt wie zB dem Alter eines Versicherten (Hinw. auf
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158), der Förderung des Integrationsprozesses (Hinw. auf
BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 258 ff) , der Schwere einer Behinderung (Hinw. auf das Urteil des Senats vom 24. Januar 1990 -
3/8 RK 16/87 -, NJW 1991, 1564) oder der Notwendigkeit medizinischer Intensivbehandlung, daß mithin das Grundbedürfnis doch nicht, wie es der 3. Senat des
BSG dann im Urteil vom 26.3.2003 (
B 3 KR 26/02 R = SozR 4-2500 § 33 Nr 2 "Therapie-Tandem") annimmt, stets, sondern nur grundsätzlich nach den Lebensverhältnissen eines gleichaltrigen gesunden Menschen zu bestimmen ist.
6. Ausschlußgründe der o.a. oder anderer Art waren nicht ersichtlich. Insbesondere hat auch die Beklagte nicht bestritten, daß die dem Kläger noch zur Verfügung stehende Prothese ihre Gebrauchsfähigkeit verloren hat.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs 1
SGG. Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen. Nachdem das o. a. Parallel- Urteil des erkennenden Senats vom 5.2.2004 dem
BSG bereits zu Prüfung vorgelegen hat, konnte der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nicht mehr zugemessen werden (§ 160 Abs 2 Nr 1
SGG). Es weicht das Urteil auch nicht von einer Entscheidung des
BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes (
BVerfG) ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2
SGG). Die Entscheidung des Senats folgt vielmehr dem o.a. Urteil des
BSG vom 10.10.1979, das an Überzeugungskraft nichts verloren hat.