Urteil
Anspruch auf Versorgung mit einer Badeprothese
Gericht:
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen:
L 11 KR 9/06
Urteil vom:
11.12.2007
LSG Nordrhein-Westfalen
L 11 KR 9/06
11.12.2007
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.01.2006 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte dem Kläger eine wasserfeste Prothese in Form einer Badeprothese zu bewilligen hat.
Dem 1941 geborenen Kläger, dessen linker Unterschenkel amputiert ist, wurde im April 2003 von dem Orthopäden Dr. M eine Unterschenkelschwimmprothese verordnet, deren Kosten sich ausweislich des Kostenvoranschlages des Sanitätshauses X vom 16. 04.2004 auf 2.215,82 Euro belaufen.
Mit Bescheid vom 12.06.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung ab, da Badeprothesen keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellten. Alternativ sei die Beklagte jedoch bereit, die Kosten für sog. Xero-Sox Latexüberzüge zu übernehmen, so dass die vorhandene Unterschenkelprothese auch im Nassbereich genutzt werden könne.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 18.06.2003 machte der Kläger geltend, mit der Laufprothese sei es ihm nicht möglich, Schwimmen zu gehen, auch nicht, wenn sie mit einem Latexüberzug versehen sei. Er ginge in ein normales Schwimmbad, ins offene Meer und auch ins Thermalbad. Dies sei mit Krücken nicht möglich, da hierbei Rutschgefahr bestehe.
Ein Latexüberzug sei über längere Zeit im Wasser nicht dicht und würde die Laufprothese schließlich beschädigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück. Ergänzend führte sie aus, der MDK sei am 10.06.2003 gutachterlich eingeschaltet worden und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schwimmprothese im Fall des Klägers nicht erforderlich sei um eine Behinderung auszugleichen, sondern generell nur ihre Wirkung in einem bestimmten Lebensbereich habe. Mit dem Xero-Sox stünde dem Kläger ein Hilfsmittel zur Verfügung, welches eine ausreichend und zweckmäßige Sicherung der Grundbedürfnisse gewährleistet.
Hiergegen richtete sich die am 24.07.2003 erhobene Klage. Zur Begründung trug der Kläger vor, es sei ihm bereits 1992 eine Schwimmprothese gewährt worden, die nun nicht mehr tauglich sei. Auch die Reparaturkosten für diese seien in den Jahren anstandslos übernommen worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2003 zu verurteilen, ihm eine Unterschenkelschwimmprothese zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides bezogen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 05.01.2006 antragsgemäß verurteilt. Die Ablehnung sei rechtswidrig, denn die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung einer Schwimmprothese zustehe. Die Badeprothese sei ein Hilfsmittel i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) V, das unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Körperfunktion gerichtet sei, so dass es der medizinischen Rehabilitation diene. Eine Schwimm- oder Badeprothese diene der Ausübung der durch die Amputation beeinträchtigten Funktion der Beine und setze somit nicht erst bei den Folgen der Behinderungen in einzelnen Lebensbereichen an. Darüber hinaus gehe die Kammer davon aus, dass durch die Gewährung der streitigen Prothese nicht nur die Auswirkung der Behinderung des Klägers in einem bestimmten Lebensbereich (Freizeit und Gesellschaft), sondern im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werde und damit ein "Grundbedürfnis" des täglichen Lebens betroffen sei (Urteil des LSG NRW vom 05. Februar 2004, Aktenzeichen L 16 KR 102/ 03; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 5 und Nr. 27).
Die Ausgleichsfunktion einer wasserfesten Prothese wirke sich für den Behinderten in vielen Lebensbereichen aus, sie ermögliche nicht nur das Schwimmen, sondern sei auch bei der Körperpflege und nächtlichen Toilettengängen geeignet, die Behinderung auszugleichen bzw. zu mildern. Im übrigen sei die Versorgung mit einer wasserfesten Prothese auch erforderlich, da Xero-Sox Überzüge nicht annähernd gleich geeignete Hilfsmittel seien. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Alltagstauglichkeit, zum anderen dürfte auch deren Benutzung außerhalb der Privatsphäre und in der Öffentlichkeit kaum zumutbar sein.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 08.02.2006. Das angefochtene Urteil sei rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21.11.2002, Az. B 3 KR 8/02 R und einer Entscheidung des LSG NRW vom 22. 01. 2003, Az. L 5 KR 159/02) bestehe ein Anspruch auf ein Hilfsmittel der hier streitigen Art nur dann, wenn es der Erfüllung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens diene. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Aus der Widerspruchsbegründung des Klägers ergebe sich, dass er die beantragte Schwimmprothese ausschließlich zum Schwimmen in Bädern oder im Meer benötige. Diese dem Freizeit- und Erholungsbereich zuzurechnende sportliche Aktivität gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, so dass die Voraussetzungen des § 33 SGB V nicht erfüllt seien. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass ihm im Jahre 1992 eine Schwimmprothese bewilligt worden und in den Folgejahren auch Reparaturkosten übernommen worden seien, habe die Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 2002 im Jahre 1992 nicht berücksichtigen können.
Die Entscheidung des 16. Senates des LSG NRW (Urteil vom 05.02.2004, L 16 KR 102/03) weiche von der BSG Rechtsprechung ab, soweit die Schwimmprothese zur Erfüllung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens wie etwa der Körperpflege und Hygiene als erforderlich angesehen werde.
Im übrigen stelle das Gericht erkennbar mehr auf die Gesichtspunkte der Optimierung ab, nicht aber auf die Notwendigkeit der Versorgung in den Grenzen des § 12 SGB V. Da die Schwimmprothese vom Kläger vornehmlich für die sportlichen Aktivitäten beantragt worden sei, sei davon auszugehen, dass sie etwa für den Ein- und Ausstieg in eine Duschkabine nicht benötigt werde und dafür andere Problemlösungen vorhanden seien.
Im übrigen sei eine Badeprothese aufgrund des durch sie verursachten Auftriebs beim Schwimmen eher hinderlich. Diese ergebe sich aus einer Stellungnahme des Dr. M1 vom Fachreferat Hilfsmittel des MDK Westfalen-Lippe vom 01.02.2006.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.01.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die angefochtene Entscheidung sei schlüssig und überzeugend. Im übrigen bestreite er, dass er die Schwimmprothese nur zum Schwimmen im Meer und in öffentlichen Bädern benötige. Sie sei vielmehr auch für die tägliche Körperpflege beim Duschen und Baden erforderlich. Auf einem Bein stehend könne er nicht duschen. Im übrigen sei er, wenn er nachts wach werde, mit der Schwimmprothese schneller in der Lage die Toilette aufzusuchen, da sie leichter anzulegen sei als die Laufprothese. Dies sei eine hilfreiche Unterstützung bei Darmstörungen, Durchfall und Erbrechen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstanden wird auf den Inhalt- und Verwaltungsakte, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist sowie auf den Vortrag der Beteiligten im übrigen Bezug genommen.
SG Düsseldorf Urteil vom 05.01.2006 - S 34 KR 151/03
BSG Urteil vom 15.06.2009 - B 3 KR 2/08 R
R/R2916
Informationsstand: 07.03.2008