Urteil
Kein Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Turnschuhen

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen 11. Senat


Aktenzeichen:

L 11 KR 58/07


Urteil vom:

26.11.2008


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.06.2007 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Versorgung mit orthopädischen Turnschuhen.

Die 61jährige Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet u.a. an einer hereditären Neuropathie. Diese bedingt eine Gangstörung mit Gangunsicherheit, Steppergang und Atrophien der Unterschenkel- und Fußmuskulatur.

Im September 2005 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für ein Paar orthopädische Maßschuhe. Sie legte eine entsprechende Verordnung des Facharztes für Orthopädie Dr. X vom 29.09.2005 und einen Kostenvoranschlag der Sanitätshaus C GmbH für orthopädische Straßenschuhe über 1.245,32 Euro vor.

Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme mit Bescheid vom 06.10.2005 mit der Begründung ab, dass die Klägerin bereits im Juli 2004 und Juni 2005 mit je einem Paar orthopädischer Straßenschuhe versorgt worden sei.

Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin u.a. aus, dass sie orthopädische Turnschuhe begehre. Um ihren körperlichen Status zu erhalten, müsse sie regelmäßig Gymnastik (Rückenschule, TaiCi und Radfahren) treiben. Handelsübliche Turnschuhe und die orthopädischen Straßenschuhe seien ungeeignet; es träten Schmerzen auf, die Schuhe machten die Bewegung nicht mit.

Mit Bescheid vom 18.10.2005 lehnte die Beklagte auch eine Versorgung mit orthopädischen Turnschuhen mit der Begründung ab, dass Hilfsmittel für sportliche Aktivitäten in die Eigenverantwortung des Versicherten fielen und eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) generell nicht erfolgen könne.

Die Klägerin wies mit weiterem Widerspruch darauf hin, dass sie einem Muskelabbau durch Gymnastik entgegenwirken müsse. Sie nähme an Tai Chi Chuan- und Qi Gong-Kursen teil. Die handelsüblichen Turnschuhe und die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schuhe seien dabei ungeeignet. Sie legte einen neuen Kostenvoranschlag der Sanitätshaus C GmbH für einen orthopädischen Sportschuh über 1.190,74 Euro und die Verschreibung des Dr. X vom 29.09.2005, nunmehr handschriftlich um "als Sportschuhversorgung" ergänzt, vor.

Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung der Klägerin durch Dr. D vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Dieser beschrieb ein unter Verwendung der bereits vorhandenen orthopädischen Schuhe freies Gangbild der Klägerin. In die orthopädischen Schuhe seien Peronaeusschienen eingearbeitet. Diese seien nach Angaben der Klägerin bei den zur Kontraktur- Prophylaxe betriebenen Tai Chi Chuan und Qi Gong hinderlich; sie benötige nach ihren Angaben Schuhe, die einen elastischen Widerstand insbesondere in der Beugung im Fußgelenk böten. Dr. D gelangte zu dem Schluss, dass der verwendete Konfektionsturnschuh für das Erkrankungsbild der Klägerin ungeeignet sei. Ausreichend und wirtschaftlich seien hochschaftige, breite Konfektionsturnschuhe, die allerdings nicht der Leistungspflicht der GKV unterfielen. Im Übrigen könne die vorhandene Beugelähmung der Beugemuskulatur nur durch die bisher verwendeten Peronaeusschienen und die "normalen" orthopädischen Alltagsschuhe kompensiert werden. Der von der Klägerin angestrebte Effekt sei aber entgegengesetzt und werde zwangsläufig auch unter Verwendung der beantragten Hilfsmittel zu einer Instabilität führen (sozialmedizinisches Gutachten vom 04.01.2006 und sozialmedizinische Stellungnahme vom 17.01.2006).

Dem widersprach die Klägerin. Sie betreibe wöchentlich über 1 ½ Stunden Rückenschule, an fünf Tagen in der Woche eine Stunde Muskelaufbautraining und seit Jahren Tai Chi und Qi Gong; zudem nehme sie wöchentlich an einem Tanzkurs teil. Diese Sportarten seien ihr ohne entsprechendes Schuhwerk nicht möglich. Konfektionsschuhe seien vorne zu schmal und im Fersenbereich zu breit. Vor vier Jahren habe sie auch zwei unterschiedlich hohe Turnschuhe ausprobiert; aufgrund des Materials habe es jedoch erhebliche Probleme gegeben.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 zurück. Zur Begründung gab sie an, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Behinderungsausgleich durch die GKV nur im Bereich der allgemeinen Grundbedürfnisse erfolgen könne. Der beantragte orthopädische Sportschuh werde jedoch nicht zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse benötigt. Darüber hinaus sei es nach Beurteilung des MDK aus therapeutischer Sicht nicht sinnvoll, ein Hilfsmittel einzusetzen, das den bereits verwendeten in seiner Funktion und Effektivität entgegengesetzt wirke.

Mit ihrer Klage vom 08.06.2006 hat die Klägerin - unterstützt durch ihre behandelnde Ärztin für Neurologis und Psychiatrie E - vorgetragen, ihre sportlichen Aktivitäten seien erforderlich, um einen weiteren Muskelabbau zu verhindern bzw. zu verzögern. Sie betreibe Gymnastik, Rückenschule, regelmäßiges Fahrradfahren, TaiChi und QiGong. Konfektionsturnschuhe führten zu Schmerzen in den Gelenken; deren teure Eigenanschaffung sei umsonst gewesen. Ihr Sanitätshaus sei auch nicht mehr zu weiteren Versuchen bereit, diese Turnschuhe zu weiten. Maßgefertigte orthopädische Turnschuhe seien auch wegen der krankheitsbedingten Fußveränderungen mit unterschiedlichen Schuhgrößen erforderlich. Im Übrigen habe sich ihre gesundheitliche Situation trotz medizinscher Rehabilitationsmaßnahme weiter verschlechtert.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06. und 18.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2006 zu verurteilen, die Kosten für ein Paar orthopädische Turnschuhe zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat von Dr. X und der Ärztin E Befundberichte (einschließlich beigefügter Arztbriefe) eingeholt.

Mit Urteil vom 14.06.2007 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Kosten für ein Paar orthopädische Turnschuhe zu übernehmen: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel orthopädische Turnschuhe. Entgegen der Auffassung der Beklagten falle nach der Rechtsprechung des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, Urteile vom 05.02.2004 - L 16 KR 102/03 - und vom 15.09.2005 - L 16 KR 77/05 -) die Versorgung mit einem orthopädischen Turnschuh zur Ausübung sportlicher Aktivitäten, insbesondere behinderungsausgleichender Sportübungen, nicht in den Eigenverantwortungsbereich der Klägerin. Der Einsatz eines Markenturnschuhs habe keinen Erfolg gebracht, so dass der Klägerin zur Aufrechterhaltung des behinderungsausgleichenden Sports die beantragten orthopädischen Turnschuhe zu gewähren seien.

Gegen das am 25.06.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.07.2007 Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, dass die vom SG angeführten Urteile des LSG NRW nicht einschlägig seien; es gehe nicht darum, ob bei Beinamputierten Schwimmen als erweitertes elementares Grundbedürfnis anzuerkennen sei. Die von der Klägerin begehrten orthopädischen Sportschuhe seien nicht zur Sicherung der Krankenbehandlung erforderlich. Die Klägerin betreibe keinen ärztlich verordneten Rehabilitationssport, zu dessen Durchführung sie die Sportschuhe benötige. Sie habe aber auch keinen Anspruch auf orthopädische Sportschuhe als Hilfsmittel. Nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktion ersetzende Mittel seien lediglich dann als Hilfsmittel anzusehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigten oder milderten und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" beträfen. Die von der Klägerin gewünschten orthopädischen Sportschuhe dienten jedoch allein dem Zweck, Freizeitsport zu betreiben. Damit beschränke sich der Zweck der Sportschuhe auf eine bloße Freizeitbetätigung, die nicht zu den Grundbedürfnissen gehöre. Zur Stärkung ihrer Gesundheit und Training ihrer Muskulatur könne die Klägerin andere Maßnahmen durchführen, für die sie keine orthopädischen Sportschuhe benötige, z.B. Schwimmen oder Krankengymnastik.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.06.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verweist darauf, dass der von ihr ausgeübte Sport gerade nicht der Freizeitgestaltung diene, sondern wegen der Schwere ihrer Krankheit zur Verhinderung einer Progredienz der Muskelatrophie medizinisch dringend indiziert sei. Auch für Krankengymnastik und Schwimmen benötige sie ebenfalls orthopädische Sportschuhe. Bei der letzten Rehabilitationsmaßnahme habe sie mit Gehhilfe und zusätzlicher Hilfe von Pflegekräften versucht, das Wasser zu erreichen. Da die Pflegekräfte Angst hatten, dass sie zu Fall komme, sei es bei dem Versuch geblieben.

Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Klägerin in der Zeit vom 06.05.2005 bis 24.04.2007 88mal ärztlich verordnete Krankengymnastik in Anspruch genommen hat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Rechtsweg:

SG Düsseldorf Urteil vom 14.06.2007 - S 8 KR 158/06

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgeben; denn die Bescheide der Beklagten vom 06. und 18.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Turnschuhen.

1. Der streitige Versorgungsanspruch ergibt sich nicht bereits aus der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Verordnung. Für den Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln ist eine ärztliche Verordnung weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung (vgl. u.a. LSG NRW, Urteil vom 14.06.2007 - L 2 KN 209/05 KR - m.w.N.).

2. Versicherte haben im Rahmen der Krankenbehandlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -) u.a. Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V) .

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.

a) Orthopädische Turnschuhe sind keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Geräte bzw. Gegenstände, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt werden und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind grundsätzlich nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z.B. Brillen, Hörgeräte); denn Bewertungsmaßstab ist insoweit der Gebrauch eines Geräts durch Menschen, die nicht an der betreffenden Krankheit oder Behinderung leiden. Die Frage, ob ein Mittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von insoweit nicht betroffenen Menschen benutzt wird (BSG, Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 9/97 R - in SozR 3-2500 § 33 Nr. 19). Dies ist bei maßgefertigten orthopädischen Turnschuhen offenkundig nicht der Fall; spezialangefertigte orthopädische Schuhe werden nur von Personen benutzt, die durch Krankheit oder Behinderung keine Konfektionsturnschuhe benutzen können; sie kommen für Gesunde nicht in Betracht.

b) Orthopädische Turnschuhe sind der Klägerin nicht zu gewähren, um die aufgrund der Neuropathie bestehenden Behinderungen auszugleichen.

Dieser in § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V genannte Zweck eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels bedeutet nicht, dass nicht nur die Behinderung selbst, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der GKV ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Bei einem unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichteten Hilfsmittel, insbesondere einem künstlichen Körperglied, ist ohne Weiteres anzunehmen, dass eine medizinische Rehabilitation vorliegt. Hingegen werden nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktion ersetzende Mittel lediglich dann als Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf / Gesellschaft / Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigen oder mildern und da mit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 5, 27, 29, 32 m.w.N.).

Soweit also - wie hier - das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion nur mittelbar oder nur teilweise ersetzt, muss zusätzlich geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt. Zu den "Grundbedürfnissen" gehören zunächst die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen und Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung), darüber hinaus die elementare Körperpflege und das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit Anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens ( Schulwissen) umfasst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32).

Dabei geht es nur um ein Basisbedürfnis und damit letztlich um einen Basisausgleich, also nicht um ein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29). Auch das Grundbedürfnis der Erschließung "eines gewissen körperlichen Freiraumes" ist nur i.S. eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht i.S. d. vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden zu verstehen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31). Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29).

Die Grundbedürfnisse der Klägerin, sich fortzubewegen und sich einen gewissen körperlichen Freiraum zu erschließen, werden mit den beiden Paar orthopädischen Schuhen befriedigt, die ihr die Beklagte bereits zur Verfügung gestellt hat.

Bei dem beantragten Hilfsmittel handelt es sich um Turnschuhe, mit denen die Klägerin Sport treiben, insbesondere Tai Chi und Qi Gong oder auch Tanzsport ausüben möchte.

Diese überwiegend sportliche Betätigung im Freizeitbereich wird vom Begriff des vitalen Lebensbedürfnisses bzw. des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfasst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 5, 27, 31; BSG SozR 3-2500 § 182b Nrn. 12, 30, 34, 37; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 2; BSG Beschluss vom 08. November 2006 - B 3 KR 17/06 B -). Sie stellt im Besonderen kein von der GKV durch die Gewährung von Hilfsmitteln zu befriedigendes Grundbedürfnis dar.

Ausgangspunkt der oben genannten Rechtsprechung ist, dass das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dies bedeutet, dass Bedürfnisse betroffen sein müssen, die generell (fast) alle Menschen oder aber zumindest die Menschen einer Altersgruppe (z.B. Jugendliche) haben. Dies trifft auf die sportliche Betätigung im Allgemeinen nicht zu. Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Menschen - gerade auch in der Altersgruppe der Klägerin - überhaupt keinen Sport oder Meditationsübungen u.ä. (s. dazu das von der Klägerin im Verwaltungsverfahren überreichte Informationsblatt) betreiben. Hinzu kommt, dass es bei der Ausübung von Sport grundsätzlich um eine gesteigerte, den menschlichen Körper besonders beanspruchende Betätigung körperlicher Grundfunktionen geht. Schon von daher wird deutlich, dass es nicht um ein allgemeines Grundbedürfnis, sondern um die Befriedigung eines individuellen speziellen Bedürfnisses geht.

Unerheblich dabei ist, dass die Klägerin - was sich im Übrigen auch nur begrenzt erschließt - Tai Chi, Qi Gong bzw. Tanzsport als aufgrund ihrer Erkrankung medizinisch geboten erachtet. Unabhängig davon, dass diese Betätigungen nicht ärztlich verordnet sind und im Übrigen zumindest zum Teil der Förderung der Gesundheit bzw. der körperlichen und ggf. geistigen Leistungsfähigkeit eines jeden Menschen geeignet sind, erfährt der Charakter dieser Tätigkeiten dadurch keine Änderung. Sie werden deshalb nicht "allgemeines Grundbedürfnis".

Selbst wenn aber dem entgegen die Ermöglichung einer sportlichen Betätigung zu den Grundbedürfnissen gezählt würde, so begründete dies nicht den Anspruch der Klägerin auf orthopädische Turnschuhe. Denn ohne diese Schuhe ist es ihr nicht generell unmöglich, Sport zu treiben. So verweist die Beklagte z.B. zu Recht auf Schwimmsport. Soweit die Klägerin vorträgt, ohne orthopädische Turnschuhe könne sie das Wasser nicht erreichen, ist dem nicht zu folgen. Es erschließt sich schon nicht, aus welchem Grund die Klägerin entweder mit den bereits von der Beklagten gestellten Maßschuhen oder zumindest mit üblichen Konfektionsturnschuhen die in der Regel geringe Entfernung zu einem Wasserbecken nicht bewältigen können sollte, wenn ihr das übliche Barfußlaufen nicht möglich ist. Ebenso kann die Klägerin auf das von ihr nach ihren Angaben (s. u.a. sozialmedizinisches Gutachten vom 04.01.2006) auch 1 ½ stündig täglich durchgeführte Fahren mit einem Fahrrad und auf Krankengymnastik - s. dazu unten unter c) - verwiesen werden.

Ein Anspruch auf von der Beklagten zu gewährende Hilfen zur Ausübung bestimmter besonderer Sportarten besteht indes nicht. Die Ausübung bestimmter Sportarten gehört keinesfalls zu den Grundbedürfnissen, die im Rahmen der GKV zu befriedigen sind. Dies würde über die Gewährung eines Basisausgleichs weit hinausgehen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 08. mai 2008 - L 5 (16) KR 174/07 -).

Im Übrigen führen, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, auch die vom SG angeführten Entscheidungen des LSG NRW (Urteile vom 05.02.2004 und vom 15.09.2005, a.a.O.) nicht weiter. In diesen - im Übrigen nicht unumstrittenen - Entscheidungen hat das Gericht die beklagte Krankenkasse deshalb zur Gewährung von Beinprothesen verurteilt, weil es diese als unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Körperfunktion selbst abzielend und Schwimmen bei Beinamputierten als erweitertes elementares Grundbedürfnis angesehen hat. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

c) Orthopädische Turnschuhe sind auch nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern.

Orthopädische Turnschuhe sind nicht zur Durchführung einer Krankenbehandlung erforderlich. Die Klägerin erhält nach der von ihr bestätigten Auskunft der Beklagten durchschnittlich alle 1,2 Wochen ärztlich verordnete Krankengymnastik. Nach ihren Bekundungen im Termin zur mündlichen Verhandlung nimmt sie auch nach dem 24.04.2007 weiterhin Krankengymnastik (im Liegen bzw. Ergotherapie) in Anspruch.

Dass dazu orthopädische Turnschuhe erforderlich sein könnten, wird bereits durch die jahrelang konstante Teilnahme der Klägerin an der Krankengymnastik widerlegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Bei verordneter Krankengymnastik / Physiotherapie sind nicht nur aufgrund eigener Kenntnis des Senats, sondern auch aufgrund allgemeiner Erfahrung in der Regel überhaupt keine Schuhe erforderlich. Aber auch ansonsten ist nicht erkenntlich, warum Krankengymnastik nicht mit den vorhandenen orthopädischen Schuhen bzw. Konfektionsturnschuhen möglich sein sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Referenznummer:

R/R4209


Informationsstand: 12.05.2009