Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgeben; denn die Bescheide der Beklagten vom 06. und 18.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)). Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Turnschuhen.
1. Der streitige Versorgungsanspruch ergibt sich nicht bereits aus der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Verordnung. Für den Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln ist eine ärztliche Verordnung weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung (
vgl. u.a.
LSG NRW, Urteil vom 14.06.2007 -
L 2 KN 209/05 KR -
m.w.N.).
2. Versicherte haben im Rahmen der Krankenbehandlung (
vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -
SGB V -) u.a. Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34
Abs. 4 ausgeschlossen sind (
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V) .
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.
a) Orthopädische Turnschuhe sind keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Geräte
bzw. Gegenstände, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt werden und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind grundsätzlich nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (
z.B. Brillen, Hörgeräte); denn Bewertungsmaßstab ist insoweit der Gebrauch eines Geräts durch Menschen, die nicht an der betreffenden Krankheit oder Behinderung leiden. Die Frage, ob ein Mittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von insoweit nicht betroffenen Menschen benutzt wird (
BSG, Urteil vom 16.04.1998 -
B 3 KR 9/97 R - in SozR 3-2500 § 33
Nr. 19). Dies ist bei maßgefertigten orthopädischen Turnschuhen offenkundig nicht der Fall; spezialangefertigte orthopädische Schuhe werden nur von Personen benutzt, die durch Krankheit oder Behinderung keine Konfektionsturnschuhe benutzen können; sie kommen für Gesunde nicht in Betracht.
b) Orthopädische Turnschuhe sind der Klägerin nicht zu gewähren, um die aufgrund der Neuropathie bestehenden Behinderungen auszugleichen.
Dieser in § 33
Abs. 1
S. 1
SGB V genannte Zweck eines von der
GKV zu leistenden Hilfsmittels bedeutet nicht, dass nicht nur die Behinderung selbst, sondern auch sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der
GKV ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Bei einem unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichteten Hilfsmittel, insbesondere einem künstlichen Körperglied, ist ohne Weiteres anzunehmen, dass eine medizinische Rehabilitation vorliegt. Hingegen werden nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktion ersetzende Mittel lediglich dann als Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf / Gesellschaft / Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigen oder mildern und da mit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (ständige Rechtsprechung,
vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 5, 27, 29, 32
m.w.N.).
Soweit also - wie hier - das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion nur mittelbar oder nur teilweise ersetzt, muss zusätzlich geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt. Zu den "Grundbedürfnissen" gehören zunächst die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen und Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung), darüber hinaus die elementare Körperpflege und das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraumes, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit Anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens ( Schulwissen) umfasst (
vgl. BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 32).
Dabei geht es nur um ein Basisbedürfnis und damit letztlich um einen Basisausgleich, also nicht um ein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden (
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 29). Auch das Grundbedürfnis der Erschließung "eines gewissen körperlichen Freiraumes" ist nur i.
S. eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht i.
S. d. vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden zu verstehen (
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 31). Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger (
vgl. BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 29).
Die Grundbedürfnisse der Klägerin, sich fortzubewegen und sich einen gewissen körperlichen Freiraum zu erschließen, werden mit den beiden Paar orthopädischen Schuhen befriedigt, die ihr die Beklagte bereits zur Verfügung gestellt hat.
Bei dem beantragten Hilfsmittel handelt es sich um Turnschuhe, mit denen die Klägerin Sport treiben, insbesondere Tai Chi und Qi Gong oder auch Tanzsport ausüben möchte.
Diese überwiegend sportliche Betätigung im Freizeitbereich wird vom Begriff des vitalen Lebensbedürfnisses
bzw. des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfasst (
vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 5, 27, 31;
BSG SozR 3-2500 § 182b Nrn. 12, 30, 34, 37;
BSG SozR 4-2500 § 33
Nr. 2;
BSG Beschluss vom 08. November 2006 -
B 3 KR 17/06 B -). Sie stellt im Besonderen kein von der
GKV durch die Gewährung von Hilfsmitteln zu befriedigendes Grundbedürfnis dar.
Ausgangspunkt der oben genannten Rechtsprechung ist, dass das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dies bedeutet, dass Bedürfnisse betroffen sein müssen, die generell (fast) alle Menschen oder aber zumindest die Menschen einer Altersgruppe (
z.B. Jugendliche) haben. Dies trifft auf die sportliche Betätigung im Allgemeinen nicht zu. Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Menschen - gerade auch in der Altersgruppe der Klägerin - überhaupt keinen Sport oder Meditationsübungen u.ä. (s. dazu das von der Klägerin im Verwaltungsverfahren überreichte Informationsblatt) betreiben. Hinzu kommt, dass es bei der Ausübung von Sport grundsätzlich um eine gesteigerte, den menschlichen Körper besonders beanspruchende Betätigung körperlicher Grundfunktionen geht. Schon von daher wird deutlich, dass es nicht um ein allgemeines Grundbedürfnis, sondern um die Befriedigung eines individuellen speziellen Bedürfnisses geht.
Unerheblich dabei ist, dass die Klägerin - was sich im Übrigen auch nur begrenzt erschließt - Tai Chi, Qi Gong
bzw. Tanzsport als aufgrund ihrer Erkrankung medizinisch geboten erachtet. Unabhängig davon, dass diese Betätigungen nicht ärztlich verordnet sind und im Übrigen zumindest zum Teil der Förderung der Gesundheit
bzw. der körperlichen und
ggf. geistigen Leistungsfähigkeit eines jeden Menschen geeignet sind, erfährt der Charakter dieser Tätigkeiten dadurch keine Änderung. Sie werden deshalb nicht "allgemeines Grundbedürfnis".
Selbst wenn aber dem entgegen die Ermöglichung einer sportlichen Betätigung zu den Grundbedürfnissen gezählt würde, so begründete dies nicht den Anspruch der Klägerin auf orthopädische Turnschuhe. Denn ohne diese Schuhe ist es ihr nicht generell unmöglich, Sport zu treiben. So verweist die Beklagte
z.B. zu Recht auf Schwimmsport. Soweit die Klägerin vorträgt, ohne orthopädische Turnschuhe könne sie das Wasser nicht erreichen, ist dem nicht zu folgen. Es erschließt sich schon nicht, aus welchem Grund die Klägerin entweder mit den bereits von der Beklagten gestellten Maßschuhen oder zumindest mit üblichen Konfektionsturnschuhen die in der Regel geringe Entfernung zu einem Wasserbecken nicht bewältigen können sollte, wenn ihr das übliche Barfußlaufen nicht möglich ist. Ebenso kann die Klägerin auf das von ihr nach ihren Angaben (
s. u.a. sozialmedizinisches Gutachten vom 04.01.2006) auch 1 ½ stündig täglich durchgeführte Fahren mit einem Fahrrad und auf Krankengymnastik - s. dazu unten unter c) - verwiesen werden.
Ein Anspruch auf von der Beklagten zu gewährende Hilfen zur Ausübung bestimmter besonderer Sportarten besteht indes nicht. Die Ausübung bestimmter Sportarten gehört keinesfalls zu den Grundbedürfnissen, die im Rahmen der
GKV zu befriedigen sind. Dies würde über die Gewährung eines Basisausgleichs weit hinausgehen (
vgl. LSG NRW, Urteil vom 08. mai 2008 - L 5 (16) KR 174/07 -).
Im Übrigen führen, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, auch die vom SG angeführten Entscheidungen des
LSG NRW (Urteile vom 05.02.2004 und vom 15.09.2005, a.a.O.) nicht weiter. In diesen - im Übrigen nicht unumstrittenen - Entscheidungen hat das Gericht die beklagte Krankenkasse deshalb zur Gewährung von Beinprothesen verurteilt, weil es diese als unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Körperfunktion selbst abzielend und Schwimmen bei Beinamputierten als erweitertes elementares Grundbedürfnis angesehen hat. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
c) Orthopädische Turnschuhe sind auch nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern.
Orthopädische Turnschuhe sind nicht zur Durchführung einer Krankenbehandlung erforderlich. Die Klägerin erhält nach der von ihr bestätigten Auskunft der Beklagten durchschnittlich alle 1,2 Wochen ärztlich verordnete Krankengymnastik. Nach ihren Bekundungen im Termin zur mündlichen Verhandlung nimmt sie auch nach dem 24.04.2007 weiterhin Krankengymnastik (im Liegen
bzw. Ergotherapie) in Anspruch.
Dass dazu orthopädische Turnschuhe erforderlich sein könnten, wird bereits durch die jahrelang konstante Teilnahme der Klägerin an der Krankengymnastik widerlegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Bei verordneter Krankengymnastik / Physiotherapie sind nicht nur aufgrund eigener Kenntnis des Senats, sondern auch aufgrund allgemeiner Erfahrung in der Regel überhaupt keine Schuhe erforderlich. Aber auch ansonsten ist nicht erkenntlich, warum Krankengymnastik nicht mit den vorhandenen orthopädischen Schuhen
bzw. Konfektionsturnschuhen möglich sein sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs. 2
SGG).